3. Kapitel: Strauß und sein Kreis (‚Eleusischer Bund') in der Heidelberger Studentenzeit; dann: Zeit als Kandidat der Theologie (1807 bis 1808)
In seinem Heidelberger Studenten-Tagebuch schildert Wilhelm Budde, wie er die Reise an seinen neuen Studienort in Unna begann, dann nach Iserlohn fuhr, um Strauß mitzunehmen: er sei in Iserlohn "sehr freundlich von Straußens empfangen worden" (S.6); es sei gerade Jahrmarkt in Iserlohn gewesen, und die "Pfarrerin" (S. 6) weinte beim Abschied und schien eifersüchtig auf ihn, den Kommilitonen Ihres Sohns zu sein.
Sowohl bei Strauß in den "Abendglocken-Tönen" als auch im Budde-Tagebuch liest man
, wie die beiden teils wandernd, teils einen Wagen nehmend das Sauerland hinunterzogen, wie sie im Siegerland am Geburtsort Jung-Stillings vorbei zogen und schließlich in den ersten Heidelberger Tagen von Jung-Stilling, dem Goethefreund und führenden Erbauungsschriftsteller der Erweckungsbewegung, in der Neckarstadt empfangen wurden.
 


Für Jung hatte Vater Johann Abraham Strauß einen Empfehlungsbrief aus Iserlohn mitgegeben, weil er ihn in seinem Geburtsort Elberfeld kennengelernt hatte. "Du bist eines frommen Mannes Sohn", sagte Jung-Stilling zu Friedrich Strauß, als er den Brief las, und am Ende des Besuch gab er den Beiden ebenfalls einen Brief mit für den Kirchenrat Theologieprofessor Friedrich Heinrich Christian Schwarz in Heidelberg, der hatte nämlich Jung-Stillings Tochter geheiratet. Bei diesem Kirchenrat und Professor Schwarz hatte man später in Heidelberg viel Anschluss. Man könnte auch viel von den Studien dort am Neckar erzählen. etwa bei Prof. Daub, den Strauß wie Schwarz zu seinen Gönnern zählte. Oder man könnte auch von einer studentischen Reise erzählen, der Murgtalfahrt, die Strauß einmal als einen Höhepunkt seines Studentenlebens nannte.
Statt dessen reden wir von der Blauen Blume, von der Romantik, der Poesie und einer studentischen Lebensform, die Denken und Fühlen bei Budde und Strauß und seinen Freunden eng zusammen führte. Damit sind wir bei Novalis oder Friedrich von Hardenberg, der schon - wie angedeutet - in jungen Jahren von Strauß gelesen wurde. Fast verschämt hatte Strauß vorher schon in den Abendglocken-Tönen (S. 103) davon erzählt, dass es doch zur Jugendlichkeit hinzugehört, dass man auch "seine Poesie" angefertigt habe, und er nennt eigene Versuche 1805, 1806/07 und 1808/09: es lag "ihr Anfang in des Novalis Schriften" (ebd.).
Jetzt mit Budde zusammen kam all das vollends zum Ausbruch: ein poetisch-existentielle Freundschaftsbund entstand dort in Heidelberg, in den hinein ein dritter Gleichaltriger (alle drei sind August/September 1786 geboren) als Student trat: der in Dresden geborene Otto Heinrich Graf von Loeben, der recht bekannt gewordene romantische Dichter.

Von jetzt an sind wir durch die Biographie, die es über Loeben gibt, noch zusätzlich über viele Diskussionen und Aktionen informiert, die da in Heidelberg zu erleben waren. Diesem spätromantischen Freundschaftsbund gab von Loeben den Namen des "Eleusischen Bundes". So wie der verehrte Friedrich von Hardenberg nur unter seinem Namen Novalis genannt wurde, so war in diesem Freundschaftsbund von Loeben der Isidor Orientalis, ein Ehrenname , der in der Literatur später und bis heute oft vorkommt. "Astralis" war Buddes damaliger Ehrenname, während Friedrich Strauß für die beiden anderen der "Dionysios" war. Budde und Strauß behielten in diesem Bund durchaus die Führung, aber die waren beide geradezu selig über die Bekanntschaft mit Loeben; so steht es in Buddes Tagebuch am 30. August 1807 unter dem Stichwort ‚Heiliger Bund mit Loeben': "ich habe einen Menschen gefunden, der Dichter, hoher Dichter, und mein Freund ist. Seit vorigen Sonntag kenne ich den jungen Grafen von Loeben. […] Gestern spazierten wir gemeinschaftlich mit Strauss" (S. 82 f.); und er schildert da weiter, wie es dann am Neckar zu Bund gekommen sei: "Eine lange Umarmung und ein Bruderkuss band uns. In den Dreibund flimmerten die Sterne hinein" (S. 83). Nicht weniger schwelgerisch und schwärmerisch ist die Freundschaft mit dem Dichter von Loeben bei Strauß in den Abendglockentönen beschrieben; da heißt es: "als damals ein Comet am Himmel erschien, wir, Budde und ich, meinten, daß er die neue Zeit in unserem Dichter bedeute".
Aus dem "Dreibund" wurde dann ein "Fünfbund", denn zwei andere Adlige kamen noch dazu: die schlesischen Barone Joseph von Eichendorff und sein zwei Jahre älterer Bruder Wilhelm von Eichendorff, die ja beide auch schon in dem Kapitel über die Studentenjahre in Halle vorkamen.




Konnte man das Bisherige als pubertär anmutende Studentenschwärmerei abtun, so wurde von jetzt an das, was diese fünf jungen Menschen darboten, bis heute Gegenstand kulturhistorischer und literaturgeschichtlicher Forschung. Allein aus neuerer Zeit liegen uns zwei solche Beiträge aus der Forschung vor, und im Wikipedia-Artikel zu Eichendorff wird ebenfalls der Eleusische Bund genannt, zusammen mit den Namen, Budde, Strauß und von Loeben. Ich darf zu den Anfängen zitieren aus dem Aufsatz von Achim Hölter: "Eichendorff und der Eleusische Bund in Heidelberg". Da wird beschrieben, wie die studentischen Mitglieder des Bundes damals nach und nach in Heidelberg eingetroffen sind, "eine Choreographie des Schicksals […], wie die Dramaturgie eines Bühnenstücks" (61), wobei dann "im August 1807 […] Loeben […] Gerhard Friedrich Abraham Strauß […] auf den Freundschaftsnamen ‚Dionysios' tauft" (62). Joseph von Eichendorf übrigens bekommt den Freundschaftsnamen "Florenz", und schließlich konnte man zum erweiterten Kreis unserer Romantiker in Heidelberg auch den Iserlohner Carl Keutgen, Friedrichs schon oben genannten Freund, zählen, der den Namen "Vitalis" erhielt (Loeben, S. 74 - nach Budde).
Es wird in der heutigen Sekundärliteratur zu dem Bund Gewicht darauf gelegt, dass die Mitglieder des Eleusischen Bundes den kritischen katholischen Dozenten Joseph Görres hörten, einen Freund der französisches Revolution, von dem Strauß sagte, er habe von dessen Negativität viel gelernt, aber nicht viel Positives.
 



Außerdem war das Lebensgefühl des Kreises von ganz viel Novalis-Lektüre bestimmt. Und der Hang, untereinander distanzlos zu werden, auch körperlich, und die eigene Freundschaft zu vergöttern war unverkennbar, wenn auch die einzelnen Mitglieder der Gruppe von Haus aus alle christlich geprägt waren und solche Gedanken mit in ihr Denken verwebten. Übrigens löste sich Eichendorff mehr und mehr von Loeben, 1812 hat er ihn sogar in dem Roman "Ahnung und Gegenwart" parodiert, und unseren Iserlohner Pfarrerssohn ebenfalls, und das sehr hässlich - nämlich auf dessen Glauben bezogen.
Wir wollen aber diesen Gedankengang versöhnlicher abschließen, mit überaus typischen religiös getönten Sätzen von der blauen Blume aus einem Sonett AN ISIDORUS ORIENTALIS, das von Eichendorff also von Loeben widmete:
Erwartung wob sich grün um alle Herzen
Als wir die blaue Blume sahen glühen,
Das Morgenrot aus langen Nächten blühen, -
da zog Maria ihn zu seinem Herzen

Die Treuen schlossen sich in tausend Schmerzen,
Erfüllung betend wollt'n sie ewig knien;
Da sah'n sie neuen Glanz die Blume sprühen,
Ein Kind stieg licht aus ihrem duft'gen Herzen".

Wir überspringen hier die weitere Heidelberger Entwicklung und den Abschluss des Studiums, auch die Zeit danach, in der Gerhard Friedrich Abraham Strauß nach seinen zu überstehenden drei erforderlichen Examina als Kandidat der Theologie wirkte im Jahr 1808 und von Iserlohn aus Hilfspredigerdienste und Gottesdienstvertretungen (zum Beispiel längere Zeit eine Vakanzvertretung in Hagen) absolvierte. Sogar eine Probepredigt hatte unser Strauß im Sommer 1808 in Lüdenscheid erfolgreich gehalten, und eine Zeit danach wollte man zur Wahl schreiten, als unverhofft Franzosen in Lüdenscheid einmarschierten und die Wahl unterblieb.
Wir kommen von dort im nächsten Kapitel gleich nach Ronsdorf, genau an den Punkt, den schon sein Vater, der aus Elberfeld stammte als biographischen Knotenpunkt erlebt hatte [diese Szene beim Knotenpunkt der Strauß'schen Familiengeschichte dort zwischen Ronsdorf und Elberfeld wird in den "Abendglockentönen" geschildert; dieser Text und das Folgende wird in einer größeren Audiodatei HIER von FG gelesen] . Hier - auf dem Weg zwischen Ronsdorf und Elberfeld - hatte einmal der Großvater von Friedrich Strauß bei einer Reise in die schwäbische Heimat vom damals 14jährigen Sohn Johann Abraham Strauß Abschied genommen, und an diesem Ort hatte Friedrichs Vater seinem Vater zum ersten Mal offenbart, er wolle Pfarrer werden. Das ist übrigens die allererste Szene, die in den Abendglocken-Tönen beschrieben wird.                           Weiter => =>

 

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