Predigt am So. Septuagesimae, 8.2.2004 in Ramsbeck  1. Kor. 9, 24 - 27
 


Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und unserm Herrn Jesus Christus. Amen.


Liebe Gemeinde in Ramsbeck, vor 14 Tagen, als ich drüben in Bestwig predigte (Frau Köllner weiß das, sie war dort auch wie heute Organistin), da ging es nach dem Text darum, sich des Evangeliums nicht zu schämen. Und da kam am Ende der Predigt das Fußball-Fanlied: "Steht auf, wenn ihr Schalker seid" vor. Ja, wenn  wir als Christen aufstünden und nur halb so mutig und begeistert Flagge zeigten wie die Fans im Stadion, wenn wir so bekennen würden, mit dem Herzen dabei wären und aufstünden wie ein Mann - so ähnlich sagte ich es - dann wäre es mit der Kirche und der Sache des Glaubens bei uns anders bestellt! 

Und auf die Gefahr hin, dass Sie sagen: „Der spinnt! Bleib mir bloß weg mit deinem Sport!“ und sich an den Kopf fassen, beginne ich heute die Predigt hier ähnlich, nämlich bewusst auch wieder mit dem Thema Sport. Ich schlage jetzt noch nicht die Bibel auf, sondern zeige Ihnen stattdessen Sportbilder, die ich Ihnen mitgebracht habe.


 

Sehen Sie mal hier zwei Bilder aus der Arena, zuerst (oben)  mein 10jähriges Töchterchen Friederike in Fankleidung mit 10.000en andern zusammen in der Gänsehaut-Atmosphäre der „Arena AufSchalke“ in Gelsenkirchen - und das hier zum Zweiten (unten) ist ein Eishockeyspieler, den ich sehr gut kenne: Lars Brüggemann aus Deilinghofen, wo ich Pastor war und wo ich ihn auch traute. Er, der ziemlich bekannte Eishockeyspieler, der in der ersten Liga spielt für die Iserlohner Roosters, den kennen bei uns in Deilinghofen im Eishockeydorf die meisten Jugendlichen! Ja, Lars Brüggemann hat auch schon mal in der Arena gespielt - genauer: in der olympischen Arena in Nagano in Japan mit der Nationalmannschaft 1998, zu einer Medaille aber hat’s da nicht gereicht, leider...

 


Aber ehe jemand hier meint, das wäre an den Haaren herbeigezogen und nur ein alberner Gag, ehe einer meint, Brüggemann in Nagano sei doch lange her und weit weg vom Sinn einer Predigt hier, da lese ich den in unsern Kirchen vorgeschriebenen Predigttext für den heutigen Sonntag Septuagesimae ("siebzig Tage vor Ostern"). Er steht beim Apostel Paulus im ersten Brief an die Gemeinde in Korinth, Kapitel 9. Da geht es um eine richtige "Arena-Geschichte", um eine Stadiongeschichte, fast um das Gleiche wie dort in der Schalke-Arena oder damals auf dem Eis in der Arena von Nagano: Gold, Silber, Bronze, um das, was allen Einsatz lohnt. Und so heißt es dort in 1. Kor. 9 in den Versen 24-27:
 

Wisst ihr nicht, dass die, die in der Kampfbahn laufen, die laufen alle, aber einer empfängt den Siegespreis? Lauft so, dass ihr ihn erlangt. Jeder aber, der kämpft, enthält sich aller Dinge; jene nun, damit sie einen vergänglichen Kranz empfangen, wir aber einen unvergänglichen. Ich aber laufe nicht wie aufs Ungewisse; ich kämpfe mit der Faust, nicht wie einer, der in die Luft schlägt, sondern ich bezwinge meinen Leib und zähme ihn, damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde.


Liebe Gemeinde, was Predigen heißt: davon kann man von Paulus eine Menge lernen! Ja, was er da rüberbringen will in seinem Brief nach Korinth - das ist sehr plastisch in unserm Abschnitt heute. Das sind da nicht Worte ohne Gefühl und Leidenschaft, das sind nnicht so fromme Worte über die Köpfe seiner Hörer hinweg. Nein: Beispiele, Bilder, die sich festhaken, Bilder, die Gefühle und Engagement rüberbringen, die dann ganz plastisch durchscheinen lassen, was im Glauben Sache ist.

Wissen Sie, so wie es bei den Olympischen Spielen dieses Jahres in Athen  in diesem Sommer wieder sein wird, dass die Leute am Fernseher viereckige Augen kriegen, dass da oft so Gänsehautgefühle aufkommen, wenn es dort in den olympischen Arenen der griechischen Hauptstadt um Gold, Silber und Bronze geht, so - ziemlich ähnlich war’s damals in der zweitwichtigsten griechischen Stadt, in der Hafenstadt Korinth, auch bei den Christen dort, die von Paulus diesen Brief erhielten.

Ja, da gab’s Riesensportbegeisterung - auch ohne Fernsehen gerad‘ in jener Hafenstadt Korinth, olympische Begeisterung sogar: die Spiele waren dort in aller Munde! Genau genommen waren es nicht die alten Olympischen Spiele Griechenlands, es waren in jener Zeit die fast genauso berühmten Isthmischen Spiele von Korinth, die massenhaft Zuschauer und Sportbegeisterte in ihren Bann zogen. Diese korinthische Isthmiade war eine Riesensportveranstaltung, der große Renner und Publikumsmagnet in jener Stadt, in der die Christen unsern Paulusbrief erhalten. Wir wissen, dort in Korinth gab’s Fünfkampf, wozu auch Schwerathletik zählte und da gab’s dann Schwerathletik, wobei der Faustkampf diejenige Disziplin war, die in der Publikumsgunst ganz oben stand.

Und Paulus, liebe Gemeinde, ist sich nicht zu schade, jene Sportereignisse in seine Verkündigung einzubeziehen, gar nicht als billigen Gag, nicht als eine Art "Aktualitätenkino", sondern sehr wohl, um überhaupt das Innerste seiner Einstellung und seiner Beweggründe auszudrücken: wie er im Glauben für Christus läuft, wie er im Glauben mit sportlicher Leidenschaft zu gewinnen versucht, gerade auch andere zu gewinnen bei seinem Lauf. Und hätte Paulus heute zu predigen gehabt bei uns und hätte er Lars Brüggemann so gut gekannt wie ich, er wär heute für uns, um das genau Gleiche auszudrücken, entweder an diesem Namen oder aber an der „Arena AufSchalke“ nicht vorbeigekommen...

Ja, Paulus dort in unserm Text als guter Prediger, als genialer Briefeschreiber, blättert es uns auf, was im Glauben allen Einsatz lohnt. „Wisst ihr nicht“, so fängt er an, und lässt dabei die Gedanken der Zuhörer rüber in Stadion schweifen: „Wisst ihr nicht: in der Arena drüben bei den Isthmischen Spielen, da gibt’s beim Lauf ein großes Feld der Laufenden, aber einer nur wird gewinnen! Lauft, nehmt euch ein Beispiel an den Athleten dort, lauft, damit Ihr Sieger werdet! Ja, setzt allen Einsatz dran: den Siegespreis, die Goldmedaille kriegt der, der sich nicht scheut sich zu quälen, der mit Disziplin und vollem Einsatz bei der Sache ist!" Ja, liebe Gemeinde, bei den wenigen Zeilen, die da stehen, flimmern viele Assoziationen durch unsern Kopf! Wir denken an unsere Spitzensportler, an das, was z.B. auch der genannte Lars kannte (wie ich von ihm weiß): Durststrecken des Trainings, wo man alle Klamotten hinwerfen will, wo man sich lieber amüsieren möchte, seine Ruhe haben vor dem Fernseher, die Füße hoch - aber nein, viermal in der Woche oder öfter die Feuerproben des Trainings - und dann endgültig beim Lauf die Zähne zusammengebissen, Ehrenkranz damals, Ehrenrunde heute und Riesenjubel über den Sieg: "We are the Champions" - wir sind die Sieger, ein begeistertes Hochgefühl in allen Fußball- oder Eisstadien zwischen Iserlohn, Gelsenkirchen Dortmund und Nagano, und nicht viel anders - ganz sicher - war es damals bei den Isthmischen Spielen im alten Korinth.

Und im Klartext heißt die unverblümte Botschaft dieses Sonntags für uns, die wir hier als Gemeinde versammelt sind: Nach haargenau dem gleichen Muster wie Laufen, Eishockey und Fußball von Fans als die herrlichste Nebensache der Welt bezeichnet werden, so gibt es für Leute, bei denen der Name Jesus in der Mitte steht, die herrlichste Hauptsache der Welt, die herrlichste Hauptsache der Welt, wo aller Einsatz lohnt und wo diese Hauptsache genauso Leidenschaft, Training, Kampf und Einsatz fordert. Und diese herrlichste Hauptsache der Welt ist es, bei Jesus zu stehen, durch alle Krisen und Proben hindurch zu laufen und zu kämpfen - auf der Seite dessen, der am Ende den Sieg haben wird, so wie es in einem Lied heißt, das bald wieder oft in der Passionszeit gesungen wird: „Wer nicht gekämpft, trägt auch die Kron des ewgen Lebens nicht davon!“

Ja, 100 Mal habe ich es bei Taufgesprächen z.B., wenn sie ganz intensiv wurden, gemerkt oder bei den Gesprächen mit den Konfirmanden unter vier Augen, die manchmal drei Stunden dauerten - da in den Zimmern der Jugendlichen: Dass das mit diesen Gesprächen mehr als ein Jogging ist oder ein gemütlicher Dauerlauf ist... Nein, oft ist es ein in diesen Gesprächen ein Kampf gewesen, geradezu ein olympisches Ringen, wenn da in jenen Gesprächen  glasklar die Frage gestellt wird: Wie ist es mit dir und dem Sinn und der Grundlage deines eigenen Lebens? Wie bringst du dich ein, dass die uns anvertrauten Kinder nicht scheitern, sondern wirkliches Leben gewinnen? Gibt’s ein Ziel, das allen Einsatz lohnt, gibt’s dies Ziel für mich, für unsere Kinder? Und was bedeutet dies Ziel, im Lauf an der Seite Jesu Christi, in einer Kirche, die von vielen belächelt wird, sehr ähnlich wie das Training von Athleten, wo sich die Außenstehenden an den Kopf fassen und sagen: „Dummköpfe, die laufen ja da nur im Kreis und machen sich vergebens kaputt!“

Ja, liebe Gemeinde, das ist so, dass man z.T. sinnlos im Kreis rumzulaufen scheint bei manchen Jugendlichen kurz vor der Konfirmation, dass man da kämpft wie ein Verrückter, dass dieses Übermaß an Hass und Aggressivitätmanche 14jährige bloß nicht kaputtmacht, dass man da kämpft, wo oftmals Rattenfänger-Ideologien, wo satanistische Gedanken und Hakenkreuze manchen das Hirn verkleben und andere an nichts anderes denken als Konsum und Spaßhaben - das ist so, dass das alles junge Menschen gefährdet und zerstört und dass sie es nötig haben, dass Jesus bei ihnen endlich eine Chance kriegt. Auch die Jugendlichen hier haben’s nötig, was davon zu spüren, dass bei Jesus Fan-Sein etwas ist, das allen Einsatz lohnt - genau wie in den Arenen, die ich nannte und die Paulus nennt im Text heute.

Das alles ist kein Spaziergang, das ist ein Kampf, wenn man Kirche, wenn man Taufe, wenn man Konfirmation ernsthaft so versteht und nicht nur als Äußerlichkeit! Und es ist ein Kampf, der hat’s nicht nur mit 14jährigen zu tun und nicht nur mit Kleinen, die in Kirchen getauft werden und dort heranwachsen: der hat’s mit der Gemeinde zu tun, mit dir und mit mir.

Wenn wir ein ganz kleines Stück über unseren heutigen Text hinaus lesen, heißt es da in 1. Kor. 9, dass keiner in Korinth so tun soll, als sei Taufen und Abendmahlhalten so etwas wie ein Garantieschein, dass Glauben für Getaufte schon am Ziel ist. Nein, das muss durch Kreuz hindurch, meint Paulus: in Proben bewährt sich das, in Feuerproben zeigt sich das, dass die, die mitten im Gedränge sind und fast aufgeben sollen, in ihrem Lauf die „zweite Luft“ kriegen, wie die Sportler sagen, und es wagen, im Rennen zu bleiben, und Jesus auf der Spur. Paulus sagt’s in unserm Text: Leute, haltet tapfer durch, wundert euch nicht über ganz viel Kreuz auf euerm Weg, das Gewinnen steht euch vor Augen, und wohlgemerkt: mit Gewinnen meint er nicht nur die Siegeskrone am „letzten Ende“ im Himmel, mit Gewinnen meint er betont auch, dass hier schon gewonnen werden soll, dass es darum geht, werbend und einladend Menschen zu gewinnen für die herrlichste Hauptsache der Welt.

Kurz vor unserm Text hat Paulus es da im 1. Korintherbrief noch ausgeführt: er sei den Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche geworden, um sie abzuholen und für Jesus zu gewinnen, und wir können fortsetzen: den Schwachen ein Schwacher, den Sportbegeisterten ein Sportbegeisterter, den Jugendlichen einer, der Jugendliche von ganzem ungeteilten liebt: so dass überall welche geworben werden und neu anfangen, mitzulaufen in diesem Lauf, wo es um die herrlichste Hauptsache der Welt geht.

Gut, wenn da der, der die Predigt hält, sich das sagen lässt, zusammen mit Presbytern und andern Mitarbeitern, was Paulus da schreibt am Ende: bloß nicht andern predigen und selbst verwerflich werden! Bloß nicht andern predigen und selber nur Zuschauer bleiben und nicht mitlaufen, bloß nicht andern Limonade anbieten und die selber nicht trinken: nein, bewusst neu mitlaufen, im Wissen, dieser Jesus ist die Hauptsache. „Steht auf, wenn ihr für Jesus seid - steht auf und lauft mit!“

Und dasselbe gilt hier in Ramsbeck allen, die eingeladen sind beim Abendmahl an den Tisch Jesu: Ihr seid hier heute morgen eingeladen, an die Zukunft und das Ziel zu glauben, an Jesus, der hier der Gastgeber ist, an Jesus, auf den es einzig ankommt, Jesus, der der im Kampf beisteht und den Betenden die „zweite Luft“ gibt. Ihr seid eingeladen, ihn neu als die Hauptsache zu finden, ihr seid eingeladen, Glauben sind nur zu begreifen als Formsache und Äußerlichkeit - wie vielfach leider „bei Kirchens“ üblich - als Schattenboxen im luftleeren Raum, sondern sehr anders, wie’s Paulus ausdrücklich sagt: gerade nicht sein, wie „einer, der mit der Faust in die Luft schlägt“.

Lasst uns kämpfen, um Menschen, die Jesus neu gewinnen kann, lasst uns gegen menschenfeindliche Verhältnisse kämpfen bis zur letzten Minute, lasst uns vor Feinden keine Angst haben und bei allem Kampf auf Jesus vertrauen, der läuft mit und wird nicht zulassen, dass wir uns nur im Kreise dreh’n. Wir laufen nicht aufs Ungewissen, denn er wird den Sieg behalten mit den Seinen - jetzt und in alle Ewigkeit! Amen.

 

Lied vor der Predigt (Wochenlied): Gott liebt diese Welt, 409,1-8

Lied nach der Predigt: Komm, sag es allen weiter, 225,1
Abendmahlslied: Komm, sag es allen weiter, 225, 2 und 3
 


Bei dieser Predigt handelt es sich um ein "aktualisiertes Update" einer Predigt,
die ich vor sechs Jahren über den gleichen Text in Deilinghofen gehalten hatte;
wer will, kann die damalige "Lars-Brüggemann-Predigt" ja mal vergleichen:
http://www.mlhweb.de/pr080298.htm
Zu den Pastoerchen-Predigten: www.kanzel.de.vu

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