Deilinghofer Erntedankgottesdienst mit Abendmahl und Kirchenchor, 6.10.1996
1. Mal Liturgie M. Schreyer


Orgelvorspiel und Chor: Lobet und preiset/Abkündigung und Schreyer-Vorstellung
Lied 1: Nr. 498, 1-5
MS: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. AMEN.
FG: Unsere Hife steht im Namen des Herrn / DER HIMMEL UND ERDE ...

MS: Herr, Du lässest Wasser in den Tälern quellen, daß sie zwischen den Bergen dahinfließen, daß alle Tiere des Feldes trinken und das Wild seinen Durst lösche. Darüber sitzen die Vögel des Himmels und singen unter den Zweigen.
FG Du feuchtest die Berge von oben her, du machst das Land voll Früchte, die du schaffest.
14 Du lässest Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz den Menschen, daß du Brot aus der Erde hervorbringst,
15 daß der Wein erfreue des Menschen Herz und sein Antlitz schön werde vom Öl und das Brot des Menschen Herz stärke.
MS: Es warten alle auf dich, daß du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit.
28 Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie; wenn du deine Hand auftust, so werden sie mit Gutem gesättigt.
29 Verbirgst du dein Angesicht, so erschrecken sie; nimmst du weg ihren Odem, so vergehen sie und werden wieder Staub.
30 Du sendest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen, und du machst neu die Gestalt der Erde. Kommt lasset uns anbeten / EHR SEI...

Sündenbekenntnis: Herr, unser Gott, die Gaben auf dem Altar erinnern uns an deine fürsorgende Güte und Liebe. Nicht weil es die Natur will, sondern weil du es uns erlaubt hast, dürfen wir säen und ernten, arbeiten und genießen, forschen und finden, planen und produzieren. Deinem Segen verdanken wir alles, was wir haben. Vergib uns, Herr, daß wir unsere Erträge leicht als selbstverständlichen Erfolg unserer Arbeit betrachten und gedankenlos annehmen. Vergib auch, wo wir maßlos und selbstherrlich mit dem umgehen, was du uns gibst. Gib uns die rechte und dankbare Verwunderung darüber, wie reich du uns beschenkst und laß uns über den vielen Gaben, dich, den Geber und Schöpfer, nicht vergessen. Herr, erbarme dich unser.
KYRIE...

MS: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern zu allererst vom Schenken, Gewähren, Bewahren und Vergeben Gottes. Wenn er uns zuspricht: Ich bin und bleibe dein Freund; ich habe dich lieb - dann erfahren wir wovon wir leben. EHRE SEI GOTT IN DER ... ALLEIN ... Der Herr sei...
Chor: Schönster Herr Jesus
Gebet: Herr, wir sehen den geschmückten Altar, die Früchte, die Blumen, die Büchsen mit den nahrhaften Inhalten. Laß uns das zum Gleichnis dazu werden, daß wir bei all unsrer Arbeit und Leistung letztlich von deinem Segen und deiner Güte leben. Schenke, daß diese Erntedankstunde nicht nur ein Dankgottesdienst für die Nahrung des Leibes, sondern ebenso für die Nahrung der Seele wird, die du uns anbietest durch Jesus Christus, unsern Herrn...
MS Evangelium Lukas12 / Credo
Lied vor der Predigt, 551, 1-4 dann Predigt Lied 231, 1-4

Predigt zum Erntedankfest 4.10.96 Deilinghofen: Hebräer 13, 15-16
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und unserm Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde, manche hier werden sich erinnern, daß heute vor 14 Tagen ein Text aus Hebr. 11 zu predigen vorgeschrieben war in unsern Kirchen: Werfet euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat; Geduld aber ist nötig... In unserer Wegwerfgesellschaft darf Vertrauen niemals Wegwerfware werden, das war da vorgekommen in der Predigt, und ich hatte erklärt, daß damals - wie Hebräer 11 zeigt - in sehr kritischer Zeit die Riesengefahr bestand, Gott das Vertrauen zu kündigen, den Glauben aufzugeben, die Sache mit Jesus wegzuwerfen, eben weil in der Zeit der aufkommenden Christenverfolgung es den Leute zu viel kostete, sich dazu zu bekennen.
Dieser Rückblick auf den Text von vor 14 Tagen ist zum Verständnis des heute vorgeschriebenen Predigttextes zum Erntedankfest wichtig, denn der heutige Text stammt genau aus diesem Zusammenhang; der stammt zwei Kapitel später von der letzten Seite dieses Briefes, Hebräer 13, wo da alles zusammengefaßt wird in dem bekannten Wort: Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit; es ist ein köstliches Ding, daß das Herz festwerde, welches geschieht durch Gnade.
Und dann setzt der heutige Predigttext ein, der nur aus zwei Versen besteht, Hebr. 13, 15-16:
So laßt uns nun durch Jesus Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen. Gutes zu tun und mit andern zu teilen, vergeßt nicht; denn solche Opfer gefallen Gott.
Diese beiden Verse kann man auch mit der alten Ausgabe der Luther-Übersetzung so lesen:
So laßt uns nun opfern durch ihn das Lobopfer Gott allezeit, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen. Wohlzutun und mitzuteilen, das vergesset nicht, denn solche Opfer gefallen Gott wohl.
Wir beten: Herr, tu du meine Lippen auf, daß mein Mund deinen Ruhm predige. Segne du Reden und Hören. Amen.
Ja, liebe Gemeinde, man kann sich sehr vertun, wenn man Sätze aus dem Neuen Testament hört. Manche kräuseln ja die Nase etwas spöttisch, wenn sie so schwere Bibelsätze hören wie da eben. Aber Vorsicht: was da in der biblischen Sprache sehr fromm, steil und superheilig klingt, in feierlicher Opfersprache von Hebräer 13, das ist - mit Verstand betrachtet - gar nicht abgehoben, das hat einen harten Kern auf dem Boden der Tatsachen - einen sehr harten sogar: das Gefühl: "Ich glaub, ich fall vom Glauben ab", eben das, wovon wir vor 14 Tagen hörten in der Predigt. Das Lobopfer sollte man Gott bringen, so hörten wir, und die richtige Frucht der Lippen wäre: den Namen Jesus zu bekennen. Und das eben ist gar nichts Frommes, irgendwo hoch oben: nein, das konnte Mut kosten und Opferbereitschaft, das konnte sogar das Leben kosten unten auf der Erde, selbst ein Lippenbekenntnis zu Jesus konnte einen Menschen in Lebensgefahr bringen. Das ist der erste Schritt zum Auslegen dieses Textes: "Frucht der Lippen" ist da nicht nur ein altmodisches Bild, das ist eine harte Herausforderung an einen, der angefochtenen Glauben hat und ein Versprechen zugleich: Die Wort, die da aus dir herauskommen, die kosten Mut, aber sie sollen Frucht bringen. Und das Zweite in unserm Text, das kommt direkt hinterher und ist ebenso viel mehr als ein frommes Sprichwort in alter feierlicher Sprache: Wohlzutun und mitzuteilen, das vergesset nicht, denn solche Opfer gefallen Gott wohl. Da sollen also die Lippen Zeugen werden und die Taten mit den Händen entsprechend: die Lippen, die mitteilen und die Hände, die für andre Gaben teilen, beides ist ein Opfer, das Gott gefällt.
Wohlzutun und mitzuteilen, Gottes Lob mit Lippen und mit Händen, die teilen, darum geht's zentral im Hebräerbrief - bei der Art, wie man Gott richtig Opfer bringt. Doch bevor wir in die Welt von damals noch etwas tiefer einsteigen, die Welt der Christen im Römischen Reich in der Verfolgungszeit am Ende des 1. Jahrhunderts, an die der Hebräerbrief sich zuerst richtete, möchte ich zum Erntedankfest an zwei Beispielen aus der vergangenen Woche in Deilinghofen zeigen, was man hier wohltuend mitteilen kann und mitteilend wohltun kann, und was für uns ein wirkliches Opfer ist.
Früchte des Feldes und Dosen, Gemüse, Obst und Brot, auch vieles was bei den Landwirten hier gewachsen ist und geerntet wurde, das steht hier im Altarraum: ist zu sehen und zu riechen, all das, was durch unsere Hände geht und aber her von Gott kommt.
Lassen Sie mich an zwei exemplarischen Beipielen, an einem Stück Kuchen und einer Würstchendose predigen, in welcher Weise Gottes Gaben als Lobopfer im Sinne unseres Textes verstanden werden können, als Zeichen des "Gutes-Tun und mitzuteilen", wie's da steht. Und wenn - wie eben im Eingangslied - sogar ein kleiner Wurm schon predigen kann, dann kann es ein Stück Kuchen und eine Würstchendose allemal... Zuerst die Sache mit dem Kuchen: am Mittwochabend im erweiterten Männerkreis, wo auch Jugendliche und Frauen dabei waren, da wurde es unerhört spannend. Da merkte es der Letzte bald: Verfolgungszeiten, Zeiten, wo es Mut kostete, die Wahrheit zu sagen und sich zu bekennen, die gab's beileibe nicht nur am Anfang der Christenheit - und das da im Männerkreis, das war ein Musterbeispiel dafür, dieser schnauzbärtige 40jährige, der da zur Gitarre sang von Zweifel und Sehnsucht und ganz viel Mut, den Glauben, Matthias Storck, der erzählte und aus seinen Büchern las, der ließ da keinen kalt. In Stasihaft hatte er gesessen, in Cottbus im Loch 14 Monate lang, er, der Pfarrerssohn und Theologiestudent und im andern Knast seine Verlobte, weil sie den Mund nicht halten wollten und sich nicht verbiegen lassen wollten im Unrechtssystem der damaligen DDR. Im Loch hatte er gesessen, mein alter Freund und früherer Student in Münster, der heute Pfarrer ist in Ostwestfalen - und hier auch immer noch kämpft mit Leidenschaft, im Loch hatte er gesessen fast 1 ½ Jahre, ver-petzt von einem Stasispitzel, der selber Pfarrer war und sein Amt mißbrauchte. Und monatelang, so schilderte er's bei äußerst miesem Knastfraß kein richtiger Kontakt mit Menschen, kein Seelsorger, den er gebraucht hätte, keine Besuche. Ohne Verurteilung fühlt' er gehalten sich wie ein Tier. Bis Vater kam, und endlich kommen durfte, der Vater Storck, der auch ein Seelsorger war - und mit dem er unter strenger Aufsicht Worte wechseln durfte. Und diese Aufsicht drücke sogar ein Auge zu, daß Vater Storck was mitgebracht ihm hatte: Warmen Kaffee und Kuchen von zu Hause auch. Und Matthias schilderte dem Vater seine Not, daß ihm die Kommunikation ganz abging und daß er die Kommunion des Abendmahl hier dringender gebraucht hätte als je, und all das war da streng verboten. Und böse guckten die Aufseher, ob seine Lippen was Unerlaubtes von Glauben und Mut dort sagten. Doch der Vater hatte wortlos schon lange verstanden, und er nahm den Kuchen, dankte und brach das Stück Kuchen und gab es dem Sohn, "Christi Leib - für dich gegeben", und er nahm den Becher mit warmen Kaffee, ab ihm dem Sohn: "Trinket alle daraus - das Neue Testament in meinem Blut". Und dann beim Schlußsegen wußten die DDR-Knastwächter nicht wo sie die Hände lassen sollten: ob sie sie falten sollten oder den Pfarrer da abführn, aber der verabschiedete sich und ging: einer von denen mit einem festen Herz, das von Jesus weiß, der gestern, heute und in Ewigkeit die Macht hat, und der in diesem Geist sich dran hielt, wohlzutun und mitzuteilen, mit dem Sohn den Kuchen zu teilen, der Kuchen, in dem was von Jesus war, ein Opfer, das Gott wohlgefällt.
Zwei Tage später, liebe Gemeinde, am Freitag im Erntedank-Gottesdienst der Kindergartenkinder, da war es nicht ein Stück Kuchen, das predigte diese Dose Würstchen für die Kinder, und die verstanden's mit 5 oder 6 eher als die Großen vielleicht. Ich fing meine predigt an, und ich tat, als ob ich die Bibel aus der Tasche holte, aber da war nur diese Dose drin: 5 Würstchen in zarter Eigenhaut. Kann man denn über Würstchen predigen, fragte ich? Die Kinder lachten - und die Erwachsenen erst recht: denn klar, Würstchen haben nichts mit Gott zu tun und nichts mit Erntedank. Die kauft man für 2,80 bei Aldi oder Plaza... Doch bald schon merkten die ganz Kleinen, daß es anders ist! Es war eine Büchse, von einem Kindergarten-Elternpaar gespendet für die Armen - für Kinder in Rußland die Hunger haben - und woher kommt die Büchse wirklich - sie geht durch unsre Hände kommt aber her von Gott, denn das Schwein, woher das Fleisch stammt, hatte wachsen müssen und z.B. Kartoffeln fressen und Kartoffelschalen, und die hatte Gott wachsen lassen durch Sonne und Regen, und erst recht: wohin diese Büchse geht, das hat mit Gott zu tun: vielleicht zu einem Kind in Schelkowo, das Weihnachten mit seiner Familie Würstchen und Salat dann ißt, ein Kind, das sonst nicht jeden Tag Fleisch hat und sogar Hunger kennt, all das machten wir uns klar, an dieser simplen Dose Würstchen, die da predigte, so wie auch Kuchen predigen kann, und vielleicht - ja: ganz bestimmt - waren wir da mitten drin in unserm Text und mitten drin im Fest von Erntedank: Wohlzutun und mitzuteilen, das vergesset nicht, denn solche Opfer gefallen Gott wohl.
Und damit sind wir am Ende wieder bei unserm Text von Hebräer 13, dem Text, der ja zeigt, was ein richtiges Opfer ist: mit den Lippen und Händen. Die Klügeren unter den Bibelleser wissen vielleicht, daß der Hebräerbrief ein Schreiben ist, in dem unentwegt eingeschärft wird, daß christus der wahre Hohepriester ist, wo's keine religiöse Opfer mehr braucht, mit Verbrennen der Feldfrüchte und Verbrennen von Opfertieren: er ist Hoherpriester und Opfertier in einem für uns, ein für allemal. Aber das Lobopfer, das braucht man noch: daß unsere Lippen für ihn Frucht bringen und unsere Hände Gutes tun und mitteilen, das ist ein Opfer, wie's Gott gefällt. Gebe Gott, daß die Lippen von Pastor Schreyer und meine und andere Lippen hier mündig und mutig von Jesus was zu sagen haben, was Frucht bringt - und daß wir von daher das Wohltun und mitteilen zusammenhalten, daß wir uns sogar von einer Dose und einem Stück Kuchen was sagen lassen, was uns was gibt und daß wir genauso Brot und Wein annehmen beim Mahl, weil von Jesus was drin ist, sogar eine ganze Menge, für den, der's versteht. Amen.


Fürbittengebet: jeweils die ganze Gemeinde: WIR BITTEN DICH, HERR, ERHÖRE UNS.
FG: Herr, unser Gott, das ist bis heute so, wie wir es gesungen haben: Es geht durch unsre Hände, kommt aber her von Gott. Doch so oft gleichen wir den Kindern, die immer wieder das Danke-Sagen vergessen. Schenk uns Wachsamkeit und Sensibilität, die nicht alles als selbstverständlich nimmt, und laß uns dich als Quelle aller Gaben, als Quelle unserer Verantwortung und als Quelle unseres Lebens neu erkennen, das bitten wir zusammen, wenn wir beten: WIR BITTEN DICH, HERR, ERHÖRE UNS.
MS: Jede Gabe, Herr, aus deiner Hand ist auch eine Aufgabe. Schenk uns, daß wir da nicht egoistisch um uns selbst nur kreisen. Lehre du uns, zu teilen und mitzuteilen, denn die Frucht aus deiner Hand, die wir bis heute reichlich haben, ist nicht unser Besitz, das Brot, das du uns gabst, das ist zum Brechen und zum Teilen da. Herr Jesus Christus, laß du uns da an deinem Beispiel lernen, wie wir deinen Willen heute leben können. Das bitten wir zusammen, wenn wir beten: WIR BITTEN DICH, HERR, ERHÖRE UNS.
FG: Wir denken an unsere armen Patengemeinden in Schelkowo bei Moskau und in Wawasi in Ghana; fülle, Herr, auch da leere Hände. Und sende hier, Herr Jesus, Arbeiter in deine Ernte - in unsrer Gemeinde in Deilinghofen. Segne alle Mitarbeiter in den Gruppen und Kreisen hier und laß besonders auch die Arbeit, die Pastor Schreyer hier tut, un-ter deinem Segen stehn und ein Teil des Erntens sein, von dem du, Jesus, sprachst. Herr, steh hier besonders auch den Traurigen und Verzagten bei und komm uns allen nah in deinem Mahl. Das bitten wir zusammen, wenn wir beten: WIR BITTEN DICH, HERR, ERHÖRE UNS. Amen. 231, 5-6

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