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Predigt am Sonntag Invocavit 4.3.01 in Deilinghofen

Was ich jetzt gleich lese, liebe Gemeinde, genau das sahen 50 Jugendliche vorige Woche am Samstag bei der Wartenbergfreizeit im Videofilm, als wir dort das Abendmahl durchnahmen und als wir mit den Konfirmanden dieses Jahres aus dem schönen und eindrucksvollen Jesusfilm nach Lukas die Szene von Jesu letztem Abendmahl am Gründonnerstag betrachteten und die Gespräche Jesu mit den Jüngern, die sich nach Lukas da direkt anschließen.

Wir hören jetzt den in unsern Kirchen für den heutigen Sonntag Invocavit vorgeschlagenen sehr kurzen Predigttext vom Anfang der Leidensgeschichte nach Lukas, Lukas 22, 31-34, wo Jesus zu Simon Petrus sagt:                                     

Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. Ich aber habe  für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder. Er aber sprach zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. Er aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst.

Liebe Gemeinde! Vielleicht erinnert sich jemand noch an Günter Klempnauer – aus Siegen stammend und Prediger hier in Deilinghofen, damals in einem Jugendgottesdienst unseres Teecafés, Günter Klempnauer, Religionslehrer und Journalist, auch Autor eines Buches über deutsche und internationale Spitzensportler, die bewusst auch Christen sind. Ja, Klempnauer hatte hier von dieser Kanzel ganz faszinierend und begeisternd, sehr werbend und einladend, darüber gepredigt, wie viele der Berühmtheiten unter Leichathleten und Fußballspielern sich bewusst zu Christus bekennen und daraus keinen Hehl machen.

Und wer von uns Sportfan ist und Fernsehen guckt, der sieht ja in „ran“ oder im „ZDF-Sportstudio“ das oft, wie Sportler beten oder das Kreuzzeichen machen, und manchmal bei Interviews, da wundert man sich, wie klar sich Leute in der Sportszene zu solchen sonst verschwiegenen Themen äußern: dass Glaube für sie eine erstaunliche Rolle spielt - von Moderator Dieter Kürten angefangen bis zum früheren Eishockeynationaltorwart Karl Friesen und bis hin zu Golfprofi Bernhard Langer usw.

Und genau das war damals das Thema von Günter Klempnauer: Wenn schon solche Leute da sich nicht schämen, davon zu sprechen – es gibt ja sogar eine christliche Initiative „Sportler rufen Sportler“, wo mit sporttreibenden Christen für das Christsein geworben wird – dann können Jugendliche auch da einmal bei den Stars und Siegertypen sich eine Scheibe abschneiden, es mit Jesus versuchen. Und viele der Beispiele von Klempnauer damals gingen in die Richtung: Wenn du einen Glauben hast und Christ bist, dann bist du mental gut drauf, dann schöpfst aus deinem inneren Frieden, dann schöpfst du von da aus deine Leistung voll aus, dann kannst du dich unter Umständen besser konzentrieren, schneller laufen und  präziser treffen, kurzum: Christen als Spitzensportler seien dadurch ausgezeichnet, dass sie fairer und freier sind und damit die Nase das entscheidende Quentchen vorne haben...

Ob das wohl immer wahr ist? Das fragte ich mich schon damals. Da mag was dran sein, vielleicht sogar eine ganze Menge, liebe Gemeinde,  aber vom heutigen Predigttext aus am ersten Sonntag der Passionszeit ist das gar nicht die ganze Wahrheit! Da gehört zum wirklichen Christsein in der Tiefe noch ein ganz anderer Kampf, so wie man da an Petrus und Jesus sieht, in jenem Gespräch an dem Abend, als Jesus gründonnerstags seine letztes Mahl mit den Seinen gehalten hatte.

Ja, „Christen sind auf eigene Weise Siegertypen“ – diese Botschaft hätte allerbestens zum Leben und zur Mentalität des Simon gepasst, dem Jesus ja den Beinamen Kephas, auf Griechisch Petrus, gegeben hatte, zu deutsch Fels. Ich stell mir vor, wenn’s damals Medien wie heute gegeben hätte, der Petrus wäre für Talkshows und andere Events der konkurrenzlose Medienstar der Jesusbewegung gewesen, der Sprecher allemal, und ein Großsprecher dazu, so wie es die Medien gerne haben wollen. Simon Petrus, ein Kerl wie ein Baum, Petrus, der Fels, hatte Jesus ja schon gesagt... Petrus, der ganz herausragende und eindrucksvollste aller Jünger: immer ein Hundertfünfzigprozentiger, immer einer, der mit dem Mund vornedran war, der positiv dachte und dabei vom eigenen Gelingen überzeugt war: „Das kriegen wir schon hin, das mit dem Leiden“, so ähnlich sagt er es heute in unserm Text im Gespräch mit Jesus, seinem Meister! Ich leiste alles, was ich kann, ich steh dir bei durch dick und dünn, und um seinen Leistungs- und Aufopferungswillen zu charakterisieren, kommen dort die Worte aus ihm heraus wie ein Schwur: „Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.“

Und wir stehen davor, betrachten das Ganze, kennen die gesamte Geschichte, natürlich. Und wir durchschauen, wie wenig dahinter ist, hinter diesem Schwur der Treue, bei ihm zu bleiben, „bis dass der Tod uns scheidet“.

Wir wissen das, was ihm, dem äußerst bröckeligen Felsen, dann gesagt wird – das mit dem Hahn, der krähen wird, nach dreimaligem Verleugnen sogar.

Und wir hören in dem Wissen auf die Worte Jesu vom Anfang der Passionsgeschichte, dort in unserm Predigttext: „Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. Ich aber habe  für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.“

Liebe Gemeinde! Ich höre das, was Jesus da in seelsorgerlicher Weise dem Heißsporn Petrus sagt, gar nicht so als wunderbares Vorherwissen, was kurz danach passieren wird! So es allein zu hören, als wäre es Jesus in seiner Allwissenheit, der da alles vorher schon weiß, das greift gerade in der Leidensgeschichte viel zu kurz, denke ich! Denn der eine, der da verraten und verkauft wird, von den eigenen Weggefährten, der dann leiden muss unter Pontius Pilatus, gekreuzigt wird, gestorben und begraben ist, der, der da den tiefsten aller denkbaren Menschenwege ging und das für uns tat, das ist nicht Jesus, der glanzvolle Star-Alleswisser, nein, das ist selber der Geprüfte, der, der durchs Rost durchzufallen droht beim Sieben, das ist der, der wie es wenig später bei Lukas heißt, den Kelch des Leidens fast nicht trinken kann und der im Gebetskampf im Garten Gethsemane dann zum Vater fleht: „Wenn es sein kann, so nimm doch dies ganze Leiden von mir und lass mich den schweren Kelch nicht trinken!“

Ja, direkt vor unserer Szene, die ich als Predigttext las, nach dem Abendmahl, da hatte Jesus zu den Jüngern gesagt: Der Höchste von euch sei wie ein Diener.

Und Jesus – in diesem Gespräch mit Petrus – ist wie ein Diener ganz unten! Er holt den Petrus in seinem Leidens-Höhenflug auf den Teppich, in sehr seelsorgerlicher Weise: „Du, Petrus, das ist ein ganz anderer Kampf! Aufs Kreuz zu, da geht es nicht nach Menschenweise: um edlen Charakter und eisernen Durchhaltewillen und Bereitschaft, viel auszuhalten; da geht es ganz anders um Leben und Tod, um Gott und Teufel, um Diabolos, den Durcheinander-Würfeler, der diabolisch euer Leben durcheinanderwirbelt und euern Glauben kaputtmacht.  
Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. Ich aber habe  für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.“

Längst schon, liebe Gemeinde, wenn wir das vernehmen aus Jesu Mund, merken wir, dass da auf dem Spiel steht, was wirklich Glaube ist, und nicht nur bei Petrus! Denn die, die mit Petrus Jesus verraten und dann auf dem weiteren Weg sagen: „Ich kenne ihn nicht“, das sind wir! Wir sind keinen Deut anders als er: einen Jesus, der Zuckerguss ist, der ein Leben stärkt und schützt, mit dem man schneller laufen, besser treffen kann, der bessere Leistungen uns ermöglicht und ein geruhsames Lebensgefühl, einen Jesus, mit dem man mental gut drauf ist und von dem nach Petrusmanier selbstbewusst mit lautem Mund geredet wird, den lassen wir uns gefallen, aber ein Jesus, bei dem man in die Mangel genommen, in seiner Leidensnachfolge womöglich gesiebt wie man Weizen siebt: das ist ganz etwas anderes.

Und Jesus meint in unserem Text, wie er das zu Petrus sagt: „Grade mit diesem Kreuz vor Augen, wenn Glaube alles andre wird als Zuckerschlecken, da im Horizont des Kreuzes fängt echtes Glauben an“. Und er sagt Petrus das, was er uns sagt, wenn wir das auf uns zu beziehen wagen: „Du, Friedhelm oder wie du auch heißt, ich, ich selber, ich bete für dich, dass dein Glaube nicht aufhöre, und wenn die schwere Prüfung vorbei ist, dann sollst du aus allem herauskommen, wenn du dich bekehrt hast, dann stärke deine Brüder!“

Liebe Gemeinde, ich denke da an mein Eingangsbeispiel von Klempnauer und der Aktion „Sportler rufen Sportler“. Heiko Herrlich, Dortmunder Stürmer-As und Torjäger, gehörte auch zu den Menschen, wie Klempnauer sie im Blick hatte damals in seiner Deilinghofer Predigt, einer, der Jesus gehört, das auch laut und ohne sich zu schämen sagt und da wie ein Superbeispiel für Fairness und hervorragenden Leistungswillen eines Christen hingestellt wurde: ein Superstar als Christ.

Liebe Gemeinde, mir hat bei Heiko Herrlich dann ganz etwas anderes sehr tiefen Eindruck hinterlassen: Dass er nach seinem Gehirntumor und all dem, was dann folgte, im ganz tiefen Kreuz an Gott festhielt und auch öffentlich in seinem Leiden Jesus nicht verraten hat und das in einem öffentlichen Brief, in dem er seinen Fans für all die Genesungswünsche dankte, unüberhörbar deutlich zum Ausdruck brachte: dass das Kreuz ihn von Jesus nicht scheiden kann und er auf Jesus allein angewiesen bleibt und bleiben will, was auch immer geschieht.

Ja, und nicht die Siegertypen, sondern die ganz unten waren und da bei ihm bleiben, die waren für mein Leben als Christ immer die prägendsten und wichtigsten Menschen. Und bei den meisten anderen Menschen, die ich kenne, war das beim Christsein ähnlich: nicht Lautsprecher, nicht Superstars zeigen das Wichtigste, sondern die, die ganz unten noch wissen, dass sie auf Jesus angewiesen waren. Und da ist jener Stürmer aus Dortmund nur ein Beispiel, andere hier ringsum zeigen genau das gleiche.

Von solchen soll Segen ausgehen, sagt Jesus: von Leidenden, von den Schuldiggewordenen und Kaputten, die trotzdem wissen, dass da gerade im Kreuz seine Hand sie nicht lässt, die sich das sagen lassen von Jesus persönlich:  „Ich aber habe  für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder“. Und das sage ich heute hier, in Jesu Namen, dass wenn noch so viele Hähne krähen über unsere Schuld und unsre Feigheit als Christ, wenn noch so viel Leid uns quält, er immer noch ruft: dass wir uns bekehren dürfen zu ihm und dann als von ihm Geprüfte die Brüder, die Schwestern, die andern hier, im Glauben stärken dürfen.

So wie es Petrus tat, dem Jesus später nach dem Johannesevangelium in gleicher Richtung wie in unserm Text sagte: Es kommt die Zeit, da bist du nicht der Starke, sondern ein anderer wird dich leiten und führen, wohin du nicht willst.

Und manche hier wissen es vielleicht, dass der Legende nach dieser Weg auch Petrus ans Kreuz geführt hat, wo er mit dem Kopf nach unten gestorben sein soll in Rom. Mag dies letzte wahr sein oder nicht, eins ist wahr: nicht Siegertypen sind gefragt, sondern Leute, die am Ende ihre Kampfes wissen: er blieb Sieger bei mir, er, der für mich betete, dass mein Glaube nicht aufhöre. Amen.

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