Paul Axthelm (1876 - 1951), Pfarrer in Deilinghofen
vom Kriegs- und Hungerjahr 1917 bis in den Herbst 1929

von Friedhelm Groth
 

Veröffentlicht seit 12. August 2017 im Deilinghofer Käseblättchen (die bisherigen Folgen dort unter "Heimatgeschichte")
Nachträgliche Zusätze zur Papierausgabe und benutzte Quellen HIER; PDF-Datei (Druckversion, 12 Seiten HIER)

counter


  
Foto von Paul Axthelm oben - und unten: Beginn seines handgeschriebenen Lebenslaufs vom 1917, in Beendorf geschrieben.

1. Die Zeit vor Deilinghofen - Zu Axthelms Kindheit und Jugend, der Studienzeit und seinen ersten Amtsjahren
In Friedrich-Wilhelm Baucks (sonst immer sorgfältigem) Pfarrerbuch, dem biographischen Standardwerk über die früheren westfälischen Pfarrer, steht als Beruf von Paul Axthelms Vaters fälschlich Bauer, dazu ist der Geburtsort falsch geschrieben, und auch Axthelms Todesjahr 1951 ist dort nicht eingetragen. Das liegt offensichtlich daran, dass über den in Thüringen geborenen und dann in der gleichen Heimat (aber in der damaligen DDR!) gestorbenen Theologen die Lebensdaten schwieriger zu bekommen waren als bei den meisten anderen westfälischen Pfarrern mit "normalem Lebenslauf".

Zu Paul Axthelms Anfängen hier nur so viel: Geboren wurde er als Sohn eines Revierförsters am 2.2.1876 in Wohlmirstedt (damals Thüringen, heute Sachsen-Anhalt [zur Familiengeschichte der Axthelms in Thüringen vgl. HIER]). Als begabter Schüler wurde er von seinem Pfarrer in besonderer Weise gefördert, und er wurde dann sogar Absolvent des berühmten Internatsgymnasiums Schulpforta und schließlich Theologiestudent in Berlin, Greifswald und Halle. 1899 und 1902 bestand Axthelm die beiden theologischen Prüfungen, war zunächst Provinzial-Vikar, dann Stiftsprediger in Halberstadt, seit 1908 Landpfarrer in Eschenrode bei Haldensleben und schließlich in den Jahren von 1912 bis 1917 Pfarrer in Beendorf.

1905 hatte er seine Frau Elisabeth geb. Büdefeld geheiratet. Dem Ehepaar wurden vier Söhne geschenkt: Günter und Klaus Axthelm, 1907 und 1908 beide in Halberstadt geboren, dann der spätere Pfarrer Jochen-Henning Axthelm, 1912 in Eschenrode geboren, und schließlich Melchior Diedrich Axthelm, der 1921 in Deilinghofen geborene Sohn (mit einem in Deilinghofen damals beliebten Vornamen!).

Bei einer Reise war der Thüringer Paul Axthelm einmal nach Westfalen gefahren und hatte in Deilinghofen Station gemacht. Als er später von der Vakanz in Deilinghofen hörte - nach der Amtszeit Pfarrer Niederstein - bewarb er sich um die Stelle und gewann die Wahl knapp gegen zwei Mitbewerber. Uns liegt ein Briefwechsel aus dem Kriegs- und Hungerjahr 1917 vor, den Axthelm von Beendorf mit dem damaligen Kirchmeister Pütthoff führte. In den Briefen kann man lesen von den Schwierigkeiten, in widrigen Zeiten mit so einer großen Familie aus Thüringen nach Westfalen überzusiedeln. Ausführlich fragt Axthelm nach: Wie genau das Pfarrhaus sei, und was im Keller noch an Vorrat liege, Obstgläser, Kartoffeln usw. Jedenfalls kam im Jahre 1917 die von zwei Tieren gezogene Pferdekutsche mit der fünfköpfigen Pfarrersfamilie in Sundwig an der Turnhalle an, und dort wurden sie von allen Deilinghofer Schulkindern begrüßt und fast vom gesamten Dorf, und in einem wahren Triumphzug hat ihn die große Menge ins Dorf hochgeführt. Mit dabei waren auch die Schuljungen Erich Heetfeld, Albert Ziegenhirt und Wilhelm Sirringhaus, von deren Erfahrungen mit dem neuen Deilinghofer Pfarrer nun im zweiten Abschnitt zu erzählen ist.


2. Erinnerungen von Deilinghofer Zeitgenossen an Pfarrer Axthelm…
Richtig plastisch kommt über die Deilinghofer Jahre von Pfarrer Axthelm in Erinnerungen viel zutage. Der ehemalige Deilinghofer Schmied und Kirchmeister Wilhelm Sirringhaus (1909-2001; Foto rechts), ferner Erich Heetfeld aus Apricke (1910-1984) und der Rechtsanwalt Dr. Albert Ziegenhirt (auch 1910 geboren und am Brockhauser Weg - dem damaligen Pfarrhaus gegenüber wohnend - aufgewachsen) sind drei fast gleichaltrige Deilinghofer, die sehr viel mit Pfarrer Paul Axthelm zu tun hatten. Sie haben mir seinerzeit in intensiven Interviews sehr viel über das Wirken Paul Axthelms in Deilinghofen im Verlauf seiner Amtsjahre von 1917 bis 1929 erzählt. Ferner konnte ich zurückgreifen auf eine Akte mit familiengeschichtlichen Forschungen, die mir der aus Hemer stammende Erforscher der Deilinghofer Heimatgeschichte Herbert Schulte (1906-1992) zu treuen Händen übergeben hatte. Dazu kamen Dokumente über Pfarrer Paul Axthelm, die uns das Archiv der Westfälischen Landeskirche in Bielefeld zur Verfügung stellte.

"Wir sind auch mit ihm in den Wald gegangen - auch hier in Apricke, und er hat mit uns Pilze gesucht. Und es war etwas Besonderes, dass wir uns hingesetzt haben, und er las uns das Buch ‚Die Biene Maja' vor; das ist nämlich ein altes Buch - lange vor der Fernsehsendung! Und er kam sehr oft zu uns nach Apricke in unser Elternhaus! Mein Vater war am 1.1.1876 geboren, und der Pastor am 2.2.1876 - das war der ulkige Anlass gegenseitiger Verbundenheit." So schilderte der Apricker Erich Heetfeld Szenen aus seiner Kindheit.

Dr. Ziegenhirt war von seinem Nachbarn, wenn er ihn im großen Pfarrhaus gegenüber besuchte, das er sehr bewunderte, besonders auch intellektuell fasziniert "Der war Förstersohn aus Thüringen, der kannte alle Pilze und alle Vögel, phänomenal!", so schilderte er die Fähigkeiten des Pfarrers im Interview im Oktober 1992, und er fügte hinzu: "Mehr noch: Pastor Axthelm hatte als Junge die berühmte Eliteschule Schulpforta absolviert. Da war er ein ‚perfekter Lateiner' und ein ‚perfekter Grieche' geworden". Damit spielte Ziegenhirt auf die immensen Sprachfähigkeiten Axthelms an: "… in Schulpforta war die Unterrichtssprache in der Unter- und Oberprima ausschließlich Latein!" Wie vorher Heetfeld, so schilderte auch Dr. Ziegenhirt Axthelm als einen beeindruckenden, aber sehr strengen Pastor. "Er war auch leicht jähzornig", ergänzte Dr. Ziegenhirt: "Dann musste die Pfarrfrau Elisabeth Axthelm manchmal in der Gemeinde wieder für ‚gut Wetter' sorgen!".

Bei vielen Besuchen im Hause Sirringhaus in der Schmiedestraße erzählte der frühere Kirchmeister Wilhelm Sirringhaus, Bild rechts), dass er in seiner Jugend das Pfarrhaus gut kannte und mit den Söhnen Axthelms, die in der Nachbarschaft wohnten, eng freundschaftlich verbunden war, besonders mit fast gleichaltrigen Klaus Axthelm. Aber auch mit dessen vier Jahre jüngerem Bruder Pfarrer Jochen-Henning Axthelm (1912-1987) behielt er bis zuletzt intensiven Kontakt, durch Besuche und brieflich.

Dass Axthelm hochbegabt und eine Geistesgröße war, kam bei den Zeitzeugen, die ihn erlebt hatten, immer wieder zur Sprache, auch sehr oft, dass er gewaltig und deutlich zu predigen verstand. Manchen war es freilich auch zu deutlich, so schon im Jahr 1922. Da wurde er von 14 Deilinghofer Bauern bei der Kirchenobrigkeit angezeigt, er habe die hiesigen Landwirte des Wuchers beschuldigt, dass sie ihre Feldfrüchte lieber nach außerhalb lieferten, wo sie mehr einnähmen, und im Dorfe müsse man hungern. Der Presbyter und Bauer Schulte-Platthaus vornan als Axthelm-Kritiker und viele andere haben ihm solche Predigten übel genommen. Auch dass er sexuelle Aufklärung in behutsamer Weise bei den Konfirmanden versuchte, nahmen einige ihm übel, aber auch das, dass er "in salopper Kleidung" im Casino bei Ruprecht in Hemer Billard zu spielen pflegte.

3. Weiteres zum Wirken Pfarrer Paul Axthelms in Deilinghofen
Gleichwohl spielte Axthelm in der Gemeinde und in der Öffentlichkeit darüber hinaus eine beträchtliche Rolle. Blättert man den "Märkischen Landboten" in den alten Ausgaben von 1917 bis 1929 durch, so kam dieser Deilinghofer Pfarrer in der Zeitung recht oft vor. So liest man z.B. im Jahr 1920, dass Axthelm - vom westfälischen Oberpräsidenten legitimiert - die offizielle Pilzprüfungsstelle für den Bereich Iserlohn bis Arnsberg unterhalte. 1923 lesen wir dass er in Hemer der 1. Vorsitzende des neu gegründeten Heimatbundes geworden sei, und in dieser Zeit - so liest man da auch - hatte der rührige Axthelm auch im Kirchenanbau am Eingang der Stephanuskirche das Christus-Mosaik mit dem Gedenken der Weltkriegsopfer anbringen lassen.
 



Die bekannte Deilinghofer Kirchenkachel mitsamt der Finger-Daumen-Ellenbogen-Glocke, die Axthelm der Gemeinde verschaffte;
Glockenweihe vor Weihnachten 1926.


Ein anderes großes Verdienst war es, dass die in Kriegszeiten eingeschmolzene Glocke im Dezember 1926 durch eine neue Glocke ersetzt werden konnte, was zu dieser "Benjaminglocke" das Käseblättchen früher schon ausführlich berichtete. Es ist die Glocke mit der Inschrift: "Mein Finger mein Daumen mein Ellenbogen / Der uralte Spruch im Sturmwind verflogen / Nun singe dem Herrn der Herrlichkeit / Dein ehernes Lied in neuen Strophen / In schwerer Zeit sei Gott geweiht / Die jüngste Glocke von Deilinghofen". Kurz vor Weihnachten 1926 fand das Fest der Glockenweihe statt, von dem auch der Märkische Landbote berichtet. Durchaus beeindruckend ist das Foto (unten), das diese Glocke vor dem Eingang der Stephanuskirche zeigt, zusammen mit Pfarrer Paul Gobrecht in der Mitte und seinen Zylinder tragenden Presbytern (von links: ) Karl Gockel, Wilhelm Kahler, Gustav Schulte, Dietrich Busch, Gustav Eppmann und Gustav Mündelein sowie (barhäuptig) Kirchenküster Wilhelm Kaiser.
 


Allen seinen beeindruckenden Verdiensten zum Trotz hatte es Axthelm nicht immer leicht mit seinen Presbytern - und sie nicht mit ihm. Für eine Verfehlung, die ihm vorgeworfen wurde, gab es sogar gerichtliche Konsequenzen, die aber schließlich zu einem Freispruch führten. Wir lesen in den Akten, dass er zum Schluss beurlaubt wurde und ihm die Möglichkeit gegeben wurde, sich eine neue Gemeinde zu suchen. Das tat er mit Erfolg in seiner Heimatprovinz.
Axthelms Abschiedspredigt, seine letzte Predigt in der Stephanuskirche, fand am 17. November 1927 statt. Wenig später, am 30. November 1927, wurde aus Respekt vor Axthelms Wirken die gesamte Predigt in der Zeitung abgedruckt, mit dem Hinweis, dass "der begabte Prediger, der begeisterte Natur- und Heimatfreund" auf den Tag vor einem Vierteljahrhundert in Thüringen ordiniert wurde - am 30. November 1902. In der Predigt dachte Axthelm zurück an seine ersten Anfänge 1917 in Deilinghofen in einer schöneren Jahreszeit, wo ihm Deilinghofen wie ein blühender Garten vorgekommen wäre. "Wer wollte es mir verdenken, dass ich damals bei mir sagte: ‚Wahrlich, dieser Ort ist ein kleines Paradies, in dem keine Giftschlange tückisch lauert!' " Genau das aber sähe jetzt 1927 "im undurchdringlichen Novembernebel" sehr anders aus…

4. Zu Pfarrer Axthelms Zeit nach Deilinghofen (1927 bis 1951) und seinen Nachkommen
Aus der "Zeit nach Deilinghofen" kam ja schon in Abschnitt 2 zu den dort genannten Zeitzeugen einiges zur Sprache, auch dass vieles aus Axthelms Zeit bis Ende jenes Jahrhunderts unvergessen blieb. Im März 1981 erschien von Karl Pollmann sogar eine kleine plattdeutsche Anekdote über Pastor Axthelm in der Heimatzeitschrift "Der Schlüssel", dass es die Deilinghofer mit ihren Pastoren schwer hatten (bzw. umgekehrt), und dass da Axthelm ein Musterbeispiel dafür war, auch weil er sich ‚in den Bergen' und als ‚Naturforscher' besser ausgekannt hätte als in der Kirche (was sicherlich kein faires Urteil ist).

Am 1.11. 1929 wurde Axthelm als Pfarrer der Kirchengemeinde Hassenhausen (heute zu Naumburg-Bad Kösen gehörig) eingeführt (Bild links aus dem Wikipedia-Artikel Hassenhausen zeigt das Pfarrhaus, das heute das Museum beherbergt: das Hassenhausener Pfarrhaus mit der dortigen Gedenkstätte der Schlacht von Jena und Auerstedt 1806). In einem Brief an Herbert Schulte in Hemer erinnert sich im Februar 1978 der Sohn Pfr. Jochen-Henning Axthelm an des Vaters Weg nach der Deilinghofer Zeit: Es "drängte ihn … wieder zurück in die Thüringische Heimat. Dort wurde er ein beliebter Prediger, der er auch in Westfalen gewesen war."

Der Sohn - selbst stark kriegsversehrt - betont in dem Brief, dass der Zweite Weltkrieg die Eltern Axthelm extrem zugesetzt habe: alle drei anderen Söhne seien als Soldaten ums Leben gekommen. Und er beschreibt, wie der Vater - bis zuletzt im Pfarramt - dann starb am 16.11.1951 im Krankenhaus in Naumburg. Den Trauergottesdienst hielt der Superintendent aus Eckardtsberga in der Hassenhauser Kirche, wo Axthelm aufgebahrt war. Die kommunistische Bürgermeisterin des Ortes legte an Pfarrer Axthelms Grab einen Kranz nieder mit dem Satz: "Dem besten Deutschen unseres Dorfes!". Zwölf Jahre nach Paul Axthelm starb auch die Ehefrau Elisabeth Axthelm; sie wurde neben ihrem Mann beigesetzt, und auf dem Grabstein für beide steht das Wort "Dennoch", das auf Psalm 73, 23 verweist: Dennoch bleibe ich stets an dir....

Enkel von Pfr. Paul Axthelm und Sohn des genannten Pfarrers Jochen-Henning Axthelm ist der Arzt Dr. Hans-Henning Axthelm (geb. 1941), der nach der Wende als thüringischer Minister für Soziales und Gesundheit sehr bekannt wurde und der 1992 nach Querelen zurücktrat. Viele telefonische Auskünfte verdanken wir Dr. Hans-Henning Axthelm, die er uns in den letzten Wochen telefonisch gab.


 


Zusätze textlich und in Bildern (alles, was nicht in die August-Ausgabe des "Käseblättchens" kam)

Ein Feedback zu obiger Darstellung des Lebens von Pfarrer Paul Axthelm, Mail (geschrieben am 5.8.2017) vom Enkel Dr. Hans-Henning Axthelm, Eisfeld (Wikipedia-Artikel m. Bild zu ihm, dem früheren Minister, HIER):


Sehr geehrter lieber Herr Pfarrer Groth,

es war für mich eine sehr berührende Erfahrung, einiges aus der Familienvorgeschichte zu erfahren zu einem Zeitpunkt, an dem  die Erinnerungen an Großvater Paul  schon deutlich verblasst waren. Wenn man wie ich derzeit fast der Älteste  in der Familienpyramide ist, kann man ja auch kaum noch jemand finden, der dieses Verblassen aufhalten oder vielleicht  ungenau erinnerte Dinge korrigieren könnte. Da fehlt mir besonders meine bis zum Januar diesen Jahres noch lebende Mutter [vgl. zu Ihr die eindrucksvolle Karte von 1992], mit der ich sicher das Eine oder Andere noch gut hätte besprechen können, denn sie war trotz ihres hohen Alters (100!) geistig noch recht gut beieinander. Ich habe also mit großem Interesse Ihren Beitrag gelesen, dessen Fakten wir ja z.T. schon in unseren Telefonaten besprochen hatten. Ich finde jedenfalls keinen sachlichen Fehler, der zu korrigieren wäre und stelle – vielleicht sogar ein wenig neidvoll – fest, dass Sie wohl inzwischen mehr über meinen Großvater Paul wissen, als ich selbst. Es ist eine freundliche Übertreibung, wenn Sie in dem Beitrag schreiben, dass Sie mir wichtige Informationen verdankten. Sie müssen bedenken, ich war bei seinem Tod ein Bub von 10 Jahren, der natürlich die Welt mit einem sehr eigenen Blick betrachtete. Andererseits war ich schon aus Gründen der nackten Versorgung in dieser Nachkriegszeit  oft wochenlang bei den Großeltern in Hassenhausen Gast im Hause und erinnere mich an sehr viele private Dinge bzw. sind die mir jetzt angestoßen von Ihrer Arbeit wieder in Erinnerung gekommen.
Ein wichtiger Gesichtspunkt, der bislang nicht erwähnt wurde, war seine Leidenschaft für die Philatelie. Ich erinnere mich an leidvolle Erzählungen meiner Großmutter, dass diese oft nicht gewusst hätte, was sie Essbares auf den Tisch bringen sollte, währen ihr Mann mit dem Fahrrad nach Naumburg zu einem Briefmarkenhändler geradelt sei,  um eine „unwiederbringliche“ Gelegenheit zum Erwerb einer ganz  besonderen Briefmarke zu nutzen und sich dabei noch nicht einmal einen Schluck Limonade oder Ähnliches unterwegs geleistet hätte. Wir Enkelkinder, meine Schwester Christa ( geb. 1939) und ich  sowie die drei Enkeltöchter von Sohn Klaus (Gisela, Bärbel und Marlies) – wurden vom Opa oft mit sehr langen Erklärungen seiner Briefmarken in Anspruch genommen, was uns nur sehr wenig beglückte!!! Aber die Briefmarken spielten in der Familie von Paul eine ganz wichtige nicht immer nur positive Rolle, die vielleicht nicht ganz unerwähnt bleiben sollte. Seine andere große Leidenschaft die Pilze haben Sie ja ausgiebig gewürdigt.

Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich Ihren Beitrag an meine zwei Jahre ältere Schwester weitergebe, die kann vielleicht wegen des Altersvorsprungs sich noch an wichtige Dinge erinnern und würde die Ihnen gegebenenfalls noch zuleiten, zumal Sie ja offenbar weiter an dem Thema arbeiten wollen, wenn ich Sie richtig verstanden habe.

Seinen Sie herzlich gegrüßt

Hans-Henning Axthelm     
 

Die Deilinghofer Zeit der Familie von Pfarrer Paul Axthelm - Rückschau auf das Dorf am Felsenmeer in zwei Postkarten aus Eisfeld, geschrieben 1987 und 1992, geschrieben von Dr. Hans-Henning Axthelms Vater Pfarrer Jochen-Henning Axthelm (1987) und dessen Ehefrau Elisabeth Axthelm (1992)
Eisfeld, den 18.2.1987
Lieber Willi! [gemeint ist der Freund seit Kindertagen Schmied und Kirchmeister Wilhelm Sirringhaus - derselbe hatte dem Pfarrer und Jugendfreund zwei Bilder in die damalige DDR geschickt, die er von mir hatte: das Bild der Axthelm-Abschiedspredigt von 1926  und das Bild der Presbyter und des Pfarrers vor der Glocke - beide oben zu sehen...]
Du hast mir eine ganz große Freude gemacht, als Du mir das Zeitungsbild von damals 1926, jetzt abgebildet, und die wunderbare Aufnahme von der mir unvergeßlichen Kirche geschickt hast, in der ich in demselben Jahr von meinem Vati konfirmiert wurde, obwohl ich ja in demselben Jahr schon nach Thüringen in das Internat Schulpforta gekommen war. Die Kindheit war da um, und das wenige Tage nach dem Geburtstag meines Vaters, er wäre heuer 111 Jahre alt geworden.
War der Mann auf dem Bild rechts nicht der Küster Kaiser, der zwischen Habermann und der Post hernach wohnte, dessen Tochter ... Schneiderin war [er meint Liesel Lange, geb. Kaiser]. Der Küster hörte außerordentlich schwer u. war darum manchmal empfindlich und unfreundlich. Ich war oft der Bote meines Vaters an ihn. Ich meine, sein Name war Kaiser?
Der ganze Tag war wie verzaubert für mich. Beides steht auf meinem Schreibtisch unter dem eisernen Kruzifixus meines Vaters, das da vor der Schreibunterlage steht und ist lebendige Vergangenheit, wenn ich hin schaue.
Habe sehr, sehr herzlichen Dank, Gott segne Dich dafür mit Deinen Lieben mal besonders. Es wäre schön, wenn Du mir mal ein paar Karten von Deilinghofen schicktest, die es doch sicher gibt! Im Alter hängt man ja sehr an der Kindheit!
Dir und Deiner Erna sehr herzliche Grüße
Dein Henning und Frau Liese

E. [Eisfeld - Ansichtskarte aus dem Ort], 13.10.92
Lieber Herr Pfarrer! [Pfarrfrau Elisabeth Axthelm - die dieses Jahr mit 100 Jahren starb, an FG als Deilinghofer Pfarrer - ihre Schwiegermutter war kurioserweise auch "Pfarrfrau Elisabeth Axthelm". Elisabeth Axthelm d.J. bedankte sich bei mir ebenfalls für eine "Heimatsendung" aus Deilinghofen - unter anderem Heft 2 der "Blätter zur Deilinghofer Kirchengeschichte", die 1991 erschienen waren.]
Von 1 kl. Herbstreise im Thüringer Wald bin ich zurück u. hab mit Freude Ihre Sendung begrüßt. Ja, ich dachte ehrlich, da sei doch längst Zugesagtes verloren gegangen. Denn so schlimm wars ja dann doch nicht, dass meine Post den Querelen zum Opfer fiel [sie meint die Querelen beim Rücktritt ihres Sohnes als Minister; darüber hatten wir am Telefon ausführlich geredet]. Es ist zunächst wieder Ruhe eingekehrt [...] [...]
Ich danke Ihnen für die ganze Sendung, es interessieren mich, besonders, auch die mir noch persönlich od. vom Erzählen der Axthelme bekannten Familien- und geographischen Namen. Nahm doch m. Schwiegervater doch den kleinen Buben Henning [ihren Ehemann viel auf seinen Überlanddienst- und Pilzwegen mit. M. Mann konnte sich sehr sehr gut an alles oder sehr vieles erinnern. Und 12 Jahre Deilinghofen waren ja im Leben der Familie Axthelm ein gutes Stück ihres Dienstlebens.
Mein Mann war als Pförtner [gemeint: Schulpfortaer] Internatsschüler zwar nur noch in den Ferien zu Hause, das aber doch dann immer sehr gern im sehr großen Pfarrhaus [Bild unten!].
Mit umseitiger Vorstellung unserer kleinen Stadt [auf der Ansichtskarte] - einst am Rande der Welt, heute fast im Mittelpunkt unseres Vaterlandes! - grüße ich Sie freundlich u. wünsche Ihnen gute, erfolgreiche Zeit bei Beginn der Weiterarbeit.
Ihre Elisabeth Axthelm

Das villenähnliche Pfarrhaus (Bild unten) wurde mit Finanzen aus der Familie von der Becke gebaut, in die Pfr. Niederstein eingeheiratet hatte, danach wurde das Haus von der Kirchengemeinde als Pfarrhaus erworben.
In diesem Pfarrhaus wohnte also zuerst die Familie von Pfarrer Niederstein und nach dessen Amtszeit Pfr. Axthelm, die Pfarrfrau Elisabeth Axthelm und deren Söhne. Das Haus stand seinerzeit am Brockhauser Weg in Richtung Brockhausen etwas unterhalb der Schule. Der Pfarrgarten - er ging bis an die Mauer des Schulgrundstücks, so Ursula Franke, Jahrgang 1927 - umfasste insgesamt nicht weniger als drei Morgen (!) Land.
Diese Größe des Grundstücks schreibt aus seiner Erinnerung Axthelms Sohn Jochen-Henning Axthelm im genannten Brief von Februar 1978 an Heimatforscher Herbert Schulte in Hemer. Dass Paul Axthelm im Hungerjahr 1917 der große Garten und dessen Erträge interessiert haben (vgl. den genannten Pütthoff-Briefwechsel von 1917), kann man gut verstehen!
Der genannte Rechtsanwalt Dr. Albert Ziegenhirt wuchs gegenüber auf in dem Haus, in dem er bis zu seinem Tode wohnte, und er beschrieb das Haus, er habe es in Kinderzeiten, wenn er dahin kam, als palastähnlich empfunden.
Zuerst hat auch noch Axthelms Nachfolger Pfr. Karl Gobrecht in diesem Haus gewohnt, dann wurde das jetzige Pfarrhaus in der Pastoratstr. gebaut, und das hier gezeigte Haus am Brockhauser Weg wurde in Deutschlands unseliger Zeit das NS-Parteiheim.
 

Vom Ehepaar Paul und Elisabeth Axthelm haben wir als Bild nur eine Kopie von der Kopie (zeigt unserer Erinnerung nach das Silberpaar Axthelm; Original irgendwo im Deilinghofer Kirchenarchiv):



Zur umfangreichen Familiengeschichte der Axthelms: Nach der Erstellung des gedruckten Käseblättchen-Zeitungsartikels kamen wir auf die Nebenspur, nach der gesamten  umfangreichen Familiengeschichte der Axthelm in Thüringen zu fragen: Es handelt sich um ein großes Bauerngeschlecht, um dessen Erforschung und um dessen Zusammenhalt in der Gegend rund um Naumburg ein anderer Pfarrer Axthelm, nämlich Heinz Axthelm in Eckhardtsberga, seit den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts sich Verdienste erwarb.
Vgl. den großen Zeitungsartikel "Axthelms treffen sich am Ursprung in Ostramondra-Rettgenstedt" vom Axthelm-Familientreffen im Mai 2016 HIER: http://soemmerda.thueringer-allgemeine.de/web/soemmerda/startseite/detail/-/specific/Axthelms-treffen-sich-am-Ursprung-in-Ostramondra-Rettgenstedt-399510804
Die in diesem Artikel genannten Christina Axthelm und ihr Ehemann H. Buntfuß informierten mich telefonisch umfangreich über den jahrhundertealten Familienverband der Axthelms und schickten ein Gruppenfoto des Axthelmschen Sippentreffens von 1939, das Pfarrer Heinz Axthelm initiiert hatte (auf dem Gruppenbild der Herr links außen in der dritten Reihe mit Fliege.
Dr. Hans-Henning Axthelm, der Enkel von Paul Axthelm,  kommentierte: „Ja, auf dem Bild vom Axthelm-Sippentreffen glaube ich meine Großmutter Elisabeth Axthelm zu erkennen, und zwar in der ersten Reihe vorn rechts außen die recht stattliche Dame“).


  

Auch das folgende Foto vom "Axthelm-Gedenkstein" in ihrem Heimatort - "Bauerngeschlecht Axthelm, nachweisbar seit 1539" - verdanken wir dem Ehepaar Buntfuß/Axthelm:

In Eckhartsberga in der dortigen Kirche auf der Kanzel wirkte der eben genannte und gezeigte Pfarrer Heinz Axthelm (der mit der Fliege) und ein historischer Vorfahr Axthelm vor ihm, wie die dortige Pfarrerin Bettina Plötner-Walter in ihrem Artikel "Unsere Kanzel in Eckartsberga und Pfarrer Axthelm" schilderte (zu finden mit Bild des Altars auf der Webseite  http://www.pfarreebg.de/page1.php - bisschen runterscrollen!):

Die 14 Deilinghofer Bauern, die im November 1922 gegen Pfr. Paul Axthelms "Wucherpredigt" beim Superintendenten protestierten (letzter Abschnitt des Schreibens und Unterschriften):



 

 

Die Deilinghofer und ihre Pastöre - oder wie Pfarrer Axthelm im Winter den Gottesdienst ausfallen ließ .Anekdote aus der Hemerschen Heimatzeitschrift "Der Schlüssel", 26. Jahrgang, 1983. Heft 1 (März), S. 19:


Zusatz zur Glockenweihe im Dezember 1926; wie die Glocke nach Deilinghofen kam
(aus dem Märkischen Landboten):

„Kurz nach 9 Uhr hatte sich der Zug vom Bahnhof Hemer aus in Bewegung gesetzt. Das Presbyterium unter Führung von Pfarrer Axthelm gab der Glocke, die auf einem festlich mit Tannenreis geschmückten, mit acht Pferden bespannten Wagen ruhte, das Geleite. Fünf schmucke Reitergestalten bildeten den Vortrab, weiterhin folgten zwei Kutschwagen. Gegen 10 Uhr wurde der Zug an Deilinghofens Grenze von den Schulkindern empfangen; in großer Prozession ging es dann zum ehrwürdigen Kirchlein, wo gegen 10.40 Uhr die Feierlichkeit der Glockenweihe begann.[...]
Nahezu die ganze Gemeinde hatte sich vor dem Kirchplatz ein Stelldichein gegeben. Deilinghofens jüngste Glocke wurde allseits bestaunt und bewundert. Die Glocke, die in der Glockengießerei Rinker in Sinn (Dillkreis ihre Geburtsstunde hatte, trägt zunächst folgenden Sinnspruch: 'Mein Finger, mein Daumen, mein Ellenbogen, der uralte Vers vom Sturmwind verflogen, nun singe dem Herrn der Herrlichkeit dein uraltes Lied in neuen Strophen; in schwerer Zeit sei Gott geweiht, die jüngste Glocke von Deilinghofen.' Darunter finden sich folgende Namen: 'Pfarrer Axthelm, Eppmann, Busch, Schulte, Kahler, Gockel, Mündelein' und, groß und wichtig: 'Weihnachten 1926'. An der anderen Seite steht es lebenswahr geschrieben: 'Der Krieg schlug dich nieder - 1917, die Liebe schuf dich wieder - 1926' “. Die ganze Glockenweihrede, die nach dem gemeinsamen Lied "Süßer die Glocken nie klingen" Pastor Axthelm „in wohlgeläuterter Rede hielt“, ist in diesem aufschlussreichen Zeitungsbericht abgedruckt. Vgl. zum Thema auch  www.pastoerchen.de/glocke.htm
 

Pfarrer Paul Axthelms Abschiedspredigt von 1929 im Märkischen Landboten:


 

 

Benutzte Quellen:
-
Mündliche und schriftliche Infos der oben bereits Genannten
-
Archivmaterial aus dem landeskirchlichen Archiv Bielefeld der EKvW, u.a. darin Paul Axthelms  handgeschriebener Lebenslauf "Curriculum vitae", verfasst im März 1917 in Beendorf
- Sammelordner "Axthelm", den der Heimatforscher Herbert Schulte aus Hemer uns vor seinem Tod zu treuen Händen überlassen hat; daraus auch viele Erarbeitungen aus dem Deilinghofer Kirchenarchiv sowie Befragungen von Zeitzeugen
- Diedrich Heer, Geschichtliches und Volkskundliches aus meinem Heimatdorf Deilinghofen. Jahresarbeit von Diedrich Heer, Oberprimaner am Realgymnasium Iserlohn. Deilinghofen im September 1933 (67 Seiten, masch.), dort besonders S. 35 f., dort nimmt der Oberprimaner den umstrittenen und seines Erachtens sehr engagierten Pfarrer vehement in Schutz im Blick auf "einige Leute, die glauben, dass sie Deilinghofen regieren könnten" (S. 36).
- Karl Pollmann, Dai Deilinghuöwer un iähre Pastäuers, in:  "Der Schlüssel", 26. Jahrgang, 1983. Heft 1 (März), S. 19
- "... so läuten die Glocken von Deilinghofen". Zu den ersten zwei Jahrhunderten der evangelischen Kirchengemeinde Deilinghofen 1565 bis 1765 (Blätter zur Deilinghofer Kirchengeschichte, Heft 2), hg. von F. Groth, P. Kramme, H. Vicariesmann unter besonderer Mitarbeit von H. Schulte, Deilinghofen 1991, dort besonders S.10 - 18.
- Paul Kramme, Aus der Heimat für die Heimat. Märkischer Landbote / Hemersche Zeitung Juli 1918 - Juni 1934, Hemer 2013, zu Paul Axthelm: S.57 f. 65, 85, 105 f., 163, 172, 185, 217, 242 und 368

 

---
Nachtrag aus einer Mail aus Hemer-Sundwig vom 12.8.2017:
„[…] haben Sie vielen Dank für die Übersendung des Artikels über Pastor Axthelm, der mit meinem Großvater Eduard v. d. Becke befreundet war (beide waren Portenser) und der ihm 1924 auch die Grabrede (die ich noch besitze) gehalten hat. Ob er auf Vermittlung meines Großvaters nach Deilinghofen gekommen ist, weiß ich allerdings nicht und will es daher nicht behaupten. Denkbar wäre jedoch, daß mein Großvater ihn von dem (geplanten) Weggang seines Schwagers Niederstein von Deilinghofen unterrichtet hat. Aber das ist Spekulation […]
Ihr
Günter Kriependorf“.

---

Was Pfr. Paul Axthelm in seiner Beziehung zur Familie von der Becke angeht, setzt FG Bemerkungen von Paul Axthelms Sohn Pfr. Henning-Jochen Axthelm an Herbert Schulte Hemer (aus Schalkau am 14.2.1978) hinzu:
„Als ich bei meinem Besuch in Sundwig Frau Adele von der Becke, ehemals Mitbesitzerin des Messingwerkes in Sundwig, in ihrem Siedlungshaus besuchte und hochbetagt antraf, sagte sie zu mir: ‚Wissen Sie, daß Sie einen hochbegabten Vater hatten, dessen Predigten mir unvergeßlich geblieben sind und vielen anderen auch?‘ “.