Chronik zur Deilinghofer
Kirchengeschichte von ca. 1500 bis 1765
Auszug aus Groth/Korsch-Gerdes/Kramme:
Blätter zur Deilinghofer Kirchengeschichte Heft 3
(PDF-Download
des gesamten Bandes BDKG 3 HIER)
www.pastoerchen.de oder
www.heimatgeschichte.de
Kapitel I.
Die folgende Kurzchronik der Deilinghofer
Geschichte von ca. 1500 bis 1700 stellt ganz grob die Inhaltsangabe von
‘Blätter zur Deilinghofer Kirchengeschichte’, Heft 2 (im folgenden
stets: BDKG 2) dar. Das Wichtigste der Deilinghofer Ereignisse wird
gleichsam als ein ‘nachgeliefertes Register’ zu diesem Heft aufgelistet
und durch einige (wenige) allgemeine historische Daten ergänzt. In
Klammern stehen in dieser Kurzchronik jeweils die Fundorte zu den Zahlen
und Fakten, wobei besonders die Hemeraner Heimatzeitschrift ‘Der Schlüssel’
(im Folgenden ‘Schl.’ abgekürzt) verwendet wurde.
Daß es sich bei dieser Chronik
um eine ganz subjektive, z. T. zufällige Auswahl handelt, ist uns
sehr bewußt. An vielen Stellen wurde im Chronik-Kapitel II (und dann
auch in Kapitel III) dieser Einleitung auf signifikante Zitate zurückgegriffen,
die dem ‘Schlüssel’ und anderer Literatur entstammen. Besonders,
was die Hemeraner Heimatgeschichte angeht, kann der Leser sich durch den
jeweiligen entsprechenden Literaturhinweis genauere Kenntnisse der zitierten
Fakten meist leicht verschaffen, wobei freilich manchmal auch andere Aufsätze
und Bücher noch hinzuzuziehen wären, wie sie in der "Bibliographie
Hemer. Schrifttum zur Geschichte der Stadt" (Sonderausgabe Schl. 3/1987)
gut zusammengestellt sind.
ca. 1250: Unsere ‘Kuhschelle’
außen am Turm (vgl. BDKG 2, S.24ff.; in der Überschrift
ist "1450" ein Tippfehler, im Text steht dort richtig "1250"). Alles deutet
darauf hin, daß die Stephanuskirche, was besonders H. Korsch-Gerdes
betont, eben um 1250 entstanden ist (und nicht, wie manchmal gesagt wird,
im 14. Jahrhundert!), so daß bald die 750-Jahr-Feier des Gotteshauses
anstünde.
1510 (oder 1570?):
die von Hans Sluick gegossene Deilinghofer ‘Domina’-Glocke (vgl.
BDKG 2, S.24ff.; Schl. 1/1967, S.12ff.).
1564: Das (wahrscheinlich
ungenau so genannte) ‘Nonnenkloster’ der Überlieferung nach in diesem
Jahr in Deilinghofen eingerichtet (Schl. 3/1966, S.12).
Karl Lambrecht (Soest)
schreibt zum ‘Kloster’ und der daraus stammenden Glocke: "Auch von einem
Nonnenkloster wird berichtet, das im Jahre 1564 errichtet wurde und nach
Einführung der Reformation mehr und mehr abnahm. Die letzten Insassen
starben 1636 an der Pest. Nach frdl. Mitteilungen des zeitigen Ortspfarrers,
Herrn Carl Gobrecht ... hängt die Glocke aus diesem Kloster im jetzigen
Pfarrhaus, das in den Jahren 1905/06 von der Familie von der Becke in Sundwig
errichtet wurde [das spätere sog. ‘Parteiheim’]" (zitiert nach der
maschinenschriftlichen Abschrift aus dem ‘Märkischen Landboten’, Herbst
1930, vorhanden im Aktenordner Friedrich Schauff [S.14f.], den uns Frau
Wilhelmine Eßbaum zur Verfügung stellte).
1565: Heinrich Lange,
1. evangelischer Pfarrer von Deilinghofen nach der Re-formation (BDKG
2, S.30-32). Reformation in Deilinghofen eingeführt: Lange
in Verbindung mit Pfarrer Hundorp, Iserlohn; ferner mit Johann
Varnhagen, dem Iserlohn Pfarrer, und Joh. Melchior Varnhagen
als Vicarius (BDKG 2, S.30f.).
1567: Langes Pfarrhaus
gebaut, das ihm als ‘Leibzuchthaus’ zur Verfügung stand (BDKG
2, S.31f.). Im gleichen Jahr Mönch Langenbach mit erster Papiermühle
am Westiger Bach (Schl. 1 u. 2/1972, S.2).
1575: Heinrich Lange
wurde als Zeuge in einem Verfahren gegen den Drosten Lappe hinzugezogen,
der wegen landsfriedensbrüchlichen Verhaltens gegen Balver Bürger
angeklagt wurde, Reichskammergericht Speyer (BDKG 2, S.31).
1584: Langes ‘Autogramm’
auf einem Sümmeraner Testament (BDKG 2, S.32).
1585-1623: Johannes
Sutorius, 2. Pfarrer in Deilinghofen (BDKG 2, S.32-37); hatte
Langes Witwe zu heiraten.
1588: Fertigstellung des
linken Presbytergestühls mit dem Daniel-Bild nach Holbein d.J.
(BDKG 2, S.35; Schl. 2/1958, S.1 ff.).
1594: Johannes Sutorius
war bei katholischer Wahl in Attendorn noch dabei (BDKG 2, S.36).
Das ist übrigens ein Beleg für den speziellen Gang der Reformartion
in Kleve-Mark bis zum Aussterben des Herrscherhauses 1609: Es gab diverse
Pro- und Contra-Phasen und zwischendrin so etwas wie einen eigenen ‘dritten
Weg’.
1612: Sutorius gehörte
zu den 83 Delegierten der 1. Märkischen Synode in Unna (aus Iserlohn
Joh. Varnhagen, Westenius; BDKG 2, S.35).
1614: Grafschaft Mark fiel
zusammen mit Kleve und Ravensberg an das Kurfürstentum Brandenburg,
wo seit 1415 die Hohenzollern regierten (Schl. 1 u. 2/1972, S.2).
1618 - 1648: Dreißigjähriger
Krieg.
1616, 1620, 1623 u. 1626:
Die Pest wütete in Hemer (Schl. 1 und 2/1972, S.2).
1622 u. 1623: Die ersten
Burgunder in Deilinghofen 1623 einquartiert; im Vorsommer mehrere Deilinghofer
an der Pest gestorben (BDKG 2, S.37).
1623 u. 1624: Spanische
Truppen hausten in Hemer (Schl. 1 u. 2/1972, S.2).
1623: Bertram Fischer
für ein halbes Jahr 3. Pfarrer in Deilinghofen (BDKG 2, S.37
f.) - von "Ostern bis Michaelis" (nachdem ein Pfarrer von Gerkenthall in
Deilinghofen gepredigt hatte).
1624: ‘Normaljahr’ des
30jährigen Krieges; vgl. Zeugenaussage 1665 (BDKG 2, S.33f.
sowie S.53 A.7). Es ist dabei zu vermuten, daß auch Deilinghofen
wie andere Gemeinden während der spanischen Besetzung rekatholisiert
war, weshalb für die Mark später 1609 als ‘Normaljahr’ galt.
1624-1638: Johannes
Störing, 4. Pfarrer in Deilinghofen (BDKG 2, S.39-41),
hatte am Krieg besonders zu leiden und verlor Bücher und Habe an feindliches
Kriegsvolk; während der Pestzeit predigte er auch außerhalb
des Dorfes.
1636: Die Pest raffte angeblich
40 Bewohnerinnen des ‘Nonnenklosters’ dahin (Schl. 3/1966, S.12).
Vgl. oben zu 1564!
1638: Am 18.Juli unterschrieben
am gleichen Tag drei Pfarrer von Deilinghofen - Fischer, Osterport und
Störing - in Iserlohn das lutherische Bekenntnis,die ‘Confessio
Augustana’ (BDKG 2, S.40).
1638-1651: Eberhard
Osterport 5. Pfarrer in Deilinghofen (BDKG 2, S.39-41); 1651
aufgrund einer Eingabe aus Deilinghofen an die Regierung in Kleve "wegen
Streitsucht" amtsenthoben.
1639: Am 14.April starb
in Iserlohn der frühere Deilinghofer Pfarrer Bertram Fischer.
1640-1688: Regierungszeit
von Friedrich Wilhelm I., dem Großen Kurfürsten.
1647: Der Große Kurfürst errichtete das Gericht Hemer
(Nieder- und Oberhemer, Landhausen, Westig, Sundwig, Frönsberg und
Becke; Schl.1 u. 2/1972, S.2).
1648: Westfälischer
Friede zu Münster und Osnabrück.
1648: Antonius Paris
goß für den Dom zu Fulda die ‘Osanna’-Glocke (BDKG 2,
S.22).
1652 - 1679: Bernhard
Hülshoff 6. Pfarrer in Deilinghofen (BDKG 2, S.20 und S.41-43).
1652: Die von Antonius
Paris gegossene ‘Schulte-Riemke-Glocke’ kam in den Turm; Paris
und die ‘Glöckchen von Deilinghofen’ (BDKG 2, S.18ff.).
1652: Goswin Mollerus
der Ältere in der Kirche zu Schwefe auf einem Apostelbild abgebildet
(BDKG 2, S.43-45); im gleichen Jahr wurde dort Goswin Mollerus
junior als Sohn des genannten Pfarrers geboren, der spätere Deilinghofer
Pfarrer.
1653: Am Karfreitag (11.April)
starb in Iserlohn der frühere Deilinghofer Pastor Johannes Störing
(BDKG 2, S.39).
1655: Pfarrer Bernhard
Hülshoff bezog in Deilinghofen das ‘Alte Pastorat’ (BDKG
2, S.42).
1657: Lothar von Bönnighausen
aus Apricke verstarb; im 30jährigen Krieg berühmter Reitergeneral,
für den sich Pappenheim verwendet hatte (Schl. 4/1958,
S.16-20; BDKG 2, S.50; Heer, S.24f; vgl dazu aus Friedrich
Schillers ‘Wallen-stein’ das bekannte und spichwörtlich gewordene:
‘Ich kenne meine Pappenheimer!’)
1665: Im August gab der
Große Kurfürst das Deilinghofer "Jahrmarkts-Privileg" bekannt;
statt Stephanus-Jahrmarkt am 26.Dezember (der 2. Weihnachtstag ist im Kirchenjahr
Stephanustag!) jetzt zwei günstigere Termine pro Jahr (Schl.
3/1968, S.3; BDKG 2, S.42).
1665: Die gerichtliche
Befragung Hülshoffs und hochbetagter Dorfleute wegen der dörflichen
Besitzverhältnisse; wichtige Zeugenaussage von Diedrich Haape,
dem Schulte zu Riemke (BDKG 2, S.33 f.; vgl. auch S.37-39, 42
und 43; Schl. 3/1966, S.12-15).
1668: Eine Feuersbrunst
vernichtete ganz Niederhemer (Schl. 1 u. 2/1972, S.3).
1672/73: Hemer litt im
Krieg Frankreichs und kölnischer sowie münsterscher Verbündeter
gegen Holland und Brandenburg hart unter den alliierten Truppen (Schl.
1 u. 2/1972, S.3).
1673: Bernhard Hülshoffs
Rechtsstreit (im Krieg) mit Pfarrer Garenfeld aus Iserlohn (BDKG
2, S.43).
1676: Der Große Kurfürst
befahl Landesmiliz, auch für Deilinghofen (Schl. 2/1956, S.7ff.).
1679: Im Krieg plünderten
die Franzosen das Dorf Deilinghofen, beraubten den Altar, zerrissen das
Kirchenbuch und ließen sogar Hülshoffs Talar mitgehen
(BDKG 2, S.43).
1680: Die Pfarrerswitwe
Osterport übernahm ersten Schulunterricht (BDKG 2, S.41).
1680 - 1765: Ära der
drei Mollerus-Pfarrer, die aus Schwefe stammten (BDKG 2,
S.43ff.).
1680 - 1720: Goswin
Mollerus 7. Pfarrer in Deilinghofen (BDKG 2, S.42-46 und - Korrektur!
- S.49ff.).
1684: Ältestes Deilinghofer
Kirchenbuch, von Johann Jakob zur Megede gestiftet (am 21.September
1684 übereignet; BDKG 2, S.45f. sowie - Korrektur! - S.49f.).
1685: Geburtsjahr von Johann
Sebastian Bach (lebte bis 1750).
1687: Dümpelmanns
und Marcks’ Datierung der ersten Schule in Deilinghofen nach dem
Heimatgedicht (vgl. die Beilage 1 in diesem Heft BDKG 3: "Das Schulgebäude
ist betrieben / Sechzehnhundertachtzigsieben").
1690: Streit der Kirchengemeinde
mit der Witwe von Duithe vom Haus Apricke wegen des Meßhafers
(BDKG 2, S.50).
1692: Beginn des Schulunterrichts
in Deilinghofen mit Diedrich Osterport (BDKG 2, S.41); vgl.
aber oben zu 1687!
1694: In Deilinghofen wurde
Florens Gerhard Möller geboren und in der Kirche getauft (BDKG
2, S.47). Der Pfarrerssohn war Pastor in seinem Heimatort von 1720-1755;
zuvor ab 1714 Adjunkt (Hilfsprediger) seines Vaters.
1695: Johann Jakob zur
Megede wurde in der Stephanuskirche ein zweiter Kirchensitz und ein
Begräbnisplatz kostenlos überlassen. (Text der Urkunde abgedruckt
in einem Artikel von August Busch in: IKZ, 25. 9.1935).
Kapitel II.
Chronik der Deilinghofer Ereignisse
von 1700 bis 1765 im Kontext der hiesigen Heimatgeschichte und der allgemeinen
Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der kirchengeschichtlichen
Einflüsse, die von Herrnhut und Zinzendorf her hier wirksam wurden.
(Zugleich: Übersicht über
Leben und Wirken von J.G.W.Forstmann [vgl.
www.forstmann.de.vu] und J.D.Angelkorte, der beiden bedeutendsten
Pfarrer, die in Hemer ihr Amt führten.)
In diesem recht umfangreichen
Teil der Zeittafel geht es also nicht um bloße Inhaltsangabe dessen,
was in BDKG 2 über diesen Zeitraum zu lesen war. Zusätzlich
werden hier (als hilfreiche Vorbereitung des in diesem Heft BDKG
3 im Hauptteil zu Erzählenden) zahlreiche Fakten aus der Hemeraner
und Iserlohner Heimatgeschichte mit aufgelistet, so daß dem Leser
ein ziemlich fascettenreiches Bild des seit 1700 hier Geschehenen vor Augen
tritt. Auch die wichtigsten Ereignisse der Geschichte der Hemeraner evangelischen
Kirchengemeinde und ihrer Pfarrer, die an der Vituskirche wirkten, haben
wir gebührend miteingefügt. Insbesondere aber wird in dieser
Chronik gezeigt, in welcher Weise die Hemeraner und Deilinghofer Kirchengeschichte
bis 1765 mit dem Einfluß und Erbe des Grafen Zinzendorf (1700-1760)
und seiner Herrnhuter Brüdergemeine zu tun hat. Wir zitieren zur heimischen
Geschichte der Brüdergemeine an vielen Stellen auch aus Archivakten
und aus Spezialliteratur. Alle wesentlichen Daten der Lebensgeschichte
der beiden bedeutendsten Pfarrer, die je in Hemer gewirkt haben, der (zu
Unrecht nicht so bekannten) Pastoren, Johann Gangolf Wilhelm Forstmann
(1706-1759, Bauks , S.136 Nr.1746) und seines Nachfolgers Johann
Diedrich Angelkorte (1710-1751, Bauks, S.8f. Nr.105) haben wir
in dieser Chronik aufzulisten versucht, so daß der Leser einen Einblick
erhalten kann über Forstmanns und Angelkortes Wirken
im Sinne Zinzendorfs und der Brüdergemeinde, das weit über
Hemer hinausreichte.
Um eine größtmögliche
Übersichtlichkeit in dieser Chronik zu gewährleisten, haben wir
hinter die Jahreszahlen zwischen 1700 und 1765 Kürzel gesetzt:
(D) = Ereignis der Deilinghofer
Heimat- oder Kirchengeschichte;
(H) = Ereignis der Hemeraner Heimat-
oder Kirchengeschichte;
(I)= Ereignis der Iserlohner Heimatgeschichte;
(Bg)= zur Geschichte von Zinzendorfs
Herrnhuter Brüdergemeine gehörend;
(A)= ‘allgemeine" Geschichte (z.B.
Geschichte Preußens, allgemeine kirchengeschichtliche Fakten usw.)
1700 (Bg/A): Nikolaus
Ludwig Graf von Zinzendorf geboren (am 26.Mai 1700 in Dresden, gestorben
9.Mai 1760 in Herrnhut), mit der größte Erneuerer der evangelischen
Kirche seit Luther. Oekumenisch weltweit ausgerichteter Pietist
eigener Prägung und Organisationsgenie (Herrnhuter Brüdergemeine,
‘Lo-sungen’, Liederdichter - z.B. ‘Jesu, geh voran’, ‘Herz und Herz vereint
zusammen’). Zinzendorf ging es um eine zentral im Kreuzesgeschehen
(‘Blut-und-Wunden-Theologie’) verankerte, an Jesus Christus ausgerichtete,
sehr persönliche Form des Glaubens, der in der Gemeinschaft und in
der Liebe tätig wird. Die Auswirkungen der Herrnhuter Bewegung, die
im 18.Jahrhundert auch in der Grafschaft Mark Platz griff, sind im folgenden
Teil der Chronik für den Raum Hemer/Deilinghofen/Iserlohn darzustellen.
- Um 1700 und dann im Verlauf des 18. Jahrhunderts war im Raum der lutherischen
Kirche die Blütezeit der pietistischen Reformbewegung. Wichtige Väter
des Pietismus: Philipp Jacob Spener (Programmschrift "Pia desideria",
1675), August Hermann Francke und sein großes Werk in Halle
an der Saale, ferner - im Württembergischen Pietismus - Johann
Albrecht Bengel und Friedrich Christoph Oetinger.
1697-1700 (H): Bau der
katholischen (‘Privat’-)Kirche (heute St. Peter und Paul) in Hemer durch
Jobst Edmund von Brabeck (vgl. Schl. 1 u. 2, 1972, S.3; zu
dessen Leben vgl. Schl. 2/1959, S.10ff.).
1700 (D): Nach der Darstellung
von Günther Schulte wurde Johann Goswin Mollerus I (1685-1747),
der zweitälteste Sohn des amtierenden Deilinghofer Pastors Goswin
Mollerus, Küster und Schulmeister in Deilinghofen. Er wurde (laut
Schulte) dem Lehrer Diedrich Osterport als "Juniorpartner"
beigesellt. "Dieser Küster Joh. Goswin Mollerus war Grundherr des
Klippener-Hofes in Deilinghofen, also einer der sechs bäuerlichen
Hofeigentümer im Kirchspiel" (Schl. 3/1972, S.28f.). Durch
Akten des Staatsarchivs Münster "Depositum Haus Hemer", Nr.251 (in
Kopie uns zur Verfügung gestellt von Hemers Stadtarchivar Eberhard
Thomas) wissen wir Genaueres: daß Osterport nur Schulmeister
und nicht Küster und Organist war (Küster war Johann Wienecke
und als Organist amtierte zu der Zeit Caspar Hesse) und daß
der Pastor Goswin Mollerus nacheinander seinem o.g. Sohn recht rabiat
alle drei Ämter verschaffte (das Organistenamt vor 1707, das Amt des
Küsters 1707 und nach 1714 das Schullehreramt). - Der den gleichen
Vornamen tragende Sohn dieses Küsters und Schulmeisters, Johann
Goswin Mollerus II (1713-1753), wurde übrigens des Vaters Amtsnachfolger.
Man kann also nicht nur von der Pfarrer-Seite, sondern nach 1700 auch von
der Lehrer-Seite von einer langen ‘Ära Mollerus’ in Deilinghofen
reden. Es waren da alle kirchlichen Ämter fest in der Hand eines Familien-Clans
(der heute noch Nachfahren im Dorfe hat).
1701 (A): Seit 1701 gab
es das Königreich Preußen. Kurfürst Friedrich III. von
Brandenburg nahm im ostpreußischen Königsberg (außerhalb
des Reichsgebietes) den Titel ‘König in Preußen’ an (als König
Friedrich I.). Von 1701 an war somit die Grafschaft Mark ein Teil
von Preußen.
1702 (H): Erster katholischer
Friedhof in Hemer (Schl. 4/1974, S.1ff.).
1702 (H): Die neue Orgel
in der Vituskirche in Hemer (vgl. dazu v. Steinen, S.1134, ferner
F.L.Woeste, in : Schl. 2/1970, S.9).
1702 (D): Am 15.3.1702
heirateten in Deilinghofen Diedrich Schumacher und Anna Maria
Brandt (die Schwester des Diedrich Brandt, der durch Einheiratung
in den Schultenhof 1693 Schulte zu Riemke geworden war). Ein Holzbalken
mit einer Inschrift und dem Namen des Ehepaars befindet sich heute in Riemke
im Hause von Waldthausen, das 1856 gebaut wurde. Die Inschrift des
an einem Ende verstümmelten Balkens lautet: "Ob dirs schon sauer wird
mitdeiner Nahrung und Ac(ker)[/]Werck las es dich nicht verdriesen [/]
Gott hat es also geschaffen Sira VII[/]Diederich Schumager und Anna Maria
Sch(ulte)". Das Gutachten über diesen Balken mit den genannten Informationen
erstellte H.Schulte (Iserlohn) am 16.April 1974 der Familie von
Waldthausen, wobei er auch darauf aufmerksam machte, daß Anton
Schumager, der Vater des Diedrich Schumager, in Deilinghofen
Presbyter gewesen war (wie auch der genannte Dietrich Schulte zu Riemke)
und daß der Riemker Schumacher-Kotten, in dem sich der Balken
befand, früher Deilinghofer Kirchenbesitz war.
1704 (D/H/Bg): Am 1.Januar
1704 wurde in Hemer Stephan Diedrich Rentzing geboren, der in der
Geschichte der Brüdergemeine eine Rolle spielte (vgl. etwa Schunke,
S.92. Rentzing, ein Urahn des heutigen Müllers Peter Alberts
in Sundwig, wird hier auch ‘für die Deilinghofer Kirchengeschichte
verrechnet’, da das Rentzingsche Anwesen (wo heute die alte Wassermühle
steht), damals ‘Heppings Kotten’ genannt, Deilinghofer Kirchenbesitz
war. Die Mühle in Sundwig war übrigens bis in die Zeit kurz nach
dem Zweiten Weltkrieg ein Ort, an dem sich Freunde der Brüdergemeine
zur Erbauung trafen. - Zu Einzelheiten im Zusammenhang mit dem Heppingskotten,
den Familie Rentzing übernahm, siehe unten etwa zu 1726 und
dann des öfteren im weiteren Verlauf dieser Chronik und auch im Hauptteil
von BDKG 3.
1704 (D): Laut einem Kirchensitzverzeichnis
von 1769 im Kirchenarchiv Deilinghofen wurde der Küster und Kantor
Diedrich Wienecke (Sohn Johann Wieneckes, s.o.
zu 1700) suspendiert und aus dem "Chorgestühl" der Stephanuskirche
verbannt; das ist die älteste gefundene Erwähnung des linken
Presbytergestühls (Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte N3, "Acta wegen
der Kirchensitze 1777"). Im Zusammenhang mit dem oben zu 1700 Vermerkten
muß man es sich genauer so vorstellen, daß Diedrich
Wienecke in den Jahren 1704 bis 1707 für seinen (wahrscheinlich
schon gebrechlichen) Vater die Arbeit als Küster und Kantor nur stellvertretend
erledigte und im genannten Jahr 1704 von Pastor Mollerus den mit
dem Küsteramt verbundenen Kirchensitz verweigert bekam, den dieser
dann samt Amt seinem eigenen Sohn ‘zuschusterte’ (1707).
1705 (H): Gründung
der Papiermühle Westigerbach (Schl.3/1959, S.8ff.).
1705 (I): "1705, den 7.August,
hatt der liebe Gott die Stadt mit einem Hagelschlag gezüchtiget, welcher
alle Kornfrüchte verzehret hat. Mein damaliger Präzeptor und
Rektor Scholae, Herr Mag. Forstmann, ließ damalen ein Programma de
GranDIne segitis JserLonenses CaLaMos frangente drucken, worin die Jahreszahl
begriffen" (Leckesche Chronik, nach: W. Schulte II, S.386).
1705 (I): "Auf Geheiß
und mit Erlaubnis des Königs Friedrich I. ... wurden in der Grafschaft
Mark zahlreiche ‘Privilegierte Bürger-Schützen-Corps’ zur Landesverteidigung
ins Leben gerufen. In Iserlohn betrachten sich die Bürgerschützen
von 1705 als Nachfolger der mittelalterlichen Schützenbruderschaft
St.Jür-gen, die noch 1698 in einem städtischen Bericht als Helfer
erwähnt werden. Ihre Bedeutung in der Stadtgeschichte kennzeichnet
allein schon die Tatsache, daß sie in der Bauernkirche eine eigene
Vikarie unterhielten und ein Landgut besaßen" (Dossmann, S.23;
vgl. auch S.64).
1706 (I/H/Bg): Am 25.Mai
1706 wurde Johann Gangolf Wilhelm Forstmann in Iserlohn geboren
als Sohn des Magisters Thomas Forstmann (Bauks, S.136 Nr.1748),
der später bis 1727 Pfarrer in Hemer wirkte. Forstmann d.J.
war als Hemeraner Pfarrer 1727-1732 des Vaters Amtsnachfolger und danach
Pfarrer in Solingen, von wo aus er auf Hemer weiter stark einwirkte. Als
glühender Verehrer des Grafen Zinzendorf war Forstmann
d.J. eine Gestalt von Bedeutung mit Wirkungen über die lokalen
Grenzen hinaus. Vgl. zu ihm etwa den schönen Aufsatz von Georg
Gudelius, in: Schl. 1/1959, S.5ff., ferner: K.F. Ledderhose,
Artikel: Forstmann, in: Allgemeine Deutsche Biographie [ADB], Band 7, Berlin
1877[=Nachdruck 1968], S.190f.; K.F.Ledderhose, Leben Joh. Gangolf
Wil-helm Forstmann’s, eines Predigers der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt
(in der Reihe: Sonntagsbibliothek. Lebensbeschreibungen christlich-frommer
Männer zur Erweckung und Erbauung der Gemeine. Herausgegeben von Freunden
des Reiches Gottes. Eingeleitet von Dr. A.Tholuck, Zweiter Band),
2.Auflage, Bielefeld 1850, S.237ff. Forstmann, der von Hamann
so Hochgelobte [s.u. in der Chronik zu 1759], ist eine der wenigen Persönlichkeiten
unter den Geistlichen der Grafschaft Mark, die ‘in die Kirchengeschichte
eingegangen’ sind; vgl. etwa Hermann Rothert, Kirchengeschichte
des Westfälisch-Rheinischen Industriegebietes vom evangelischen Standpunkt
(=Wissenschaftliche Heimatbücher für den Westfälisch-Rheinischen
Industriebezirk, Bd. XIIa), Dortmund 1926, S.105-107, Erwin Mülhaupt,
Rheinische Kirchengeschichte. Von den Anfängen bis 1945, Düsseldorf
1970, S.241 und 244. Wir haben in Deilinghofen viele Hunderte von kopierten
Seiten der Werke von und über J.G.W.Forstmann gesammelt und
möchten dazu gelegentlich eine eigene Arbeit herausbringen.
1706 (D): In der Deilinghofer
Stephanuskirche gab es eine neue Glocke für die zersprungene alte.
Es war die Vorgängerglocke der ‘Finger-Daumen-Ellen-bogen-Glocke’
(vgl. BDKG 2, S.19). Kirchmeister Schulte-Riemke gab dazu
das Darlehen (vgl. BDKG 2, S.47f.).
1708 (D): Die älteste
Grabstättenliste im Deilinghofer Kirchenbuch (Schl. 9/1967,
S.1ff.).
1709 (I/H): Am 11. und
12.Juli 1709 feierte man das 100-Jahr-Jubiläum des von Magister Thomas
Forstmann (Forstmann sen.) zur Blüte und zum Ruhm gebrachten
‘Lyceum Iserlohnense’ (vgl. den Vortrag "Lyceum Iserlohnense - Beitrag
zur Geschichte des Iserlohner Schulwesens" des Iserlohner Pfarrers Friedrich
Ernst Reinhard Groscurth [1838-1923; vgl. Bauks, S.167 Nr.2127]
über diese sehr bedeutende Iserlohner Bildungsanstalt, als Typoscript
vorhanden im Burg-Archiv Iserlohn, in dem auf S.1ff. auf das Jubiläumsfest
eingegangen wird). Vgl. dazu auch: Georg Berkemeier/Wilhelm Bleicher/Gustav
Muthmann (Hg.), Gymnasium Iserlohnenense 1609-1984, Iserlohn 1984,
S.157f.
1710 (I/H/Bg): Johann
Diedrich Angelkorte, später Pfarrer in Hemer, wurde am 1.5.1710
in Iserlohn geboren. Neben seinem Vorgänger Pfarrer Forstmann jun.,
der ihm geistlicher Vater blieb, wurde Angelkorte in Hemer wichtiger
und ziemlich radikaler Vorkämpfer der Herrnhuter Bewegung (zu ihm
vgl. etwa: Schl. 4/1975, S.19ff. und später zu nennende Literatur).
1711 (Bg/D): In Hörde
wurde am 30. Juli 1711 Johann Caspar Dümpelmann geboren (Bauks,
S.106f. Nr.1369). Als Pfarrer in Hemmerde bei Unna wirkend, war er Vater
des späteren Deilinghofer Pfarrers Gottfried Wilhelm Andreas Dümpelmann.
Hemmerde wurde im Verlauf des 18. Jahrhunderts eine wichtige Zentrale und
Schaltstelle der Herrnhuter Bewegung im märkischen Raum, und in der
Dissertation von Siegfried Schunke über die Herrnhuter in der
Mark wird Dümpelmann sen. zusammen mit Johann Gangolf Wilhelm
Forstmann und Johann Diedrich Angelkorte aus Hemer und mit Johann
Gottfried Westhoff aus Bausenhagen (bei Fröndenberg) zu den theologischen
Vätern dieser Bewegung im hiesigen Raum gerechnet (zu Dümpelmann
sen. vgl. Schunke, S.33ff.). Von allen Vieren wird im Verlauf
der Chronik viel zu schildern sein.
1712 (I): Iserlohn wurde
heimgesucht von einer "unvergleichlichen Brandkatastrophe von 1712, der
die Stadt fast völlig zum Opfer gefallen war ... Von 460 Häusern
waren binnen 5 Stunden 403 zerstört" (Dossmann, S.68). "Von
der Mitte des 15. Jahrhunderts bis zum Jahr 1712 zerstörten mehrere
große Brände die Stadt zum Teil völlig ... Nach 1712 wurde
daraufhin das Feuerwehrwesen der Stadt wesentlich verbessert. Zahlreiche
öffentliche und private Spritzen, Feuerleitern, Löscheimer usw.
wurden angeschafft" (Museums-Journal, Seite "Stadtbrände").
1712 (H): Johann Bernhard
von der Becke (1655-1730) verlegte seinen Wohn-sitz von Iserlohn nach
Sundwig. Er, der Ahnherrr des Großunternehmens, erschloß das
Sundwiger Tal dem Gewerbe (vgl. Schl. 2/1958, S.28). "1712 errichtet
Bernhard von der Becke neben der ersten Messingschmelze Westfalens am Sundwiger
Bach die erste westfälische Fingerhutsmühle" (Schl. 1
u. 2/1972, S.3). "Vom Fingerhut zur weitverzweigten Fertigwarenindustrie
führte der konsequente Weg, den die Unternehmerfamilie von der Becke
mit diesem ihren SUNDWIGER MESSINGWERK krönte, das bis heute seine
Weltgeltung erhalten konnte, wenngleich nicht mehr im Jahrhunderte währenden
Familienbesitz" (Dossmann, S.239). "1736 wurde der herkömmliche
Schmelzofen durch eine ausgesprochene Eisenhütte ... ersetzt, die
Diedrich von der Becke, der Sohn des Gründers, errichtete. Diese Hochofenanlage
wurde bis 1864 betrieben. Hieraus entwickelte sich eine Eisengießerei
und später eine Maschinenfabrik, die noch heute den Namen ,SUNDWIGER
EISENHÜTTE’ führt. Als ältestes, heute noch florierendes
Hüttenunternehmen dieser Art in Westfalen fertigt es Maschinen, die
in die ganze Welt gehen" (Dossmann, S.210f.).
1713-1740 (A): Herrschaftszeit
in Preußen von Friedrich Wilhelm I., dem ‘Soldatenkönig’.
1713 (D): In Deilinghofen
wurde 1713 das Begräbnisverzeichnis des alten Kirchenbuchs begonnen
von Florens Gerhard Mollerus (Adjunkt des Vaters ab 1714). Vgl.
dazu BDKG 2, S.48 und den ganzen Abschnitt S.46ff.
1714 (D):Der alte, klapprige
Lehrer Diedrich Osterport sollte in den Ruhestand gehen. Dazu vgl.
BDKG 2, S.47f.
1717 (D): 1717 unterschrieben
Mollerus Vater und Sohn gemeinsam die Confessio Augustana (vgl.
BDKG 2, S.51).
1717 (I/H): Zum Reformationsjubiläum
gab Magister Thomas Forstmann seine "Vita Lutheri" heraus, eine
umfangreiche Lutherbiographie mit 1894 Seiten (dazu vgl.: Schl.
3/1983, S.103ff.).
1717 (I/H): "1717, den
28ten November, alß der Her Magister Vorstmann wolten seine Eingangspredigt
tuen zu Hemer, haben sich die Weiber alda auf dem Kirchhofe so starck postiret,
mit einem Fuder Steine und Klüppel woll verwahret und den Her Magister
und etliche Bürger auß hiesiger Stadt darmit begrüßet.
Endlich sein sie doch mit starcker Handt in die Kirge gekommen und sich
postiret vor daß Altar. Von wegen des grausames Tumultes had er sein
Eigenwort nicht hören können, had nur die Epistel S. Pauli und
daß heilige Evangelium abgelesen und darauf den Segen gesprochen.
So had das blutige Treffen in und außer der Kirge continuiret, daß
ein guter Teil Iserlonisge und ein gut Teil Bauern davon blessiret sein....
Endlich ist der Herr Magister Forstmann am 3ten Sonntage des Adventes,
durch den Herrn Commissair Deuticon ohne Verhinderungen eingesetzt worden"
(Schmölesche Chronik, zitiert nach W.Schulte II, S.382).
- Dieser Kirchenskandal ist in das aktuelle "Adreßbuch der Stadt
Hemer 1988" eingegangen, nämlich im einführenden Aufsatz von
August Kracht: HEMER - Geschichte und Gegenwart (S.13-20), wo wir
(S.15) lesen: "Und wo hätten solche rauhen Zeiten ebenso wie die nicht
selten handgreiflich ausgetragenen Glaubenskämpfe um die - in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Hemer eingeführte - Reformation
sich weniger nachhaltig niedergeschlagen als hier, wo man sich 1717 in
der Vituskirche bei der Antrittspredigt des Magisters Thomas Forstmann
gegenseitig das Gesangbuch um die Ohren schlug und es der Autorität
seines als Verfasser philosophischer Kompendien bekannten Sohnes Johann
Gangolf Wilhelm, nach dem Zeugnis des Philosophen J.G.Hamann ,der gewaltigste
Prediger nach Luther’, bedurfte, die Gemeinde zur Harmonie, sogar mit pietistischem
Einschlag, zurückzuführen."
1718 (I/H): "Anno 1718.
Bei Michael hat der Herr Magister Forstmann unse oberste Schule quittiret.
Worauf die Herren des Magistrats wiederum einen berufen haben von Dortmunde
mit Nahmen Herr Torck" (Schmölesche Chronik, zitiert nach:
W.Schulte II, S.382).
1718 (H):Beginn des ältesten
Hemeraner Kirchenbuchs (Deilinghofen: 1684). Im gleichen Jahr ließ
der neue Pastor Thomas Forstmann das Pfarrhaus bauen: "Das Pastoratshaus
an der linken Seite der Geitbecke, welches 1718 unter Aufsicht des Pastors
Thomas Forstmanns erbaut ward, ging in der großen Feuersbrunst am
3. April 1779 zugrunde" (F.L.Woeste, in: Schl. 2/1970, S.10)
1718 (D): Zwei Jahre vor
dem Tod von Pastor Goswin Mollerus wurd im Alten Pastorat "[
17] 18.DIE VNTERSTE
STVBE...VERFERTIGET" (Balken-inschrift im Alten Pastorat, welche von Florens
Gerhard Mollerus aus dem Jahr 1744 stammt, gefunden 1980 von Pastorin
Sigrun Valentin-Bette. Zitiert nach: Gemeindebrief der Evangelischen
Kirchengemeinde Deilinghofen, April bis Juni 1980, S.13, vgl. den ganzen
Artikel: S.Valentin-Bette: Das alte Pastorat in Deilinghofen, S.12ff.).
1720 (D): Goswin Mollerus
wurde in Deilinghofen beerdigt am 15.März 1720 (vgl. BDKG 2,
S.51).
1720-1755 (D): Florens
Gerhard Mollerus 8. Pfarrer in Deilinghofen nach der Reformation (zu
ihm vgl. BDKG 2, S.46ff.).
1720 (D): In der Märkischen
Synode, an der Pastor Mollerus II erstmals am 16. und 17.Juli 1720
teilnahm, machte er sich gleich mit einer pikanten Skandalgeschichte bekannt,
wie §18 des Synodalprotokolls festhielt: "Her Möller,
Pastor zu Deilinghofen Ampts Iserlohn, beschweret sich über eine WeibsPersohn
seiner Gemeinde, welche er aus der Beichte in die Sakristey gefodert, ihr
wegen ihre leichtfertigen Lebens-Wandels zu zu reden, daß sie ihme
öffentlich obloquiret [d.h.: widersprochen] und gesagt habe, da gehöreten
Schelme und Huren hinein." Mollerus bat um Gutachten, daß
diese Frau sich öffentlich, evtl. vor dem ganzen Presbyterium zu entschuldigen
hätte (Göbell I, S.78, wo im Protokoll einer späteren
Sitzung, S.98f., der Name der Frau mit Catharina Theves angegeben
wurde, bei der "öffentliche Hurerey dazugekommen" und "die Früchte
davon an den Tag geleget" waren, so daß "offentlich ihres gegebenen
Skandales wegen Kirchen-Buße" erfolgen mußte).
1720 (H):Thomas Forstmann,
Pfarrer an der Vituskirche Hemer, "ließ ... 1720 drucken ,kurze Fragen
und Antworten zu besserem Verstand des kleinen Catechismi Lutheri, nebst
christlichen Morgen- und Abendgebätlein’. Imgleichen, gewisse Kernsprüche
nach dem Alphabet. Er machte auch den Anfang, die Sonntäglichen Evangelia
durch Frag und Antwort, der lieben Einfalt zum besten, drucken zu lassen,
sein Tod aber, der 1727, den 30 April einfiel, hat das Werk unterbrochen"
(von Steinen, S.1133).
1722 (I): In diesem Jahr
wurde "der erste Iserlohner Drahtstapel gegründet. Es handelte sich
hierbei um einen Zusammenschluß der Drahtzieher und acht Kaufmannsfamilien
unter staatlicher Aufsicht. Diese Organisation regelte alle Bedingungen
im Bereich der Herstellung und des Verkaufs von Draht mit dem Ziel eines
stabilen Preises und eines garantierten Absatzes. Um 1737 waren 140 Drahtzieher
aus der Stadt Iserlohn dem Stapel angeschlossen. Keiner der Mitglieder
durfte Draht auf eigene Rechnung verkaufen" (Museums-Journal, Seite
"Der Drahtstapel"). "Im Jahr 1724 gab es zu Sundwig und Westig 17 Kratzendrahtzieher,
welche an den 1722 gegründeten Stapel zu Iserlohn abzuliefern hatten"
(F.L.Woeste, in: Schl. 1/1988, S.21).
1722 (A): "Wie sehr ...
die Bevölkerung der Grafschaft Mark sich als untereinander verbundene
Gemeinschaft fühlte, macht ein Buch deutlich, das seit seinem Erscheinen
im Jahr 1722 über fast ein ganzes Jahrhundert...in den lutherischen
Kirchen der ganzen Grafschaft Mark benutzt wurde. Dieses ‘Märckische
Gesang-Buch’ gehörte unverzichtbar zum Buchbestand beinahe jeder evangelisch-lutherischen
Familie ... Bereits 1782 hatte der preußische König ... das
Privileg eines neuen Gesangbuches erteilt. Die Märkische Synode beschloß
darauf die Einführung des Berliner Gesangbuches... Aber die Bevölkerung
hielt, was durchaus märkisch-westfälischer Denkweise entsprach,
an ,Kern und Mark' - so wurde das alte ‘Märckische Gesang-Buch’ in
Kurzfassung genannt - beharrlich fest ... Wegen der allgemeinen Abneigung
gegen dieses nur in wenigen Gemeinden akzeptierte Gesangbuch, gab schließlich
die Regierung dem Wunsch nach, ‘Kern und Mark’ wieder als gültiges
Gesangbuch einzuführen" (Dossmann, S.133f.).
1724 (D): Nachdem in der
Familie Schulte-Riemke mehrere Kinder in diesem Jahr starben, erhielt
der bis heute zu sehende Grabstein folgende Aufschrift: "Kinder, so seind
Christi Glieder, schenket Gott und nimmt sie wieder" (BDKG 2, S.49).
1725 (I): Am 20.10.1725
war der erste Viehmarkt in Iserlohn (Schmöle-Chronik, nach: W.Schulte
II, S.381).
1726 (D/H/Bg): Der 1704
geborene (s.o.) Stephan Diedrich Rentzing (später: Rentzing,
genannt Hepping) pachtete ‘Heppings Kirchenkotten’ in Sundwig,
der der Kirchengemeinde Deilinghofen gehörte. Er nahm ihn in Erbpacht.
(Vgl. Kirchenarchiv Deilinghofen, Akte L1: "Heppings Gut zu Sundwig 1761-1843";
dort den ältesten erhaltenen Pachtvertrag vom 9.Juni 1761 (unterschrieben
von seiten der Gemeinde von Pastor Caspar Gerhard Mollerus u.a.;
übrigens das einzige Dokument von Mollerus III, der ja angeblich
das vorherige Kirchenarchiv verbrannt hatte!): "Kund und zu wissen sey
hiermit jedermänniglich, sonderlich den daran gelegen, daß nachdem
der Ehrsame Stephan Diederich Rentzing genannt Hepping zu Sundwig inständigst
ersuchet und gebäten, zu Beförderung des Friedens und Einigkeit
zwischen dessen Kindern, die seit vielen Jahren her, von ihm bewohnten
der Kirche zu Deilinghofen competirende Kotte nebst dem dazu gehörigen
Wiese u. Plätzgen; etwa Ein und Ein halben Morgen schlechten Landes
[vier Parzellen Landes werden im einzelnen genannt] ... Erblich zu übertragen.
Wir zu Ende genannte Prediger und sämtliche Consistoriales unterm
heutigen Dato nachstehende Puncte, jedoch nicht anders als mit Genehmhaltung
eines Wohllöbl Landgerichts zu Altena einfällig beschlossen und
festgesetztet". Der Wert des Kottens wurde dort "ad Hundert Zwanzig, schreibe
120 Reichtsthaler" festgesetzt. - Beschlossen wurde auch, daß der
Käufer "die gewöhnliche Pacht ad Vier Reichsthaler so an Martini
fällig, jährlich an die Kirche so lange bezahlen müsse,
bis davon das Capital völlig erleget". Am 24.September 1779 wurde
der entsprechende Vertrag auf den Sohn Johann Melchior Rentzing
überschrieben, von Pastor Dümpelmann u.a. unterzeichnet
(gleiche Akte im Kirchenarchiv Deilinghofen). Am 10.Juli 1800 wurde der
entsprechende Vertrag auf den Sohn des vorigen, Johann Gottfried Wilhelm
Rentzing, überschrieben und von Pastor Basse u.a. unterzeichnet
(gleiche Akte im Kirchenarchiv Deilinghofen). - Der Beweis, daß aber
schon 1726 Rentzings auf dem Kotten waren, ist das Dümpelmannsche
Gutachten vom 9.Mai 1780 (gleiche Akte im Kirchenarchiv Deilinghofen).
Anlaß für dasselbe war, daß die reiche Industriellenfamilie
von der Becke im Dieken ein Auge auf das Heppingsche Anwesen
geworfen hatte und es von der Kirchengemeinde kaufen wollte. Dümpelmann
nahm die Rentzings in Schutz. - In unserem Zusammenhang sei nur
zitiert: "Diese Kott ist 1726 dergestalt zurückgekommen gewesen und
der damalige Colone [sc. der Colon Hepping] so verarmt, daß
zur Kirche, Contributions Casse Renthey etliche Jahre Rückstand gewesen,
das alte Haus eingefallen, Garten und Wiese desolat geworden, zu dieser
Verfassung sind die jetzt noch lebenden 76- und 80jährigen Eheleute
Rentzing gendt. Hepping als Fremde getreten, allen Rückstand bezahlt
und ein neues Haus aus eigenen Mitteln gebaut, Wiese und Garten planiert,
mit lebendigen Hecken und Zäunen besetzt, mit Obst und andern Bäumen
durchaus beplanzt...".
1727 (Bg): Mit der Abendmahlsfeier
in der Kirche zu Berthelsdorf am 13. August 1727 schlossen sich Einwohner
Herrnhuts zusammen zur Brüdergemeine.
1727 (D): "1727, 22.6. Zehnjähriger im Langenbruch
infolge Wolkenbruchs ertrunken, aufgefunden am Hohenstein", aus dem Deilinghofer
Kirchenbuch, (zitiert nach: G.Schulte, Kirchenbuch, S.65).
1727-1732 (H/Bg): Nach dem Tod des älteren
Forstmann, "der 1727 den 30 April einfiel", wurde seine "Stelle
durch den Beruf seines Sohnes Johann Gangolf Wilhelm wieder besetzet, als
welcher von der Gemeine gleich wieder ist beruffen und den 16.Junius zu
Hemern in der Kirche ordiniert worden" (beide Zitate: v.Steinen,
S.1133). - Pfarrer Florens Gerhard Mollerus aus Deilinghofen hielt
am 9.Mai 1727 übrigens die Leichenpredigt für die (unmittelbar
nach ihrem Ehemann) verstorbene Ehefrau des Pastor Thomas Forstmann.
Diese älteste gedruckte Deilinghofer Predigt (!) ist vorhanden in:
Staatsarchiv und Wissenschaftliche Stadtbibliothek Soest, Sign.IV/922 (liegt
uns als Kopie vor!). Johann Gangolf Wilhelm Forstmann war von 1727-1732
Pfarrer in der Hemeraner Vituskirche (zu Forstmann jun. siehe auch
oben zu 1706). "Er nahm aber bald darauf das ihm angetragene Pastorat zu
Solingen im Bergischen Lande an, und hielt 1732 am 1.Sonntag des Advents
seine Abschiedsrede" (v.Steinen, S.1133).
1728 (D): "1728. April 27. Johann Christoph Weinmann,
welcher am Cantate, während der Predigt zu Riemke in Borgmanns Pütte
gefallen, und leydweise tot wieder herausgezogen" (Deilinghofer Kirchenbuch,
zitiert nach: BDKG 2, S.48).
1728 (H/Bg): Nach einer schweren Lebenskrise (Krankheit
und Gelübde) deutliche Wende im Leben und in der Verkündigung
und Amtsführung des Hemeraner Pfarrers Johann Gangolf Wilhelm Forstmann.
Die Wende fand zwischen Ostern und dem Dreieinigkeitsfest jenes Jahres
statt (vgl. Schl. 1959, S.10 f.). Es begann, noch vor seiner vollkommenen
Hinwendung zu Zinzendorf und dem Glaubensverständnis der Brüdergemeine,
die Zeit, die man Forstmanns ‘pietistisch-gesetzliche Phase’ nennen
kann (vgl. dazu unten in dieser Chronik zu 1737 Forstmanns eigenen Rückblick
auf die ‘Phasen’ seines Lebens). Seit 1728 jedenfalls wurde in Hemer Forstmanns
Predigt als gewaltig empfunden.
1728 (D): Der Deilinghofer Pastor Florens Gerhard
Mollerus hielt im November 1728 in Hennen (das war damals im ‘Ausland’!)
lutherischen Gottesdienst, als der lutherische Hennener Pastor von seiner
(reformierten) Landesherrin, der Gräfin von (Hohen-)Limburg, im Verlauf
des Hennener Kirchenstreits zwischen Lutheranern und Reformierten (1667-1733)
Predigtverbot erteilt bekommen hatte (nach: Wilhelm Rademacher,
Aus der Geschichte der Gemeinde Hennen, Hennen 1972, S.94).
1730 (H/Bg): Erste Anklage von der Synode gegen
Pastor Johann Gangolf Wilhelm Forstmann (Schunke, S.48):
Anstößige Neuigkeiten hätte er in Hemer eingeführt.
1730 (D): Am 8. und 9.November 1730 drang eine
Räuberbande ins Alte Pastorat in Deilinghofen ein: schwerer Raub und
Mißhandlungen (BDKG 2, S.49).
1731 (Bg): Zinzendorf und die ersten gedruckten
‘Losungen’ der Herrnhuter Brüdergemeine.
1731 (H/Bg): Nach F.L.Woeste lernt man
Johann Gangolf Wilhelm Forstmann "und den damaligen Zustand der
Gemeinde kennen aus einer äußerst selten ge-wordenen Predigt,
die er in Hemer gehalten hat.... Er schrieb 1731 auf 5 Bogen: Gedanken
eines Christen bei einer umgeschmolzenen Glocke" (Schl. 2/1970,
S.14).
1731 (H/D/Bg): Am 7.Oktober 1731 wurde in Sundwig
in Heppings Kotten, dem Deilinghofer Kirchenbesitz, Johann Melchior
Diedrich Rentzing, der Sohn des Stephan Diedrich Rentzing, geboren
(gestorben: 21. April 1800; vgl. Rentzing-Alberts-Chronik, S.1).
Johann Melchior Diedrich Rentzing trat, was die Herrnhuter
betraf - mit Rückenwind aus Deilinghofen von Pastor Dümpelmann
her -, in die Fußstapfen seines Vaters.
1732 (Bg): Die Herrnhuter Missionstätigkeit
in Westindien begann.
1732 (H/Bg): 1732 war das Erscheinungsjahr eines
Werkes, das Johann Gangolf Wilhelm Forstmann in seiner Hemeraner
Amtszeit geschrieben hatte. Der genaue Titel lautet: "Mein Heiland hilff!
Das Lutherische Christenthum / Das ist: Deutliche und lautere Erklärung
/ Des Kleinen Catechismi Lutheri, Wie selbige in denen Catechismus-Lehren
Bißher vorgetragen / Nunmehro aber dem Druck übergeben Von Johann
Gangolph Wilhelm Forstmann, Evangel. Luther. Past. zu Hemmern. Soest /
gedruckt bey Joh. Georg Hermanni. 1732.". Forstmann mußte
sich die Klagen der Synode anhören, daß er das Buch ohne Genehmigung
zum Druck gegeben habe (vgl. z.B. Schunke, S.49).
1732 (H/Bg): Am 1.Advent 1732 hielt Johann
Gangolf Wilhelm Forstmann in der Hemeraner Vituskirche seine Abschiedspredigt
und wechselte nach Solingen (s.o. zu 1727-1732). "Nach seinem Wegzuge entstund
in der Gemeine wegen der Wahl eines neuen Predigers ein schwerer Streit,
der ins dritte Jahr fortgesetzt wurde, endlich ist 1735 Johann Diederich
Angelkate [ Sic!Er heißt richtig Angelkorte]
als Prediger erwählet, und den 27 März durch den zeitlichen Inspector
Glaser zu Hemern ordinirt worden. Und dieser ist es, welcher mir zu verschiedenen
gegründeten Nachrichten von diesem Ort Handreichung gethan hat" (v.Steinen,
S.1133 f.).
1733 (Bg/H): Die Herrnhuter Grönland-Mission
begann (vgl. Thom, S.8). Pastor Karl Thoms schöne Arbeit
zeigt, wie die Herrnhuter Grönland-Mission für die Menschen aus
dem hiesigen Raum Gewicht bekam.
1733 (Bg): Johann Gangolf Wilhelm Forstmann
lernte von Solingen aus Gerhard Tersteegen kennen (Gerhard Tersteegen,
Liederdichter und der bedeutendste Mystiker im deutschen reformierten Pietismus,
geb. 1697 in Moers, gestorben 1769 in Mülheim; ‘Ich bete an die Macht
der Liebe’). "Tersteegens geheiligte Person habe ich seit dem Jahre 1733
gekannt", teilte Forstmann brieflich dem Grafen Zinzendorf
am 17. Juni 1737 mit (zitiert nach: Wotschke I., S.272). Viele andre
‘fromme Außenseiter’ am Rande des Pietismus, denen er sich annäherte
und von denen er sich z.T. auch wieder distanzierte, lernte Forstmann
in seiner Solinger Zeit im Bergischen Land kennen.
1733 (D): Taufe in der Familie des Deilinghofer
Pfarrers: Caspar Gerhard Mollerus, der 1733 in Deilinghofen geborene
Pfarrerssohn, wurde hier am 24.Februar 1733 getauft (vgl. BDKG 2,
S.51). Caspar Gerhard Mollerus wurde später Pastor in Deilinghofen
von 1756 bis 1765.
1734 (Bg): Zinzendorf trat in den geistlichen
Stand ein. Im gleichen Jahr Beginn der Herrnhuter Nordamerika-Mission (vgl.
Thom, S.8).
1735 (H/Bg): Johann Diedrich Angelkorte
(zu ihm vgl. oben zu: 1710 und 1732) wurde Pfarrer an der Hemeraner Vituskirche;
zu Angelkorte vgl. auch Schl. 4/1975, S.19ff.).
1735 (I): "Anno 1735, den 16. Januarius, haben
die Revormirte die erste Klocke auf ihre Kirge bekommen und sogeleich mit
in die Kirge geleutet" (Schmö-lesche Chronik, nach: Schulte
II, S.383).
1736 (H): "1736 wird an der Stelle einer alten
Eisenschmelze am Sundwiger Bach der erste Hochofen Westfalens in Betrieb
genommen (Sundwiger Eisenhütte)", Schl. 1 u. 2/1972, S.3).
1737 (Bg/H): Am 16.Dezember 1737 offenbarte Forstmann
in Solingen seine innere Entwicklung dem Grafen Zinzendorf in einem
aufschlußreichen Brief, in dem es u.a. heißt: "Daher, wer es
wissen will, daß Jesus ein Heiland ist, der sich der verfluchten
Höllenbrände annimmt, nur auf mein Exempel sehen kann. Mein ganzes
Leben bis in das 22.Jahr meines Alters heißt vor ihm lauter Blindheit,
Missetat und Sünde. Vom 22. bis ins 30. hat er mich so gesucht und
so an meiner Errettung gearbeitet, daß ich es nicht aussprechen kann..
Anfangs nach meiner Aufweckung behalf ich mich mit lauter Überzeugungen.
Hernach geriet ich in einen gesetzlichen Zustand, worin ich mich fast bis
ins 1736. Jahr aufgehalten, daß ich nie recht gewußt, ob ich
ein Kind Gottes oder ein Kind des Sa-tans gewesen... Nach der Erkenntnis,
die ich hatte, habe ich jederzeit gepredigt, ...von der ersten Stunde an,...
bis endlich am vergangenen dritten Pfingstfeiertage (war mein 32.Geburtstag...)
mein liebes- und erbarmungsvoller Heiland mich in solcher Liebe heimsuchte
und umfaßte, daß ich nicht wußte, wie ich mich vor ihm
beugen sollte, und mich seiner ewigen Gnade ... so fest versicherte, daß
ich ... mein 32.Jahr mit seinem Blut besprengt und in seiner Gerechtigkeit
eingekleidet antreten und in diesem Schmuck auf ewig leben solle" (zitiert
nach: Wotschke I, S.269f.). - Im Klartext heißt das, daß
Forstmann, was in vielen seiner autobiographischen Bemerkungen zur
Sprache kommt, 1728, als er ein Jahr in Hemer war, seine erste Wende hin
zu einem ‘gesetzlichen Pietismus’ ansetzte und daß seine Beschäftigung
mit dem Gedankengut der Herrnhuter ihn in einer weiteren ‘Bekehrung’ schließlich
vollends Pfingsten 1737 zu einem Christen mit einer Glaubensgewißheit
nach der Art der Brüdergemeine werden ließ.
1738 (I/D): Am "28.Februar 1738" starb 86jährig
in Iserlohn der langjährige Ratsherr "Johannes Hülshoff, seiner
Profession ein Kupferschmied, weil. Hern Bernardi Hülshoffs zeitlebens
gewesener Pastoris von Deilinghofen ehelicher Sohn, seit 20. Mai 1681 Bürger
der Stadt Iserlohn". Der Deilinghofer Pastorensohn war in Iserlohn "Senator,
Consistorial". (Zitate nach: W.Schulte II, S.430, S.517 und S.439;
vgl. zu Hülshoff auch etwa S.455f.; zu seinem Vater vgl. BDKG
2, S.41-43.) - Johannes Hülshoff, der Sohn, war einer der angesehensten
Iserlohner Bürger. Aus dem Deilinghofer Kirchenbuch geht hervor, daß
am 13. November 1681 dieser Johannes Hülshoff in seinem Heimatdorf
Deilinghofen mit Margarethe Westhelle getraut wurde.
1738 (Bg/H): "Der 31.Mai 1738 war für den
frommen Solinger Pastor Forstmann ... ein Freudentag, brachte ihm
die Erfüllung eines jahrelang gehegten Wunsches: der Graf Zinzendorf
schenkte ihm die Ehre seines Besuches. Er konnte den von Angesicht sehen,
dem sein ganzes Herz gehörte, den er liebte, verehrte, bewunderte
wie keinen anderen... Am nächsten Tag begleitete er den Grafen, den
es weiterdrängte, noch einige Stunden zu Fuß, aber auch als
dieser dann die Post bestieg, mochte er sich nicht von ihm trennen; er
schwang sich zu ihm in den Wagen, seine Gesellschaft weiter zu genießen,
fuhr mit ihm nach Marienborn (bei Büdingen in der Wetterau) und blieb
dort einige Tage" (Wotschke I, S.257).
1739 (D): "1739 Gründung der Gewerkschaft
Helle, d.h. eines Kapital-Konsortiums zum Erzabbau im Felsenmeer" (G.Schulte,
Kirchenbuch, S.66).
1740 (A): Das Konventikelverbot durch König
Friedrich Wilhelm I; vgl. Schunke, S.44ff.). Es betraf die pietistischen
Sondergemeinschaften innerhalb der evangelischen Kirche und eben auch die
Herrnhuter Erweckungsbewegung, wobei in der Märkischen Synode Unklarheiten
bestanden, wann eine ‘Hausandacht’ zum ‘conventiculus’ wurde..
1740 (A): In Preußen kam Friedrich II.
(der Große) an die Regierung (bis 1786).
1740 (D): Am 22.Februar 1740 wurden der Schultze
und die Meyersche zu Riemke und ein Kind und drei Knechte im dortigen
Hofbrand jämmerlich dahingerafft (vgl. BDKG 2, S.48f.; vgl.
auch Schl. 4/1968, S.14f.: nach "der entsetzlichen Feuersbrunst"
wurden von den Verbrannten "nur mehrenteils die Gebeine gefunden"). Diese
Katastrophe hatte auch Konsequenzen für die Deilinghofer Kirchenkasse:
die zuvor 50 Reichstaler, die 1739 in seiner Krankheit der sterbende Diedrich
Schulte zu Riemke der Kirche zur Verbesserung der Pastoratrenten zu
zahlen versprochen hatte, wurden nach dem Feuer 1743 mit Einverständnis
der Kirchengemeinde auf 25 Reichstaler ermäßigt. (Vgl. dazu:
Schl, 1/1968, S.10f.). Diedrich Schulte zu Riemke (1701-1739), war
Sohn des gleichnamigen Diedrich Schulte zu Riemke (1660-1736); dieser
war der frühere Diedrich Brandt, der einheiratete; vgl. oben
in dieser Chronik zu 1702 und unten zum Juni 1740.
1740 (Bg): Am 20.März 1740 unterschrieben
sechs angesehene Hemmerder Bürger eine lange Anklageschrift gegen
ihren Pfarrer Johann Caspar Dümpelmann (den Vater des späteren
Deilinghofer Pastors), die sie an den preußischen König richteten.
- Die Hauptanklagepunkte gegen den Pastor wurden so zusammengefaßt:
er habe "1) in seinem Haus von den catechumenis ad s. synaxim praeparandis
et confirmandis verlangt, daß sie dem Tanze absagen sollen, 2) bei
der Konfirmation hat er sie einen feierlichen Eid nebst Ausreckung zweier
Finger und deren Auflegung aufs Buch öffentlich über Meidung
spezialer Sünden vor der ganzen Gemeinde kniend schwören lassen,
3) hat der Dümpelmann bei Dimission der Gemeine in der Mittelpredigt
sich dieser verfänglichen Redensart gebraucht: ,Wer aus Gott ist,
der kommt gern wieder, Gottes Wort zu hören', 4) hat dieser Dümpelmann
eine spezielle Manifestation ihrer Sünden von seinen Eingepfarrten
oder Beichtkindern auf öffentlicher Kanzel gefordert". - Seitenlang
bekam der König Anklagepunkte gegen Dümpelmann zu hören,
zum Beispiel auch, daß er zweimal kranke Beichtende peinlich gefragt
hätte, ob sie "in Hurerei gelebt" hätten. (Zitiert nach: Theodor
Wotschke, VI. Urkunden zur westfälischen Kirchengeschichte, in:
Jahrbuch des Vereins für Westfälische Kirchengeschichte, 40./41
[1939/40], S.209-293; dort findet sich als Nr.64 der Brief "Gemeinde Hemmerde
an den König" auf S.268-272 und die obigen Zitate auf S.269 und 272).
1740 (Bg): Inspektor Emminghausen klagte
auf der Märkischen Synode den Hemmerder Pfarrer Dümpelmann
sen. wegen des Pietismus an (Anklagepunkte bei Schunke, S.50).
1740 (Bg/H): J.G.W.Forstmann pries am 28.Mai
1740 die Aktivitäten seines Hemeraner Nachfolgers Angelkorte
bei Zinzendorf brieflich an. In dem Zusammenhang schrieb er an den
Grafen: "H.Pastor Angelkorte dringet immer darauf, daß er gern einen
Bruder zu Hemer haben wollte... An seinem Ort ist eine große Tür
aufgetan, und wenn ihm könnte ein Kandidat zugeschickt werden, der
ein Bruder wäre, derselbe würde ein groß Feld der Arbeit
finden. Ich bin den vierten Sonntag nach Ostern dagewesen mit ein paar
Brüdern, und der Heiland hat uns vielen Eingang finden lassen... Ich
erinnere Ew. Hochgeb. schließlich an dero Versprechen, daß
dieselben durch Solingen kommen wollen, wenn die Reise nach Holland geht".
(zitiert nach: Wotschke I, S.277f.).
1740 (D): Vom 14.Juni 1740 datiert auf dem Hof
Schulte-Riemke eine Balkeninschrift, die heute nur zum Teil noch
entzifferbar ist. Herbert Schulte (Iserlohn) konnte 1967 den Text
noch genauer lesen: "Anno 1740, den 22.Februar ist durch eine entsetzliche
Feuersbrunst des Nachts das Wohnhaus und das Stallgebäude eingeäschert
und durch die strenge Glut 6 Menschen umgekommen. / Doch hat des Höchsten
Gut, der Nichtes war benommen, es wieder so gefügt und dieses aufgerichtet,
da sonst das vorige war ganz und gar vernichtet. / Bewahr vor Hunger und
Not Das, was darinnen schwebet. Bewahr vor Feuer und Brand, das, was darinnen
lebet. Anno 1740 ... Den 14. Juni" (zitiert nach: Herbert Schulte:
Kuhlmann, Johann Christoph 1691-1731, Brand, Anna Maria 1698-1740, beide
genannt Schulte zu Riemke, verheiratet 2.Nov. 1717. Eine Le-bensbeschreibung
als Beitrag zur Familiengeschichte. Iserlohn 1987; in wenigen Exemplaren
maschinengeschrieben vervielfältigt).
1740 (H/Bg): Der Hemeraner Pfarrer Angelkorte
erzählte am 19. September 1740 dem Grafen Zinzendorf brieflich
über seine Bekehrung im Sinn der Brüdergemeine durch Pastor Forstmann
("1740 kurz nach dem Sonntage Kantate") und über die Sache der Brüdergemeine
in Hemer. (Wotschke II, S. 58).
1741 u. 1742 (H/Bg): Im Zuge der Ausbreitung der
Herrnhuter Brüdergemeine kam Diaspora-Arbeiter Backe zu Pastor
Angelkorte nach Hemer (vgl. Schunke, S.25). Backe
mußte auch in der Kirche predigen. Er hatte als Nachfolger 1741:
Hüffel, 1742: Forckel (vgl. Schunke, S.27).
1741 (H/Bg): Aus der Sicht der Freunde der Brüdergemeine
wirkte der Bruder des Johann Gangolf Wilhelm Forstmann, der Kandidat
der Theologie Peter Konrad Forstmann, auf schwärmerisch-unselige
Weise in Hemer, wie aus einem Brief aus Hemer vom 1. März 1741 hervorgeht:
"H. Kandidat Forstmann hat hier erweckten Leuten, die nur eine Beruhigung
ihrer bösen Taten vorgeben, alle Seligkeit zugesprochen. Er tut ungegründeten
Seelen Schaden. Sein Bruder, der Prediger, und andere wünschen, daß
er nicht wiederkommen, sondern andernwärts versorgt werden möchte"
(zitiert nach: Wotschke I, S.240 A.10; der Brief ist komplett abgedruckt
bei: Schunke, S.25f.).
1741 (H/Bg): Johann Gangolf Wilhelm Forstmann
selbst war es, der sich bei den höchsten Stellen der Brüdergemeine
zum Bittsteller machte, damit sein Nachfolger in Hemer, Pfarrer Angelkorte,
von der Gemeine eine "Eheschwe-ster" zugewiesen bekäme. In einem Brief
Forstmanns vom 31.März 1741 an Polykarp Müller,
den Bischof der Brüdergemeine, hieß es so: "Des Bruders Angelkorte
Umstände erfordern, daß er heiratet. Mit seiner leiblichen Schwester,
die eine Wittib ist und ihn nun einige Jahre genug gequält hat und
noch bis dato auf nichts anderes bedacht ist, als ihn in seiner Arbeit
an den Seelen zu hindern, kann ers unmöglich aushalten. Weg will sie
auch nicht, bis er heiratet. Die meisten Seelen, so zu Hemer aufgeweckt
sind, sind Frauen und ledige Schwestern. Ich soll daher in seinem Namen
bitten, daß Sie seine Umstände der Gemeinde vorstellen und ihm
eine Schwester geben, die seine Gehilfin und Mitarbeiterin sei. Er ist
von Jugend auf eines stillen und sanften Wesens gewesen und nachher, da
er in Halle studiert, ist er nach dasiger Methode immer mehr geändert
und mein Nachfolger dann geworden. In den ersten Jahren war er beliebt
und hatte den Namen eines frommen Predigers und scheute sich gar sehr,
sich mit mir einzulassen. Mit der Zeit verlobte er sich auf Anstiften seiner
Verwandten mit einer Kaufmannstochter zu Iserlohn ohne Konsens und wider
den Willen seiner Mutter. Und das war die Gelegenheit, wodurch er auf sein
Herz kam. Die Person war eitel. Seine Mutter wollte es nicht zugeben; er
kam darüber in Angst und Not. Die Heirat wurde zu seinem großen
Glück hintertrieben, und er wurde ein armer Sünder, dem alles
wegfiel und der nun fragte: ‘Was soll ich tun?’ Von da an kam ich mit ihm
in Verbindung. Er sehnt sich nach nichts mehr als nach der Gnade des Bluts.
Und daß er nichts anderes in der Welt sucht, als dem Lamm zu leben,
daß weiß ich und darf es der teuren Gemeinde versichern" (Wotschke
I, S. 241, A.15).
1741 (Bg/H): Gute Zustandsbeschreibung des im
Herrnhuter Sinn erweckten Kreises in Hemer durch Forstmann in einem
Brief aus Solingen am 8.Mai 1741: "Den 28.April bin ich mit meiner Frau
auf Hemer gegangen, wo wir unsere Brüder Angelkorte und Backe besuchten.
Den 30.April habe ich daselbst vom Heilande am Kreuz als der armen Sünder
ihren Gott zu predigen Gnade gehabt. Nach der Versammlung des Nachmittags
haben wir am Abend das er-ste Liebesmahl dort gehalten, wo unser 15 gegenwärtig
gewesen, und unser Lamm war eines jeden Herzen nah. Zehn Seelen sind dort,
darunter einige den Heiland als Versöhner kennen und ein Gefühl
vom Blute haben, die anderen aber auf der Spur sind. Sie haben sich gemeinschaftlich
verbunden, und der Heiland wird sich daselbst ein Völkchen sammeln"
(Wotschke II. S.61 A.29). Vom genannten Backe werden dort,
S.60 A.28 zwei Briefe zitiert. Es ist Diaspora-Arbeiter Georg Konrad
Backe.)
1741 (D/Bg): Am 19.Juli 1741 wurde Gottfried
Wilhelm Andreas Dümpelmann, der spätere Deilinghofer Pfarrer,
der in unserer Gemeinde von 1765-1791 wirk-te, wurde als Pastorensohn in
Hemmerde geboren. Taufeintrag des Vaters Dümpelmann im Kirchenbuch
Hemmerde: "d 21 dito [ sc. Juli]
des morgens um 10 Uhr vormittags gebohren Godtfried Wilhelm Andreas getauffet.
die GeV. [ sc.: Gevatter, Paten]
sind gewesen der H. Past. Zu Bosenhagen, mein Schwager Wilhelm Andreas
und Schwiegerin Catharina Gerdruth zu Stockholm [
!] absentes, an deren beyden Stellen Jürgen
Henrich Maertman mein Studiosus und die Cramersche gestanden". --- Zu Johann
Gottfried Westhoff (1705-1750), auch einem Hauptkämpfer für
die Sache der Brüdergemeine in der Mark (von ihm hatte sein Patenkind
den Haupt-Vornamen Gottfried), vgl. Bauks, S.552 Nr.6866):
geboren als Pfarrerssohn in Bausenhagen im März 1705, dort Pfarrer
von 1735-1750, danach Meinerzhagen, wo er am 9.August 1750 starb. Übrigens
heiratete der Bruder von Dümpelmann sen., Johann Wilhelm
Dümpelmann (1717-1760; Bauks, S.107 Nr.1370), als Amtsnachfolger
Westhoffs in Meinerzhagen auch Westhoffs Witwe.
1742 (H/Bg): Johann Hüffel, der Diaspora-Arbeiter,
schrieb am 17.Februar 1742 von Solingen aus über die Situation bei
den Erweckten in Hemer und kam dabei auf ein Gespräch mit der Schwester
Stephan Diedrich Rentzings zu sprechen: "Den 11. sprach ich Br.
Rentzings Schwester, die fast ihre Lebenszeit fromm gewesen und das Instrument
ist, wodurch B. Forstmann, Angelkorte und viele andere sind erweckt worden [ !!!] und von jedermann
als Muster der Heiligkeit ist gehalten worden. Nun bringt sie der Heiland
auf ihr Herz, und sie fühlt sich voller Sünden und Verderben,
worüber sie mit Tränen klagte. Ich wies sie zum Heiland ...,
daß sie als eine verfluchte Sünderin in dem Blute des Lammes
müßte Vergebung ihrer Sünden suchen. Danach gingen wir
zur Kirche" (Brief Joh. Hüffels an N. N., zitiert nach: Wotschke
II, S. 65; vgl. Schl. 4/1975, S.28). Am gleichen Nachmittag
waren Hüffels Gesprächspartner Bruder Rentzing
und "Landpermann", den Hüffel charakterisierte als "ein liebes
einfältiges Kind, dem es gewiß ganz um den Heiland zu tun ist"
(Wotschke II, S. 64 f.); lies aber: Landfermann. Es könnte
sich um den Hemeraner Küster und Schullehrer Johann Landfermann
(vgl. zu ihm F.L.Woeste in: Schl. 1/1971, S.2) handeln, zumal
Hüffel (nach Wotschke II, S.65) einen "Schulmeister
Welker" nennt. Das heißt wahrscheinlich richtig gelesen: "Schulmeister,
welcher..." und bezieht sich eben auf den Lehrer Landfermann (womit
auch G.Gudelius’ Rätseln in Schlüssel 4/1975, S.28 behoben
wäre). Übrigens war es Pfarrer Wilhelm Kaiser, Sundwig,
der im Verein mit Dr.Georg Gudelius als erster die Bedeutung dieser
Schwester Rentzings für die Hemeraner Erweckungsbewegung und zugleich
die lange von der Brüdergemeine geprägte Tradition des ‘Heppingschen
Kottens’ in Sundwig beschrieb: "Um 1742 war durch die Wirksamkeit eines
,Bruder Hüffel’, der bei Pastor Angelkorte zu Besuch weilte, eine
kleine Erweckung in Hemer entstanden. Zu den Erweckten gehörte auch
eine Friederike Renzing zu Sundwig, eine Urahne mütterlicherseits
der Familie Alberts-Mühle, die, wie man sich ausdrückte, aus
einer guten lutherischen Christin eine arme Sünderin geworden war.
Durch ihren Einfluß kam später eine regelmäßige Verbindung
mit der Brüdergemeine zustande. Alljährlich besuchte ein Diaspora-Arbeiter
der Brüdergemeine von Neuwied die hiesigen Gemeinden und Freunde der
Herrnhuter Mission. Er wohnte jedesmal in der Mühle, wo sich dann
auch ein fester Kreis um ihn sammelte. Diese ,Ver-sammlung', die immer
zu Pfingsten stattfand, wurde eine Tradition, die länger als 200 Jahre
fortdauerte. Sie wird heute noch insofern aufrechterhalten, als einer der
Pfingstgottesdienste in Hemer regelmäßig durch einen Herrnhuter
Missionar gehalten wird. Pastor Angelkorte führte bei uns das Gesangbuch
der Brüdergemeine ein und teilte die Gemeinde in Herrnhuter ,Chöre’
ein: Eheleute, ledige Männer und Frauen, Jünglinge und Jungfrauen.
So wurde der Grund gelegt zu der engen Verbindung, in der unsere Gemeinde
noch heute mit der Brüdergemeine steht." (Georg Gudelius, Von
unseren Pfarrern in früheren Jahrhunderten, in: Festschrift anläßlich
der Einweihung der Christuskirche zu Hemer-Sundwig am Sonntag Exaudi dem
10.Mai 1964, S.25ff., Zitat: S.26. Telefonisch erfuhren wir von Dr.Gudelius
aus Gießen, daß diese schöne ‘Mühlenpassage’ samt
der Erwähnung dieser wahrhaft denkwürdigen ‘Ahnfrau der Erweckungsbewegung’
Friederike Ren(t)zing von Pastor Kaiser vor Drucklegung der
Festschrift in den Gudelius-Aufsatz eingefügt wurde.)
1742 (H/Bg): 1742 kam Forckel, der Diaspora-Arbeiter
der Brüdergemeine, nach Hemer (vgl. Schunke, S.27).
1742 (A/Bg): Unter Friedrich dem Großen
Verschärfung des Konventikelverbots von 1740 (s.o.). Den Herrnhutern
wurde am 25. Dezember 1742 eine "Concession" gegeben, daß sie Gewissensfreiheit
erhielten und gottesdienstlich tätig sein durften (vgl. etwa: Albrecht
Ritschl, Geschichte des Pietismus, Band III, Bonn 1886, unveränderter
Nachdruck Berlin 1966, S.331). Zinzendorf kritisierte dieses Zugeständnis
bald darauf, weil diese "Concession" die Brüdergemeine zu einer Sonderkirche
abstempelte, was nie im Sinne des Grafen war.
1742 (H/Bg): In der Weihnachtszeit 1742 besuchte
Forckel vom 22. Dezember an Hemer. Der Diaspora-Arbeiter blieb über
Weihnachten dort, hielt Versammlungen am Heiligabend und am ersten Weihnachtstag
(als Angelkorte zweimal in der Vituskirche predigen mußte)
und redete das ganze Weihnachtsfest über vor den Erweckten in Hemer
über völlig unweihnachtliche Bibelthemen (vgl. Schunke,
S.41).
1743-1750 (Bg): Dieser Zeitraum wird in der Geschichte
der Brüdergemeine ‘Sichtungszeit’ genannt. Es war die Zeit, in der
die ‘Blut- und Wundentheologie’ Zinzendorfs z.T. sprachlich sehr
übersteigert wurde in den Gemeinden und in der man feiernd zu religiösen
Auswüchsen neigte. Diese schwärmerischen Tendenzen zeigten sich
z.B. in der Verehrung der ‘heiligen Seitenhöhle Jesu’ oder in extremer
Jesus-Erotik. Für die Brüdergemeine war es die Zeit, in der die
Gemeinschaft die größte Anziehungskraft entwickelte; umgekehrt
wandten sich die Kritiker zuhauf in Streitschriften gegen Zinzendorfs
Anhänger. In Herrnhaag wurde die Schwärmerei besonders durch
Zinzendorfs Sohn Christian Renatus ins Extreme gesteigert,
bis der Graf den gefährdenden Tendenzen ein Ende machte.
1743 (Bg): Am 16.Januar 1743 wurde Johann
Gisbert Dümpelmann (1743-1811; Bauks, S.107 Nr.1372),
der Bruder des Deilinghofer Pastors und ebenfalls später ein maßgeblicher
Kämpfer für die Herrnhuter, in Hemmerde als Pfarrerssohn geboren.
(Der gesamte Stammbaum der Familie Dümpelmann liegt uns in
graphischer Anschaulichkeit vor in: H.Schulte III.)
1743 (Bg/H): Am 19.Januar 1743 erhielt Forstmann
in Solingen Besuch aus Hemer von Pfarrer Angelkorte und Stephan
Diedrich Rentzing, wobei auch ein kleines Liebesmahl gefeiert
wurde; am 20.Januar 1743 predigte Angelkorte in Solingen; Rückkehr
am 22.Januar (vgl. Schunke, S.31).
1743 (Bg/H/D): Ab 3.März 1743 kam von Solingen
aus Johann Gangolf Wilhelm Forstmann ins Märkische,
um erst zu Angelkorte in Hemer, dann "in Lau-fenhagen [lies: Bausenhagen]
zum Pastor Westhof und weiter auf Hemmerde ... zum Pastor Dümpelmann"
zu gehen (Wotschke II, S.62 A.31; es handelt sich um einen Brief
Forstmanns, den er am 8.April 1743 nach Amsterdam an Isaak le
Long schickte, der noch im gleichen Jahr Angelkortes Schwiegervater
werden sollte). Hier sah Forstmann wohl zum ersten Mal den kleinen
Gottfried Wilhelm Andreas Dümpelmann, den späteren
Deilinghofer Pfarrer, nachdem er zuvor dessen Taufpaten Pastor Westhoff
in Bausenhagen besucht hatte...
1743 (H/Bg): Vom Juli bis zum Oktober 1743 war
der Hemeraner Pfarrer Angelkorte in Holland (vgl. Schunke,
S.31). Die holländischen Kontakte waren allesamt von der Verbindung
zur Brüdergemeine geprägt, die dort in Zeist ihre zentrale Kolonie
unterhielt. Die langerbetene ‘Eheschwester’, die jüngste Toch-ter
des einflußreichen Herrnhuter Isaak le Long, heiratete Angelkorte
am 6.September 1743 in Heerendijk, wo er vier Wochen verbrachte und Gemeinde-glied
der Heerendijker wurde (vgl. Angelkortes Brief an den Bischof der
Brüdergemeine Johann Nitschmann in: Wotschke
II, S.69-72).
1743 (H/Bg): Angelkorte erhielt auf der
am 30. und 31.Juli 1743 tagenden Märkischen Synode in Herdecke in
Abwesenheit die erste Ermahnung wegen Verletzung der Kirchenordnung durch
seine Amtsführung; es wurde angezeigt, daß "H. P. Angelkorte
zu Hemern den Classical Conventen nicht beywohne, auch seine Gemeine etliche
Wochen verlasse, ohne es dem H. Subdelegato anzuzeigen" (zitiert nach:
Göbell I, S.266; vgl. auch Schunke, S.55).
1744 (H/Bg): Pfarrer Angelkorte war mit
seiner Frau in Marienborn (bei Büdingen in Hessen), einem zentralen
Ort der Brüdergemeine, wo die Frau am 3. Dezember 1744 starb (Schunke,
S.31). Am Tag vor Heiligabend 1744 schrieb Angelkorte aus Hemer
an Zinzendorf: "Ich bin am 18. Dez. mit meinem lieben Br. Horn wieder
glücklich hier angelangt. Die unerwartete Nachricht von dem Heimgange
meiner Eheschwester zum Lamme hat hier bei jedermann, besonders aber unter
den Erweckten große Bestürzung verursacht. Es scheint, daß
sie noch kräftiger nach ihrem Tode prediget als bei ihrem Leben. ...
Es ist des Lamentierens fast kein Ende" (Wotschke II, S.71f., A.43;
vgl. auch Schl. 4/1975, S.30).
1744 (D): Im Alten Pastorat wurde "1744 ABER DIE
OBERSTE KAMMER VERFERTIGET CHRISTE DEINE LIEB VND GÜTE DIESE WOHNVNG
WOHL BEHÜTE FLORENS GERHARDVS MOLLERVS PASTOR" (Balken von 1744, den
Pastorin Valentin-Bette 1980 fand; zum Ganzen vgl. oben zu 1718).
1744 (D): Stiftung unseres Kirchen-Kronleuchters
(heute im Eingangsbereich der Stephanuskirche). "Wortlaut der Leuchter-Inschrift
mit Großbuchstaben auf fünf Bändern der großen Kugel:
,ANNO 1744 HAT DIESEN LEUCHTER ZUR EHRE GOTTES VEREHRET DIEDERICH SCHULTZE
ZU BEINCK-HAUSEN DER ÄLTERE/ 2. MAN ZÜNDET NICHT EIN LICHT AN
UND SETZET ES UNTER EINEN SCHEFFEL SONDERN AUF EINEN LEICH-TER SO LEICH/
3. TET ES ALLEN DIE IM HAUSE SIND MATTHEI 5 VV 15 - 16/ 4. ALSO LASET EUER
LICHT LEICHTEN FÜR DEN LEUTEN DAS SIE EURE GUTE/ 5. WERCKE SEHEN UND
EUREN VATER IM HIMMEL PREISEN’ " (Schl. 1/1968, S.10; der Stifter
war Diedrich Schultze zu Bäinghaus [1677-1755]; vgl.
Schl. 1/1968, S.12).
1744 (Bg/H): "Eine Predigt: ,Der leichteste und
kürzeste Weg zur Gnade', welche er [sc. J.G.W. Forstmann] 1744
herausgab, schickte der Graf von Zinzendorf dem Prediger Fabricius zu Daubitz
in der Ober-Lausitz zur Widerlegung einer Predigt desselben, in welcher
dieser vor der Schwärmerei der Hernhuter [sic!] gewarnt hatte" (Bädeker/
Heppe, S.45).
1744 (Bg/H): Am 23.März 1744 unterschrieb
Forstmann das Vorwort seines streng lutherisch-orthodox gehaltenen
Katechismus, nachdem er ja 1732 als Frucht seiner Hemeraner Amtszeit schon
einen Katechismus herausgegeben hatte (s.o. zu 1732). Das Werk von 1744
hat folgenden barocken Titel: "Gött-liche Wahrheiten Der heiligen
Evangelischlutherischen Religion In Fragen und Antworten Abgefasset Und
zum Gebrauche Der Kinder seiner Gemeinde Mit einer Vorrede Sr. Hochwürden
/ Herrns D. Joh. Daniel Klugens Hochfürstlichen Sachsenquerfurtischen
Kirchenraths, der Gottesgelehrtheit Professoris und Gymnasiarchens In Dortmund
Dem Drucke überlassen Von Joh. Gangolf Wilhelm Forstmann Evangelischlutherischen
Past. der Stadt Sohlingen im Herzogthume Berg. Dortmund, verlegts und druckts
Gottschalk Diederich Bädecker. 1744". Interessant für Forstmanns
Situation 1744 sind seine Bemerkungen im Vorwort: "Nachdem ich bereits
1735. am 31. Augustmonats ... die symbolischen Bücher unseres Lutherischen
Israels eigenhändig unterschrieben, so bekenne ich mich nochmals von
ganzem Herze / vor dem Angesichte Gottes und seiner Kirche / wie zu dem
geschriebenen Worte des Herrns / also zu allen symbolischen Büchern
unserer Lutherischen Gemeine / der unveränderten Augspurgischen Konfession
und derselben Apologie, den Schmalkaldischen Artikeln, dem kleinen und
grossen Katechismus D. Luthers und besonders zu der schönen FORMVLA
CONCORDIAE ..." (Vorwort, S. XXVII f.). "Und weil ich derselbe nicht mehr
bin, der ich ehedessen war / als ich zu Hemmern in der Grafschaft Mark
das Lehramt führete und den Katechismus unter dem Titel: das Lutherische
Christenthum im Jahr 1732. im Drucke heraus gab / so bezeuge ich hiemit
öffentlich / daß ich alles dasienige, was orthodoxe Lehrer unserer
Kirche daran mit Recht auszusetzen gefunden / selbst verwerfe" (Vor-wort,
S. XXVIII f.). Doch ist - diesem dezidiert lutherischen Bekenntnis zum
Trotz - Forstmann in seinem Katechismus von 1744 von vorn bis hinten ‘Blut-
und Wunden-Theologe’ im Zinzendorfschen Sinn, was er schon im letzten
Satz des Vorworts so erkennen läßt: "Und damit/ emphele ich
Sie / wertheste Leser,/ Dem Herrn, dem blutgen Lamme,/ Das sich für
unsre Noth/ Am rauhen Kreuzesstamme/ Geblutet hat zu Tod" (Vorwort, S.
XXVIIII). Von dem genannten Werk Forstmanns "Göttliche Wahrheiten"
ist auf der Titelseite von: Schl. 1/1959 die Titelseite einer späteren
Auflage abgedruckt: "Leipzig und Görlitz, Verlegts Siegmund Ehrenfried
Richter, 1745.".
1744 (Bg/H): Zu einem für J.G.W.Forstmann
folgenschweren Zerwürfnis mit seinem über alles geliebten geistlichen
Vater, dem Grafen Zinzendorf, kam es im Sommer 1744. Anlaß
war Zinzendorfs briefliche Kritik, Forstmann habe bei einem Besuch
bei den Brüdern in Amsterdam seine geistlichen Kompetenzen überschritten
und unerlaubt dort Gottesdienste gehalten. Forstmann brach daraufhin den
brieflichen Kontakt mit Zinzendorf ab. (Die Briefe, die diesen Bruch
dokumentieren, sind abgedruckt bei Wotschke I, S.257ff.; dort findet
sich - S.282-284 - Forstmanns Brief an den Grafen vom 24.August
1744; ferner S.284: Zinzendorfs Brief an Forstmann vom 21.Juli
1744 und S.284f.: Zinzendorfs Brief an Forstmann vom 31.August
1744). Wie beleidigt Forstmann war, erkennt man vielleicht daran,
daß er 1751/52 bei einer anderthalbjährigen Kollektenreise nach
Sachsen und Schlesien auf der Hinreise einen auffälligen Bogen um
Herrnhut machte, sich dann aber einen Ruck gab und Herrnhut doch besuchte.
Unter dem Eindruck dieser Ereignisse schrieb Forstmann am 21.August
1752 von Dresden aus an den führenden Herrnhuter Johann Nitsch-mann
d.J. mit Blick auf die Brüdergemeine: "...ich wünsche
allen Euren Anklägern und Lästerern, daß es ihnen so gehen
möchte, wie es mir ergangen ist. Ich armer Wurm habe mich seit 1744,
da der liebe Papa [sc. Zinzendorf] ... mir die Wahrheit in etwas
harten Ausdrücken geschrieben, die mein stolzer und hochmütiger
Kopf nicht ertragen konnte, zu meinem unersetzlichen Schaden von der Gemeinde,
unter der ich tausend Seligkeit genossen, getrennt und losgemacht. Der
Heiland hat mich zwar aus Gnaden bewahrt, daß ich mich zu der Partei
Eurer öffentlichen Feinde und Verfolger niemals geschlagen, allein
ich habe es doch nicht mehr mit der Gemeinde gehalten, sondern bin meine
eigenen Wege gegangen. Ich habe auch oft in Gesellschaften bei Gelegenheit
es mit über die Brüder laufen lassen und bezeugt, daß ich
keine Gemeinschaft mehr mit ihnen hätte. Und nun habe ich die Gemeine
gesehen und bin mit so vieler Liebe letzthin von ihr aufgenommen worden...
Vergib mir, liebes Volk Gottes, und ist’s möglich, so nimm einen Dir
entlaufenen, verlorenen Sohn, der vom Teufel ganz verblendet, seine Güter
hat verschwendet, wieder in Deine Gemeinschaft nicht als ein Kind, denn
das ist zu viel vor mich, sondern als einen Deiner Tagelöhner und
Knecht auf! ... Wenn Du dem Papa schreibst, so bitte ihn auch in meinem
Namen, daß er mir alles vergibt... Ach, möchte ich die Gnade
haben, noch einmal in der Welt sein Angesicht zu sehen!" (zitiert nach:
Wotschke I, S.258).
1744/1745 (H/Bg): Georg Andreas Horn, der
Diaspora-Arbeiter, wurde "1744, bezw. Anfang 1745" Angelkortes Gehilfe
(Schunke, S.27). Horn zog in Hemer Mißtrauen und Vorurteile
auf sich, wie der sich mit ihm solidarisch verbundene Angelkorte
an die Brüdergemeine in Marienborn berichtete: "Neulich sagte einer:
‘Der Gärtner Horn verführt alle Leute.’ Und vor einigen Tagen
wollte ein gerührter Mann zu uns kommen, da warnte ihn ein anderer
und sagte: ‘Geh nicht ins Pastorhaus. Der Gärtner ist ein Zauberer.
Er gibt den Leuten Zettelchen zu verschlucken, und wenn sie solches getan
und er sie nur einmal gesprochen, so sind die Leute auf einmal so eingenommen,
daß sie wieder müssen ins Pastorathaus gehen’" (Brief vom 6.September
1745, zitiert nach: Wotschke II, S.77).
1745 (H/Bg): Am 7.März 1745 wurde in Hemer
Johan Herman Helleman geboren (zu ihm vgl. Schl. 1/1968,
S.21ff. und 2/1968, S.2ff.). Es taufte ihn Pastor Angelkorte. Helleman,
der später den Beruf eines Nagelschmiedes ausübte, war als schlichter
Handwerker auch ein geistlicher Liederdichter, von dem uns bis heute 24
Lieder überliefert sind. G.Gudelius sieht in ihm zu Recht einen
an Zinzendorf und den Herrnhutern orientierten Pietisten (vgl. Schl.
1/68, S.22 und 2/1968, S.6). Helleman starb in Hemer am 15.Dezember
1826; sein Sohn Johann Diedrich Helleman starb 1811
als von Napoleon gezogener Soldat im Krieg gegen Spanien (Schl.
1/1958, S.13; vgl. andere Datierung in Schl. 2/1968, S.2). Daß Johan
Herman Helleman Nachfahren in Deilinghofen hatte (eine Nachfahrin war
die 1994 hochbetagt verstorbene Elisabeth Kölsch, die Tochter
des früheren Deilinghofer Presbyters gleichen Namens), entnehmen wir
einer Auskunft von Frau Emmi Treude, Hemer.
1745 (H/Bg): Seit April 1745 war in Hemer eine
besondere Erweckungszeit. Der Diaspora-Arbeiter Georg Andreas Horn
meldete am 28.April 1745: "Es ist hier in Hemer eine ganz besondere Regung
unter den Seelen. Unsere Zahl hat sich in kurzem sehr vermehrt. Es kommen
bald jede Woche neue Seelen, die von der Gnade angefaßt. Bei meiner
Ankunft sind in allem 32 gewesen, und sind seit der Zeit dazu gekommen
hier 16 und in Iserlohn 10, Hemer und Iserlohn zusammen 58 Seelen" (Wotschke
I, S.242 A.21). Der Trend hielt im Jahre 1745 weiter an: An die Brüdergemeine
in Marienborn schrieb der Hemeraner Pfarrer Johann Diedrich
Angelkorte in einem Brief vom 6.September 1745: "Der edle Gnadenwind, der
seit dem April in Hemer geweht hat, weht noch immer fort. Es werden noch
täglich Seelen erweckt, so daß die Anzahl der erweckten Seelen
jetzo schon 120 Personen ausmacht... Kurz, es ist hier eine solche Gnadenzeit,
dergleichen nie gewesen" (zitiert nach: Wotschke II, S.77).
1745 (I): "Die Gründung der kath. Kirchengemeinde
geht auf eine Verfügung Friedrichs des Großen aus dem Jahr 1745
zurück und diente dazu, auswärtige kath. Facharbeiter für
die Iserlohner Nadelfabrikation dauerhaft anzusiedeln" (Museums-Journal,
Seite "Kirchengeschichte").
1746 (I): "1746, den 21. Juny, haben die Catholiken
ihren Gottesdienst in einem Hause das erstemahle gehalten" (Schmölesche
Chronik, nach: W.Schulte II,S.384).
1747 (H/D/Bg): Stephan Diedrich Rentzing,
der ‘Heppings Kotten’ als Pächter der Kirchengemeinde Deilinghofen
bewirtschaftete (heute ‘Alberts Mühle’) besuchte 1747 Herrnhaag
bei Büdingen, die Zentrale von Zinzendorfs Brüdergemeine
(nach Archiv Herrnhut: Diasporabericht Johann Heinrich Ernst 1792/93,
Sign.: R 19 Bi 5., Nr. 32; ferner: Nachrichten aus der Brüdergemeine
1793, III. Quartal, Nr. 21, S.306: "1747 besuchte er auch den Hhaag zum
Segen für sein Herz"; es gibt eine saubere und z.T. variierte Abschrift
des Ernstschen Diasporaberichts von 1792/93 im Archiv Neuwied, die
uns vorliegt, wo das entsprechende Ereignis von 1747 von Ernst verzeichnet
ist).
1747 (H/Bg): Ein Brief an die Brüdergemeine
Marienborn: "Aus Ihmert bei Iserlohn klagt am 16.April 1747 der Schuster
Erdmann, daß ihn das gesetzliche Wesen nicht habe zu Frieden kommen
lassen" (Wotschke II, S.77 A.49). Bei Thom (Liste S.127ff.)
ist ein Schuster Erdmann unter den Ihmerter Vorfahren des Friedrich
Erdmann nicht eigens vermerkt.
1747 (H/Bg): Pastor Angelkortes zweite
Verheiratung, wieder mit einer ,Eheschwester’, die ihm von der Brüdergemeine
zugeteilt wurde, fand 1747 statt: "Am 1.Mai 1747 kann er ... die Ehe mit
Famia Brümel aus Quda-Brock in Geldern ... eingehen, aus der zwei
Söhne hervorgegangen sind. Diese Frau hat ihn dann auch überlebt"
(Schunke, S.30). Im Kirchenbuch der Gemeinde Hemer lesen wir den
richtigen Herkunftsort der Braut; die Abkündigung der Verehelichung
wurde da so schriftlich niedergelegt: "23.April bin ich allhier zu Hemer
prima vice proclamirt wie folget: Johannes Theodorus [NB!] Angelkorte,
Evang. luth. Pastor bey hiesiger Gemeine, und Jungfer Famia Brümel
weyland Herrn Goswin Brümel von Ouda [!] Brock in der Provinz Gelderland,
nachgelassene eheleibliche Tochter...".
1747 (H/Bg): Auf der im Sommer 1747 tagenden Märkischen
Synode wurde die Ermahnung ausgesprochen, "darauf zu sehen, daß keine
irrigen Lehren, besonders Herrnhutianismus qua Herrenhutianismus einreißen
mögen". "Durch diesen Beschluß fühlen sich die drei Prediger
Dümpelmann in Hemmerde, Westhoff in Bausenhagen und Angelkorte in
Hemer angegriffen. Daher protestieren sie sofort dagegen. Sie wären
der evangelisch-lutherischen Religion von ganzem Herzen zugetan und um
das Heil ihrer Gemeindeglieder besorgt. Die mährischen Brüder
hegten nach ihrer Meinung keine irrigen Lehren, bemühten sich vielmehr,
die Hauptlehre der evangelischen Religion, nämlich die Versöhnung
und die daraus folgende Rechtfertigung der armen Sünder, in die Herzen
der Menschen zu bringen und dadurch lebendiges Christentum zu befördern.
... Die drei Geistlichen beantragten..., daß ihre Rechtgläubigkeit
untersucht werde. Der Inspektor verspricht darauf, seinerseits einen Auszug
aus Herrnhutischen Schriften machen zu lassen und diesen Auszug der Synode
zur Begutachtung vorzulegen" (Schunke, S.54). Wichtig anzumerken
ist hier in unserem Zusammenhang, daß neben Johann Gangolf Wilhelm
Forstmann die drei hier genannten Pfarrer in der Mark waren: neben
Angelkorte sein ihm eng verbundener Freund und Amtsbruder Johann
Caspar Dümpelmann (der Vater des späteren Deilinghofer
Pastors Gottfried Dümpelmann) und dessen Bausenhagener Nachbar-Amtsbruder
Johann Gottfried Westhoff, von dem sein Patenkind
Gottfried Wilhelm Andreas Dümpelmann den Vornamen erhalten
hatte (vgl. oben zu 1741: Taufe von Dümpelmann junior).
1747 (D): "1747. Aug.6. Jobst Diedrich Maas, so
dem 14. zu Riemke als Knecht gedient und von einem Birnbaum, da es Zeit
in die Kinderlehre zu gehen, leydweise heruntergefallen und bald darauf
Todes verblichen" (aus dem Sterberegister des ältesten Deilinghofer
Kirchenbuchs, nach: BDKG 2, S.49).
1748 (I): Nach der königlichen Verordnung
vom 25.Mai 1748 wurden in der Grafschaft Mark die Bürger der Städte
"Iserlohn, Altena, Lüdenscheid, Schwelm, Hagen ... von der Kantonspflicht
sowie der Werbung und Entrollierung zum Militärdienst befreit". "Zwar
mußten diese Städte ... zum Ausgleich jährlich 15.000 Taler
an die Staatskasse zahlen, aber die Befreiung der Gewerbetreibenden in
diesem Raum von jeglichem Militärdienst war auch für viele Einwanderer,
die große Kenntnisse und besondere Fähigkeiten mitbrachten,
ein besonderer Anreiz, sich in der Grafschaft Mark Arbeit und Brot zu suchen"
(Dossmann, S.210).
1748 (H/Bg): Im September/Oktober 1748 war Pfarrer
Angelkorte in Herrnhaag, dem zentralen Ort der Brüdergemeine.
Er schrieb davon in einem Brief vom 25.November 1748 an den Grafen Zinzendorf,
der sich in Zeist in Holland aufhielt, wobei in überaus charakteristischer
Weise sowohl das Herrnhutertum in Herrnhaag in der ‘Sichtungszeit’ zum
Ausdruck kam als auch die für Angelkorte kirchenpolitisch brisante
Situation in der heimischen Synode: Ich "habe nicht unterlassen können,
mich durch diese Zeilen aufs neue ins Andenken zu bringen und zugleich
zu berichten, daß ich mit meiner lieben Eheschwester und kleinem
Söhnlein noch vergnügt und selig bin. Wir sind den 4. Oktober
von der lieben Gemeine in Herrnhaag zurückgekommen, nachdem wir uns
drei Wochen daselbst aufgehalten. Wir hatten die Gnade, mit dem Volk des
Heilandes zum h.Abendmahl zu gehen, welches uns zum Segen war. Überhaupt
hatten wir daselbst selige Tage, und das Verliebtsein ins Seitenhöhlchen,
wovon man allda immer redet und singet, ist uns sehr gemütlich. Ich
weiß wohl, daß ich des Heilandes bin und ihn auch lieb habe.
Aber sterblich verliebt zu sein ins teure Seitelein, das finde ich noch
nicht bei mir. Aber mein Herz sehnet sich doch danach, also zu werden.
Gedenken Sie meiner treulich vor dem Lämmlein, daß auch ich
möge ein recht lustiges und seliges Kreuzluftvögelein werden!
Unsere Ehe führen wir im Segen, und das Lämmlein lässet
uns viele Gnade darin widerfahren. Von unserem Ministerium sind die meisten
Feinde des Heilandes. Es gibt aber auch darunter viele Nikodemi [sc. geheime
Sympathisanten, vgl. Joh. 3,1ff.]. Im vorjährigen Synodo wurde beschlossen,
zu vigilieren, daß Herrnhutianismus nicht einreiße. Ich, H.Pastor
Dümpelmann und Westhoff protestierten mündlich, und ich schriftlich
dagegen. Allein es blieb bei dem Schluß. In dem diesjährigen
Synodo hatte man sich vorgenommen,gewisse Thesen aufzusetzen, welche alle
membra [d. h. Glieder] unterschreiben sollten. Ihr Inhalt sollte sein,
den Herrnhutianismus vor irrig zu erklären. Ich vermutete nun nichts
anderes, als daß ich, wenn ich die Unterschrift würde verweigert
haben, ab officio würde removiert werden. Allein wider alles Vermuten
geschah es, daß viele Nikodemi im Synodo gegenwärtig waren,
und der Feinde waren zu wenig, welche sich nicht getrauten, es zustande
zu bringen... So habe ich also vermutlich noch ein Jahr bis zum folgenden
Synodo Frieden" (Wotschke II, S.84 f.).
1749 (H/Bg): Die Märkische Synode, die 1747
eingeschärft hatte, man sollte darauf "sehen, daß der Herrnhutianismus
... nicht einreiße", "machte 1749 dem Pastor Angelkorte die Auflage,
eidlich zu versichern, daß er die Herrnhutischen und Mährischen
Brüder, die er bisher fast immer bei sich gehabt, und die Herrnhutischen
Schriften, insbesondere das Gesangbuch, wegschaffe; auch die Konventikel
meide, und die Reisen nach den Brüdergemeinden einstelle. Andernfalls
würde man ihn sonst nicht mehr als lutherischen Prediger anerkennen"
(Göbell III, S.816; zum Ganzen vgl. auch Göbell
I, S.297f. sowie Schunke, S.55ff.).
1749 (A/Bg): Johann Diederich von
Steinen (1699-1759; vgl. Bauks, S.490 Nr.6071) brachte seine
berühmte "Westphälische Geschichte", Teil I, heraus (Teil II-IV
1755-1760), aus der in dieser Chronik an einigen Stellen zitiert wird.
Der Pfarrer und Historiker aus Frömern war von 1749 bis 1759 Generalinspektor
der Märkischen Synode (zu von Steinen vgl. etwa auch Dossmann,
S. 122 f.; zu Johann Diederich von Steinen und seinem
Sohn Johann Diederich Franz Ernst von Steinen, seit 1766
auch Nach-Nachfolger des Vaters als Inspektor der Märkischen Synode
und später Freund der Brüdergemeine vgl. etwa auch: Willy
Timm, Aus der Geschichte des Kirchspiels Frömern, Unna 1956, S.10f.
u.ö.).
1749 (D): Johann Goswin Mollerus
II (1713-1752), der Deilinghofer Küster und Lehrer (Amtsnachfolger
seines Vaters Johann Goswin Mollerus I) wurde von seinem
Onkel Florens Gerhard Mollerus in Deilinghofen getraut. Er heiratete
die Deilinghofer Presbytertochter Anna Maria Margaretha Oberfeldhaus
(Schl. 3/1972, S.29).
1750 (I): Der Galmeibergbau gewann wirtschaftliche
Bedeutung für Iserlohn "ab 1750 mit der Gründung der Messinggewerkschaft
durch Johann Caspar Lecke. Das Ziel dieser Vereinigung war, Galmei zu gewinnen,
zu verhütten und Messing zur Weiterverarbeitung herzustellen. Die
Messinggewerkschaften nah-men den Bergwerksbetrieb zuerst auf den Lagerstätten
,Alte Grube’ und ,Stahl-schmiede’ auf und bauten die erste Zinkhütte
1751 in der Grüne" (Museums-Journal, Seite "Galmeibergbau").
"Die Grundlage der Iserlohner Bronze- und Messingwaren bildete der Galmeibergbau.
Das in Iserlohn ansässige Metallgewerbe verarbeitete Messing seit
dem 17.Jh., insbesondere zu Spangen und Schnallen. Doch erst 1751 wurde
von der Messing-Compagnie eine Verhüttungsanlage in der Grüne
errichtet. Durch Verlagerung der Zinkhütten nach Letmathe (1866) wurde
der Rohstoff Messing in der Stadt selber nicht mehr hergestellt - doch
Iserlohn blieb Stätte der Fabrikation von hochwertigen Fertigwaren"
(Museums-Journal, Seite "Bronze- und Messingwaren").
1750 (H/Bg): Auf der Märkischen Synode wurde
am 15.Juni 1750 der Fall Angelkorte behandelt. Nachdem der Angeklagte
am 1.Juni 1750 eine schriftliche Erklärung abgegeben hatte, in der
er sich partiell von der Brüdergemeine distanziert hatte, widerrief
er knapp zwei Wochen später zur Synode von 1750 schriftlich diese
Erklärung - mit dem Ergebnis, "daß mehrgedachter Past. Angelkorte
... für keinen Evang.-Lutherischen Prädiger weiter erkannt werden
könne", wobei die schließliche Entscheidung beim preußischen
König läge und zuvor die theologische Fakultät Halle in
einem Gutachten das Urteil noch einmal zu prüfen hätte (Zitat
Göbell I, S.303; der ganze Vorgang dort S.302f.; vgl. auch
Schunke, S.56f. sowie Schl. 4/1975, S.33f.).
1751/52 (Bg): Kollektenreise J.G.W.Forstmanns
nach Sachsen und Schlesien, auf der er nach Zögern noch einmal Herrnhut
besuchte (s.o. zu 1744).
1751 (H/Bg): Die am 20.Juli 1751 in Hagen tagende
Märkische Synode nahm das Gutachten der theologischen Fakultät
in Halle "den Pastor Angelkorte und den ihm imputirten Herrnhutianismus
betreffend" zur Kenntnis und war mit Angelkortes zu dieser Synode
gegebener "Erklärung zufrieden, verlangt aber noch, daß Er sich
über einige ihm vorzulegende Fragen ferner schriftlich erklähren,
und dabey künftig Classen und Synoden kirchen-ordnungsmäßig
besuchen solle" (zitiert aus § 2 des Synodalprotokolls nach: Göbell
I, S.307).
1751 (H/Bg): 1751, am "17.Sept. starb unser treu
gewesener Pastor, Herr Johann Diedrich Angelkorte, gebürtig aus Iserlohn,
aetatis 41 Jahr 4 1/2 Monat, Minist. 16 Jahr und 6 Monat, Conjugii primi
1 1/4 Jahr, Conjug. 2, 5 Jahre, relictis 2 liberis. Er wurde am 20sten
Sept. begraben" (Eintragung im Kirchenbuch der evangelischen Gemeinde Hemer).
Bei der Beerdigung hielt der Hemmerder Pfarrer Dümpelmann (der
Vater des Deilinghofer Gottfried Wilhelm An-dreas Dümpelmann)
die Predigt, die auch gedruckt vorlag: "Die Gewißheit unserer Seligkeit,
als die beste Freudigkeit im Sterben wurde den 20. Septemb. 1751 bei ansehnlich
und volkreichen Leichenbegängnis Tit. Herrn Johann Diederich Angelkorts
berufsfleißigen Pastoris der evangelisch lutherischen Gemeine zu
Hemer bei Iserlohn daselbsts in einer Gedächtnisrede aus 1.Tim. 1,15
vor-gestellet und so wie dieselbe aus dem Herzen gehalten nebst dessen
Lebenslauf auf vielfältiges Verlangen und mit Genehmigung des Tit.
jetzigen Inspectoris von Steinen dem Druck übergeben von Johann Caspar
Dümpelmann, Evangelischen lutherischen Pastor in Hemmerde, Amt Unna.
Dortmund, gedruckt bei Lüdekern." (Titelangabe nach dem Literaturverzeichnis
in: Schunke). Am 22.Mai 1752 bekam Graf Zinzendorf diese
Leichenpredigt Dümpelmanns sogar nach London geschickt (Brief
Lamparters an Zinzendorf; zitiert bei: Wotschke II,
S.85f., A.55; auf S.86 lesen wir, daß der Graf dort erfuhr: "Pastor
Dümpelmann, der die Leichenpredigt gehalten, war des sel. Br. Angelkorte
vertrautester Freund. Er ist ein rechter lutherischer Pastor").
1751 (I/H): "Schon im Jahr 1751 war von Friedrich
dem Großen eine Exklusiv-Belehnung mit allen Galmei-Vorkommen im
Gerichtsbezirk Hemer an die Messing-Gesellschaft Iserlohn verliehen worden"
(Schl. 3/1980, S.129).
1752-1802 (H): Davidis Vater und Sohn Pfarrer
in Hemer. Nachfolger von Angelkorte wurde im August 1752 als Pastor
der Vituskirche Eberhard Ludolf Davidis (vgl. etwa F.L.Woestes
Chronik in: Schl. 4/1970, S. 27f.), wo auch zu lesen ist, daß
Davidis’ Sohn Johann Diedrich Friedrich Wilhelm Davidis (das
war der sog. ‘dicke Davidis’) 1762 bis 1802 auf üble Weise
in Hemer wirkte. "Einen lasterhaften Mann" könne man ihn nennen, der
"sich gelegentlich betrank und seine Amtsgeschäfte nicht gehörig
wahrnahm". Zu Davidis Vater und Sohn vgl. auch Bauks, S.
90 Nr. 1162 und 1165.
1754 (D): In diesem Jahr heiratete Caspar Diederich
Schnetger aus Werdohl (1731-1778) in Deilinghofen die 24jährige
Witwe des früh verstorbenen Pfarrersenkels und Deilinghofer Küsters
und Schullehrers Johann Goswin Mollerus II (1713-1753). Vgl. zu
Schnetger, der 1753 Küster und Lehrer in Deilinghofen wurde:
Schl. 3/1972, S. 29f.; zur Deilinghofer ‘Ära Mollerus’; von
der ‘Lehrer-Seite’ her siehe oben in der Chronik zu 1700. Pikanterweise
erhielt er die Stelle nur, weil er sich am 22. April 1753 schriftlich verpflichtete,
die o.g. Witwe zu heiraten (Akte "Depositum Haus Hemer" im Staatsarchiv
Münster, s.o. zu 1700). Die Deilinghofer Kirchengemeinde sollte später
mit Schnetger zwischenzeitlich einigen Prozeßärger erhalten,
und Auseinandersetzung über sein Lehreramt reichten, wie unten zu
zeigen ist, bis zur ersten Amtszeit von Pastor Dümpelmann.
[Zu Küster Schnetgers in Deilighofen geb. Sohn Gottfried Schnetger, der eine
beispiellose Karriere machte vgl.
www.schnetger.de.vu]
1754 (Bg/I/D): Am 26.Dezember 1754 wurde in Elberfeld
Johann Abraham Strauß geboren, später einer der
bedeutendsten und originellsten Pfarrer, die es in Iserlohn gegeben hat.
Strauß kam bei seinem Amtsbruder und väterlichen Freund
Dümpelmann in Deilinghofen zu einer wesentlichen Vertiefung
seines Glaubens, wie unten zu zeigen ist. Zu Pastor Strauß
(gestorben in Iserlohn am 30.Mai 1836; vgl. auch Bauks, S.499 Nr.6190)
liegt uns in Kopien ein Stammbaum vor, den uns - neben anderem Material
über Strauß - Frau Luise Becker, Iserlohn, die
Witwe von Pfarrer Wilhelm Becker (1903-1973, früher Pfarrer
der Evangelischen Akademie Iserlohn, zuvor Hemer, vgl. auch Bauks,
S.27 Nr.335), zur Verfügung stellte. Wilhelm Becker ist über
die Ahnenlinie seiner Mutter mit Pastor Strauß ‘verwandt’
gewesen, und zwar über die Tochter Johann Abraham Strauß’,
Sophie Krafft, geb. Strauß. Wilhelm Beckers
Sohn Hartung Becker wohnt bis heute mit seiner Familie in Deilinghofen.
1754 (I): 1754 "hat alhier in der Nachbarschaft
zu Bausenhagen ein Prediger nahmens Mattias Römer aus Iserlohn seine
Haushälterin, eine Küsters Witwe, beschlafen. Dieselbe hat demselben
gezeuget und zugleich zur Welth geboren ein Sohn und 2 Tochter, welche
1/4 Jahr gelebet. Die Bauern, welche gegen ih-ren Prediger einen Haß
überkommen und ihn nicht mehr für ihren Seelsorger erkennen wollten
und könnten, procedirten gegen ihn und haben solchen Proceß
zu Berlin und Cleve ausgewonnen, sodaß der Prediger seine Dimission
erhalten, welches auch würklich erfolget und ein ander an dessen Stelle
erwehlet worden" (Schmölesche Chronik, in: Schulte II,
S.384). Bei Bauks heißt es zu Johann Matthias Römer
lapidar: in "Bausenhagen ord[iniert] 23.7.50, amtsentsetzt 55" (S.412 Nr.5114).
Dieser Römer war also der Amtsnachfolger des Johann
Gottfried Westhoff, dem mit der Dümpelmann-Familie sehr
verbundenen Hauptkämpfer für die Sache der Brüdergemeine
in der Mark.
1754 (I): "In Iserlohn dürfte die Tabakdosenproduktion
um 1750 eingesetzt ha-ben. Erst zu diesem Zeitpunkt waren alle für
die Herstellung benötigten technischen Einrichtungen vorhanden. Die
ältesten Iserlohner Dosen wurden einzeln graviert. 1754 findet sich
jedoch die erste Erwähnung geprägter Tabakdosen. Durch die neue
Prägetechnik konnten die Tabakdosen nun in größerer Stückzahl
schneller und billger gefertigt werden" (Museums-Journal, Seite
"Iserlohner Tabaksdosen").
1755 (D): Hausstein mit Inschrift: "DEINE THATEN
TRAUE GOTT [/] UND ACHTE NICHT DER FEINDE SPOTT [/] BEFIEHL DEM HERRN DIE
WEGE [/] SO WIRD DEIN HEIM GESEGNET SEIN. [/] J. H. Tumena 1755"¸
(Hausstein in der Bruchsteinmauer im Grundstück von Friedrich Wilhelm
Amelung; Schl. 3/1970, S.31 f., vgl. Schl. 4/1970, S.22
f.).
1755 (D): Hausstein mit Inschrift: "1755 S:Z:A:";
am Anbau des sog. ‘Wald-hauses Riemke’ (Besitzer Hartwig und Margret
Schulte-Riemke).
1755 (A/I): Das berühmte Erdbeben in Lissabon,
das in der Zeit der Aufklärung auch viele große Geister bewegte:
"1755, den 1. November, wurde ein starckes Erd- und Wasserbeben verspüret
und die Stadt Lissabon gäntzlich in einen Aschehaufen verwandelt,
das viele Menschen unter dem Schutt begraben blieben" (Schmölesche
Chronik, nach: W.Schulte II, S.384).
1755 (H/I): "Eine Messingdrahtrolle ward von der
Iserlohner Messinggewerkschaft im Jahr 1755 zu Hemer auf dem Werde angelegt.
Von derselben Gesellschaft ward im Jahre 1788 auch eine Rolle auf der obersten
Oese gebaut" (F. L. Woeste, zitiert nach: Schl. 1/1988, S.21).
1756-1763 (A): Der ‘siebenjährige Krieg’,
der dritte schlesische Krieg, Friedrichs II. gegen Maria Theresia.
Nach wechselndem Verlauf des ‘Weltkrieges’ und unermeßlichen Menschenopfern
Frieden zu Hubertusburg: Anerkennung Preußens.
1756-1765 (D): Amtszeit von ‘Möller
III’, Caspar Gerhard Mollerus, dem 9. Pfarrer in Deilinghofen nach
der Reformation (vgl. BDKG 2, S.51 f.).
1756 (D): Am 6.Mai 1756 wurde Caspar Gerhard
Möller in Deilinghofen ordiniert (Bauks, S.335 Nr.4223).
1757 (D/Bg):
Gottfried Wilhelm Andreas
Dümpelmann, der spätere Deilinghofer Pfarrer, immatrikulierte
sich am 7.November 1757 zum Theologiestudium in Duisburg (nach: Bauks,
S.107 Nr.1371).
1757(Bg): Johann Gangolf Wilhelm Forstmanns
"Sonn- und Festtagspredigten" von 1757 wurden gedruckt unter dem Obertitel:
"Die durch das Evangelium von Christo offenbarte Gerechtigkeit, die vor
Gott gilt" (Titelseite abgedruckt in: Schl. 1/1959, S.15).
1757 (I): "1757. Bey der frantzösischen
Invasion hat Iserlohn viel gelitten ... Den zweyten Ostertag waren
das Regiment von Planton, (eine Comp.) Schweitzer, ein Bataillon von Rockefort,
eine Compagnie de Foos und ein Detachement Husaren schon 4 Tage lang einquartiert,
die Bürgerey mußte 4000 Rationen Brod lassen, und ich wurde
von einem Major mit 25 Dragonern durch die Stadt geführt. Um das Brod
zu befördern, mußte ich 4 von den principalisten Bürgern,
jedem 5 Mann, Exekution einlegen und in was für ein Haus ich kam,
wurde ich Major forciret, selbsten hineinzugehen" (Leckesche Chronik,
nach: W.Schulte II, S.386 f.).
1759 (D): Inschrift am Haus von Friedrich Sirringhaus,
Im Keunenborn (vgl. Abbildung).
1759-1761 (D/Bg): Am 2.Mai 1759 - einen Tag vor
Forstmanns Tod! - schrieb sich der spätere Deilinghofer Pfarrer
Gottfried Wilhelm Andreas Dümpelmann in Halle zur Fortsetzung
seines Theologiestudiums ein. In Halle studierte er zwei Semester (Bauks,
S.107 Nr.1371). Die Zusatzinformationen, daß Dümpelmann
nach der Duisburger Zeit und vor der Zeit in Halle in Berlin studierte
und daß in Halle kein Geringerer als der berühmte Johann
Salomo Semler (1725-1791) sein Lehrer war, lesen wir bei Schunke,
S. 99f., wobei Schunke (vgl. S.162) als Informationsquellen aus
dem Kirchenarchiv Deilinghofen nennt: 1. das dort zu findende Gutachten
der "Acad. Berolinensis vom Jahr 1759" über den Studenten Dümpelmann,
und 2. von Semler geschrieben (!) - ein Gutachten aus Halle (von
dem Schunke, S.162, den lateinischen Text abschreibt), das unterschrieben
ist mit: "Dab. Hala ad 26ten April 1761/ Joh. Salomo Semler / ordin Theol:
ha T.A. Decan.". Beide Dümpelmann-Zeugnisse waren uns trotz
langen Suchens in unserem Archiv nicht auffindbar.
1759 (Bg/H): Am 3. Mai 1759 war der Todestag von
Johann Gangolf Wilhelm Forstmann (vgl. Bauks, S.136
Nr.1746, ferner die weitere oben zu 1706 reichlich angegebene Literatur
zu Forstmann).
1759 (A/Bg/H): Der große Philosoph und ‘Magus
im Norden’, Johann Georg Hamann (geboren 1733 in Königsberg,
gestorben 1788 in Münster), äußerte in einem Brief aus
Königsberg an Johann Gotthelf Lindner vom 20. Juli 1759
über Forstmann Folgendes: "Forstmann soll diesen May gestorben
seyn. Seine erfreul. Nachrichten für die Sünder sind nicht mehr,
werden aber wieder verschrieben; alsdenn sollen Sie selbige haben. Ich
kenne keinen größeren Redner unter den Neueren. Kein Wunder,
was sind die Angelegenheiten eines Demosthenes und Cicero gegen das Amt
eines Evangelisten, eines Engels, der nichts weniger und nichts mehr seinen
Zuhörern zu sagen hat und weiß, als: Laßet euch versöhnen
mit Gott und sei mit der Liebe, mit der Gewalt, mit der Niedrigkeit dazu
ermahnet, als wenn er Christus selbst wäre?" (Johann Georg Hamann,
Briefwechsel. 1. Band 1751- 1759, hg. von Walther Ziesemer und Arthur
Henkel, Wiesbaden 1955, S.368, Z.26-33; vgl. Hamann's Schriften. Herausgegeben
von Friedrich Roth, Erster Theil, Berlin 1821, S.416). Im Jahr zuvor
hatte Hamann an den gleichen Adressaten nach Riga geschrieben (am 22. Juni
1759): "Forstmanns Schriften werden mir sehr schätzbar seyn, den ich
jetzt aus seinen erfreul. Nachrichten für die Sünder kennen lerne,
und der Name eines Herrenhuters, mit dem man ihn gebrandmarkt, soll mich
nicht irre machen die Wahrheit dieses Mannes und seine rührende Schreibart
zu schmecken" (Johann Georg Hamann, Briefwechsel. 1. Band,
S.348, Z.18-22; [die Verifizierung der Zitate in der neuen Ausgabe des
Hamann-Briefwechsels verdanken wir dem Hamann-Kenner Prof. Dr. Oswald
Bayer, Tübingen] vgl. Hamann's Schriften. Erster Theil, S.399;
zu beiden Hamann-Zitaten vgl.: Schlüssel, 1/1959, S. 5). Bauks
gibt das erste Zitat frei wieder in einer Version, die des öfteren
zu lesen ist: "Nach Johann Georg Hamanns Ausspruch hat nach Luther keiner
gewaltiger gepredigt als Forstmann" (Bauks, S.136 Nr.1746).
1760 (Bg/A): Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf
starb am 9.Mai 1760 in Herrnhut. Der große Johann Gottfried
Herder urteilte über ihn: "Nikolaus Ludwig, Graf und Herr von
Zinzendorf und Pottendorf, geboren 1700, ging im Jahre 1760 als
ein Eroberer aus der Welt, desgleichen es wenige und im verflossenen Jahrhundert
keinen wie ihn gegeben." Zinzendorf hat laut Herder sich
"rühmen können, daß er in Herrnhut und Herrenhaag, Herrendick
und Pilgersruh, Ebersdorf, Jena, Amsterdam, Rotterdam, London, Oxford,
Berlin, in Grönland, St.Cruz, St.Thomas, St.Jean, Barbesien, Palestina,
Surinam, Savannah in Georgien; Carolina, Pennsylvanien, Guinea, unter Ungarn,
Wilden und Hottentotten, desgleich in Lettland, Livland, Estland, Litauen,
Rußland, am Weißen Meer, in Lappland, Norwegen, in der Schweiz,
auf der Insel Man, in Äthiopien, Persien, bei den Boten der Heiden
zu Land und zur See, Gemeinden und Anhänger habe" (beide Herder-Zitate
nach: Erich Beyreuther, Zinzendorf. Und die sich allhier
zusammen finden, Marburg 1959, S.9). Daß dieser Weltbürger Zinzendorf,
der sehr viele der genannten Orte selbst bereist hatte und auch in Solingen
bei Pastor Forstmann war, sich auch im Blick auf das winzige Örtchen
Hemer in der Grafschaft Mark ziemlich gut auskannte, daß ihm die
Namen der hiesigen ‘Lokalmatadoren’ Forstmann, Angelkorte
und Dümpelmann (Hemmerde) ein Begriff waren, vergaß Herder
in seiner schönen Auflistung leider zu erwähnen... Und die Wirkungen,
die von Zinzendorf her im Raum Hemer ausgingen, setzten sich nach
seinem Tod fort - wie die Chronik im weiteren zeigen wird.
1760 (Bg/H/I): Nach langer Unterbrechung kam ein
neuer Diaspora-Arbeiter der Brüdergemeine in die Mark: Königsdörfer
(vgl. Schunke, S.64ff.); er kam im Juni 1760 zu Pastor Dümpelmann
in Hemmerde und anschließend nach Hemer, z.B. "nach Sundwig zum Schneider
Jan Dirk, der auch Herrnhaag besucht hatte" (Schunke, S.65) und
dann nach Iserlohn, von wo Königsdörfer in seinem Bericht
"Joh. Giese, den Drahtzieher" besonders hervorhob (Schunke, S.65).
- Aus dem Raum Hemer/Iserlohn wurden in diesem Bericht Königsdorfers
genannt: "Dahle, Evingsen und Ihmert, ... wo auch etliche [sc. erweckte]
Seelen sind" (Schunke, S.67). Aber an diesen Orten kamen die Besuche
aus Zeitgründen nicht zustande.
1761 (D/H/Bg): Am 9.Juni 1761 Pachtvertrag ‘Heppings
Kotten’ mit Stephan Dietrich Rentzing erneuert, unterschrieben von
Caspar Gerhard Mollerus; ein ganz singuläres Dokument im Deilinghofer
Kirchenarchiv, wie wir schon oben in dieser Chronik zu 1726 beschrieben
haben).
1761/1762 (H): "1761/62 drangsaliert ein französisches
Husarenkorps Hemer im Verlauf des 7jährigen Krieges" (Schl.,
1 u. 2/1972, S.3).
1762 (Bg/h/D/I): Johann Heinrich Ernst
von der Brüdergemeine als Diaspora- Arbeiter für den Märkischen
Raum (Niederrhein-Bezirk) bestimmt. Ernst hat in seiner langen Dienstzeit
mit den hiesigen Zentren der Herrnhuter Bewegung (etwa Rentzings
Hof in Sundwig - heute: Sundwiger Mühle -, Dümpelmann
in Deilinghofen, Pastor Strauß an der Iserlohner Bauernkirche)
besonderen Kontakt unterhalten. Aus Johann Heinrich Ernsts Lebenslauf:
"Im Jahr 1762 erhielt ich einen Ruf zur Bedienung der auswärtigen
Geschwister im Bergischen und in der Mark. Ich trat denselben mit Beschämung
und im Gefühl meiner Schnödigkeit, aber auch in dem Vertrauen
an, daß der Heiland bei mir sein werde. Mein erster Besuch dauerte
dreiviertel Jahre. Ich hatte manche verlegene, aber auch manche selige
Stunde, und lernte fürs erste über 400 Seelen kennen, denen es
ums Seligwerden zu thun war" (Archiv Herrnhut, ABN - Nachrichten aus der
Brüdergemeine 1853, S.614-626, Zitat dort: S.620 f.). Ernst,
geboren am 10.September 1717 in Gramstädt in Thüringen, gelernter
Schneider und 1744 zur Brüdergemeine gekommen, beschreibt in diesem
Lebenslauf auch sein zwischenzeitliches Irrewerden an der Brüdergemeine
nach 1748 im Zusammenhang mit Zinzendorfs Sohn Graf Christian
Renatus Zinzendorf, der es zu besonderen Auswüchsen hatte kommen
lassen, die im Lebenslauf, S.616f., indirekt angedeutet sind und seine
wichtigen persönlichen und brieflichen Kontakte im Jahre 1755 mit
Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf selber, Lebenslauf, S.617f.).
1762 (H/D/Bg): Stephan Dietrich Rentzing
richtete in dem von der Deilinghofer Kirchengemeinde gepachteten ‘Heppings
Kotten’ als Anbau einen speziellen Versammlungsraum für die Erbauungsstunden
der Freunde der Brüdergemeine hier am Ort ein. Wir zitieren dieses
für die hiesige Kirchengeschichte wichtige Ereignis aus einem Bericht
von Johann Heinrich Ernst nach: Archiv Herrnhut: Nachrichten
aus der Brüdergemeine 1793, III. Quartal Nr. 21: S.306: "Da ich 1762
zum erstenmal hierher kam, baute er [sc. Stephan Dietrich Rentzing]
an seinem Hause eine Kammer blos zu unseren Versammlungen, die wir noch
im Gebrauch haben" (fast identischer Text auch im Diasporabericht Ernst
1792/93 im Archiv Neuwied). Vgl. derselbe in: Archiv Herrnhut, Sign. R
19 Bi 5. Nr. 32: Diasporabericht 1792/93, wo Ernst beschreibt, daß
bereits in Pastor Angelkortes Zeiten beim alten Rentzing
"Versammlungen in Seinem Hause gehalten" wurden, woraufhin Ernst die Situation
so beschreibt: "Nach des Sel. Angelkorts Heimgang, fing es an ein wenig
schläfrig zu werden." ‘Schläfrig’ eben bis 1762 - was Ernst so
schildert: "Nachdem ich ano 62 in das Land kam, so brachte der liebe Heyld.
wieder Gemeinschaft zu Stande, u. weil kein Platz dazu in Seinem Hause
war, so baute er ein Kämerchen an, Bloß zu unsern Versamml.
das wir noch in gebrauch haben, darüber freute er sich so recht herzlich."
Der genannte Diaspora-Arbeiter Ernst besuchte übrigens in jenem
Jahr 1762 am 27. August Dahle: "Hier befindet sich ein stattliches Häuflein,
das von dem dortigen Schulmeister und seiner Frau geleitet wird. ... Außerdem
ist im Vorjahr in Dahle eine Erweckung gewesen. Aber dieses Häuflein
in Dahle ist ... gewarnt worden, sich vor Ernst in Acht zu nehmen und überhaupt
keinen Bruder anzunehmen. Jedoch wird Ernst von dem Häuflein noch
freundlich aufgenommen." - Von Dahle aus kam Ernst "nach Sundwig
im Kirchspiel Hemer". "Hierhin hat sich nach Angelkortes Tod der Schwerpunkt
des Häufleins verlagert, vor allem seitdem der Schneidermeister Dirk
dort wohnt. Bei ihm findet Ernst auch jetzt seinen Aufenthalt" (Zitate
bei: Schunke, S.71; dort auch folgende Beobachtung, daß dennoch
"Hemer, das doch einmal im Vordergrund der Bewegung stand, in der Zeit
Ernsts in den Hintergrund rückt, während Hemmerde jetzt mehr
hervortritt").
1762 (H): "Im Jahr 1762 erbaute Joh. Henr. Giese
von Iserlohn auf Kosten des Herrn von Brabeck eine Fingerhuts- und Knopfmühle
auf dem Rollenwend. Da dieser Giese aber vier Jahre nachher wegen vieler
Schulden Reißaus nahm, so war die Mühle 1769 an die Brüder
Henrich und Adolph von der Becke für 200 Louis d'or verkauft und diese
ließen daselbst wie zu Sundwig arbeiten" (F.L. Woeste, zitiert
nach: Schl 1/1988, S.21).
1763 (D): Am 22.Januar 1763 wurde Johann Daniel
Müller in Voerde bei Schwelm geboren, ab 1791 der Nachfolger von
Pastor Dümpelmann in Deilinghofen (Lebensdaten bei: Bauks,
S.342 f. Nr. 4301).
1763 (H/D/I/Bg): In Niederhemer wurde am 12.September
1763 der größte heimische Mühlenbauer und Papierformenhersteller
Johann Hermann Stindt geboren, Erbauer der Ebbergkirche (vgl.
etwa Schl.1/1958,1ff.), gestorben 12.Juli 1846. Für die Deilinghofer
Kirchengeschichte interessant sind (Schl. 1/1958, S.4) Bemerkungen
zu Stindts Frömmigkeitsstil: "Dann stammte er aus einer tiefreligiösen
Familie. Schon in jungen Jahren hatte er selbst den Weg zur Brüdergemeine
gefunden, jene auf Zinzendorf zurückgehenden Gemeinschaft,
deren Glieder die Grundwahrheit ihrer Lehre, daß Christi Tod die
ganze Menschheit mit Gott versöhnt habe, im persönlichen Glauben
zu erfahren und zu erleben strebten. Der Deilinghofer Pfarrer Dümpelmann
und der Iserlohner Pfarrer Strauß hatten Stindt auf diesen
Weg gewiesen. Lebendige Herzensfrömmigkeit und werktätiges Christentum,
wie sie Johann Hermann Stindts Leben bestimmten, sind von der Brüdergemeine
aus begründet. Es überrascht uns daher nicht, ihn als Mitglied
des vierköpfigen Kirchenvorstandes der evangelischen Kirchengemeinde
Hemer zu finden. Der Bau einer neuen Kirche wird Stindt also auch Herzensangelegenheit
gewesen sein." Zu Stindts Leben, zu seinem von der Brüdergemeine
geprägten Frömmigkeitsstil und seinem Verhältnis zur Kirchengemeine
Hemer vgl. Stindts eigene Lebensbeschreibung in: Schl. 1/1991,
S.3ff.; dort v. a. S.5, S.9, S.10, S.11; von ihm wurde beschrieben, daß
er beim Bau an Heppings Mühle mitgearbeitet hätte, der
in dieser Chronik oft genannten Zentralstelle des hiesigen Häufleins
der im Sinne Herrnhuts Erweckten. Der Deilinghofer Gastwirt Helmut Stindt
ist übrigens ein Nachfahre des hier Genannten.
1763 (D): "1763, 29.11.: Beckmerhagen, Melchior
Diederich, zu Del., welcher leyder vom Balcken heruntergefallen und kurtz
darauf todes Verblichen. Ist zwar unter Geläute und Gesänge,
jedoch ohne Leichen Predigt beerdiget worden" (nach dem Deilinghofer Kirchenbuch).
1764 (D): Der Pfarrer Caspar Gerhard Mollerus
erhielt wegen "vorgeblichen Ehebruchs" seine Dimission und verbrannte angeblich
aus Wut das Deilinghofer Pfarrarchiv. Sein "Fluchtort" wurde Hemmerde -
ausgerechnet (vgl. dazu BDKG 2, S.51f.)!
1765 (D/Bg): Ein sehr merkwürdiger Wechsel:
der eine unehrenhaft entlassene Pastor (Mollerus III) ging nach Hemmerde
ins Zentrum der Herrnhuter Bewegung in der Mark, der andere als höchst
ehrenwert erachtete Pfarrer, der aus Hemmerde stammte, kam nach Deilinghofen
in dieses landläufig eher als ‘unfromm’ erachtete Dorf: Gottfried
Wilhelm Andreas Dümpelmann, von dessen Leben und Wirken
nun zusammenhängend zu erzählen ist (wobei wir einige Dubletten
zur Chronik in Kauf nehmen)...
www.pastoerchen.de und
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