Gottesdienst Karfreitag 13.4.2001 in der Stephanuskirche zu Deilinghofen

Orgelvorspiel
Begrüßung und Abkündigungen
Eingangslied: O Haupt voll Blut und Wunden (eg 85), 1, 2, 4, 9 und 10.

Im Namen / Unsere Hilfe

Paulus schreibt an die Korinther: Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren gehen, uns aber, die wir gerettet werden, ist’s eine Gotteskraft.

Im Karfreitagsgeschehen von Golgatha kommt in Jesus am Kreuz das zum Tragen, was in Jesaja 53 im Alten Testament, im Alten Bund, so beschrieben und verheißen war: Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt. Kommt, lasset uns anbeten!

Ehr sei...

Beichte mit Martin Luthers Beichtgebet:

Allmächtiger Gott, barmherziger Vater, ich armer, elender, sündiger Mensch bekenne dir alle meine Sünde und Missetat, die ich begangen mit Gedanken Worten und Werken, wo ich dich jemals erzürnt und deine Strafe zeitlich und ewig verdient habe. Sie sind mir aber alle herzlich leid und reuen mich sehr, und ich bitte dich um deiner grundlosen Barmherzigkeit und um des unschuldig bitteren Leiden und Sterbens deines lieben Sohnes Jesus Christus willen, du wollest mir armen sündhaftem Menschen alle meine Sünde vergeben und zu meiner Besserung deines Geistes Kraft verleihen. Herr erbarme dich! KYRIE. 

Gnadenzuspruch: So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigeinen Sohn dahingab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

DER HERR SEI MIT EUCH/...

Gebet: Herr Jesus, stärke uns, dein Leiden zu bedenken, uns in das Meer der Liebe zu versenken, die dich bewog, von aller Schuld des Bösen uns zu erlösen. Seh’n wir dein Kreuz den Klugen dieser Erden ein Ärgernis und eine Torheit werden, so sei’s doch uns trotz allen frechen Spottes die Weisheit Gottes.
Danke, für dein Kreuz, das du für uns trugst, danke für deine Vergebung, danke für den Bund deines Lebens, der am Stamm des Kreuzes besiegelt wurde! Wir preisen Dich, den gekreuzigten Jesus, als den Herrn, der mit dem Vater und dem Heiligen Geist lebst und regiert von Ewigkeit zu Ewigkeit. AMEN.

 

Evangelienlesung: Die tägliche Bibellese hat viele Menschen in Deutschland in diesem Jahr durch das Lukasevangelium und durch die Leidensgeschichte nach Lukas geführt, und in den sieben Passionswochen haben wir entsprechend die Lukaspassion durchgenommen in den Passionsandachten, bis gestern abend in der letzten Passionsandacht am Gründonnerstag. Wollen wir hier in der Evangelienlesung den Schluss der Passionsgeschichte nach Lukas hören, den Text, aus dem auch der heutige Predigttext entnommen ist.
Hören wir Lukas 23, 33-47:
Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken. Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum. Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes. Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber! Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: Dies ist der Juden König. Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde, und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei. Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er. Als aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott und sprach: Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen!

AMEN.

 

Glaubensbekenntnis

Lied vor der Predigt: Ich grüße dich am Kreuzesstamm, (eg 90), 1 und 2

Karfreitagspredigt 2001

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott unserm Vater und unserm Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde, eine „Drei-Kreuze-Predigt“ wird es heute werden am Karfreitag 2001 hier in Deilinghofen, und ich lese noch einmal einen entscheidenden Abschnitt aus Lukas 23, dem eben gehörten Text:

Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.

Gebet: Herr, mach uns still und rede du. Wir bitten Dich, segne an diesem Tag das Reden und das Hören bei jedem hier. Amen.

Drei Kreuze, liebe Gemeinde, das ist eigentümlich in der deutschen Sprache, was „drei Kreuze“ alles bedeuten können! Drei Kreuze waren vor einiger Zeit im Wahllokal bei Wahlen zu machen, aber das mein ich gar nicht allein. Ich denk da mehr an das andere, dass der Dumme, der Analphabet, der nicht lesen und schreiben kann, als letzte Wahl hat, dass er drei Kreuze macht und als Unterschrift unter das Schreiben setzt: und das ist ja ein intellektueller Offenbarungseid sozusagen, wenn jemand drei Kreuze macht, wie man es übrigens in alten Kirchendokumenten in Deilinghofen sieht, wie’s aber heute noch vorkommen soll. Drei Kreuze, schließlich, macht man nach unserer Redensart außerdem, wenn eine schwere Arbeit endlich hinter einem liegt, das kennen Sie alle: „Wenn diese schlimme Zeit erst mal hinter mir liegt, dann mache ich drei Kreuze.“

Und ein bisschen scheint alles mit reinzuspielen, das mit der Wahl, das mit der Unterschrift, das mit der schlimmen Zeit, die zuende geht, wenn Lukas da uns jene drei Kreuze von Hügel Golgatha vor Jerusalem vor Augen stellt. Zu wählen ist da, recht verstanden jedenfalls, auf welcher Seite man steht, aus welcher Perspektive man all das betrachtet. Und jene Unterschrift, dass da drei Kreuze am Ende stehen, das scheint für klug sich fühlende Leute damals und heute ein Skandal und ein religiöser Offenbarungseid zu sein, ja, man sieht das damals und heute an, als wäre dieser Gott das Törichtste der Welt, dass da am Ende seiner Offenbarung ganz dumm drei Kreuze stehen, der Bund, in drei Kreuzen besiegelt, die Unterschrift sozusagen sind nur jene drei Kreuze, dies Armutszeugnis am Ende, wo Jesus, der Sohn mittendrinnen hing. Und das andere genauso: drei Kreuze machen, die schlimme Zeit, die Passionszeit geht zuende ...

Von den drei Kreuzen war gestern im IKZ und in der Rundschau die Rede, in dem Artikel hier, ich habe ihn mitgebracht: da wurde für den Gottesdienst heute eingeladen, und hier steht das [zeigen], dass wir ab heute ein sehr kostbares, eigens angefertigtes Altartuch, ein Antependium, nur für den Karfreitag haben, nur an diesem Tag nach der kirchlichen Ordnung ganz in Schwarz, und da vorne sieht man, was gestern die Zeitung ankündigte, eben: „drei helle Kreuze auf schwarzem Grund- als Symbol für Jesu Tod und das Karfreitagsgeschehen“, wie es da im Artikel wörtlich heißt. In Kurzform ist da sozusagen die ganze Predigt drauf, auf diesem einmaligen schwarzen Altartuch, die ganze Drei-Kreuzes-Predigt dieses Karfreitags.

Aber mehr noch: verbildlicht ist das, was ich eben als Predigttext zu den drei Kreuzen vorlas in eindrucksvoller Form nicht nur auf dem neuen Tuch, erst recht ist es verbildlicht auf dem Deilinghofer Altar, wer weiß das nicht? Verbildlicht ist es da, so handgreiflich und anschaulich, dass es bei Kirchenführungen selbst Kindergartenkinder ungeheuer fasziniert, wie da schon die Körpersprache der beiden Schächer eine eigene Predigt ist, die unsern Text auslegt: der eine Mitgekreuzigte – der von Jesus aus links, wendet sich ironisch und spöttelnd ab von dem Sterbenden in der Mitte, der andere rechts vom Herrn, der schaut zu ihm hoch und scheint fast zu lächeln – ein ursprünglich aus dem Mittelalter stammendes Kunstwerk, das unsern Text zum Sprechen bringt, wobei da hier vorne im Altarraum der Deilinghofer Kirche gar kein Zweifel bleibt: genau das mit diesen drei Kreuzen, das ist die zentrale Geschichte im Neuen Testament, die Mitte des Neuen Bundes, hier wie in einer Bilderbibel gepredigt: für Kleine und Große damals im Mittelalter nicht anders als heute zum Karfreitag 2001.

Drei Kreuze, liebe Gemeinde, manchmal rückt uns erst durch Verfremdungen altes und lange Bekanntes neu auf die Pelle! Ich denke an den Jesus-Film nach Lukas, den viele schon kennen, und den auf dem Wartenberg bei der Freizeit in Auszügen unsere Konfirmanden sahen: Jesu Weg von Gründonnerstag bis Karfreitag sahen wir da, den Passionsweg vom letzten Abendmahl an bis zum heutigen Text, haargenau im Drehbuch nach dem Evangelisten Lukas nachgespielt,  und wer das sah, dem ging es durch und durch, wie da die Nägel mit uns durch und durch gehenden Hammerschlägen ins Kreuzesholz getrieben wurden, und ER hing daran: sein Kreuz, aufgerichtet zwischen zwei Übeltätern, ein Weg ans Kreuz, so wie in diesem Film dargestellt: da litt man mit und merkte was davon, sogar durch den Film hindurch, dass es bei Jesus kein Filmblut gewesen ist und kein Theaternebel, sondern da auf Golgatha einleiden wie es tiefer und schrecklicher Menschen nicht leiden können: Ganz Mensch, Gott am Kreuz, zwischen zwei Schwerstverbrechern, gequält durch die grausamste Todesstrafe des Altertums: Christi Blut für dich vergossen, Christi Blut für mich vergossen, Christi Leib für dich gegeben, für dich und für mich!

In keiner Religion der Welt wäre das auch überhaupt denkmöglich, dass sich Gott so tief in die Welt von Sündern reinbegibt und so weit unten sich mit Leuten am untersten Punkt der Welt solidarisiert, ja, Jesus, der im doppelten sinn „heruntergekommene Gott“, das war er schon von der Krippe an, dort im stinkigen Stall geboren und darauf sogleich verfolgt und immer rausgejagt, und hier – da in Lukas 23, da bei den drei Kreuzen, da ist der Tiefstpunkt der Geschichte, da bündelt sich alles von Jesus, so dass es jedem durch Mark und Bein gehen müsste.          

Und doch: Es ist ganz anders, liebe Gemeinde: sie gaffen stattdessen, so wie die Gaffer gaffen, wenn auf der Autobahn ein schwerer Unfall passierte oder wenn irgendwo ein Haus abbrennt. Sie gaffen in sensationslüsterner Gier, und sie geben es ihm mit, in purer Schadenfreude, die ringsum:

„Hast andern geholfen, kannst dir selber nicht helfen, Arzt hilf dir selber.“ Auch das wie ein Hammerschlag, der durch Mark und Bein geht, nicht anders als die genannten Hammerschläge zuvor. Ich muss dran denken, wie weh mir es schon tat, bei meinem familiären Scheitern, wenn da ab und zu Gaffer auch so ablästerten, jedenfalls gelegentlich – in der Richtung: „Arzt, hilf dir selber...“ Wie weh das tat, schon bei mir, dass man oft andern half und selbst dann total hilflos nicht mehr weiterwusste. Wieviel mehr bei IHM, der versucht wurde gleich wie wir doch ohne Sünde, wie es das neue Testament mal sagt, wie viel mehr bei IHM, wo alle frohlocken da in der Menge: Dein Gott ist am Ende, du gehst kaputt, Jesus.

Ja, liebe Gemeinde, und diese Geschichte spitzt sich da zu, sie eskaliert und kulminiert da in der gelesenen Szene mit den drei Kreuzen, wo er mitten unter den Schwerstverbrechern und Mördern da genau wie von der Menge die Häme und den Hass ertragen muss. Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! Was die Masse unten brüllt, genau das Gleiche also hier noch einmal verstärkt und zugespitzt: „Helfen kannst du ja doch nicht, du angeblicher Christus, du Arzt, bei dem die Heilkunst am eigenen Leibe versagt!“

Und ich muss es nicht groß auslegen, es spricht für sich selbst, was der andere der Schächer dann anführt und zu hören kriegt, Lukas in unserm Text beschreibt es so:

Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.

Gewiss, so traurig das ist mit den drei Kreuzen, da und den Schächern, es ist eine kinderleicht nachzuvollziehende Geschichte, sogar Kindergartenkindern ist sie vertraut. Und doch: was es ist mit den drei Kreuzen, auf die man hier am Karfreitag sieht, da braucht es den Blick von Erwachsenen oder von reifen Menschen, die da auf einmal sehen: So ist es doch immer noch, bis heute, mit diesem Jesus! Nur zwei Möglichkeiten gibt es: Entweder ich seh’ das Ganze von links vom Kreuz her an und bin fertig mit Jesus, der dann ein Leichnam der Vergangenheit ist, oder ich fange da am Kreuz an, mit dem, der rechts von ihm hängt, mir seine Gnade zusagen zu lassen, mir sagen zu lassen: Was auch immer du tatest, der Bund meiner Gnade besteht, sei mein! Wahrlich ich sage dir, du wirst mit mir im Paradiese sein! 

So wie es in der äußersten Zuspitzung da ein Mensch sogar kurz vor dem letzten Atemzug erfährt: das Evangelium, die Frohe Botschaft: Du bist gerettet, heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!

Für dieses Entweder-Oder, liebe Gemeinde, stehen jene drei Kreuze, auch auf dem Tuch, und dieser Karfreitag mit dem Jesuskreuz im Zentrum fragt dich und mich, ob wir ganz ihm gehören wollen, ob wir, wie ich eingangs sagte, ihn wählen wollen, uns entscheiden für ihn, oder ob wir dieses Kreuz von Golgatha als dummes Zeug abtun, so als hätte Gott da abgewirtschaftet und sich ein Armutszeugnis ausgestellt, dieser Gott, der da anscheinend bloß drei Kreuze machen kann.

Wir sind teuer erkauft, wir waren Gott einen Christus wert, einen Christus, der unsere tiefsten Punkte kennt und durchlitt, einen Christus, der uns hier ruft, ganz ihm zu gehören, und auch die Seinigen zu sein bei Brot und wein in seinem Bund.

Und so kann diese Drei-Kreuze-Predigt nicht besser abgeschlossen werden als mit einem Gedicht, das genau hierher passt und das Wilhelm Langewiesche  verfasste:

Drei Kreuze standen auf Golgatha,
drei Kreuze stehen auch heute noch da,  
und wessen Augen erblicken die drei,         
den lassen Sie nimmer und nimmermehr frei.
Dem tritt entgegen ihr Bild, ihre Frage,
auf jeden Weg, und an jedem Tage.
Er schließe die Augen, er wende den Schritt,
das Bild und die Frage des Kreuzes gehen mit:
Was ist dir das Kreuz in der Mitte, das eine?
In welchem der andern erkennst du das deine?
Und schwankt er, die Frage bleibt wach und lebendig:
Was ist dir das eine? Sprich, welches der beiden
erwählst du als deines? Du musst dich entscheiden!
Amen.


Nach der Predigt:

Ein Lämmlein (eg 83), 1, 2, 4 und 6

 

Zum Abendmahl:

Befiehl du deine Wege (eg 361), 1 ff.

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