Orgelvorspiel, Begrüßung und Abkündigungen:
Liebe Gemeinde in Medebach, wir grüßen
uns an diesem 16. Sonntag nach Trin. mit dem Wochenspruch dieser Woche:
Christus
Jesus hat
dem Tode die Macht genommen und Leben und ein unvergängliches Wesen ans
Licht gebracht durch das Evangelium. (2. Tim 1,10). Und wir grüßen
uns mit einem andern Bibelvers aus Hebr. 10, 35, der der erste Satz des
Predigttextes heute ist und der Taufspruch des kleinen Jan Mika Damitsch
ist, den wir heute taufen wollen: Darum werft euer Vertrauen nicht weg,
welches eine große Belohnung hat. ...
Eingangslied: Gott des Himmels und der Erden, eg 445, 1-5
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes/Amen
Unsere Hilfe.../ der Himmel uns Erde gemacht hat.
Der Herr sei mit Euch / und mit deinem Geiste.
Lasst uns beten: Herr, wir bekennen Dir: wir haben dich oft vergessen
und aus unserm Leben ausgestrichen. Wir haben unsere eigenen Wege gesucht
- so oft ohne dich, und wir gingen damit an den Menschen neben uns und am
Sinn des Lebens vorbei. Wir bekennen Dir: Unsere Zweifel und unsere Lebenswunden
und all unsere Fragen und Sorgen überwucherten oft unseren Glauben
und erstickten ihn. Lass uns diesen Tauftag als Tag des Neuwerdens erleben.
Herr, erbarme dich.
Gemeinde: Der allmächtige Gott erbarme sich unser, er vergebe
uns unsere Sünden und führe uns zum ewigen Leben. Amen.
Zuspruch: Gottes Wort sagt uns: Wenn wir ihm unsere Sünden
bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns unsere Sünden vergibt
und uns heilt zu neuem Leben.
(Erheben:) Wir hören an diesem Tauftag aus Psalm 27: Der Herr ist
mein Licht, vor wen sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens
Kraft, vor wem sollte mir grauen? Wenn die Übeltäter an mich wollen,
um mich zu verschlingen, meine Widersacher und Feinde, sollen sie selber
straucheln und fallen. Wenn sich auch ein Heer wider mich lagert, so fürchtet
sich dennoch mein Herz nicht; wenn sich Krieg wider mich erhebt, so verlasse
ich mich auf ihn. Eines bitte ich vom HERRN, das hätte ich gerne: dass
ich im Hause des HERRN bleiben könne mein Leben lang, zu schauen
die schönen Gottesdienste des HERRN und seinen Tempel zu betrachten.
Denn er deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit, er birgt mich
im Schutz seines Zeltes und erhöht mich auf einen Felsen. Und nun erhebt
sich mein Haupt über meine Feinde, die um mich her sind; darum will
ich Lob opfern in seinem Zelt, ich will singen und Lob sagen dem HERRN. HERR,
höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und erhöre
mich! Mein Herz hält dir vor dein Wort: "Ihr sollt mein Antlitz suchen."
Darum suche ich auch, HERR, dein Antlitz. Kommt, lasset uns anbeten!
Ehr sei dem Vater...
Kyrie
Ehre sei Gott in der Höhe...
Gebet: Ich bitte dich für diesen kleinen Jungen Jan-Mika
und für uns alle, Herr Jesus Christus: Lass uns offen werden für
dich, rede so zu uns, dass wir dich hören. Und ich bitte für diesen
Gottesdienst und diesen Sonntag für uns alle, wie wir es eben gesungen
haben: Führe uns, o Herr und leite unsern Gang nach deinem Wort. Sei
und bleibe du auch heute uns Beschützer und auch Hort. Nirgends als
bei dir allein könn' wir recht bewahret sein. Wir rechnen mit Dir,
Herr Jesus Christus, der du in der Einheit mit dem Vater und dem Hl. Geiste
lebst und regierst von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Lesung der Epistel des 16. Sonntags nach Trin.: 2. Tim 1, 7-10
Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft
und der Liebe und der Besonnenheit. Darum schäme dich nicht des
Zeugnisses von unserm Herrn noch meiner, der ich sein Gefangener bin, sondern
leide mit mir für das Evangelium in der Kraft Gottes. Er hat uns selig
gemacht und berufen mit einem heiligen Ruf, nicht nach unsern Werken,
sondern nach seinem Ratschluss und nach der Gnade, die uns gegeben ist in
Christus Jesus vor der Zeit der Welt, jetzt aber offenbart ist durch die Erscheinung
unseres Heilands Christus Jesus, der dem Tode die Macht genommen und
das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat durch
das Evangelium. Halleluja! (gesungenes Halleluja...)
Lied zur Taufe: Danke, eg 334, 1-6
Taufbegrüßung, Taufbefehl und Kinderevangelium: Liebe
Gemeinde, im heutigen Gottesdienst soll Jan Mika Damitsch die heilige Taufe
empfangen. Unser besonderer Gruß gilt diesem kleinen Jungen, unserm
Täufling, und allen hier, die zu ihm gehören und ihn besonders
lieb haben.
Die christliche Kirche tauft nach dem Willen unseres Herrn Jesus Christus
und im Vertrauen auf seine Verheißung. So steht geschrieben im Evangelium
nach Matthäus:
Unser Herr Jesus Christus spricht: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel
und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker.
Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes
und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich
bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. (Matthäus 18,18-20)
Jesus hat auch die Kinder zu sich gerufen. Im Evangelium nach Markus heißt
es:
Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühre. Die Jünger
Aber fuhren sie an. Als es aber Jesus sah, wurde er unwillig und sprach
zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen
gehört das Reich Gottes.
Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein
Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er herzte sie und legte die Hände
auf sie und segnete sie. (Markus 10,13-16)
Wir beten: Gott, unser lieber Vater. Du schenkst uns durch die
Taufe neues, unvergängliches Leben: verborgen vor unseren Augen, aber
offen vor den deinen, unscheinbar für uns, aber voller Glanz bei dir.
Da bringen wir nun dieses Kind zu dir, dass es unvergängliches Leben
empfange. Schenke es ihm und hilf ihm, es zu bewahren. Das bitten wir durch
Jesus Christus. Er ist der Weg und die Wahrheit und das Leben in Ewigkeit.
Amen.
Taufverkündigung: Liebe Gemeinde, was wir wert sind, sehen
wir an der Taufe. Die Taufe ist ein Zeichen für den Weg, den Jesus
gegangen ist: Er ging in den Tod und aus dem Tod ins Leben. das Wasser bedeutet
den Tod. Wer aus dem Wasser gerettet wird, der lebt. An der Taufe erfahren
wir, dass wir von Gott nicht geschaffen sind, um zu sterben, sondern um
zu leben. Die Taufe gibt uns die Gewissheit, dass wir Gottes mündige
Kinder und freie Menschen sind, Menschen mit dem ganz großen Vertrauen,
die zu ihm sagen dürfen: Lieber Vater!
Die Taufe zeigt den unendlichen Wert, den wir für Gott haben. Wir
brauchen uns nicht zu überschätzen und nicht an uns selbst zu
verzweifeln. Wir können uns selbst bejahen, weil Gott uns bejaht und
zu uns steht.
Wir taufen Kinder. Das zeigt hier: Gottes Liebe zu uns hängt nicht
von unserer Einsicht und Leistung, von unserer Mühe und unserem Glauben
ab. Wir befehlen diesen kleinen Jungen ganz und gar Jesus Christus an, der
sein Herr ist und werden soll, der bei ihm bleiben will alle Tage bis ans
Ende, wir befehlen ihn Gott an, der ihn geschaffen hat und dem Jan Mika
gehören soll, wir befehlen ihn der Kraft des heiligen Geistes an, die
ihn mit allen, die Christen sind, verbindet und in seine Zukunft führt.
Lasst uns zu diesem dreieinigen Gott uns bekennen mit den Worten des
apostolischen Glaubensbekenntnisses:
Apostolisches Glaubensbekenntnis mit Anrede und Verpflichtung:
Liebe Eltern und Paten, ich frage euch: Wollt ihr, dass euer Kind getauft
wird, so antwortet: Ja, mit Gottes Hilfe.
Wollt ihr versprechen, dass ihr Jan Mika nach bestem Vermögen
im christlichen Glauben erzieht und ihm nach bestem Vermögen den Weg
weist zu einem Leben als Christ, so antwortet: Ja, mit Gottes Hilfe.
Gott stärke euch für diese Aufgabe.
Pfarrer geht zum Taufstein und gießt das Wasser ein
Taufe: Welchen Namen hat das Kind?
Jan Mika, ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen
Geistes.
Taufvotum mit Handauflegung: Der allmächtige Gott und Vater stärke
dich durch seinen Heiligen Geist. Er erhalte dich in der Gemeinde Jesu Christi
und bewahre dich zum ewigen Leben.
Taufspruch: Dein Taufspruch lautet: Werft euer Vertrauen nicht weg; denn
eine große Belohnung wartet auf euch, wenn ihr treu bleibt. Ihr müsst
standhaft bleiben und tun, was Gott will. Nur dann bekommt ihr, was er versprochen
hat. (Hebr. 10, 35+36; "Gute Nachricht") Nimm hin das Zeichen des Kreuzes.
Du gehörst Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen.
(Kreuzeszeichen an Stirn und Kreuz umhängen)
Taufkerze an Altarkerze entzünden und auf Altar brennend
stehen lassen
Christus spricht: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird
nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.
Diese brennende Kerze ist das Zeichen dafür, dass Christus nun für
Jan Mika das Licht des Lebens ist.
Eingliederung und Segen: Liebe Gemeinde, wir haben dieses Kind
getauft. Nun ist er bestimmt, ein Glied am Leibe Christi zu sein und zu werden,
und er gehört damit zu seiner Kirche. Mit uns ist es berufen zum Zeugen
des Evangeliums in der Welt.
Wir heißen Jan Mika willkommen in dieser Gemeinde und wünschen
ihm, dass ihr unsere Gemeinschaft zum Segen wird. Als Zeuginnen und Zeugen
seiner Taufe wollen wir das Unsere dazu beitragen.
Euch alle in der Gemeinde bitte ich: Nehmt euch dieses Kindes an. Schenkt
ihm eure Zuwendung und Liebe. Bleibt offen für das Suchen und die Unruhe
junger Menschen. Seid stets aufs Neue bereit, sie zu verstehen. Tragt dazu
bei, dass die Kirche in unserer Stadt und überall ein bewohnbares Haus
sei, ein Ort der Gemeinschaft für alle Menschen.
Zum Schluss danken wir Gott für das Kind, das er euch geschenkt hat,
und bitten ihn um seinen Segen für euch als Eltern und Paten.
Der Segen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes komme
über euch und bleibe bei euch jetzt und immerdar. Amen.
Lied vor der Predigt, das von der Taufe auf die Predigt hinführt:
eg 211, 1-5
Predigt Hebräer 10, 35, 36 und 39
Gnade sei mit euch und Friede
von Gott, unserm Vater, und unserm Herrn Jesus Christus. Amen.
Wir hören den heute am 16. Sonntag nach Trinitatis in unseren Kirchen
vorgeschriebenen Predigttext, der überall in den Kirchen jetzt gelesen
und gepredigt wird. Er stammt aus dem Hebräerbrief, es ist ein ganz
kleiner Abschnitt aus Hebräer 10, dort die Verse 35, 36 und 39:
35 Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große
Belohnung hat. 36 Geduld aber habt ihr nötig, damit ihr den Willen
Gottes tut und das Verheißene empfangt. 39 Wir aber sind nicht
von denen, die zurückweichen und verdammt werden, sondern von denen,
die glauben und die Seele erretten. --- Ich lese zum Einprägen den
Abschnitt aus Hebr. 10 noch einmal: Lesung V. 35, 36 und 39 wiederholen...
Wir beten: Herr, lass uns dein Wort hören und bewahren, damit
wir deinem Willen gemäß denken, handeln und leben. Amen.
Liebe Gemeinde hier in Medebach, liebe Tauffamilie, wollte man unsere Zeit
mit der Art, wie wir mit den Dingen umgehen, in einem Wort kennzeichnen,
so wäre es das Wort "Wegwerfgesellschaft". Und Wegwerfgesellschaft (-
da sag ich natürlich keinem hier was Neues!), das heißt: Alles
ist ersetzbar. Was nicht mehr gebraucht wird, kommt auf den Müll und
kann mit Geld durch Neues ersetzt werden - nichts ist wirklich mehr etwas
wert. Genau so geht man mit Dingen um, aber in unserer Leistungsgesellschaft
leider Gottes eben auch mit Menschen: "Wegwerfgesellschaft".
Da gibt's keine Werte mehr. Nur ab und zu - in Verlustanzeigen der Tageszeitung,
freilich, da liest man's. Von der Medebacher Zeitung, von der Westfalenpost
hier, hab ich da kein Beispiel, weil ich die noch nie gelesen hab, aber
neulich bei uns im Iserlohner Kreisanzeiger da las man die kleine anzeige:
"Wertvolles Armband auf dem oberen Teil der Hauptstr. verloren, Andenken,
das unersetzbar ist. Der ehrliche Finder und Wiederbringer erhält Belohnung".
In unserm Text aus Hebräer 10 geht's um beides, liebe Gemeinde, ums
Wegwerfen und um die Belohnung, und auch um etwas, das unersetzlich wertvoll
ist, wenn es da im Taufspruch des kleinen Jungen heißt: Werft euer
Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat!
Wohlgemerkt: Nicht der Wiederbringer erhält da also die Belohnung,
sondern der, der gar nicht erst wegwirft - diesen Wert, der da im
griechischen Urtext "parrhesia" heißt und im Deutschen von Luther
mit Vertrauen übersetzt wurde.
Und liebe Gemeinde, da wird's spannend, wenn man kritisch über "Vertrauen"
nachdenkt in unserer Zeit! Ja, da muss ich noch nicht mal ein bewusster
Christ zu sein, um zu merken, dass bei allem Wertewandel und allem Werteverlust
in unserer Gesellschaft "Vertrauen" das ist, mit dem alles im Leben steht
und fällt. Ja "Vertrauen" ist das, worum sich ein Leben mit Sinn dreht:
Wo Vertrauen wie Wegwerfware behandelt wird, da wird das Leben zu einem Trümmerhaufen.
Und wo ein Mensch kein Vertrauen mehr hat zum Leben, kein Vertrauen erfährt
im Leben, da ist er kaputt. Schon bei den kleinen Kindern wie an unserm
Täufling kann man sich das klarmachen:
Wo ein Kind im Alter von eins bis drei - wo so ein Würmchen wie unser
kleiner Jan Mika da, nicht angenommen würde von den Eltern, wo da das
"Urvertrauen" fehlen bleibt, wie die Entwicklungspsychologen sagen, da hat
es eine schreckliche Schramme für das ganze Leben. Und so geht es den
Erwachsenen noch: ich brauche eine verlässliche Umwelt, Leute, die
mit mir reden und auf die ich bauen kann, wenn das nicht ist, dann ist alles
kaputt. Wo etwa in der Partnerschaft und unter Verheirateten, das Vertrauen
nicht mehr da ist, da wird die Ehe zur Hölle.
Ja, viel radikaler noch: Ich muss jeden Augenblick meines Lebens - nicht
nur bei Menschen, auch bei Dingen - ungeheuer viel Vertrauen investieren,
auch wenn ich mir das gar nicht klarmache. Wenn ich an einem Haus vorbeigehe,
vertraue ich darauf, dass der Dachdecker so gut gearbeitet hat, dass mir
kein Ziegel auf den Kopf fällt; wenn ich morgens Brötchen esse,
vertraue ich dem Bäcker, dass das Gift in den Lebensmitteln nicht die
Grenze überschreitet usw. usw. An der Ampel bei Rot vertrau ich darauf,
dass das Auto hält: wär' dies Vertrauen auf einmal alles nicht
mehr da, würd' ich in solcher Vertrauenskrise umkommen: entweder ich
würde auf der Stelle verrückt oder ich würde mich zuhause
einschließen und im in Verbitterung und Verfolgungswahn enden. So verstanden
ist Vertrauen wirklich das, "was die Welt im Innersten zusammenhält".
Nun kennen wir ja 1000 Krisen, nicht nur jenen schrecklichen 11. September,
über den ich mit der Taufmutter sprach, 1000 Krisen, die zutiefst das
Vertrauen in der Welt erschüttern - und auch, dass man sagt: "Vertrauen
ist gut, Kontrolle ist besser."
Und die ganz Schlauen, die haben sogar Vertrauen schon wieder zu einer
Ware gemacht: Bankkaufleute, Manager und Wirtschaftsbosse, Leute aus der
obersten Etage, die gehen zu extra Trainings, zu psychologischen Kursen,
um da zu lernen, wie man vertrauensvoll auf andere Menschen wirkt. Neulich
war im Fernsehen ein schöner und zugleich erschütternder Dokumentarfilm
in 3-Sat zu sehen: Gruppendynamische Übungen und tolle Tricks einer
Gruppe von etwa 12 Bänkern und Top-Verkäufern, den Super-Männern
der Wirtschaft, die da eingetrichtert kriegten eine Woche lang vom Verhaltenstrainer,
wie man sich am besten verkauft: ein Vertrauens-Typ werden, ein richtig
positiver Typ.
Es war wie eine Schauspielschule: die "Schule des positiven Denkens" in
höchster Vollendung, und "positives Denken" wurde da in seiner ganzen
Fragwürdigkeit und Verlogenheit als Theater entlarvt: Tritt immer mit
Kleidern auf, die eine Klasse über deinem Aussehen liegen und immer mit
einem Auto, das eine Klasse unter deinem Einkommen liegt, aber komm bloß
nicht mit dem Kleinwagen, sonst haben die Leute kein Vertrauen zu dir. Rede
immer positiv, mach den Leuten keine unnötigen Sorgen, sonst verkaufst
du dich schlecht, und sie vertrauen dir nicht. Du musst dein Image aufpolieren,
und mit einem geheuchelten Vertrauen kannst du am meisten absahnen. Nicht
nur Manager, auch Ärzte und sogar Pastoren und kirchliche Würdenträger
(ich habe ein paar von denen vor Augen) meinen manchmal, man könnte
so - leichtfertig geheuchelt - mit Vertrauen, das man vorgibt und wo nicht
viel hinter ist - mit "sich lieb Kind machen", für sich und seine Sache
Pluspunkte machen.
Die Bibel freilich zeigt da für Christen einen ganz anderen Weg, und
unser heutiger Text im Hebräerbrief zumal. Vertrauen ist da keine Wegwerfware
und auch kein Produkt und keine Strategie, mit der man Pluspunkte macht:
Vertrauen, jenes Vertrauen, das die Welt im Innersten zusammenhält,
diese Parrhesia, von der Hebräer 10 redet, ist da für Christen,
an die dieser Brief gerichtet ist, ganz anders verankert: Werfet euer Vertrauen
nicht weg, so fängt unser heutiger Text an! Und er spricht auch mitten
in eine fürchterliche Vertrauenskrise hinein. Wer da 10. Kapitel im
Ganzen liest, wird das erschütternd feststellen. Unmittelbar vor unserm
Text hören wir davon: eine fürchterliche Anfechtungssituation,
die Christen haben zu leiden, ihnen droht Tod und Verfolgung, ein Glaubensbekenntnis
war damals nicht nur ein leeres Wort, sondern ein totales Wagnis. Und jene
Gesellschaft war auch eine Gesellschaft, die man als Wegwerfgesellschaft
bezeichnen könnte: mit dem Motto, diese unbequeme Gesellschaft der Christusverehrer,
die Christen, sind wegzuwerfen und haben möglichst schnell auf dem Müll
der Vergessenheit zu landen. Es war gegen Ende des ersten Jahrhunderts die
Zeit der herannahenden Christenverfolgung, von höchster Stelle verordnet
im Römischen Reich.
Und der Apostel - wir kennen ja den Namen des Schreibers jenes Briefes
an die Hebräer nicht - der mahnt die Jesusnachfolger: Leute, haltet
jetzt stand! Fallt nicht ab, werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine
große Belohnung hat. Von dieser Botschaft ist der Hebräerbrief
von vorn bis hinten durchzogen. Und das was manchmal als Spruch gesagt wird,
wenn in unserm Leben eine kleine Katastrophe passiert, dass man dann sagt:
"Ich glaub' ich fall' vom Glauben ab", das, genau das, war damals die Voraussetzung,
den heutigen Briefausschnitt zu schreiben und den ganzen Brief an die Hebräer.
Denn die Leute drohten, abzufallen, sie drohten, den Druck nicht mehr auszuhalten,
sie drohten, das Vertrauen zu verlieren, den Glauben an den Gekreuzigten,
ihn, das Ein und Alles des Glaubens, auf den Müll zu tun, als sei es
dann einfacher.
Doch da hinein spricht unser Text, und er spricht - zwischen den Zeilen
- vielleicht mehr, als wir es eingangs beim ersten Hinhören vernommen
haben: Er spricht von der Belohnung und von der Verheißung
und vom Geduldigsein.
Da hieß es ja: welches eine große Belohnung hat. Geduld aber
nötig, bis ihr das Verheißene erlangt. Liebe Gemeinde, der
griechische Hörer und Leser merkt da in seiner Sprache sofort, dass da
von Jesus und von Kreuzesnachfolge die Rede ist, denn dieses Wort "Geduld"
heißt im griechischen Urtext "hypo-monä", das kann man auch mit
drunter-bleiben übersetzen: bleibt drunter unter den euch auferlegten
Balken des Kreuzes, wie Jesus, das Urbild aller Geduld, drunterblieb, bleibt
geduldig drunter, schüttelt das Kreuz nicht ab, auch wenn ihr "warum"
fragen müsst, wie er es tat. Setzt euer Vertrauen auf Ihn im Wissen,
dass durch alles Kreuz hindurch Christen am Kreuz bleibend, an seinem großen
Sieg teilhaben: dass er den Tod und unsere Abgründe und Zweifel am Ostermorgen
besiegte und eine lebendige Hoffnung in die Welt brachte, die über den
Tod hinaus in Gottes Ewigkeit reicht: eine Verheißung mit großer
Reichweite, eine Belohnung mit Ewigkeitswert, ja: Gottvertrauen ist von ihm
her, diesem Vertrauensgrund, stärker als der Tod - für die, die
im Leid drohen, vom Glauben abzufallen und dennoch geduldig bei ihm bleiben.
Und ich möcht es jetzt zum Schluss viel plastischer noch sagen, um
zu zeigen, was dies Vertrauen mit heute zu tun hat. Da ist eine schlichte
und einfache Frau, die ist auch meine Mutter. Ich habe nämlich mehrere
Mütter!! Ich meine: Mütter im Glauben. Diese hieß Elsa. Elsa
war eine Frau, die fast 97 Jahre wurde und von der ich viel lernen konnte.
Und die ist neulich, als ich noch in Deilinghofen war, von mir beerdigt worden.
Und diese Frau Elsa hätte in ihrem langen Leben allen Grund gehabt,
Gott vielfach das Vertrauen zu kündigen, denn was da vorgefallen war
im Krieg, beim Verlust der Heimat im Osten, das war menschlich unerträglich:
erst den 16jährigen Sohn durch einen grausamen Unfall
verloren
, wie man ihn nicht erzählen kann, bald darauf die Tochter als Kleinstkind
dazu - eine Kinderleiche mitten auf der Flucht, und dann eine Urne mit der
Asche des Kinds auf dem Bollerwagen, damit zog sie fünfhundert Kilometer
weit, bis die am Ort ihrer neuen Heimat, in Deilinghofen, beigesetzt werden
konnte. Ein Leben über neuneinhalb Jahrzehnte von ganz schweren Leiden
gekennzeichnet, und mitten in dem: das Gottvertrauen als Beterin immer noch
gestärkt erhalten und den Glaube vertieft: "Das ist meine Freude, dass
ich mich zu Gott halte", so wurde es da in der Kapelle an ihrem Sarg gepredigt,
und an solche Beispiele möchte ich mich halten, wenn mir Hören und
Sehen vergeht, dass ich "meine Zuversicht setze auf den Herrn, meinen Gott".
Das ist echtes Vertrauen, kein Theater, mehr als windiges "positives Denken",
das ist ein Vertrauen, das durch den Tod hindurch in Gottes Ewigkeit zur
Vollendung kommt, zur Freude, die bis über den Tod reicht. Schenke uns
Gott etwas von solchem Vertrauen, das die Welt und unser eignes Leben im
Innersten zusammenhält, schenk er solch Gottvertrauen und Bereitschaft
zu beten allen in der Familie Damitsch, Schenke er, dass wir das Wichtigste,
was es gibt, nicht wegwerfen. Ja, schenk er, dass wir Leute sind und werden,
die vertrauen und denen man vertrauen kann, an denen auch die, die den Glauben
zu verlieren drohen, Halt haben, leichter glauben zu können und schenk
er, dass wir solche werden, die (wie unser letzter Vers sagt) nicht von denen
sind, "die zurückweichen und verdammt werden, sondern von denen, die
glauben und die Seele erretten". AMEN.
Zum Lied nach der Predigt: Etwas winzig Kleines wird was ganz
Großes, daran denken wir an diesem Tauftag, wenn wir das Kind dort
sehen. Kleine Ursachen - große Folgen. Und genau davon handelt auch
das Lied von der Liebe, das wir jetzt singen: eg 659, 1-3: Ins Wasser fällt
ein Stein...
Fürbittengebet und Vaterunser:
Herr Jesus Christus, wenn du uns frei machst, sind wir recht frei. Und
wo dein Geist ist, da ist Freiheit. Du kannst uns die Augen öffnen,
von deiner Liebe was zu erkennen. Du kannst uns vertrauen zurückschenken,
dass wir, wie gehört, echtes Gottvertrauen haben.
Du weißt, wie oft wir als Christen, als deine Kirche, als deine Gemeinde
nicht lebendig und nicht glaubwürdig genug deine Zeugen sind, wie oft
da Routine, Tradition und Langeweile das Feld bei uns beherrschen und bei
uns nichts mehr ausstrahlt von dem, was du uns schenkst.
Erneuere du da deine Kirche und fang bei uns damit an und bei mir.
Dir dankend für dieses kleine Kind, das wir in deinem Namen tauften,
bitten wir dich für Jan Mika und für alle uns anvertrauten Kinder,
im Kindergartenalter und im Schulkindalter, bitten wir dich für die
Katechumenen und Konfirmanden, für die Jugendarbeit, die hier geschieht.
Schenk uns, dass wir da phantasievoll auch in der Gemeinde Menschen mit dir
in Kontakt bringen und glaubwürdige Zeuginnen und Zeugen deiner Freiheit
sind, schenk, dass dort Leute den Sinn des Lebens finden.
Wir bitten dich für die Familien unseres Taufkindes, dass da das Taufgelöbnis
heute nicht nur ein Lippenbekenntnis bleibt, sondern dass die Taufe Jan
Mika zum Segen wird.
Herr, wir denken an viel Hass, Gewalt und Unfreiheit, an viel Verrücktheit,
die es auf der Welt gibt, und wir bringen dir auch unsere Sorgen: Wehre
du den Sekten und den Verführern und wehre du allen Anfängen von
Rassismus und Fremdenhass bei uns, steh du selbst den Opfern bei und lass
uns da auf deiner Seite sein.
Lass überall auch in sozialen und politischen Fragen Christen zu Friedensstiftern
werden. Und alles was wir sonst noch für die Zukunft unserer Kinder
und deiner Gemeinde und unserer Welt auf dem Herzen haben, fassen wir, Herr
Jesus, in deinem Gebet zusammen: Vater unser...
Lied eg 575: Segne und behüte uns durch deine Güte...
Schluss-Segen
Lied 576: Die Gnade...
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