Gottesdienst am 9. So.
nach Trinitatis, 12. August 2001,
in der Stephanuskirche
Deilinghofen
Orgelvorspiel,
Begrüßung und Abkündigungen
Lied: Wohl denen, die da wandeln..., 1-4
Im
Namen des Vaters... / Unsere Hilfe...
Verlasst
euch auf den Herrn immerdar; denn Gott, der Herr, ist ein Fels ewiglich. Kommt,
lasset uns anbeten! EHR SEI...
Sündenbekenntnis:
Ja, Herr, wir wollen uns auf dich verlassen, dir vertrauen. Deshalb können wir
es uns leisten, mit dir auch über unsere Schuld zu reden!
Wir
bitten dich für ein gutes Gewissen - nämlich ein Gewissen, das uns aufrüttelt
und unruhig macht über alles, was vor dir nicht bekannt und von dir nicht
vergeben wurde.
Bewahre
uns vor einem schlechten Gewissen - nämlich dem, das uns einredet, bei uns sei
alles in Ordnung.
Und nun höre, was jeder dir persönlich in der Stille sagen möchte im Blick auf
eigene Schuld und eignes Leid und eigene Zerrissenheit:
[Gebetsstille]
Herr, vergib uns auch die unbekannte und unbewusste Schuld. Herr, erbarme dich
unser.
KYRIE
Gnadenzuspruch:
Bekannte und bereute Schuld ist immer auch vergebene Schuld,
denn so sagt die Bibel von Jesus Christus: Die Strafe liegt auf ihm, auf dass
wir Frieden hätten, und in seinen Wunden sind wir geheilt. EHRE SEI GOTT IN DER
HÖHE... / ALLEIN GOTT IN DER HÖH‘ ... Der Herr sei ...
Gebet:
Herr, unser Gott, du tust auch heute noch das Wunder, dass
Menschen sich von dir ansprechen und freimachen lassen. Deshalb bitten wir dich:
gib deinem Wort Vollmacht; schenke dieser Stunde Segen. Fülle erstarrte Herzen
mit neuem Leben. Enttäuschten und Mutlosen schenke neue Hoffnung, und die allzu
sicher sich Fühlenden hole du von ihrem Sockel.
Die
Freude der Fröhlichen lass ansteckend sein, die Verzagtheit der Ängstlichen
wandle in neue Zuversicht.
Nimm alle falschen Erwartungen und lehre uns stattdessen, uns ganz auf dich zu
verlassen, auf dich, Herr Jesus Christus, der du in der Einheit des Vaters und
des Heiligen Geistes lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit. AMEN.
Evangelienlesung
(Sonntagsepistel), Phil 3, 7-14: Aber was mir Gewinn war, das habe ich um Christi
willen für Schaden erachtet. Ja, ich erachte
es noch alles für Schaden gegenüber der überschwänglichen Erkenntnis Christi Jesu,
meines Herrn. Um seinetwillen ist mir das alles ein Schaden geworden, und ich
erachte es für Dreck, damit ich Christus gewinne und in ihm gefunden werde, dass
ich nicht habe meine Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt, sondern die durch
den Glauben an Christus kommt, nämlich
die Gerechtigkeit, die von Gott dem Glauben zugerechnet wird. Ihn möchte
ich erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden und so seinem Tode
gleichgestaltet werden, damit ich gelange zur Auferstehung von den Toten. Nicht,
dass ich's schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei; ich jage ihm aber nach, ob ich's wohl ergreifen
könnte, weil ich von Christus Jesus ergriffen
bin. Meine Brüder, ich schätze mich selbst noch nicht so ein, dass ich's
ergriffen habe. Eins aber sage ich: Ich
vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was da vorne ist, und jage nach dem vorgesteckten Ziel, dem Siegespreis
der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus.
Glaubensbekenntnis
Lied
vor der Predigt: Such, wer da will..., und zwar bis zur
entscheidenden Strophe (vgl. Predigttext): Meins Herzens Kron, mein
Freudensonn, sollst du, Herr Jesus, bleiben
Predigt: Matthäus 13, 44 - 46
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott,
unserm Vater, und unserm Herrn Jesus Christus. Amen.
Ein
Rubbellos, liebe Gemeinde, ich denke Sie alle wissen, was ich meine, so ein Rubbellos
hat wenig mit dem Glauben zu tun und passt nicht in eine Predigt, mögen manche
meinen. Trotzdem habe ich drei Rubbellose hier mit auf die Kanzel gebracht,
drei Rubbellose, gestern bei Asselmeyer gekauft für drei Mark, und mit Bedacht
nehm ich hier so einen Groschen und rubbel ich die mal auf, denn das was da in
Aussicht gestellt ist, das ist der Große Preis! 100.000 DM sind da zu gewinnen,
„Jubiläumsgewinne bis 100.000 Mark“, so steht es hier im
„Rubbellos-Jubiläums-Extra“ anlässlich von „55 Jahren NRW“. [rubbeln auf der
Kanzel]. Das Ergebnis des Freigerubbelten freilich ist enttäuschend: wieder
nicht der Große Preis! Wieder nicht die 1 mit 5 Nullen, die hier dreimal
erscheint, sondern nur: dreimal [das Ergebnis einfügen].
Gesetzt
jetzt aber den Fall, man wüsste jetzt aber aus irgendeinem Grund, jene
versprochenen 100.000 DM, die wären da garantiert zu kriegen im Losbestand bei
Schreibwaren Asselmeyer in Deilinghofen, dann, liebe Gemeinde, wäre man doch
dumm, da nicht alles einzusetzen, dann würde man doch sogar 1000 Mark gerne zum
Losekaufen investieren, im Wissen: Ich bekomme sicher und garantiert den
versprochenen Großen Preis, den Preis, der allen Einsatz lohnt, für den man
auch etwas riskieren kann.
Nun
liegt mir freilich nichts ferner als für Asselmeyer hier Reklame zu machen oder
für Rubbellose. Ich denke aber, Jesus, wenn er uns heute die Sache, die er meint, nahe brächte in
einem Gleichnis, er könnte durchaus, wie es seine Art des Predigens zu Lebzeiten
war, uns an so einem Rubbellos etwas vom Reich Gottes klar machen! Er würde uns
abholen bei Dingen, die wir gut aus dem Alltag kennen, er würde die ein
bisschen verfremden, innerlich einmal umdrehen und „umtaufen“, sozusagen, und
auf einmal käm’ das, was er von uns will, durch diese Geschichte in unverlierbarer
Anschaulichkeit zutage. Genau so geschieht das nämlich – ganz ähnlich wie eben
vorgestellt – im heute vorgeschriebenen Predigttext des 9. Sonntags nach
Trinitatis, über den zu dieser Stunde in vielen Kirchen Deutschlands gepredigt
und nachgedacht wird. Hören wir auf diese beiden Jesusvergleiche im
Matthäusevangelium, Kapitel 13, in den Versen 44 bis 46:
Das Himmelreich gleicht einem Schatz,
verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging
er hin und verkaufte alles, was er
hatte, und kaufte den Acker. Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann,
der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und
verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.
Wir beten: Öffne du uns die
Ohren und die Augen Herr, und schenk uns zum Hören und Reden deinen Heiligen
Geist, dass wir merken was wahrhaft wichtig ist in unserm Leben und allen
Einsatz lohnt. Amen.
Liebe Gemeinde, wenn
Sie die Predigt bis hier verfolgt und verstanden haben, dann geben Sie mir
Recht, gewiss: Soo weit hergeholt ist das Beispiel mit den Rubbellosen gar
nicht! Und das was Jesus da rüber bringt in jenen beiden doch auch recht kühnen
Vergleichen aus jener Alltagswelt damals, das liegt doch heute genauso im
Trend: Der Mensch, ein Wesen mit einer anscheinend unstillbaren Sehnsucht,
Schätze zu gewinnen und Große Preise zu erringen, der Mensch ein notorischer
Schatzjäger – das liest man da in der Bibel, das sieht man heute fast genauso
im Fernsehen: „Wer wird Millionär?“ mit Günter Jauch und all die anderen
Quizsendungen um Millionen, da genauso wie dann, wenn das Jackpot-Fieber ab und
zu wie neulich im ganzen Land bei der Lottoausspielung grassiert.
Da ist es die
anscheinend unstillbare Sehnsucht, ganz viel einzusetzen, um sich Träume zu
erfüllen, die man immer hatte oder mit dem gewonnenen großen Preis sich Sorgen
vom Hals zu schaffen, die einen quälen, wo auch ich mir gut vorstellen könnte:
so was Großes gewinnen, das wär schon was, das gerade im Augenblick ich auch gut
gebrauchen könnte...
Liebe Gemeinde, haben
Sie das gemerkt bei der Verlesung des Predigttextes, dieser drei kurzen Verse
aus Lukas 13 eben? Jesus diffamiert da den Schatzgräber gar nicht, der so sehr
„auf Kohle aus“ ist – er macht ihn nicht runter, im Gegenteil, er stellt ihn da
in seinem Vergleich irgendwie sogar als strahlendes Beispiel hin. Und er redet
auch nicht böse über diesen Perlenspezialisten, diesen Kaufmann, der in seiner
Leidenschaft für das kostbare Stück, das da in seiner Sammlung fehlt, sogar
alles hingibt was er hat: alles verkauft, um diese eine Perle zu kriegen.
Ich denke, das ist
typisch Jesus, so wie man ihn aus Gleichnissen kennt: da sind es ja oft die
schrägen Typen, die bei ihm ziemlich gut wegkommen, zum Beispiel der ungerechte
Richter, der ein richtiges Ekelpaket war oder der schlitzohrige ungerechte
Haushalter, der krumme Sachen machte (das können sie beides in Lukas 16 und 18
nachlesen), solche Menschen in ihrer Schlitzohrigkeit, in ihrer Leidenschaft
für „ihr Ding“, das sie machen, werden
den Jüngern hingestellt als Leitbild, an dem gerade Jesusnachfolger als
Christen sich auf andere Weise eine ganz dicke Scheibe abschneiden können und
sollen.
Hier in unserer
Geschichte ist es, denke ich, nicht anders: „Was allen Einsatz lohnt“ – das
stellt uns Jesus da vor Augen, und das wird exemplifiziert an jenem Mann da aus
Matthäus 13, der wohl vorher was hatte läuten hören von dem Schatz im Acker,
und den man da förmlich später die gesamte Ackerkrume durchfurchen sieht in
seinem leidenschaftlichen Bestreben und Mühen, endlich endlich den großen
Schatz zu kriegen. Ja und im zweiten Teil dieses Doppelgleichnisses, so kann
man es wohl deuten, setzt Jesus sogar noch einen drauf und treibt alles auf die
Spitze bis auf die Grenze des Grotesken: Hauptsache die Perle, und wenn ich
sonst alles verliere, die , auf die’s mir ankommt, die gewinne ich.
Ich meine, Paulus hat
Jesus da ziemlich gut verstanden, und ist mit ihm unterirdisch auf genau der
gleichen Linie, wenn er in der heute vorgeschriebenen Lesung, in Philipper 3,
seinen Gegnern und Kritikern den Sinn des Lebens, wie er ihn in Christus
gefunden hat, mit einem Bild aus dem Sport, mit einem Gleichnis von den
damaligen olympischen Spielen verdeutlicht: Ich jage meinem Ziel nach und jage
und laufe, dass ich nach dem Kampf den Siegespreis, die Siegeskrone gewinne – da wie hier gar keine Kritik an
solchem schnöden weltlichen „Gewinnstreben“, sondern umgekehrt: die Krone
kriegen, die Perle erhalten und den Schatz
- das ist mein Ding, in der Leidenschaft für diesen Herrn.
Das zu sagen freilich
heißt nicht nur die Bibel besser zu verstehen, liebe Gemeinde, das heißt auch:
unsere Gegenwart und unser eignes Leben in ihrem Spiegel zu betrachten, uns
selbst kritisch in den Blick zu nehmen.
Billige Gnade, liebe
Gemeinde: Kein Geringerer als Dietrich Bonhoeffer, der vom Hitlerregime
schließlich für seinen mutigen Einsatz als Christ im Widerstand ermordet wurde,
Bonhoeffer, der alles für seinen Glauben einsetzte und auf eine Karte setzte,
war es, der den Christen und der Kirche in seiner Zeit und indirekt den
Christen in unserer Zeit und Kirche vorhielt, aus dem Teuersten des Glaubens,
der Gnade, eine ganz billige Schleuderware gemacht hat, wo da die Erlösung
durch Jesus verramscht wird, als sei das einfach von selbst eine Sache für alle
und jeden, das sei der Erzschaden der christlichen Kirche, dass man da
inflationär so täte, als kriegte das automatisch jeder einfach so umsonst.
Ich darf hier einige
Sätze von Bonhoeffer in dem Zusammenhang wortwörtlich zitieren, die wir uns
gesagt sein lassen können gerade im Blick auf den auszulegenden Predigttext,
denn darauf beziehen sie sich indirekt, wenn Dietrich Bonhoeffer da ausführte:
Was ist billige Gnade?
Billige Gnade ist der Todfeind der
heutigen Christenheit. Darum geht unser Kampf heute um die teure Gnade. Billige
Gnade heißt Gnade als Schleuderware, verschleuderte Vergebung und
verschleudertes Gotteswort.
In der heutigen Christenheit findet die Welt
billige Bedeckung ihrer Sünden, die sie nicht bereut und von denen frei zu
werden sie erst recht nicht wünscht. Billige Gnade ist darum Leugnung des
lebendigen Wortes Gottes. Billige Gnade ist die Gnade, die wir mit uns selbst
haben, sonst nichts.
Und
dem setzt Bonhoeffer entgegen, was er unter wirklicher Gnade, unter Gottes
teurer Gnade versteht und kommt dabei auf genau unseren Text heute zu sprechen,
wenn er da ausführt:
Teure Gnade ist der verborgene Schatz im
Acker, um dessentwillen der Mensch hinging und mit Freuden alles verkaufte, was
er hatte; die köstliche Perle, für deren Preis der Kaufmann alle seine Güter
hingab; der Ruf Jesu Christi, auf den hin der Jünger seine Netze verlässt und
Ihm nachfolgt...
Teuer ist die Gnade vor allem darum, weil
sie Gott teuer gewesen ist, weil sie Gott das Leben Seines Sohnes gekostet hat
- "ihr seid teuer erkauft" - und weil uns nicht billig sein kann, was
Gott teuer ist. Gnade ist sie vor allem darum, weil Gott Sein Sohn nicht zu
teuer war für unser Leben, sondern Ihn für uns hingab. Teure Gnade ist
Menschwerdung Gottes.
Ich
denke, liebe Gemeinde, zutreffender kann man es gar nicht sagen, worauf Jesus
bei uns mit dem heutigen Text hinauswill. Mit einem Spruch meiner Oma früher
kann man es ganz kurz so fassen: „Sei ganz sein oder lass es ganz sein!“ Du,
Kirche, du Christ, erspare deiner Umwelt den um sich greifenden Eindruck, als
sei das Reich Gottes, als sei Jesus anzubieten wie ein Artikel, der ein
auslaufendes Modell wäre, der anzubieten wäre wie Sauerbier. In vielen
Predigten hat man den Eindruck, als sei Jesus nicht mehr die Macht, die den
Himmel in sich schließt, sondern ein bloßes Etikett, das man einfach so an
alles Mögliche zur Verzierung kleben könnte.
Perle
und Schatz ist der Himmel sagt Jesus heute, das Kostbarste der Welt, das allen
Einsatz lohnt. Ja, meine Perle, mein Schatz, das also, was ein Liebender zur
Geliebten sagt, so wird in vielen Gesangbuchliedern – auch in zwei heute
gesungenen! - Jesus als das Wichtigste der Welt gepriesen, als die schönste
Zier und das schönste Kleinod, das es gibt, und erst, wenn wir ihn so wieder
gefunden haben, betend und liebend, sind wir in ihm dem Himmel nah hier schon.
Nur so werden wir auch für Jugendliche, für Sterbende, für im Abgrund
Verfangene begründete und verständliche Antworten geben können, warum das Leben
mit Jesus allen Einsatz lohnt, warum es Sinn hat zu beten, warum es Sinn hat
Gottesdienste zu besuchen, warum es Sinn hat, andere in seinem Geist zum
Glauben zu bringen.
„Teure
Gnade“, so sagte es Bonhoeffer, und verwies bezeichnenderweise auf das Wort
„teuer erkauft“, das Paulus übrigens zweimal in seinen Briefen benutzt und das
auf dem schwarzen Kanzeltuch steht dort drüben in der Deilinghofer
Friedhofskapelle, in der diese Woche die beiden ganz schlimmen Beerdigungen
waren.
Gerade
da, auch am Rande des Todes, angesichts der Schrecken von Leiden und Sterben,
sollen wir es leben und dürfen wir es leben und andern es bezeugend mitgeben,
dass er und kein anderer selber die Krone des Lebens ist und der Schatz und die Perle, jetzt und über
den Tod hinaus.
Und so ruft er durch
die drei Verse heute, durch zwei anfechtbare Vergleiche dich und mich und sagt:
Nimm mich, ich bin dein erster Preis, der große Preis, der mehr wert ist als
100.000 Mark beim Rubbeln, der Preis, für den sich aller Einsatz lohnt, nimm
was von mir dann mit und gib es denen, die was vom Himmelreich brauchen und
etwas abkriegen sollen von dieser teuren Gnade. Wir beten in der Stille...
Amen.
Lied nach der Predigt:
Mein schönste Zier und Kleinod bist auf Erden du, Herr Jesu Christ, 1-3
http://www.pastoerchen.de oder http://www.stephanus-kirche.de oder www.mlhweb.de