Abendmahls-Gottesdienst am 3.Sonntag nach Trin., 28.6.98

(Hintergrundsmusik amazing grace - hier passend zur Predigt zu verstehen als die Gnade, die zum Staunen bringt)

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Hl. Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde, "Du bist nun mein und ich bin dein, dir hab ich mich ergeben"! Was wir da gesungen haben soeben aus diesem Lied, das mein Lieblingslied ist, das ist ja ein richtiges Liebesgeständnis. Und fast dieselben Worte dieses Liebesgeständnisses finden sich im heutigen Predigttext aus dem Alten Testament, über den wir nachdenken, Jes. 43, 1-5:

Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Denn so du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, daß dich die Ströme nicht sollen ersäufen; und so du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen. Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige in Israel, dein Heiland. Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Mohren und Seba an deine Statt. Weil du so wert bist vor meinen Augen geachtet, mußt du auch herrlich sein, und ich habe dich lieb; darum gebe ich Menschen an deine Statt und Völker für deine Seele. So fürchte dich nun nicht; denn ich bin bei dir.

Wenn man es recht bedenkt, liebe Gemeinde, dann ist es unglaublich, daß ein Mensch es wagt, sich Gott so vorzustellen, wie es in diesen Worten geschieht: als einen Gott, der zu den Menschen seines Volkes, seiner Kirche, seiner Gemeinde redet, wie ein Liebhaber zur Geliebten redet. Denn diese Worte, die ich eben las, die entstammen ja ganz offensichtlich der Sprache der Liebenden. So redet jemand, der als Verliebter im andern sein Ein und Alles gefunden hat, das in die Arme nehmen will, das nicht mehr loslassen will – bei allem, was passieren könnte an Krisen und Feuerproben. Ja, diese Worte, die ich eben las, die sind – recht verstanden – wie eine Umarmung; sie sind wie Geborgenheit in den Armen eines Starken: "Fürchte dich nicht," so heißt dies Liebesgeständnis, "ich kenn dich ganz persönlich, dein Name ist mir unerhört wichtig, ja, du bist in meinen Augen wert geachtet und herrlich, fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir..."

Liebe Gemeinde, eine Menge Trauungen hatten wir in den letzten sieben Wochen – allein die drei dicht huintereinander liegenden Trauungen von Pastor Schreyer, von der CVJM-Vorsitzenden Kirsten Hennemann und am Freitag von unserer Presbyterin Cordula Bartmann hatten dreimal eine so überfüllte Kirche wie sonst am Heiligen Abend, und heute wurden ja schon wieder zwei Traupaare abgekündigt – und jedesmal sitzen wir dann zusammen bei den Traugesprächen, und das Paar schildert etwas von seiner Liebesgeschichte, und dann kann es so sein, das die ganz von Herzen das zum Ausdruck bringen, was die fühlen, was in den Köpfen und Herzen des Paares drin steckt: daß dieses JA, das hier am Altar gesprochen wird, umschließt: Du, ich will dich, ich bleib bei dir, fürchte dich nicht, dein Name, deine Person ist mir etwas wert, ja, du bist herrlich und du bist persönlich gemeint...

Und die zukünftigen oder frischverheirateten Ehepaare, die hier sitzen, die wissen, was ich meine: Worte können wie eine Umarmung sein, sie können wie Geborgenheit in den Armen eines Starken sein, wenn da jemand ist, den ich liebe, und der sagt DU zu mir, du, hab keine Angst, du bist mein und bleibst das, auch wenn’s durch dick und dünn geht – durch Feuerproben hindurch...

Das Unerhörte, das Unglaubliche unseres Textes ist es, daß diese kühne Sprache der liebenden auf Gott angewendet wird: So ist Gott, er liebt! Ja, mehr noch: von Gott sprechen heißt, von einem Liebesgeständnis sprechen. Von Gott kann man nur sprechen wie von einem Menschen, den man über alles liebt; wer anders von Gott spricht, spricht gar nicht von Gott! Was hilft mir ein höheres Wesen, das ich für möglich halte, eine übergeordnete Macht irgendwie, die ich "Gott" nenne, wenn ich nicht an das rankomme, was in unserm Text das Allerinnerste und Allerinnigste des ganzen Alten Testamentes ist: Gott erklärt seine Liebe mir – und uns, seinem Volk. Ja, er will nicht von uns "für wahr gehalten" werden, er will uns, ja er will das, was alle Liebenden wollen: er will das, was wir eben sangen: Du bist nun mein und ich bin dein, dir hab ich mich ergeben. Lieeb gemeinde, nun ist das mit Liebesgeschichten und Liebeserklärungen ja nun so eine eigene Sache. Denn freilich: nur ein Liebender kann Liebe verstehen, ein Außenstehender sieht genau dieselbe Sache mit völlig anderen Augen an. Wenn ich eben sagte, daß Worte wie eine Umarmung sein können, und daß so Umarmungen Furcht vertreiben können, dann ist das Liebenden die allerinnerste Erfahrung; jemand aber, der die sache von außen sieht, kann das nur als Unsinn, als Kitsch und Wortgesülze abtun, und ich kenne welche, die kritisch und skeptisch geworden sind und aus eigenen bitteren Erfahrunge (das weiß ich auch von mir) sich solche gefühlvollen Worte weit vom Leib halten, und womöglich sagen: "Alles Unsinn, auf nichts ist mehr Verlaß, Liebe gibt es doch gar nicht!" So – und genau so! – ist es erst recht mit Gott und mit unserm Text, wo der Prophet im Namen Gottes Gottes Liebesgeständnis an seine Leute weitergibt:

"Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, bei deinem Namen gerufen, du bist mein. Du bist in meinen Augen wertgeachtet und herrlich, weil ich dich lieb habe. Fürchte dich nicht, ich bin mit dir!"

Da mögen welche hier sein, liebe Gemeinde, die jetzt ihre eigenen bitteren, resignierten und skeptischen Erfahrungen gegen diese Liebeserklärung in Feld führen und die genauso sagen: Solche Worte von Liebe und Gott, die kommen bei mir nicht an, denn meine Alltagserfahrungen sind anders, daß ich da von Gott und Lieb nichts auf die Reihe kriege – da klingt mir das, was da in Jes. 43 dem Volk Gottes gesagt ist, wie aus einer andern, aus einer "heilen Welt" – denn so leicht ist das doch heute nicht daß die Angst verschwindet und ich – Liebe annehmend – mir das sagen lasse: "Fürchte dich nicht, denn du bist mein..."

In der Tat, liebe Gemeinde, mit den Liebeserklärungen zwischen Menschen ist es wohl ganz genauso wie mit diesem Gott: wer außen steht, zurückgeworfen auf eigene bittere Erfahrungen und Lebensnarben, die’s da gab und –wunden, der sieht beides skeptisch, und der mag’s für Kitsch erklären, wenn in den Ängsten unserer Umwelt jemand von der Liebe zwischen Menschen redet, oder eben; von dieser Liebeserklärung Gottes, der sagt: Fürchte dich nicht, du bist mein.

Freilich sollte man, um dieser Liebe auf die Spur zu kommen,

unseren Text ganz wahrnehmen mitsamt der Situation, in die er damals hineingesprochen wurde im 6. Jh. vor Chr. Da ist nämlich von "heiler Welt" keine Spur; im Gegenteil: diese kühnen Worte von Gottes Liebe, die durch dick und dünn geht, diese Worte gelten dort verloren sich fühlenden, entwurzelten, verzweifelten und heimatlosen Menschen, die drauf und dran waren, mit Gott Schluß zu machen, eben weil sie Furcht und 1000 Ängste in ihren Erfahrungen drin hatten, und weil ihnen Gottes Liebe, Gottes Geschichte mit ihnen, total zweifelhaft geworden war. Da wackelte alles, in der Zeit der Babylonischen Gefangenschaft; da dachten viel auf nichts ist mehr Verlaß, jetzt, wo die Unterdrückung groß, die Heimat fern und der Tempel in Jerusalem ein Schutthaufen ist. Also gar keine "heile Welt"! Leute, die am Ende sind, hören das, was unglaublich und doch wahr ist: Gott liebt sein Volk, diesen verängstigten und furchtsamen Haufen von Zweifelnden und Hadernden, wo soviel Schuld und Elend und Angst zwischen dem Volk und Gott lag, daß von seiner Liebesgeschichte kaum noch was zu erkennen war.

Aber genau in diese Feuerproben hinein drang das Wortr Gottes, diese Lieebserklärung aus Jes. 43, die Folgen hatte und schon der Anfang der Erlösung war: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Denn so du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, daß dich die Ströme nicht sollen ersäufen; und so du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, denn durch Wasser- und Feuerproben bin ich bei dir, fürchte dich nicht.

So war das damals, liebe Gemeinde, und so ist es heute, wo Jesus Christus, ER, der das Kreuz trug und unsere Feuerproben durchlitt, wo heute Jesus Christus erlebt und erfahren wird: da zeigt sich am tiefsten im Kreuz, am deutlichsten in unseren Feuerproben, daß seine Liebe und sein "Fürchte dich nicht!" mit den Seinen ist! Das, was wir eingangs sangen [das Kirchentagslied, eg Nr. 656]: "Fürchte dich nicht" – das ist der rote Faden durch das ganze neue Testament, und da spannt sich ein großer Bogen von Jes. 43 zuerst hin zu der Weihnachtsgeschichte in Lukas 2, wo die Hirten auf Bethlehems Fluren vom Retter was hören und: "Fürchtet euch nicht" hören, "siehe, da kommt große Freude". Und dies "Fürchtet euch nicht!", das war so was wie das Erkennungszeichen dieses Retters, das war der Jesus-Erkennungsruf, und dies: "Fürchte euch nicht!" durchzieht alle Evangelien und das ganze Neue Testament, bis hin zur Offenbarung, wo in den Feuerproben der Christenverfolgungen der von Tod und Leid bedrohten Gemeinde gesagt wird, daß ihr Kreuz nicht endlos ist, Offb. 1,16: Fürchtet euch nicht, ich Christus bin der Erste und der Letzte und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle; fürchtet euch nicht, meine Liebesgeschichte ist eine Liebesgeschichte, wo durch Abgründe und Feuerproben hindurch ich für euch da bin, jetzt und in Ewigkeit!

So zieht sich von Jesaja 43 aus der rote Faden durch die ganze Bibel und durch die Geschichte der Kirche hindurch – das "fürchte dich nicht", das dieser Liebende spricht, bis hin nach hier, nach Deilinghofen heute morgen zu denen hin die hier sitzen und hören! Hier, in diesem Gottesdienst wo heute – kühn genug – Christus um uns wirbt, wie ein Liebender um die Geliebte, die sein Ein und Alles ist und sein soll. Und wie mag’s hier gehört werden jetzt? So von außen nur, daß es hier klingt wie Kitsch und schöne Worte, und Resignation und Verbitterung nicht durchstößt? Oder von innen, wie die Geliebte den Worten des Geliebten Vertrauen schenkt und weiß, auf den ist Verlaß!?

Vor längerer Zeit hing im Martin-Luther-Haus drüben im Jugendraum ein eindrucksvolles Plakat: da war eien morsche, verfallene Mauerzu sehen und darauf standen die Worte, die biele nachvollziehen kömnen: AUF NICHTS IST MEHR VERLASS. Doch merkwürdigerweise kann man dieses Plakat auf zweifache Weise betrachten, denn über dieser Mauer stand das Wort GOTT zu lesen, und mit den Augen der Liebe gelesen, liest sich das Ganze im Glauben dann so: GOTT, AUF NICHTS IST MEHR VERLASS! Genau diese Sicht dürfen wir uns schenken lassen heute und zum Bund seiner Liebe JA sagen, zum Bund der Liebe gerade bei Brot und Wein im Abendmahl. Ich denke da an die Frau im Krankenhaus, die als glaubende Christin todkrank lag und äußerlich gesehen keine Hoffnung hatte, der ich nach längeren Gesprächen und nach Beten mit ihr das Wort zusprach: Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, wo sie mir dann auf ihre Weise "zurückpredigte" und antwortete: "Ich fürchte mich nicht, ich bin auf alles vorbereitet, und ich bete jeden Tag für sie und unsere Deilinghofer Kirchengemeinde." Genau das ist Liebe, um die es hier geht, Jesu Liebe, stärker als der Tod, und dann nicht zuende, wenn der Tod uns scheidet. Und wer es wagen will, mit dieser Liebe, der komme, nehme sie zu sich, nehme IHN zu sich in Brot und Wein, denn ER, Christus, gab sich für uns in seinen Feuerproben, damit die Furcht vergeht in unsern Feuerproben hier. Amen.

Hier zur Stephanus-Startseite: http://www.centernet.de/Deilinghofen/