Gottesdienst am letzten Sonntag nach Epiphanias, 20.1.2002
(25 Jahre nach FGs Ordination),
in der Deilinghofer Stephanuskirche
 


Da ich vor ziemlich genau 25 Jahren am 23.1.1977 ordiniert worden war, hatte ich anstelle der neutestamentlichen Lesung heute an der Stelle vom Lesepult aus meine alte Ordinationsrede ("Eine christliche Legende zur Ordination") verlesen.
Nach dem folgenden Bonhoeffer-Lied vor der Predigt: Von guten Mächten (eg 652, alle Strophen, aber Str. 3 nur gelesen), folgte - entsprechend etwas kürzer - die heutige Predigt:

Predigt zu 2. Korinther 4, 6-10

Gnade sei mit Euch uns Friede von Gott unserm Vater und unserm Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde, den Brieftext, den Episteltext also, für den heutigen letzten Sonntag nach Epiphanias, den haben wir wegen der Ordinationsrede eben nicht vom Lesepult aus gehört. Ich hole das jetzt nach und nehme den vorgeschriebenen Episteltext dieses Sonntags als Text zum Nachdenken in dieser Predigt. Dienstag bei unserm sehr beeindruckenden Bonhoeffer-Film im Martin-Luther-Haus, da haben wir den gleichen Text auch schon gelesen und fast 50 Leute haben ihn dort gehört und festgestellt, dass er viel mit dem Film und dem Christen und Widerstandskämpfer Bonhoeffer zu tun hatte, und Mittwoch bei der Frauenhilfe, da waren es noch einmal über 40 Frauen, die eine Andacht hörten über diesen Bibeltext aus dem zweiten Korintherbrief.

So hören wir hier noch einmal diesen Text 2. Korinther 4, 6-10: Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi. Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche Kraft von Gott sei und nicht von uns. Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um. Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.

Liebe Gemeinde, was Predigttexte bedeuten, was Bibelworte aussagen, ich finde, das kann man sich ziemlich oft so richtig erst an Menschen klarmachen, die man kennen gelernt hat und davon etwas ausleben oder ausgelebt haben, was da steht. So ist das auch beim heutigen Predigttext.

Und ich denke da heute an zwei Menschen, die mir selbst und nicht nur mir ganz wichtige und prägende Leitbilder waren; ich denke an jenen Dietrich Bonhoeffer, dessen Lied wir eben sangen und von dem wir am Dienstag den Spielfilm sahen, und ich denke an Fritz Schwarz, meinen Vikarsvater und Vater im Glauben, den ziemlich bekannten Superintendenten aus Herne, der mich vor genau 25 Jahren ordinierte und der 1985 mit 55 Jahren starb. Beide, Bonhoeffer und Schwarz, haben viel davon ausgelebt, was Paulus selbst beschreibt im heutigen Text als seine Erfahrung mit Jesus Christus.

Bei Paulus jedenfalls, da fängt es ganz hell an, wie ich las im Text eben. Und "Epiphanias", das heißt ja: Erscheinung von Licht, Aufscheinen des großen Jesuslichtes von Weihnachten, und das passt eben gut zum heutigen letzten Sonntag nach Epiphanias, wenn Paulus da seinen Korinthern schön hell am Anfang des Textes von der Erleuchtung was schreibt:

Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.

Auf gut deutsch könnte man diesen Satz so zusammenfassen: Gleichsam das Licht des ersten Tages der Schöpfung, das kommt in die Herzen von Menschen rein, macht Menschen hell und erleuchtet sie, dass man durch solche Menschen was erkennt von der Herrlichkeit, die Jesus im Gesicht hat. Ja, durch Menschen soll Erleuchtung entstehen, so wie die drei Jünger das bei Jesus auf dem Berg der Verklärung gesehen haben: ein unaussprechliches Licht, Jesuslicht, Licht in seinem Gesicht - als der Vater da auf dem Berg in einer besonderen Situation den Sohn verherrlichte und die drei da Zeugen wurden oben auf dem Berg. Genauso ähnlich wie in dieser Verklärungsgeschichte, liebe Gemeinde, so fängt's da heute ja an in unserm Text: Von der Herrlichkeit auf dem Gesicht Jesu, da sollen Menschen was mitkriegen, so dass andere Erleuchtung erfahren und sehen, wie wunderbar Jesus in seiner Herrlichkeit ist.

Jener Superintendent von dem ich eben sprach, Fritz Schwarz, der war der verrückteste Christ, den ich je kennengelernt habe. Der konnte , wenn er mit mir im Stadion war, sagen da im Ruhrgebiet bei unserm Verein, der konnte sagen, dass Fußball die herrlichste Nebensache der Welt ist, und das sagte er mit großer Leidenschaft, und mit noch größerer Leidenschaft konnte er sagen, direkt daneben, dass ihm Jesus erst recht das Herrlichste auf der Welt war, und er als Ruhrgebietsoriginal sagte das so: "Frütthemm, so sagte er immer, Frütthemm, ist es nicht herrlich, dass wir von Jesus wissen und damit die wichtigste Hauptsache der Welt als Auftrag haben: Jesus, der uns konkurrenzlos wichtig ist?" Liebe Gemeinde, es gibt viel Hunderte von Menschen, viele Tausende fast, von ganz jungen und von älteren Menschen, die da von diesem begnadeten Prediger Fritz Schwarz und von seinen Büchern einen Anstoß kriegten zur Erleuchtung, genau so wie Paulus es schreibt: dass durch uns entstünde die Erleuchtung, es auch mit Jesus zu versuchen, Jesus, der herrlich und der konkurrenzlos wichtig ist.

Und 25 Jahre Pastor und davon fast 20 Jahre Deilinghofen, in dieser ganzen großen Zeitspanne mit allen Hochs und Tiefs, da ist mir das sehr oft nachgegangen und hat mir auch Trost gegeben, was dieser leidenschaftliche Temperamentsbolzen Fritz Schwarz mit seiner Rednergabe und mit seiner beißenden Kritik an schlafenden Christen und langweiligen Pastoren damals frisch, fromm, fröhlich und frei von Jesus gelebt und gesagt hat

So ist das mit der Erleuchtung, denke ich, von der Paulus im heutigen Text schreibt, liebe Gemeinde. Manchmal merkt man die an Menschen, manchmal spürt man die Menschen ab, und dann, dann haben solche Menschen etwas von dem, was nur Jesus gibt, und was weiter muss zu andern hin, dass es da auch hell wird.

Der andere, Dietrich Bonhoeffer, der 1945 von den Nazis hingerichtete Widerstandskämpfer, der gegen Hitler kämpfte, war auch so ein Christ - mit ähnlichem Charisma, mit ganz starker Ausstrahlungskraft und tiefem Glaubensmut. Dienstag haben es ganz viele in dem Bonhoeffer-Spielfilm mitbekommen, der da am Ende sehr stark Menschen beeindruckt hatte, wie ich es sonst nur von Jugendlichen sah, die den Film "Schindlers Liste" sahen. In dem Film da kamen an einer Stelle Worte wieder, die bei Bonhoeffer aus seiner Haftzeit auch geschrieben stehen:

Wer bin ich? Sie sagen mir oft, / ich träte aus meiner Zelle / gelassen und heiter und fest / wie ein Gutsherr aus seinem Schloss. / Wer bin ich? Sie sagen mir oft, / ich spräche mit meinen Bewachern / frei und freundlich und klar, / als hätte ich zu gebieten.

Und Bonhoeffer, der Gefangene, der auf viele so eine Ausstrahlungskraft hatte, der fragt da weiter, auf die andere Seite, auf die ganz dunkele Seite seiner Existenz sehend:

Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen? / Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß? / Unruhig, sehnsüchtig, krank, wie ein Vogel im Käfig, / ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle, / hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen, / dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe, /zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung.

Und es mündet da ein: ob es nun so oder so ist: Dein bin ich und bleibe ich, Gott.
Genau das Gleiche, liebe Gemeinde, kommt im weiteren Verlauf unseres Textes bei Paulus in 2. Korinther 4 auch vor: Die Erleuchtung, die da ausstrahlen soll und auf andere übergehen, das ist nicht Heldentum eines Heiligen und Strahlemann-Sein. Nein, es ist ein Schatz in irdenen Gefäßen, ganz anders als es die Gegner des Paulus da im zweiten Korintherbrief vertraten: dass waren nämlich so Strahlemänner, so hyperfromm Tuende, die meinten, wenn man Jesus hat, dann ist man als Erleuchteter schon in höheren Sphären.

Paulus aber sagt, das ist anders rum! Immer ist es ein Schatz in einer zerbrechlichen Hülle, ganz viel Wertvolles, aber verborgen in einer Schale, die ganz unansehnlich ist, ganz viel Herrlichkeit - mitten unter Bündeln von Leid und Problemen verborgen.

Schatz in irdenen Gefäßen, was das heißt, das legt sich im Leben aus. Ich habe viele der Leiden des genannten Superintendeten Fritz Schwarz vor seinem Tod aus der Nähe mitbekommen, nicht nur seinen immer größer werdenden Ruhm, sondern auch persönliche Katastrophen: extreme Leiden in der Familie und fürchterliche Krankheitsanfechtungen, auch Anfeindungen von Gegnern außen. Und gerade in dem hat er sich nur noch tiefer an Jesus gehalten, ist sein Glaube als geprüfter Glaube noch gereift und tiefer geworden, das strich nie den Satz durch, dass man ihm abnahm, dass Jesus ihm das Wichtigste und Herrlichste auf der Welt war, ein Schatz, der bei ihm ganz tief verwurzelt drin war in einem irdenen Gefäß.

Und bei Bonhoeffer nicht anders; viele sahen es da Dienstag im Film äußerst eindrucksvoll: Todesdrohungen, Einschüchterungen und Erpressungen, da in der Zelle - und in dem Ganzen weiß er sich bis vor dem Tod, wie wir sangen, "von guten Mächten wunderbar geborgen"!

Man sieht ihn da, wie er in der Zelle Kontakt aufnimmt mit einem Jungen in der Nachbarzelle, der den nächsten Tag erschossen werden soll; er spricht ihm da durch die Zellenwand Mut zu und fragt, ob er mit dem Jungen beten soll. "Nein, ich glaube nicht an Gott!", so die Antwort von der andern Seite - und doch kommt's da zu einem Gebet, wo beide je von einer Zellenseite die Hände gegeneinander halten, und Bonhoeffer betet: "In mir ist es dunkel, aber bei dir ist das Licht..." - ein Gebet, das wie der Wärter sagt, den Jungen - gelassen sterben ließ.

In irdenen Gefäßen, so sagt Paulus dazu, damit es Gottes Kraft ist und nicht unsere. Und er fährt fort, Erfahrung wie die eben geschilderten aufnehmend: Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um. Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.

Nichts anderes habe ich nötig als Pastor nach 25 Jahren und Sie genauso als Gemeindeglied, dass man in unsern Ängsten, Leiden und Anfechtungen uns das noch abspürt und abnimmt, dass uns dieser Jesus und kein andrer hält, dass man selbst in unsern Leiden und in unsern Lebensproben noch was sieht von Seinem Leben, von der Erleuchtung durch sein Licht.

Ja, dass man wie da bei Fritz Schwarz und Dietrich Bonhoeffer an uns als Menschen, als irdenen Gefäßen, die Herrlichkeit erkennt von dem, dem wir gehören, von dem, dessen Friede höher ist als alle Vernunft. Der bewahre unsere Herzen und Sinne, dieser Jesus Christus. Amen.

Home:  www.pastoerchen.de und www.kanzel.de.vu