In Sundwig geboren: Friedrich von Romberg (1729-1819), der Sklavenhändler aus dem Sauerland und Mitbegründer von Stephanopel

von Friedhelm Groth
(Zusammenstellung meiner bisherigen Recherchen zum Thema - neuester Stand der Forschung, besonders nach den Arbeiten von Dr. Magnus Ressel - Stand 14. März 2021)

Viele der unten genannten Links haben es mit Stephanopel zu tun und kommen auf meiner Website www.stephanopel.de vor.
 


Der jüngste Beitrag zu Friedrich vom Romberg stammt vom Journalisten Andreas Thiemann und stand am 14.03.2021 in der "WAZ am Sonntag" bzw. im "IKZ am Sonntag" (Digitalausgaben). Dieser Titel "Der Sklavenhändler aus dem Sauerland", auf den der Chef der "WAZ am Sonntag" hier im Video verweist, ist als PDF-Datei (zwei Seiten) zum Download HIER zu haben - und der gleiche Artikel ist darüber hinaus am Ende dieser Webseite HIER nachzulesen und zu betrachten.





Friedrich von Romberg - Screenshot aus der unten genannten Videoserie von Dr. Magnus Ressel



Seit dem Jahr 2012 ist im Raum Hemer über die historische Gestalt des Friedrich Romberg (ab 1784: Friedrich von Romberg) einige Male etwas veröffentlicht worden. das den in Sundwig geborenen Kaufmann, Transportunternehmer, Reeder und Sklavenhändler in seiner Heimat neu in Erinnerung brachte.

Ausgangspunkt war Anfang 2012 mein  Aufsatz in der Heimatzeitschrft "Der Schlüssel": "Haus Stephanopel. Geldgeber Friedrich von Romberg und der internationale Sklavenhandel. Was das auffällige Halbrelief am Haus Stephanopel 61 zu erzählen hat" (dieser Aufsatz aus: Der Schlüssel 1/2015, S. 2–19, ist als PDF-Datei mit Abbildungen HIER zu haben). In diesem Aufsatz trat kritisch vor Augen, dass - anders als in der Heimatkunde in früheren Jahren - Romberg nicht in erster Linie zu sehen ist als der verehrenswürdige Hemer-Promi und Wohltäter, sondern sehr wohl auch als Sklavenhändler im großen Stil, der für Unheil und Tod vieler geknechteter Menschen verantwortlich war. Diese neue kritische Sicht im Blick auf Rombergs Sklavenhandel teilte der genannte Schlüssel-Aufsatz auch mit dem Friedrich-von-Romberg-Artikel aus Wikipedia. Zudem wurde in diesem Schlüssel-Artikel von 2012 aufgedeckt und dokumentiert, dass Rombergs Geburtshaus in Sundwig das - natürlich vielfach umgebaute - Haus der heutigen Pizzeria Alessandro in der Hönnetalstraße in Hemer ist.

Eine größere Öffentlichkeit wurde am 23.04.2015 in einem überörtlichen Artikel in der Westfälischen Rundschau und im Iserlohner Kreisanzeiger vom damaligen Kultirchef der WR, dem Journalisten  Andreas Thiemann über Friedrich Romberg informiert. Der Titel von Thiemanns  Artikel über meine Romberg-Recherchen war: "Friedrich von Romberg - Der Sklavenhändler aus dem Sauerland" (mit Bildern HIER zu sehen).

Am 28.09.2015 hatte ich im Rotary-Club Hemer einen Vortrag über Friedrich von Romberg zu halten, den man seitdem in einer Webversion und in einer PDF-Version im Internet lesen und betrachten kann.  Thema dieses Vortrags: "Friedrich von Romberg, der Sklavenhändler aus dem Sauerland - unter besonderer Berücksichtigung der Geschichte Stephanopels..." - in der mit vielen Bildern versehenen Webversion HIER zu finden und als ebenso bebilderte 25-seitige PDF-Version HIER.

Im Frühsommer 2019 wurde ich über Romberg in der "Aktuellen Stunde" von WDR 3 in Hemer in der Friedrich-von Romberg-Straße interviewt, wie man HIER hört und sieht. Dieser Beitrag in der "Aktuellen Stunde" ging aus von den rassismuskritischen Unruhen in den USA nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd.

Ein junger Fachhistoriker aus Frankfurt, Privatdozent Dr. Magnus Ressel, hat sich inzwischen in einem außerordentlich umfangreichen Projekt dran gemacht, eine historisch gegründete Biografie über Friedrich von Romberg zu schreiben, eine Biografie, in der er nicht nur als  der "böse Bube" dargestellt wirdt, sondern auch darüber hinaus in seiner geschichtlichen Bedeutung umfassend gewürdigt wird. Das geht bei Ressel unter anderem bis hin zu  dessen Untersuchungen zu Rombergs wichtigem und intensiven Kontakt zu Kaiser Joseph II. (der den in Sundwig Geborenen übrigens einmal in Paris seiner Schwester Marie Antoinette vorstellte mit den Worten, er habe das Vergnügen, ihr "den größten Kaufmann in meinen Staaten" vorzustellen).

Im Zusammenhang mit seinem Romberg-Projekt hat Ressel im Auftrag der Gerda-Henkel-Stiftung eine Reihe von sechs Videos zur Vita von Friedrich von Romberg drehen lassen, und in der Zeit dieser Dreharbeiten  führten Ressel und ich ein längeres Gespräch in Sundwig in jener Pizzeria, die das Rombergsche Geburtshaus ist, ein Gespräch, das durch umfangreiche Korrespondenz zwischen Frankfurt und Sümmern ergänzt wurde.

Hier folgen nun alle sechs Episoden über das Wirken von Friedrich von Romberg, in denen in Episode 1 zum Geburtshaus in Sundwig und in Episode 3 zum Patrizierhaus in Stephanopel Dr. Ressel implizit auf meine genannten Romberg-Arbeiten zurückgreift; ein drittes Mal kommt die Hemersche Heimat in Folge 5 vor (gezeigt wird da Archivmaterial aus dem Kirchenarchiv der Lutherischen Kirchengemeinde Hemer, nämlich aus der Wulfert-Chronik, das ich Dr. Ressel  zur Verfügung stellte).

Friedrich von Romberg, ein deutscher Sklavenhändler - die sechs Episoden, die Dr. Magnus Ressel gestaltete
Episode 1 - Aufstieg zum Geschäftsmann - auch über die Pizzeria Alessandro in Sundwig, dem Geburtshaus - 5:16 Min. HIER zu sehen und zu hören
Epsode 2 - Der Weg zum Reichtum - 7:24 Min. HIER zu sehen und zu hören
Epsode 3 - Am Gipfel - auch über die gegründete Garnbleiche in Stephanopel und das dorige Patrizierhaus 7:04 Min. HIER zu sehen und zu hören
Episode 4 - Am Abgrund - 4:54 Min. - HIER zu hören und zu sehen
Episode 5 - Der tiefe Fall - 5:48 Min. - auch über die sauerländische Heimat und Archivmaterial aus Hemer - HIER zu hören und zu sehen
Episode 6 - Das Generalinterview mit PD Dr. Magnus Ressel zum Thema Friedrich von Romberg  - 17:31 Min. HIER zu hören und zu sehen

Vgl. zum Thema auch Dr. Magnus Ressels sehr umfangreiche Darstellung der Aktivitäten Friedrich von Rombergs an anderer Stelle der gleichen Webseite HIER:
https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/altesreich_sklavenhandel_ressel

Auf der Grundlage all dieser Informationen hier wird der Journalist Andreas Thiemann aus Iserlohn-Letmathe einen großen Artikel über diesen Friedrich von Romberg aus Sundwig für die überregionale digitale Sonntagszeitung der Funke Mediengruppe verfassen.

Das Bild, das in Stephanopel am Patrizierhaus an Friedrich von Romberg und an Kolonialismus erinnert: das Halbrelief "Zum Vorgebirge der guten Hoffnung"



 



Andreas Thiemanns Beitrag "Der Sklavenhändler aus dem Sauerland" am 14.03.2021 in der Digitalausgabe "IKZ am Sonntag"
Als PDF-Datei (zwei Seiten) zum Download HIER zu haben



Der Sklavenhändler aus dem Sauerland
Als großzügigen Gönner ehrte man Friedrich von Romberg (1729-1819) im sauerländisch-westfälischen Hemer weit über den Tod hinaus. Noch heute ist eine Straße nach ihm benannt. Sein grausamer Menschenhandel wird nicht erwähnt – bis heute

Von Andreas Thiemann*




Hemer/Brüssel Sklavenhändler! Mit dem Wort verbinden sich Unrecht und Menschenverachtung. Willkür, Unterdrückung, unendliches Leid und tiefe Schuld. Aber doch wohl nicht das Sauerland? Friedrich von Romberg (1729-1819) war jedoch genau das: ein Sklavenhändler aus dem Sauerland.
Im Jahre 1729 wurde diese ebenso belastete wie bewunderte Figur der Zeitgeschichte im sauerländisch-westfälischen Hemer geboren. Als überaus großzügiger Gönner seiner Heimat (nach einem großen Stadtbrand 1779 spendete Romberg reichlich Geld für den Wiederaufbau) ehrte man ihn dort weit über den Tod hinaus, und noch heute ist eine Straße nach dem berühmt-berüchtigten Sohn der Stadt benannt. Unter dem Namen steht jedoch lediglich der Vermerk „erfolgreicher Unternehmer, durch Kaiser Joseph II. von Österreich in den Adelsstand erhoben“.



Dass sich in diesen fragwürdigen „Erfolg“ Blut und Tod von ungezählten Schicksalen mischen, weist das Straßenschild hingegen nicht aus. Vor zehn Jahren gab es einmal eine vage Initiative in Hemer, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, möglicherweise historisch umstrittene Straßennamen im Ort ausfindig zu machen. Dabei stieß man auch auf Friedrich von Romberg. „Allerdings“, so Arne Hermann Stopsack, einer der damals Aktiven und heute FDP-Fraktionsvorsitzender im Hemeraner Stadtrat, „fanden wir keinen akuten Handlungsbedarf“. Und auch heute sieht der Lokalpolitiker den Sklavenhändler als „nicht besonders belastet“ an. So kam es auch schon 2011 lediglich zu dem Vorschlag, eine Kommission zu gründen, die ein Konzept zur Straßennamensänderung hätte erarbeiten sollen. Dabei ist es aber auch bislang geblieben.

Einer der Top-Sklavenhändler Europas
Der Iserlohner Theologe und Heimatforscher Dr. Friedhelm Groth (73) wird mit seiner Einschätzung über Friedrich von Romberg sehr viel deutlicher: „Romberg war zu seiner Zeit einer der absoluten Top-Sklavenhändler Europas. Er spielte quasi nicht in der Bundesliga, das war schon echte Champions-League.“

              
Die beiden Romberg-Forscher M. Ressel (links) und F. Groth

Die Karriere Friedrich von Rombergs begann mit einer Kaufmannsausbildung in Hemers Nachbarstadt Iserlohn. Von dort zog es ihn schnell weiter bis ins ferne Brüssel, wo Friedrich mit dem Verkauf und Transport von Textilien quer durch Europa zu erstem Vermögen kam. Der Frankfurter Historiker und Privatdozent Dr. Magnus Ressel (38) schreibt in seiner jüngsten wissenschaftlichen Veröffentlichung „Das Alte Reich und der transatlantische Sklavenhandel“: „Romberg selbst rühmte sich zu Lebzeiten, dass er der erste Händler gewesen sei, der eine zollfreie Verbindung von Ostende nach Neapel errichtet habe.“
Der derart findige Hemeraner baute jedenfalls seine weitläufigen Kontakte Zug um Zug aus und ließ bald auch Schiffe verschiedener Nationen auf seinen Namen (als Strohmann) registrieren – wofür er 10 Prozent des jeweiligen Transportgewinns einforderte. Ab 1782 organisierte er nach und nach selbst mit schließlich annähernd 100 eigenen Schiffen den Sklavenhandel von Afrika hinüber zu den karibischen Plantage-Inseln. In einer zeitgenössischen Quelle von 1783 heißt es beispielsweise: „Im Jahr 1782 rüstete Herr Romberg noch zehn andere Negerschiffe zum Transport von 5000 Negern aus. (…) Es gibt kein Land, ja keine Stadt, mit welcher er nicht Handel treibt.“

Kaiser Joseph II. verlieh ihm den Adelstitel
Derart erfolgreich wurde sogar Kaiser Joseph II. (1741-1790) in Wien auf den Sauerländer aufmerksam und verlieh dem gebürtigen Hemeraner 1784 in Anerkennung seines „eindrucksvollen“ Sklavenhandels den Adelstitel. Dass der begeisterte Kaiser den reichen Romberg in Folge auch noch mit seiner Schwester Marie Antoinette, Gattin Ludwig XVI., persönlich bekannt machte, ist in diesem Zusammenhang lediglich eine kleine Fußnote der Geschichte. Heimatforscher Friedhelm Groth zitiert dazu die Worte des Kaisers nach einer überlieferten Quelle: „Hier habe ich das Vergnügen, ew. Majestät den größten Kaufmann in meinen Staaten vorzustellen.“ (Marie Antoinettes Schicksal endete erinnerlich, wie das ihres Mannes, 1793 auf dem Schafott der Französischen Revolution in Paris. Romberg bedankte sich immerhin für den noblen Kontakt ins französische Königshaus, indem er eines seiner ersten Schiffe nach der später guillotinierten Königin benannte.)
Es war schließlich der Sklavenaufstand von 1791 in den karibischen Kolonien, der den Niedergang des Romberg-Imperiums dramatisch einläutete. Der Kaufmann blieb auf den hohen Schulden der massakrierten Plantagenbesitzer hängen und verlor zudem seine beiden Söhne, die inzwischen ebenfalls in den lukrativen Sklavenhandel involviert gewesen waren. Magnus Ressel, der als Stipendiat der Düsseldorfer Gerda Henkel-Stiftung gegenwärtig über Romberg forscht, resümiert: „Als Rombergs Firma 1810 endgültig insolvent ging, war das noch eine Nachwirkung der großen Verluste aus dem Sklavenhandel und dem Kauf von Plantagen. Rombergs Firmenimperium erscheint wie eine besonders massive Ausprägung und Überspitzung der deutschen Verwicklungen in den Sklavenhandel.“

Todesfälle waren einkalkuliert
Mehrere tausend Seiten überlieferte Frachtschiffpapiere und Rechnungen dokumentieren die menschenverachtenden Sklavengeschäfte Rombergs: Zehn bis 15 Prozent rechnete der Kaufmann pro Schiff jeweils gleich für die „eingepreisten“ Todesfälle seiner menschlichen Ware während der Überfahrten an Bord ab. Sklaven wurden anderen Frachtgütern unter den Bedingungen der unbedingten Profitmaximierung praktisch gleichgesetzt. Magnus Ressel spricht gegenüber unserer Zeitung auch von einem „skrupellosen Typen, dem etwas Gigantomanisches anhaftete, der kein Problem hatte, über Leichen zu gehen – und zugleich in Belgien als absoluter Held verehrt wurde“.



Neben der nach wie vor existierenden von Romberg-Straße gibt es in Hemer heute noch zwei weitere steinerne Hinweise auf den umstrittenen Kaufmann. Zum einen steht sein Geburtshaus noch, in dem sich jetzt ein Tattoo- und Kosmetik-Studio mit einer kleinen Pension im ersten Stock befindet. So mancher Gast mag hier tatsächlich im Geburtszimmer Friedrich von Rombergs nächtigen. Und zum anderen gibt es das wenige Kilometer entfernte „Haus Stephanopel“, ein überkommenes Patriziergebäude, das mit Rombergs Geld 1791 als Kontorhaus einer geplanten Firma erbaut wurde und später, im 20. Jahrhundert, lange Zeit als christliches Missionszentrum genutzt worden ist. Ein inzwischen weitgehend verwittertes Relief an der Fassade trägt noch die Inschrift „Vorgebirge der Guten Hoffnung“. Generationen von frommen Besuchern haben dies wohl als religiöse Aussage gedeutet – und mutmaßlich missverstanden. In Wahrheit verweisen die Worte, unterlegt mit Segelschiffen, eher auf die Umsegelung Kap Horns durch die Romberg-Schiffe – beladen mit tausenden von unglücklichen und nicht selten todgeweihten Sklaven.



Auskömmliches Privatvermögen gesichert
In einer seiner Schriften über Friedrich von Romberg verweist Dr. Friedhelm Groth auch auf einen Artikel des Hemeraner Heimatkundelehrers Dr. Friedhelm Treude aus dem Jahre 1949, in dem er völlig kritiklos wünscht: „Die Erinnerung an diesen großen und trefflichen Kaufmann, der auch in der Ferne stets sorgend seiner Heimat gedachte, sollte nicht ganz aus dem Gedächtnis der Heimat verschwinden.“
Friedrich von Romberg starb schließlich 1819, in seinem 90. Lebensjahr, in seiner höchst stattlichen, schlossartigen Villa vor den Toren Brüssels, die heute noch existiert. Offenbar war es ihm gelungen, trotz erheblicher Verluste durch Aufstände und Revolution, noch ein recht auskömmliches Privatvermögen bis zu seinem Ende zu bewahren…