Predigt am Pfingstsonntag, 8.6.2003, in Oeventrop und Rumbeck und am Pfingstmontag, 9.6.2003, in Silbach
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe
Gottes und die Gemeinschaft des Hl. Geistes sei mit Euch allen. Amen.
Liebe Gemeinde heute am ersten Pfingsttag,
für Öffentlichkeitsarbeit bin ich als Pastor also zuständig in unserem
Kirchenkreis, und damit auch für den Kontakt zu Presse und Hörfunk. Und nun stellen Sie sich einmal folgende
Situation vor: Da ruft mich aus Meschede Bernd Schläger, der leitende Redakteur
von „Radio Sauerland“, an und will was von mir: „Wir machen eine Sendung über
das Thema Pfingsten. Das soll am ersten Feiertag so kurz vor der Mittagszeit
eine Live-Sendung zum Fest werden. Ja, Sonntag sind wir bei Ihnen auf der
Matte; da müssen Sie ja auch predigen in Oeventrop (Rumbeck/Silbach) - und wir
sind dabei. Unsere Themenfrage, die wir da stellen, lautet: ‚Was fangen wir mit
dem Pfingstfest an?’ Und da denk ich mir“ - so Bernd Schläger am Telefon -,
„dass eine junge Reporterin von hier aus Meschede kommt und sich mit dem
Mikrophon an die Bonhoeffer-Kirche stellt in Oeventrop [Rumbeck, Silbach...],
und wenn Ihre Schäfchen dann rauskommen, dann sind sie dran - mit einigen
Kurzinterviews.“ „Gut,“ sag ich ihm am Telefon, „ich werde es ein paar Leuten
sagen im Gottesdienst jetzt, dass sie gleich dran sind mit dem Interview.“ Und
hier frag ich jetzt: Wen kann man da nehmen? Den Niko Weigel, den Organisten,
Frau Kratz natürlich als Presbyterin, Frau Klein, die heute die Küsterin ist -
und einige andere gucken wir uns spontan noch aus, alle mit der Frage, was sie
mit Pfingsten anfangen können oder wollen - all die sind dran, dann gleich an
der Kirchentür...
Liebe Gemeinde, nun soll aber keiner hier Angst kriegen, denn ich habe ja am
Anfang absichtlich gesagt: Stellen sie
sich das einmal vor - d.h.: ich habe es mir nur in meiner Phantasie so
ausgemalt. Es war nicht so ein Anruf von Schläger, und es kommt keine Dame
gleich mit dem Mikro. Aber umso wichtiger ist die Frage, die in meiner
vorgestellten Phantasiegeschichte versteckt ist: Was würden Niko und Frau Kratz
und Frau Klein - was würden wir alle sagen zu so einer Frage außerhalb der
Kirchentür: „Was fangen Sie mit Pfingsten an?“ Oder anders: „Was kann man heute
mit dem Heiligen Geist anfangen?“
Die Frage ist, ob wir da mit rotem Kopf rumstottern, oder ob wir da was zu
sagen haben, wir in dieser Gemeinde, wir, die heutigen Gottesdienstbesucher.
Nirgends anders als in der Bibel gibt es da „Sprachunterricht“ für das, was
heute an Pfingsten von diesem Fest und vom Heiligen Geist zu sagen ist. Und das
Neue Testament gibt am besten in zwei Kapiteln solchen „Unterricht“: einmal in
der Apg., Kap. 2 - in der Pfingstgeschichte, die wir hörten und - zweitens -
bei Paulus im Römerbrief, Kapitel 8, in einer der Epistellesungen zum 1.
Pfingsttag.
Und genau dieser Abschnitt
liegt jetzt der Predigt zugrunde, Römer 8 in Auswahl, die Verse 1 und 2 und 11
und 14 bis 15. Da schreibt Paulus:
So gibt es nun keine
Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind. Denn das Gesetz des Geistes,
der lebendig macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der
Sünde und des Todes. Wenn nun der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt
hat, in euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch
eure sterblichen Leiber lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt.
Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Denn ihr habt
nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten
müsstet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir
rufen: Abba, lieber Vater!
Wir beten: Komm, Schöpfer Geist, erfüll
die Herzen deiner Gläubigen und erweck in ihnen das Feuer deiner göttlichen
Liebe. Amen.
Liebe Gemeinde, in dieser
Pfingstpredigt stell ich mir nun weiter vor, die Reporterin von „Radio
Sauerland“, die hier kommen sollte mit dem Mikro, die säß nun hier bei Ihnen
auf der Bank; die säß da und wollte jetzt aus meiner Predigt wissen, was das eigentlich auf sich hat mit
Pfingsten und dem Heiligen Geist... Und was ich eben vorlas, solche
Bibelsprache, die Paulus schreibt, die ist für diese Frau ziemlich schwer zu
verstehen, denn sie hat sonst mit Kirche und Glauben kaum was im Sinn. Und ich
stell mir vor, die Reporterin sitzt da vorne auf der Bank, und sie will
unnachgiebig von mir und von uns wissen, was das hieß, was ich las aus Römer 8.
Sie will wissen, was ich damit anfangen kann, ja - richtig verstanden: sie will
immer noch wissen, was Niko und Frau Kratz und Frau Klein und die anderen hier
mit diesem Heiligen Geist von Pfingsten anfangen können.
Ich möchte mit dieser Frau ins Gespräch kommen, und ich möchte ihr erklären,
was Paulus da zu sagen hat in Römer 8. Ich sag ihr das ganz einfach, in meinen
Worten, etwa so: Wissen Sie, sag ich ihr, alle Menschen sagen doch: Kirche das
ist erosionsgefährdet und angestaubt, das ist Gesetz und Druck und Zwang und
nervtötende Unfreiheit... Ich will’s Ihnen zeigen an meinem Freund Paul aus
Hemer, der auch Journalist ist, und mit dem ich neulich drüber sprach. Der
kommt nicht oft zur Kirche, aber reden übern Glauben, das kann man mit ihm. Gut
sogar, denn er ist ziemlich ehrlich. Und Paul hat mir in dem Gespräch gesagt:
„Früher als Junge, da konnte ich nicht einmal das hören, wenn die Pastoren von
der ‚Frohen’ Botschaft sprachen. ‚Frohe’ Botschaft hab ich denen nie geglaubt
und abgenommen; das war immer nur Druck, und dann hielt der Pastor immer den
Zeigefinger hoch und dann ewig Zwang, Zwang, Zwang. Und ansonsten: geballte
Lageweile. Das passte nicht zusammen: „Frohe“ Botschaft, Kirche, das war für
mich immer Gesetz. Und höchstens noch Tradition. Dass es auch noch was
Lebendigeres sein kann, das ahn ich erst heute...“
Liebe Gemeinde, meine vorgestellte Radioreporterin, der ich von diesem wahren
Gespräch mit meinem Freund Paul erzähle, die hat mich ganz gut verstanden. Sie
sagt: „Ja, genauso hab ich’s auch erlebt - besonders das mit der Langeweile -
aber auch das: Gesetz und Druck und wenig Frohes, und deshalb bin ich nach
meiner Konfirmation nicht mehr in die Kirche gegangen. Aber sagen Sie mal,“
fragt sie mich: „Was hat denn das alles mit Ihrem Predigttext aus Römer 8 zu
tun?“
Ich geb ihr keine Antwort, ich les ihr nur noch einmal vor, was Paulus da in
diesem Text im Römer 8 schreibt:
So gibt es nun keine Verdammnis
für die, die in Christus Jesus sind. Denn das Gesetz des Geistes, der lebendig
macht in Christus Jesus, hat dich frei gemacht von dem Gesetz der Sünde und des
Todes...
„Gut, das versteh ich“, meint die Frau zu mir: „Gesetz ist also nach der Bibel
nicht das Wichtige, Verdammnis auch nicht, ich versteh das so, da soll bei Euch
Christen ein völlig anderer Geist herrschen, ein Geist, der lebendig macht.
Aber ..., das alles ist doch ziemlich lange her, dass Christen lebendig waren“.
So sagt es die vorgestellte Reporterin: „Damals Jesus, das war ein guter
Mensch, der war sehr lebendig; der war jedenfalls kein Spießer. Jesus mag ich;
nur: der ist ja lange tot, und die ersten Christen“, fügt sie hinzu: „waren am
ersten Pfingsten damals offenbar so lebendig, so vom Geist begeistert, dass sie
wie betrunken wirkten und 3000 Leute getauft wurden auf einen Schlag, damals.
Nur: solches Pfingsten gibt’s doch gar nicht mehr: Begeisterung weg, Jesus
lange tot, und heute ist alles nur noch Kirche als toter Laden, als Kartenhaus,
das langsam zusammenkracht: eine lahme Institution, ein Verein unter
Vereinen...“
Liebe Gemeinde,
ich widerspreche in dieser Diskussion meiner vorgestellten Gesprächspartnerin
nicht, ich lese ihr nur noch einmal den eben gehörten 11. Vers aus Römer 8 vor;
da heißt es bei Paulus:
Wenn aber der Geist dessen, der Jesus von den Toten auferweckt hat, in
euch wohnt, so wird er, der Christus von den Toten auferweckt hat, auch eure
sterblichen Leiber auferwecken.
Liebe Gemeinde, meine Gesprächspartnerin hört sich das aufmerksam an, und sie
meint dann: „Das klingt ja richtig modisch - Geister von Toten! Die werden doch
neuerdings wieder überall beschworen, Tischerücken sogar in Schulklassen und so
was, das steht ja sogar in der BRAVO drin und kommt andauernd im Fernsehen:
dass immer mehr Leute an Geister
glauben und an das Leben nach dem Tod. Und sie fragt mich unvermittelt:
„Glauben Sie an Geister?“ Ich antworte ihr: „Nein; so nicht!“ Und sie setzt
nach: „Glauben sie an ein Leben nach dem Tod? “Ich antworte ihr: „Ich glaube an
Jesus und an nichts anderes, Jesus, den Gottes Geist von den Toten auferweckt
hat, und genau dieser Geist kann Tote auferwecken... Das glaub ich!“ „Wie?“,
meint sie, „also doch erst im Jenseits, irgendwann mal?“ „Nicht nur irgendwann
mal,“ ist meine Antwort, „keineswegs nur im Jenseits, hier schon werden Tote
auferweckt, und genau das meint Paulus da in Römer 8, wenn er vom Geist
spricht, der Totes lebendig macht.“ Sie fragt weiter, ganz bohrend: „Geschieht
das denn bei Ihnen da in der Kirche in Oeventrop (Rumbeck/Silbach), dass Tote
lebendig werden, dass Leute, die vorher Karteileichen waren oder schlafende
Traditionschristen, dass die Feuer kriegten und lebendig wurden?“
Das ist nun die schwerste Frage, die mir da gestellt ist, liebe Gemeinde.
Trotzdem antworte ich ihr mit JA, und ich setze hinzu, dass meine Redekunst und
meine schönste Predigt allerdings nicht Tote auferwecken kann, und dass trotzdem
- durch allen Kirchenschlaf hindurch - der Heilige Geist und kein anderer hier
wirkt, und dass der nicht nur bei Karteileichen ansetzt, sondern bei mir und
bei Leuten, die echt Christen sein wollen, dass der uns neu leidenschaftlich
begeistern will für Jesus, dass hier Leute lebendig Christen werden, „Feuer und
Flamme“ für Jesus, dass der hier unsere Gesetzlichkeit und Verkrampftheit lösen
will, so dass wir frei werden, frei werden Pfingsten zu feiern, so dass wir
wissen: Er ist hier!!!
Und die Frau, die als vorgestellte Reporterin wissen wollte, was mit Pfingsten
anzufangen ist, ja, die kommt mir bei dem ganzen Gespräch so ähnlich vor wie
mein Freund Paul in Hemer: dass sie Schritt für Schritt begreift, was
eigentlich die Kirche ausmacht und wie im Geist der Glaube neu wird und
lebendig. „Feuer und Flamme“, sagt sie, „manchmal ist das ja wirklich so mit
dem Glauben. Meine Bekannte kam jetzt von dem Kirchentag zurück aus Berlin, und
da hatte sie auch so was erlebt, was Ähnliches, wie es da mit Geist und
Pfingsten beschrieben wird. Sie sagt, ihr hätte das viel gegeben, auch für den Glauben,
so ein ‚Aha-Erlebnis’, so ein ‚Glaubens-Urerlebnis’ da in Berlin - etwas, was
bis ins Gefühl rein. Ich habe das auch mal erlebt“, fügte sie hinzu: „bei einem
Gospelkonzert bei Schwarzen in einer Kirche, das ging einem durch und durch!
Denen nehm ich echten Glauben ab!“ „Nicht nur denen,“ sage ich - und erzähle
ihr, wie es bei vielen Konfirmandenfreizeiten war mit den Deilinghofer
Jugendlichen, dass das Kirchentag und Gospelkonzert in einem zusammen war - und
dass da der Geist es geschafft hat, dass welche sich nicht nur wegen Geldes
konfirmieren ließen, sondern: weil dieser Geist sie nicht los ließ, sondern sie
zu Jesus gebracht hat und zum Beten. Und genau so was ist eigentlich mit Kirche
und mit Pfingsten gemeint!
Ja, und dann lese ich der vorgestellten Frau und uns allen - das Ganze
zusammenfassend - die beiden letzten Verse des heutigen Predigttextes zu
Pfingsten vor:
Denn welche der Geist Gottes treibt, die sind Gottes Kinder. Denn ihr
habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, dass ihr euch abermals fürchten
müsstet; sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch den wir
rufen: Abba, lieber Vater!
„Ja, so eine Kirche wäre schön, sagt die vorgestellte Reporterin zu mir: Das
wär ja wirklich frohe Botschaft:
kindlicher Geist ohne Knechtschaft und Zwang -
Kinder als Maßstab des Lebens: Das wäre schön!“
Und bei alledem geht es am Ende natürlich kein bisschen um jene bloß
vorgestellte Frau mit dem Mikro aus Meschede von Radio Sauerland: nein, es geht
um uns, um dich, der und die du das sitzt und genauso um mich: ob wir’s wagen,
den Glauben für uns selber zu begreifen und ihn in andern Zungen, so dass die
Leute es verstehen, direkt weitergeben, so dass da ein Funke über geht und
andere angesteckt werden... Nicht mehr und nicht weniger sollte man mit
Pfingsten anfangen, Sie und ich. Und uns ganz doll trösten lassen können wir
uns in diesem Geist. Denn der Geist sagt uns ja: hab keine Angst, so schlimm es
auch um dich rum ist, in der Gesellschaft, in deinem Leben und auch in der
Kirche: Du bist Kind Gottes. Und in diesem kindlichen Geist kannst du „Abba“
sagen, das heißt: „Väterchen“, „Pappa“, du kannst Abba sagen zum Vater, so wie
Jesus auch Abba sagte zum Vater: Abba, Vater unser, lieber Vater. Und wer so betet,
ganz kindlich, wer so neu zu beten wagt wie ein Kind: bei dem hat Pfingsten schon
angefangen, und bei dem ist es nicht nur eine Frage von außen: „Was fangen wir
mit Pfingsten an?“ Und der Friede... Amen.
Am Ende des Gottesdienstes EG 570: Du, Herr,
gabst uns dein festes Wort. / Gib uns allen deinen Geist! / Du gehst nicht
wieder von uns fort. / Gib uns allen deinen Geist!
1. Bleibe
bei uns alle Tage bis ans Ziel der Welt. / Gib uns allen deinen Geist! / Gib
das Leben, das im Glauben die Gemeinde hält. / Gib uns allen deinen Geist!
Kehrvers
nach jeder Strophe wiederholen
2. Deinen
Atem gabst du uns jetzt schon als Unterpfand. / Gib uns allen deinen Geist! /
Denn als Kinder deines Vaters sind wir anerkannt. / Gib uns allen deinen Geist!
3. Nähr
die Kirche, alle Glieder, stets mit deiner Kraft. / Gib uns allen deinen Geist!
/ Stärk uns täglich, immer wieder in der Jüngerschaft. / Gib uns allen deinen
Geist!
4. Von den
Mächten dieser Weltzeit sind wir hart bedrängt. / Gib uns allen deinen Geist! /
Doch im Glauben hast du uns schon Gottes Kraft geschenkt, / Gib uns allen
deinen Geist!
5. Immer
wieder will ich singen: Gib uns deinen Geist. / Gib uns allen deinen Geist! /
Der die Herzen, auch die trägen, mit der Freude speist. / Gib uns allen deinen
Geist!