Vergiß nicht zu danken dem ewigen Herrn...

Ein besonders auf unsere Konfirmanden ausgerichteter (und von ihnen mitgestalteter)
Gottesdienst am 5.9.99 (14. So. nach Trin.) 
in der Stephanuskirche Deilinghofen


 

Im heutigen Eingangslied hieß es (eg 317, Str. 5): "Lobe den Herrn, er ist dein Licht, Seele, vergiß es ja nicht". Dazu und zum Thema des Gottesdienstes passend liest die Konfirmandin Anne Stenner als Eingangspsalm aus Psalm 103:

Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen! Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat: der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen, der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit, der deinen Mund fröhlich macht, und du wieder jung wirst wie ein Adler. Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte. Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten. Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat.

Bei der neutestamentlichen Lesung liest die Konfirmandin Anna Franke den heutigen Evangelientext, der auch als Predigttext zum obigen Thema gewählt wurde:

Und es begab sich, als Jesus nach Jerusalem wanderte, daß er durch Samarien und Galiläa hin zog. Und als er in ein Dorf kam, begegneten ihm zehn aussätzige Männer; die standen von ferne und erhoben ihre Stimme und sprachen: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser! Und als er sie sah, sprach er zu ihnen: Geht hin und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, als sie hingingen, da wurden sie rein. Einer aber unter ihnen, als er sah, daß er gesund geworden war, kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm. Und das war ein Samariter. Jesus aber antwortete und sprach: Sind nicht die zehn rein geworden? Wo sind aber die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde? Und er sprach zu ihm: Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen. Als er aber von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, daß man's beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es! oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.

Als Lied vor der Predigt folgt: Vergiß nicht zu danken dem ewigen Herrn, das Lied, in dem es später heißt: Im Danken kommt Neues ins Leben hinein. Barmherzig, geduldig und gnädig ist er, viel mehr, als ein Vater es kann...
 
 

Vergiß nicht zu danken, Predigt über Lukas 17, 11-21

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Hl. Geistes sei mit euch allen. AMEN.

Liebe Gemeinde, meine lieben Konfirmanden (heute sind ja besonders viele in der Kirche)!

Mit euch Jugendlichen zusammen haben wir einige Wochen bis zu den Sommerferien ein Thema behandelt, das es in sich hat: "Wer war das, Jesus? Und: Wer ist Jesus Christus für mich?" Und jetzt nach den Ferien haben wir unsere neue Reihe begonnen: "Das Vaterunser – oder: Hat Beten einen Sinn?" Habt ihr es gemerkt, daß Annas Lesung eben aus Lukas 17 es mit beidem zu tun hat? Mit Beten hat das zu tun, mit: Vergiß nicht zu danken dem ewigen Herrn. Und: Mit Jesus hat das zu tun, mit Jesus, wie er leibt und lebt – so kommt er da vor, dort auf dem Weg nach Jerusalem da in dem Dorf bei Galiläa und Samarien. Wir erinnern uns an die Geschichte, die wir ja auch vorbereitend schon mal am Donnerstag im Unterricht lasen, wo da am Schluß des Ganzen Jesus die Sätze sagt: "Wo sind aber die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde?"

Für mich ist das eine der faszinierendsten und typischsten Jesus-Geschichten, die es überhaupt gibt! Alles, was von Jesus zu sagen ist, alles was von Beten zu sagen ist, kommt da vor in diesen wenigen Versen, so plastisch und anschaulich wie kaum sonstwo. Aber laßt mich’s noch einmal erzählen, so daß jeder von uns das lebendig vor Augen hat und in diese Geschichte reinkommt.

Da sind die Zehn. Zehn Ausgegrenzte sind das, zehn, die immer sich total abseits halten müssen. Der Abschaum des Dorfes, so sieht man sie an, die zehn aussatzkranken Männer mit ihrer Leprakrankheit. Und wenn da jemand kommt, sich diesen Kranken da nähert, dann schreien sie – wie mit einer Stimme. "Unrein, unrein" – das schreien sie laut, und dieser gemeinsame Schrei, ganz laut: "Unrein, unrein!", der drückt fast alles aus! Der heißt: Mensch komm nicht näher, du holst dir sonst was, womöglich! Mensch, halt Abstand: wir sind schlimm krank. Und mit ihren von Lepra zerfressenen Gliedmaßen, mit den stinkigen Eiterbeulen, da wirkten sie auf Normale wirklich wie der Abschaum. Wenn die dann: "Unrein, unrein!" schrien, ich kann es mir vorstellen, dann suchte der normale Mensch da im Dorf lieber das Weite. Bloß nicht da hin. Die sollen ein Stück weiter außen bleiben und unsere Kreise nicht stören – die kommen ins Ghetto, da ganz am Rande des Dorfes...

"Unrein, unrein!" haben die geschrien, die aussatzkranken Menschen jener Zeit – die Opfer der schlimmsten Krankheit damals in Palästina, vielleicht heute mit Aids vergleichbar. Aber man kennt was ganz Ähnliches heute von Menschen, die Krebs haben, daß mir eine Frau sagte: "Seitdem ich das habe, kommt keiner mehr zu mir, als wäre ich aussätzig und ausgestoßen!" Und eine frisch Geschiedene neulich, die sagte fast das gleiche: "Was ich auf dem Herzen habe, kann ich keinem sagen, da bin ich außen vor, gemieden wie eine Aussätzige". So ganz anders ist das nicht, offenbar – heute wie damals, als jene 10 im Gebiet von Galiläa und Samarien an jenem Dorfesrand laut ihr: "Unrein, unrein!" schrien, jene Ghetomenschen und Jammergestalten am Rande der Zivilisation. Und im "Unrein, unrein!", da steckt noch was anderes drin – nach den religiösen Vorstellungen jener Zeit: sie durften nicht in den Tempel, nicht in die Synagoge, ausgeschlossen auch vom Gottesdienst, und fast hatten sie’s verinnerlicht, als wenn’s so wäre, wie die Leute glaubten, daß jeder schuld ist an der eigenen Krankheit, und man als Kranker unrein und abgegrenzt ist vor Gott, auch da total außen vor.

Doch da kommt’s anders, völlig anders, als alle religiösen Vorstellungen und als alle Dorfmeinungen sich das als gegeben hinnehmen! Denn da kreuzt Jesus auf. Da kreuzt einer auf, der ist anders, ganz anders als alle! Typisch Jesus, grenzen-überwindend typisch das, was da bei Jesus passiert!

Jesus da auf seiner Wanderung, der schert sich einen Dreck um das, was die Leute sagen über solche Kranken, der schert sich einen Dreck um das, was Leute aus frommen Schriften über Reinheit und Unreinheit herauslesen, nein dieser Jesus ist anders: einer total ohne Berührungsängste, keine Berührungsängste bei Zöllnern und Ganoven, die in den Knast gehören, keine Berührungsängste bei Frauen, vor denen man die Nase rümpft, weil sie sich auf der Straße anbieten und ihren Körper verkaufen, und erst recht kein bißchen Berührungsängste hier – bei diesen da am Rande, die sich so ausgegrenzt wie nur irgend etwas fühlten in ihrer Krankeit, den Zehnen da am Rande des Dorfes.

Und die scheinen’s zu spüren und zu ahnen, daß da einer kommt, der anders ist als alle, das da der Eine kommt, der völlig anders als alle vor ihm Gottes grenzenüberwindende Liebe lebt und Menschen rüberbringt. Und sie, die Zehn, schrein da was Andres, als sie sonst immer schreien. Nicht "Unrein, unrein!" ist jetzt ihr ruf, nicht: "Hau ab, bleib weg!", sondern: "Komm, bitte komm, komm näher, Jesus! Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser!"

Und sich da nähernd, hohe Grenzen überwindend, will da Jesus wunderbar Menschen erfahren lassen, daß Beten einen Sinn hat , daß er nicht nur das Heil schenkt, sondern daß er Heilung und Rettung aus diesem Gefängnis erwirken kann. Und wir hörten’s von Anna eben: "Leute, geht und zeigt euch den Priestern, geht in die Synagoge – ein neuer Weg wir da frei, ein Weg raus aus dem Ghetto, raus aus dem Gefängnis dieser Krankheit..." Und die gehen, machen sich auf den Weg, und wunderbar merken sie es auf dem Weg: da ist nichts mehr mit "Unrein, unrein!", da ist das Gegenteil, sie sind frei, heil und rein.

Und jetzt der Clou der ganzen Geschichte, die sonderbare Wendung, die es da gibt am Schluß. So wunderbar es vorher war, der Rücklauf ist enttäuschend – Erfolgsquote 10 %! Einer von 10 kommt zurück, neun scheinen nix kapiert zu haben, scheinen vergessen zu haben, wie sie vorher ihn angebettelt und gebetet haben. Aber der eine, immerhin, der kommt! Da wirft sich einer vor Jesus in den Staub; Lukas schreibt: der "pries Gott mit lauter Stimme und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm". Ja, so ist das mit dem: Vergiß nicht zu danken...

So erlebte es auch einmal ein Pastor, der das so erzählt: Da kommt eine Mutter zu ihm, fassungslos vor Schmerz, und ununterbrochen an der Frage dran: Wie konnte Gott das zulassen! Und der Pastor fragt nach: Was ist denn passiert? Und stockend kommt es aus der Frau heraus: Mein Sohn, ein schwerer Motorradunfall, und jetzt liegt er im Koma, besinnungslos, da in der Spezial-Unfallklinik. Und immer, immer wieder die Frage: "Wie konnte Gott das zulassen!" – Und fast als wäre er Jesus, so bittet die Frau den Pastor und fleht ihn an: "Seien sie ein Seelsorger für mich und beten sie für mich und für meinen Sohn, daß er überlebt!" Ja, man hört es raus, aus dieser Bitte, daß es fast so ist wie bei den Aussätzigen da: "Jesus, guter Meister, erbarme dich unser!" Und ganz viele Versprechen und Gelöbnisse kommen da aus der Frau heraus. Und der Pastor betete, sehr viel betet er für den Sohn und für die Frau, und ganz viel kümmert er sich um beide, und ein Wunder geschieht auch da, das die Ärzte nicht einmal erwartet hätten, der Sohn erwacht aus dem Koma und wird in den nächsten Monaten wieder ganz heil.

Und dann das Nachgespräch – etwa drei oder vier Monate später: daß der Pastor fragt, wie die Frau alles jetzt sieht, auch ihre Frage nach Gott, ob da Antwort war. "Nein, das war doch eh alles nur Zufall", meinte die Mutter, "gute Ärzte hatte mein Junge!", das war alles. Und sie schloß ein kleines Danke an den Pastor an, fast unhörbar – der ewige Herr, dem da zu danken ist, wie wir sangen, der kriegte kein Danke ab.

Wo sind die Zehn, wo ist deren Danke? Das fragt Jesus in unsrer Geschichte den einen am Ende , sich wundernd über den Rücklauf von nur 10 %. Und selbst ich, der ich von der Heilungskraft Jesu, fast genauso was erfahren habe, jede Menge sogar, ich weiß, daß ich manchmal zu den neun andern gehöre, die nicht ihn danach in die Mitte stellen, sondern einfach so weitermachen im Trott. "Vergiß nicht, was er Gutes tat", "vergiß nicht, daß Beten neue Wege für dich bringt", so klang es an am Anfang, und so oft neigen wir den Neun andern zu, die erst im Abseits waren und dann – heil geworden – diesen Jesus im Abseits lassen. Ja, alles über Beten, alles über Jesus kommt da zusammen im heutigen Evangelium aus Lukas 17. Er wirkt heute noch, er läßt sich heute noch bitten, er hört und erhört, viel mehr als ein Vater es kann, er verändert was an Menschen, so wie jenes dreizehnjährige Mädchen verändert wurde, von der ich euch donnerstag erzählte, die früher nie betete und jetzt auf einmal – mitten in der Brandenburg-Freizeit – zu glauben anfing und dann betete, jeden Abend, die dann strahlend mir sagte: "Seit ich bete, habe ich den besten Psychiater der Welt, dem ich jeden Abend alles erzählen und hinlegen kann, und er macht mich frei, frei, heil und rein. Und wenn jeder den Psychiater hätte, gäb’s auf der Welt weder Gewalt noch Kriege mehr." Eine Dreizehnjährige zum Beten und zu Jesus, der ihr ein Thema wurde, nicht nur um Lernen im Unterricht, sondern zum Leben mit ihm.

Ich wünsche uns allen, daß wir uns bei dem einen Samariter, der zurückkam, um nach dem Bitten zu danken, eine Scheibe abschneiden, ich wünsch das mir, daß ich zu den 10% gehöre, die es begriffen haben, ich wünsche das Anne und Anna und den anderen Konfirmanden dieses Jahres, ich wünsche das meinen Exkonfirmanden, die ich kommende Woche traue und von denen ich das kleine Töchterchen taufe, was auch ein Grund ist, ihm Danke zu sagen. Ja, ich würde es mir wünschen, daß wir alle was uns sagen lassen von Jesus - wie der eine da, daß Jesus uns anspricht wie den da am Ende und uns sagt: "Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen." Denn das Reich Gottes ist nicht irgendwo, nicht hier oder da, wo man es spektakulär festmacht, wie es kommt, das Reich Gottes, (steht am Ende unseres Textes) ist, mitten unter uns, wo hier Menschen anfangen zu beten und dankend auf Jesus zu vertrauen. Da ist das Reich Gottes mitten unter uns, und sein Reich komme, sein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden. Amen.

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