Gottesdienst am 7.7.2002 (6. So. nach Trinitatis) in Rüthen

 

 

 

Orgelvorspiel, Begrüßung und Kollektenansage; Diakonie-Kollekte wahrend des 2. Liedes Ausgangskollekte nach dem Zweck

Lied 1: Wohl denen, die da wandeln 295, 1-4

Im Namen des Vaters

Gottes Wort sagt uns in 1. Samuel 12: Der Herr verstößt sein Volk nicht um seines großen Namens willen; denn es hat dem Herrn gefallen, euch zu seinem Volk zu machen. Nur fürchte den Herrn und dient ihm treu von ganzem herzen; denn seht doch, wie große dinge er an euch getan hat.

Ehr sei dem Vater

Sündenbekenntnis: Herr, heiliger Gott, du beanspruchst es, die Nummer 1 zu sein in unserem Leben, die Nummer 1 zu sein im Leben der Kirche, die Nummer 1 zu sein in der ganzen Welt. Und das ist unsere Sünde und Schuld, dass wir dir den Platz, der dir zusteht, verweigert haben und verweigern. Du weißt um das daraus folgende Chaos in unserem eigenen Leben, um all das Elend in deiner Kirche und um die Friedlosigkeit der Welt. Wir haben auf dein Wort nicht gehört, wir haben unsere eigenen Wege ohne dich gesucht und an dir vorbei. Ja, wir hatten keine Ohren für dich und haben auf alles andere gehört, was angeblich wichtig sei. Und vieles von unserm Scheitern und Stranden liegt daran, dass wir es meinten, ohne dich zu können.

Herr, wir bitten dich: Sieh nicht auf unsere Schuld, sondern reformiere du uns und mach uns neu um des Kreuzes Jesu willen. Herr, erbarme dich unser!

KYRIE...

Gnadenzuspruch: Gott, hat Jesus, den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir erhielten die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.

EHRE SEI GOTT IN DER HÖHE... / ALLEIN GOTT IN DER HÖH‘ ... Der Herr sei ...

Gebet: Herr, unser Gott, du tust auch heute noch das Wunder, dass Menschen sich von dir ansprechen und freimachen lassen. Deshalb bitten wir dich: gib deinem Wort Vollmacht; schenke dieser Stunde Segen. Fülle erstarrte Herzen mit neuem Leben. Enttäuschten und Mutlosen schenke neue Hoffnung, und die allzu sicher sich Fühlenden hole du von ihrem Sockel.

Die Freude der Fröhlichen lass ansteckend sein, die Verzagtheit der Ängstlichen wandle in neue Zuversicht.
Nimm alle falschen Erwartungen und lehre uns stattdessen, uns ganz auf dich zu verlassen, auf dich, Herr Jesus Christus, der du in der Einheit des Vaters und des Heiligen Geistes lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit. AMEN.

Kollektengebet

Evangelium/Presbyterin Frau Markner

Glaubensbekenntnis

Lied 2. Lied Preis, Lob und Dank Nr. 245, 1-3 u. 5

/Kollekte

 

Predigt 1. Petrus 2, 4 – 10

 

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des hl. Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde hier in Rüthen,

die heutigen Verse, die nun der Predigt zugrunde liegen, werden jetzt zur gleichen Zeit heute morgen auch in Hunderten von andern Kirchen in Deutschland gelesen und in der Predigt ausgelegt. Hören wir auf diesen Text des 6. Sonntags nach Trinitatis, 1. Petrusbrief, Kap. 2, die Verse 4 – 10.

 

Zu ihm, dem Herrn, kommt als zu dem lebendigen  Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar. Und auch ihr  als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern  geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus. Darum steht in der Schrift [Jesaja 28,16]: »Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zuschanden werden.« Für euch nun, die ihr glaubt, ist er kostbar; für die Ungläubigen aber ist »der Stein, den die Bauleute verworfen haben und der zum Eckstein geworden ist, ein  Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses« [Psalm 118,22; Jesaja 8,14];  sie stoßen sich an ihm, weil sie nicht an das Wort glauben, wozu sie auch bestimmt sind. Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die  königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht; die ihr einst »nicht ein Volk« wart, nun aber »Gottes Volk« seid, und einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid [Hosea 2,25].

 

Liebe Gemeinde, ein großer Spötter, einer, der unsere Gottesdienste nicht sehr mag, hat mal gesagt: „Predigen, das heißt auf Fragen antworten, die kein Mensch stellt.“ Und ich dreh das hier mal um und nehm das positiv: Ja, er hat recht, dieser Spötter, jetzt jedenfalls, hier in unserm Text wird eine Frage beantwortet, die kein einziger von uns sich heute morgen gestellt hat und über die man nicht viel nachdenkt, die Frage: „Was ist das eigentlich, Kirche?“

 

Luther war es, Dr. Martin Luther, von dem der Ausspruch stammt: „Es weiß gottlob ein Kind von sieben Jahren, was denn die Kirche sei“. Und auf den ersten Blick stimmen wir da zu: natürlich weiß das jedes Kind, jedes Kind in Rüthen im Grundschulalter weiß, was Kirche ist, und wenn ich gleich im Kindergottesdienst hier dann den erschienenen Kindern die Aufgabe gäbe, mal malend festzustellen, was sie sich unter Kirche vorstellen, dann kenn ich das Ergebnis jetzt schon: schön gemalte Häuser aus Stein, Häuser mit hohen oder nicht so hohen spitzen Türmen, Glocken oben drin – das und nichts anderes ist Kirche aus Kindersicht, das Haus für sonntags, das Haus, das sonntags offen ist.

Die Erwachsenen oft, liebe Gemeinde, wir sehen’s genauso: Kirche, dumme Frage, ein Haus aus Stein mit einem spitzen Turm oben, basta...

Und auch wenn es hundert Mal in unseren Gefühlen und in unserer Tradition so ist, liebe Gemeidne, Kirche als dieses Haus,  dann ist das im Neuen Testament noch einen ganzen Tick anders.

 

Ich mach es mal nach dem Schema 32.000-Euro-Frage bei „Wer wird Millionär?“:

Wie oft findet man in der Bibel das Wort „Kirche“: 1. 220 mal 2. 176 mal 3. 432 Mal, 4. 67 mal, 5. 0 Mal. Wo loggen Sie ein? 220, 176, 432, 67 oder 0??? Bisschen Bedenkzeit, gerne, schließen Sie alles was nicht möglich ist aus, und entscheiden Sie sich JETZT.

 

Ja, erstaunlich, der grüne Balken erscheint bei Antwort 5: 0 Mal steht’s in der Bibel, das Wort Kirche, als Haus kommt „Kirche“ kein einziges Mal vor, und den Ausdruck Kirche kennt die Bibel nicht. Da steht dann immer Gemeinde oder Versammlung, Tempel, Synagoge oder Volk Gottes oder so was Ähnliches, niemals aber Kirche...

 

Manche Leute finden das erst komisch, dass das so ist. Aber wenn man nachdenkt, kommt man dahinter!   Wissen Sie, dem neuen Testament geht es nicht darum, schöne Häuser zu bauen, in denen man sitzt, da geht es um die Riesenbewegung, die mit Jesus angefangen hat, die Bewegung, dass Gott mit seiner Liebe, dass Jesus und das Wort vom Kreuz unter die Menschen kommt, dass Menschen errettet werden aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.

 

So steht’s heute auch mitten in unserm Predigttext drin: „berufen von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht“, berufen und dann in Bewegung gesetzt, geht hin in alle Welt, „Kommt, sagt es allen weiter!“. Das genau war Kirche zuerst: Menschen, die Zeugen wurden, die es rausbrachten und weiter sagten – und das geht wie ein roter Faden durch das gesamte Neue Testament: der Wanderprediger Jesus, ER, der den Seinen das Ein und Alles war, er baute keine Häuser und er ließ Petrus und Jakobus und Johannes keine Häuser bauen, nicht mal oben auf dem Berg der Verklärung, als es so schön war und sie Hütten bauen wollten. Der Wanderprediger Paulus dann genauso: als Begeisterter von Jesus war er in Bewegung vom ersten Tag an, als er vom Saulus zum Paulus geworden war, überall zog er hin, baute Gemeinden wer weiß wie. Aber Kirchen bauen, oben mit Glocken drin, feste Häuser, ich denke, das wäre damals nicht sein Ding gewesen.

 

Und viele, die heute bei Kirche nur an die Häuser denken, ich vermute, auch Presbyter, die nur an Immobilien denken, die man unterhalten muss, die haben manchmal vergessen, dass Kirche bauen nicht bloß eine Sache für den Maurer und den Architekten ist, dass Kirche nicht eine Immobiliensache ist aus der „Sparte Mörtel und Stein, Bau und Finanzen“, sondern das Kirche ein ganz anderes Haus ist, ich sage es mal so: Ein Haus aus lebendigen Steinen...

Ja, liebe Gemeinde, damit sind wir ja schon lange mitten drin in dem Predigttext, über den heute nachzudenken ist aus 1. Petrus 2.

 

Und der Text zeigt uns ganz doll, dass Pastoren und Presbyterien und Synoden – gestern war ja Kreissynode in Meschede für diesen Kirchenkreis –, dass Kirchenleute nicht nur an immer bloß an Geld und Finanzen denken sollen beim Aufbau von Kirche, sie sollen die Kirche nicht als Immobiliensache sehen, immobil heißt ja „unbeweglich“. Nein, sie sollen ganz anders neu von der Kirche denken, so lebendig, wie es da im 1. Petrusbrief beschrieben ist:

 

Baut euch anders auf, als lebendige Steine; die Kirche ist nicht ein Haus, und der spitze Turm dabei ist piepegal, denn ihr seid die Kirche. Genau das sagt unser Text in den beiden ersten Sätzen, die ich eben las:

Zu ihm, dem Herrn, kommt als zu dem lebendigen  Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar. Und auch ihr  als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft...

 

Wenn das stimmt, was da steht, liebe Gemeinde, dann wäre das hier in Rüthen so, dass eine alte russlanddeutsche Großmutter, die an Jesus glaubt und betet, die zum Beispiel für ihre Enkel die Hände faltet und betet, genauso viel wert ist und genauso wichtig wie Pastor Vorderwisch, denn sie baut Kirche und ist selbst ein Stein darin, nicht ein immobiler unbeweglicher Stein, sondern ein lebendiger bewegter Stein. Wenn das stimmt, was da steht, liebe Gemeinde, dann wäre ein Konfirmand hier, der nicht mitmacht, wenn alle anderen abfällig von Jesus reden auf dem Schulhof, wenn der sich da zu Jesus bekennt und zum Beten, auch wenn’s Spott gibt, dann wäre der so viel wert wie ein Pastor, dann wäre der ein lebendiger Stein im Aufbau der Gemeinde. Und so könnte ich alle Gruppen durchgehen und das ganze Haus aus den lebendigen Steinen beschreiben – ja, dann am Ende, dann wäre Kirche wahrlich noch ganz was anderes als das was siebenjährige Kinder auf Blätter malen von der Kirche, wie sie sie sich vorstellen. Bekanntlich nannte Luther das ja „das allgemeine Priestertum aller Gläubigen“ – dass nicht nur die Priester, die Leute in der schwarzen Kutte die Wichtigen sind; so eine Kirche meinte er, eine Kirche, wo ein jeder ein lebendiger und bewegter Stein ist in dem Ganzen, im Haus aus lebendigen Steinen. Das meinte er.

 

Jeder, wirklich jeder? So kann man hier fragen zu unserm Text. Und wenn man ihn sich genau ansieht, diesen Text, den wir hörten, dann sieht man in aufreizender Zuspitzung, dass da immer wieder steht, das Ganze müsste einen Eckstein haben, einen Schlussstein, der alles zusammenhält. Und dieser Eckstein, der wäre nicht jedermanns Ding, dieser Eckstein wäre sogar ein Stein des Anstoßes, den die Bauleute verworfen haben, hier aber jetzt sei er Eckstein und müsse das bleiben.

 

Liebe Gemeinde, ich habe dabei die uralte Dorfkirche in Deilinghofen bei Hemer dort am Felsenmeer vor Augen, „meine“ Kirche, in der ich 19 Jahre wohl 1.500 Mal gepredigt habe. Im Altarraum vorne oben am höchsten Punkt unter der Decke, da ist dort der Schlussstein gesetzt als Eckstein, als Stein der das ganze Gewölbe zusammenhält, da auf diesem Stein, da sieht man den Kopf von Christus. Und genau das ist hier auch gemeint in unserm Text, man kann ihn sich oben als Schlussstein vorstellen, oder als Grundstein unten, aber eins steht fest: ohne diesen Stein, da wäre das ganze ein Kartenhaus, das zusammenkrachen müsste.  

 

Wer kennt das nicht bis heute, was in unserm Text mitten drin steht:

Für euch nun, die ihr glaubt, ist er kostbar; für die Ungläubigen aber ist »der Stein, den die Bauleute verworfen haben und der zum Eckstein geworden ist, ein  Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses«;  sie stoßen sich an ihm, weil sie nicht an das Wort glauben.

 

Ja, das was fundamental wichtig ist: Christus, der Grund und der Grundstein von allem, das wird von Außenstehenden verlacht – nicht nur auf Schulhöfen, das wird von der Öffentlichkeit runtergemacht, als sei er so eine Märchenfigur, die höchstens Weihnachten als Krippenkind seinen Auftritt für die Folklore kriegt, das wird heruntergeregelt, als wär er eine Figur der Vergangenheit für Gutes und Edles – ein Vorbild, oder ein Toter, dessen Gedanken weiterleben, sonst nichts.

 

Und dabei ist er der Grund, auf den wir Gemeinde bauen, der Schluss- und Eckstein im eigenen Leben, der, den man betend finden kann, der, dessen Liebe man fühlen und erfahren kann, dessen Gesicht zu sehen ist, und dessen Hand zu ergreifen ist, mitten in der eigenen Biographie, mitten im Leben der Gemeinde, ja, heute morgen hier, wo er der Gastgeber ist an Seinem Tisch, wenn in seinem Namen gleich gesagt wird: Christi Leib – für dich gegeben, Christi Blut für dich vergossen.

So nah will er dir kommen und mir, so nahe, dass wir uns ihm neu aussetzen, uns von ihm in seinen Bund rufen lassen und zur Gemeinde machen lassen, dass er Kirche hier baut, mit dir und mit mir, Kirche nicht aus kalten harten Steinen mit dicken Mauern ringsum, sondern Kirche aus lebendigen Steinen, wo jeder ein Priester ist oder eine Priesterin.

Und so, wie 1989 kurz vor und nach der Wiedervereinigung die Leute dann auf die Straße gingen im Osten und riefen: „Wir sind das Volk!“, so können hier dann Menschen hier dann Kirche neu erleben – in einem neuen Selbstverständnis, wie es da in unserm Text steht:

Ihr seid das Volk! Ihr seid das auserwählte Geschlecht, die  königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht; die ihr einst »nicht ein Volk« wart, nun aber »Gottes Volk« seid, und einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid.

 

Ob die draußen, die sich an Jesus stoßen wie an dem Stein des Anstoßes samt dem Spötter, der meinte, er kriegte in Predigten nur Antworten auf Fragen, die er nicht hat,  ob all diese Jesus-Verächter nicht auch die Chance kriegen sollten, durch Christen neu zu erfahren, dass Kirche eigentlich ganz anders ist, ein lebendiges Haus aus lebendigen Steinen, ein Rettungshaus, wo man den Sinn des Lebens findet? Ja, es ist der Sinn des Lebens und der Sinn des Sterbens und den Sinn über den Tod hinaus, dass Menschen in der Kirche ein Haus der Zuflucht aus lebendigen Steinen werden und dass die Kirche ein Rettungshaus wird mit Jesus als Eckstein, wo Menschen als Errettete Gott preisen, weil er sie herausgerufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. Und der Friede... Amen.

Lied nach der Predigt EG 225: Komm, sagt es allen weiter

Abendmahlsliturgie, Segen, Lied 4: 170,1-4