Gottesdienst am Neujahrstag 2001 in der Stephanuskirche zu Deilinghofen mit der Feier des Hl. Abendmahles

 

Liturgie nach der alten (grünen) Mappe "Beten im Gottesdienst" von Burkhard Heim

Eingangslied: Jesus soll die Losung sein (EG 62), 1-5

Neutestamentliche Lesung heute:

[Damit die gleich folgende Predigt über die Jahreslosung von 2001 heute in ihrem biblischen Zusammenhang begriffen wird, lese ich hier mit Bedacht den Abschnitt der ringsum steht, Kol. 2, 7 bis 19, wo wie in einem Hymnus Hohelied auf Jesus Christus angestimmt wird, der allein die Mitte zu sein hat; ich lese den Text nach der besser verständlichen Guten Nachricht:]

Kol. 2, 7-19: Seid in ihm verwurzelt und baut euer Leben ganz auf ihn. Bleibt im Glauben fest und lasst euch nicht von dem abbringen, was euch gelehrt worden ist. Hört nicht auf zu danken für das, was Gott euch geschenkt hat. Gebt acht, dass euch niemand mit der Philosophie und leerem Trug einfängt, euch die wahre Religion zu bringen. Das beruht doch alles auf Menschenlehren und hat nur mit den kosmischen Mächten zu tun, aber nicht mit Christus. In Christus verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis, und durch ihn allein wird euch die Fülle des Heils zuteil, nicht durch irgendwelche anderen Mächte. Denn Christus ist das Oberhaupt jeder Macht und Gewalt im ganzen Kosmos. Durch Christus seid ihr auch beschnitten worden - nicht am Körper, sondern so, dass ihr den ganzen Körper, sofern er unter der Herrschaft der Sünde steht, abgelegt habt. Dies geschah in der Christus-Beschneidung, der Taufe. Als ihr getauft wurdet, seid ihr mit Christus begraben worden, und durch die Taufe seid ihr auch mit ihm zusammen auferweckt worden. Denn als ihr euch taufen ließt, habt ihr euch ja im Glauben der Macht Gottes anvertraut, der Christus vom Tod auferweckt hat. Einst wart ihr tot, denn ihr wart unbeschnitten, das heißt in ein Leben voller Schuld verstrickt. Aber Gott hat euch mit Christus zusammen lebendig gemacht. Er hat uns unsere ganze Schuld vergeben. Den Schuldschein, der uns wegen der nicht befolgten Gesetzesvorschriften belastete, hat er für ungültig erklärt. Er hat ihn ans Kreuz genagelt und damit für immer beseitigt. Die Mächte und Gewalten, die diesen Schuldschein gegen uns geltend machen wollten, hat er entwaffnet und vor aller Welt zur Schau gestellt, er hat sie in seinem Triumphzug mitgeführt - und das alles in und durch Christus. Über Christus hinaus brauchen wir nichts. Darum soll euch niemand verurteilen wegen eurer Ess- und Trinkgewohnheiten oder weil ihr bestimmte Festtage oder den Neumondstag oder den Sabbat nicht beachtet. Das alles ist nur ein Schatten der kommenden neuen Welt; doch die Wirklichkeit ist Christus, und die ist schon zugänglich in seinem Leib, der Gemeinde. Niemand soll euch das Heil absprechen, der sich in Demutsübungen und Engelverehrung gefällt und das mit irgendwelchen visionären Erlebnissen begründet. Solche Menschen blähen sich grundlos auf in ihrer rein irdischen Gesinnung, statt sich an Christus zu halten, der doch der Herr über alles ist und das Haupt des Leibes, der Gemeinde. Von ihm her wird der ganze Leib zusammengehalten und versorgt, damit er zur vollen Größe emporwächst, wie es Gott gefällt.

Lied vor der Predigt: Mein schönste Zier (EG 473), 1-3

Lied nach der Predigt vor dem Abendmahl: Von guten Mächten (EG 652)

Nach dem Abendmahl: EG 473, 4 und zum Schluss: O du fröhliche

Predigt Kolosser 2, 2,3 (Jahreslosung 2001):

In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis

 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde in Deilinghofen am ersten Tag des Jahres 2001, am denkwürdigen Tag 010101, wenn das wirklich stimmt, was wir eingangs sangen, dass Jesus hier die Losung sein soll, dann ist es das beste Wort der Welt, was die neue Jahreslosung zum Ausdruck bringt! Dann ist dieser Satz, den viele oder alle von Ihnen auf dem kleinen Kalenderkärtchen vor sich haben, der beste Vorsatz, den man sich überhaupt denken kann. Ja, es ist eben ein "Vor-Satz" im wort-wörtlichen Sinne, ein Satz, der vor einem Jahr steht wie in der Mathematik das Vorzeichen vor der Klammer, und jedesmal wenn Sie den kleinen Kalender aus dem Portemanaie holen z.B., dann haben Sie diesen Vor-Satz vor Augen, die Jahreslosung aus Kolosser 2, Vers 3; hier steht:

In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.

Was immer Sie sonst in ihrem Portemonaie haben: was daangedeutet ist, das ist der größte Schatz der Welt, ein ganzes Bündel von Schätzen sogar, wir lesen da auf dem Kalender:

In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.

Genau so haben wir es gerade gesungen: Mein schönste Zier und Kleinod bist auf Erden du Herr Jesus Christ, ein Schatz zum Im-Herzen-Behalten, so wie es da mein Lieblingslied ausdrückt, das ja eigentlich ein Liebeslied ist: "Schatz, du bist nun mein und ich bin dein, dir habe ich mich ergeben".

Wem das zu kühn oder zu fremd ist, dass man Jesus in die Nähe eines Liebesliedes bringt und ihn Schatz nennt, der sei an Jesus selbst erinnert, wie sagte der? "Wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz, sammelt euch nicht Schätze auf Erden, sammelt euch Schätze im Himmel..." Und der gleiche Jesus erzählte ja vom Schatz, vom Schatz im Acker, der da in einem Stück Land vergraben und verborgen war, und was tat der Kaufmann? Er gab alles was er hatte, um diesen Acker zu kaufen und diesen Schatz zu bergen, der bekanntlich dort im Evangelium in einer anderen Variante eine kostbare Perle ist.

Mein Schatz, meine Perle, mein ein und alles, so klingt es uns da im Evangelium in vielen Spielarten entgegen, um das zu beschreiben – ja, in der Sprache der Liebe zu beschreiben – , was das mit Jesus meint und was das mit seinem Reich besagt, und auch Paulus bekanntlich greift das auf im 2. Korintherbrief: wie haben diesen Schatz in irdenen Gefäßen, also nach außen nicht zu erkennen oft, dass es ein Schatz ist, von außen leicht zu belächeln, mit Leichtigkeit zu verspotten von der Masse, weil alles das, was da hält, unter Schwachheit und Kreuz verborgen ist, aber da innen drin, in diesem Gefäß, da ist ein Schatz drin, "Du bist nun mein und ich bin dein, dir hab ich mich ergeben", Jesus, Schatz, Jesus, mein Leben, mein ein und alles, das mich trägt.

Und nun sind wir da auf diesem Kalenderkärtchen, und da wird in Kol. 2, Vers 3 der gleiche Ton angestimmt in der Jahreslosung für 2001. Die superklugen Fachleute unter den Exegeten, den Auslegern des Neuen Testaments, streiten sich ein bisschen, ob der Brief an die Gemeinde von Kolossae wirklich von Paulus stammt oder von einem seiner Schüler, seiner Geistesverwandten, im Sinne des Paulus geschrieben ist. Sei es wie es sei, aber eins steht fest: die gleiche Jesusliebe und der gleiche Glaube treibt da, der gleiche Geist ist es, der da aufs Wesentliche hinweist, auf Christus, der das Ein und Alles ist, und es wird unerhört ins Weite und Universale da ausgezogen dort im Kolosserbrief (Wir hörten es eben in der Lesung!), was dieser Schatz für die ganze Welt bedeutet, und Schatz wird da nicht nur im Singular gesehen, sondern in den Plural gesetzt, eben hier in der Jahreslosung: In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.

Liebe Gemeinde, um dem Text der Jahreslosung dann ganz nahe zu kommen, muss ich hier auf einen der bedeutendsten "Schatzsucher" in der Geschichte des europäischen Denkens zu sprechen kommen, ich meine Blaise Pascal, dessen Lebenswerk mit dem Inhalt der neuen Jahreslosung unerhört viel zu tun hatte. Alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis – ja, Erkenntnis und Weisheit und die Welt und die Natur erforschen, das war sein Ding, das Ding von diesem Blaise Pascal, diesem französischen Naturwissenschaftler, Physiker und Philosophen, den man mit Fug und Recht den "Albert Einstein des 17. Jahrhunderts" nennen könnte. Sie erinnern sich vielleicht: In der Schule ist er uns über den Weg gelaufen, ich selbst denke ein bisschen mit Grausen dran, in Form des Pascalschen Dreiescks in der Mathematik, und in Form von jenen Hektopascal, mit denen man bekanntlich in der Physik den Luftdruck misst. Jedenfalls ist er eine Koryphäe des Geistes und der Naturerforschung gewesen, wie kaum ein anderer. Und dieser Pascal meint: alles was ich rauskriege mit meinem Gehirn, mit dem Verstand und der Vernunft, alles was ich weiß, über die Welt den Kosmos und mich, was ich da an Gesetzen mit der Logik der Vernunft erschließen und entdecken kann, und das ist gerade bei Pascal staunenswert viel!, das hat dicht daneben noch eine zweite Linie. Da gibt es die Logik des Herzens, die ist anders als die Logik der Vernunft, aber genauso gewiss: und in dieser "Logik des Herzens" hatte ihn Jesus Christus in Beschlag genommen, Jesus Christus, dem er leidenschaftlich gehörte und dem er sich buchstäblich verschrieben hatte, an dem er wie ein Liebender hing, an seinem Schatz und seinem Ein und Alles. Manche kennen vielleicht die berühmte Szene an Pascals Sterbebett, als man da, nach seinem Tod, in seine Kleider eingenäht einen Zettel fand, mit der handschriftlichen Notiz, wem Blaise Pascal sich nach einer Lebenskrise und auf dem Hintergrund von tiefen Seelenwunden verschrieben hatte, als er da zum Glauben gekommen war. Und auf diesem Zettel da in der Kleidung des toten Pascal stand sinngemäß: "Feuer, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, nicht der kalte Gott der Vernunft, nicht der Gott des Philosophen; ich unterwerfe mich dem Gott Jesu Christi, der ist ganz und gar mein Seelenführer". "Schatz, du bist nun mein und ich bin dein, dir habe ich mich ergeben", das könnten in diesem Sinne Worte von Pascal sein, die er aus der Logik des Herzens heraus hätte sagen können.

Ja, das ganze Lebenswerk und das Glauben dieses Mannes Blaise Pascal, das war wie ein einziger Kommentar zu diesem Wort der Jahreslosung: In Christus liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. Und sehr bezeichnend und wegweisend ist da ein Zitat, das ich aus Pascals Tagebüchern, seinen berühmten "Pensees", seinen "Gedanken" fand. Und da zeigt sich, liebe Gemeinde, eben das Entscheidensde, wie da bei Pascal beide Linien zusammen kommen: Herz und Kopf, oder anders gesagt: erstens die "Logik des Herzens", dass Christus sein Schatz ist, dem er gehört, und zweitens die Logik der Vernunft, die ihn Naturwissenschaftler sein ließ, wenn Pascal dort schreibt: "Jesus Christus ist das Ziel von allem und der Mittelpunkt, dem alles zustrebt. Wer ihn kennt, kennt den Grund der Dinge. Ohne ihn wissen wir nicht, was unser Leben ist noch was unser Tod ist noch was Gott ist noch was wir selbst als Menschen sind".

Und nun kann man in der Tat, liebe Gemeinde, so Predigtpassagen wie eben ja leicht missverstehen, dass die einen da bloß Informationen rausziehen, die zum Wissen und zur Bildung gehören, und die andern, die es da nicht so mit haben, sagen: Was soll schon ein Blaise Pascal mir, der ist doch über 300 Jahre tot, was hilft mir das mit solcher Weisheit und Erkenntnis, mit solchen Schätzen, die sind doch von damals und nützen mir nichts – heute am Tag 010101 und für dies Jahr, ich bin eben kein Blaise Pascal, und die Probleme von heute und von den nächsten 365 Tagen kann man nicht mit unaktuellen Schätzen von früher und nicht mit ollen Predigtbeispielen aus der Welt von Bildung und Geschichte lösen! Stimmt vollkommen, aber nur unter der Bedingung, dass man es ganz in den falschen Hals gekriegt hat! Gemeint war es anders, auch in Pascals Sinn: Finde den Schatz, meint er, nimm ihn an, wag‘s mit ihm, er wird dir zeigen, dass er was dahinter hat mit seiner Liebe, wag’s so, wie Jesus es sagte: Wo dein Schatz ist, ist auch dein Herz, und lass dich dann ein auf Jesus und diese Liebe, eben in der Logik des Herzens, die es nicht nötig hat zu beweisen, dass diese Liebe das Absolute ist, der Inbegriff vom Sinn des Lebens, wo dann – wenn du Jesus gefunden hast, in einer unerhört befreienden Horizonterweiterung dir ganz viel vom Wesen des Menschen, von Gott, wie er ist und von der ganzen Welt klar werden!

Und genau um diesen Punkt, liebe Gemeinde, geht’s da in der Jahreslosung von Kolosser 2, 3! Wer es richtig begriffen hat, hat es aus dem Zusammenhang des Textes eben herausgehört und gemerkt, dass es da in Kolossae um einen Kampf gegen Sektierer Irrlehrer geht, um welche, die in die die Gemeinde eingedrungen waren, die da aber die Engel und die kosmischen Mächte verehrten, die da in den einfachen Christus-Glauben sozusagen astrologische und okkulte und esoterische Dinge mit einbrachten, auch jüdische Gesetzeslehren und das Sich-Orientieren an Neumonden und solchem Kram, die wollten Christus – am Kreuz von Golgatha vorbei – bisschen aufpeppen, aus dem Gekreuzigten im Bild gesprochen einen Rennwagen machen mit einem Turbo drin, der dann – vom Kreuz befreit – mit Turbo drin abgeht wie eine Rakete. Gnosis hieß dann später diese Sekte der Himmelsleiter-Besteiger und Besserwisser-Christen, die da viel rumspekulierten über Christus und die Seele, wie sich sich da in die Höhe schwingt und in kosmische Sphären und Gefilde – und genau hier in der Jahreslosung wird solchen esoterischen Christen das Fundament entzogen. Bildet euch nichts ein auf eure selbstgezimmerten kosmischen Himmelsleiter-Systeme mit all den Mächten und Engelgewalten, von denen ihr da immer tönt! Macht nicht etwas dazu aus eigener Kraft! Kommt zu Christus, lasst ihn schlicht eueren Schatz sein, dem ich gehört, dann merkt ihr von innen, dass ihm, dem Gekreuzigten, längst die ganze Welt gehört, dass alle Mächte ihm untertan sind, dass er und kein anderer der Herr über die Mächte und den Kosmos ist, ja dass in ihm alle Abgründe der Welt einem nichts mehr antun können und alle Furcht erledigt ist, wenn man das weiß, dass der eigene Schuldschein, wie es in der Lesung ja hieß, am Kreuz von Golgatha abgeheftet ist, wenn man sich vergewissert, dass an dieser Stelle das eigene Leben und von daher die Welt heil wird.

Und auch hier sage keiner, das wäre nicht aktuell, was die Jahreslosung aus Kol. 2 im Blick auf die Irrlehrer von damals anzeigt Die Gnosis der selbstgezimmerten Religionsentwürfe war nicht nur damals die Gefahr, genau die gleiche Bewegung scheint heute zu gewinnen, jetzt Anfang des dritten Jahrtausend, denn die Rattenfänger und sektiererischen Irrlehrer kommen zuhauf, jeder glänzt mit seiner Version, wie man das Leben sicher macht und sich religiös des Sinns von allem vergewissert, das reicht von Yoga bis Astrologie, von Waldorfschule bis Esoterik, von "Akte X" im Fernsehen bis zu den Harry-Potter-Büchern, das reicht von Satanismus unter Jugendlichen bis hin zu autogenem Training und zu bewusstseinserweiternden Drogen, und die die es nicht so pompös machen mit all diesem frommen New-Age-Kram, die machen es eben ganz schlicht: dass der eigene Bauch der Gott ist, der Konsum und das Spaß-Haben, und auch das wird als Weg gesehen, wie man sich des Sinns von allem gewiss sein kann. Doch genau dahinein spricht die Jahreslosung das entscheidende Wort, 2001 keinen Deut unaktueller als damals, als dies Wort zum ersten Mal geschrieben wurde: Jesus soll die Losung sein, ER und kein anderer, denn in ihm liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis, was übrigens im Grundtext des Neuen Testaments auf griechisch "gnosis" heißt, bezeichnenderweise, weil Christen keine andere Erkenntnis brauchen als die, die in Jesus gewurzelt ist, dem man gehört.

Wohl dem von uns, der da in der Logik des Herzens in ihm den Schatz seines Lebens findet – und in Pascals Sinn von dieser leidenschaftliche Liebe, die wie Feuer ist, was mitbekommt, und wer hier mit ihm bewusst ins Neue Jahr geht, gestärkt durch Brot und Wein wie jetzt es folgt: "Für dich gegeben" – "Für dich vergossen", wer das dann als Liebeszusage gleich sehr persönlich annimmt, da Ja sagt und was draus folgen lässt im Neuen Jahr. Und der Friede...

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