Gottesdienst am Sonntag Septuagesimae, 2.2.2000 
(Presbyterwahltag) in der Stephanuskirche Deilinghofen

Orgel/Abk./Eingangslied: Morgenglanz der Ewigkeit (eg 450, 1-5)
Im Namen.../Unsere Hilfe...
Liturgie nach Burkhard Heim, "Beten im Gottesdienst", braune Mappe, S. 46 und 47 - dort auch das Fürbittengebet. Heim folgen wir bis zur Lesung:

In der  vorgeschriebenen Evangelienlesung des Sonntags Septuagesimae (70 Tage vor Ostern) hören wir ein Jesusgleichnis aus Matth. 20,1-16:

Denn das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen. Und als er mit den Arbeitern einig wurde über einen Silbergroschen als Tagelohn, sandte er sie in seinen Weinberg. Und er ging aus um die dritte Stunde und sah andere müßig auf dem Markt stehen und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist. Und sie gingen hin. Abermals ging er aus um die sechste und um die neunte Stunde und tat das-selbe. Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere und sprach zu ihnen: Was steht ihr den ganzen Tag müßig da? Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand eingestellt. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg. Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den letzten bis zu den ersten. Da kamen, die um die elfte Stunde eingestellt waren, und jeder empfing seinen Silbergroschen. Als aber die ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und auch sie empfingen ein jeder seinen Silbergroschen. Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn  und sprachen: Diese letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben. Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen? Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem letzten dasselbe geben wie dir. Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin? So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.

Glaubensbekenntnis und Lied vor der Predigt: Meinen Jesum lass ich nicht, eg Nr.402, 1-6.
 
 

Predigt zum Sonntag Septuagesimare: Jeremia 9, 22 bis 23
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und unserm Herrn Jesus Christus. Amen.


 


Ein sehr sehr kurzer Predigttext ist heute vorgeschrieben in unseren Kirchen, wohl der kürzeste im ganzen Jahr, und mit der passendste, finde ich, gerade für den Tag der Presbyterwahl heute. So hören wir aus dem Propheten Jeremia im Kapitel 9, in den Versen 22 und 23:

So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.

Liebe Gemeinde! Lassen sie mich die Predigt zu diesen beiden Versen aus Jeremia 9 mit einem Kinderspiel beginnen. Ein Kinderspiel, das früher Mode war und wohl fast jeder hier kennt: dass sich da zwei gegenüberstehen und dann geht es so [Handbewegung] und „Schnick, schnack, schnuck“ und man zeigt so: [Handbewegung], das ist Papier oder so [Handbewegung]:  das ist Stein, oder so: [Handbewegung],  das ist Schere, jeder wählt blitzschnell bei „Schnuck“ sein Zeichen mit der rechten Hand. Und dann kommt’s raus, wer gewonnen hat und wer sich am besten auf die erwartete Ent-scheidung des Kontrahenten eingestellt hat. Wie’s dann wei-tergeht und ausgewertet wird, das wissen Sie alle zusammen: „Schere schneidet Papier“ und gewinnt, oder „Stein haut Schere kaputt“ oder „Papier wickelt Stein ein“.

Und natürlich, dahinter bei diesem amüsanten und nett anzusehenden Spiel steckt immer die Frage: Worauf wird der andere setzen? Kann ich einschätzen, worauf er setzt und entsprechend auf anderes setzen. Denn gewonnen hat am Ende der, der besser gesetzt hat.

Liebe Gemeinde, ich mach mal gleich ein „moderneres“ Spiel hinterher: seit inzwischen auch schon zwanzig Jahren ist es ein Evergreen, „Autoquartett“, und auch das muss ich nicht groß erklären: Zwei Jungen gucken jeder auf die oberste Karte ihres Kartenstapels in der Hand: Was nehm’ ich? Ich wähl mal „Zylinder“ aus, und der, der vier hat, der runterliegt gegen den anderen, der einen Achtzylinder auf der Hand hat, und wenn man unter all den Daten den „Jaguar E“ hat (so war es bei uns damals), dann war man in der Kategorie „Geschwindigkeit“ nicht zu schlagen und stach immer den Gegner aus, denn der „Jaguar E“ fuhr 240 Sachen, und das war nicht zu toppen.

Wir sagen vielleicht „Kinderspiel“, aber es scheint viel mehr zu sein...  Sage keiner, ich plaudere hier von Kindersachen, von belanglosen Spielchen bloß. Denn eigentümlich und frappierend, liebe Gemeinde, finde ich: Der Spielgedanke von beiden Spielen, die ich nannte – auf einmal finde ich den in der Fernsehwerbung wieder: Wie stech’ ich den anderen aus, wie zeig ich dem, dass der falsch gesetzt hat, wie spiel ich meine Werte aus, dass die vom anderen nicht zu toppen sind!!? Denn in frappierender Ähnlichkeit zum „Autoquartett“, das die kleinen Jungen spielen treffen sich da in einer sehr sehr bekannten Fernsehwerbung zwei „große Jungen“, zwei erwachsene Männer, die sich offenbar als alte Jugend-freunde lange nicht gesehen haben. Kurze Begrüßung und dann holt der eine seine teure lederne Brieftasche hin und blättert, als wären es drei Asse drei große Glanzfarbfotos hin und sagt stolz und herausfordernd dazu, was man da sieht: „Mein Haus!“ zack, „mein Auto!“ zack, „mein Pferd!“, und der andere dort in der Werbung, der spielt das „Autoquartett für große Jungen“ mit, holt seine Brieftasche raus auch mit Glanzbildern in bunt: „Mein Haus!, mein Auto!, mein Pferd!, meine Pferdepflegerin!, mein Swimming-pool!, meine Y-acht!“ – und die fünf Bilder des zweiten – ob der Jaguar E dabei war, weiß ich nicht, jedenfalls die stachen die drei Bil-der des ersten allesamt aus, und irgendwie hing das mit der Sparkasse zusammen, mit Wertpapieren oder Investment-fonts oder was weiß ich...

Ich will hier mein Beispiel stoppen liebe Gemeinde, wohl wissend, dass ich es noch viel weiter ausführen könnte, weil so auch und gerade bei Erwachsenen offenbar das „Spiel des Lebens“ gespielt wird – bis hin hoch zu den Politikern, die zur Zeit – wem sag ich da Neues? – das genau gleiche Spiel als Bluff-Spiel mit verdeckten Karten spielen: Wie kann ich den andern ausstechen und mir mit Kartentricks Vorteile sichern, wie spiele ich meine Werte aus und mach den andern fertig, mit den Karten, die ich habe, die wenn sie vom Wert her nicht ausreichen, ich mir hinterrücks aus schwarzen Kassen leihe...

Unser heutiger Predigttext, liebe Gemeinde, meint genau so etwas, das Spiel des Blendens und Ausstechens, wie es in unserer Welt gang und gäbe ist, wenn Gott da in Jeremia 9 in unseren beiden Versen den Menschen in Gottes Volk verbietet, sich einfach unkritisch nach den Spielregeln dieser Welt zu richten. Und durch den Propheten sagt er seinen Willen in radikaler Form in diesen beiden Versen, im Bild gesagt: wir sollen unser „Schnick-schnack-schnuck“, wenn wir ihm gehören, doch bitte anders spielen. Und wie, das sagt er uns,  wenn es dort heißt: So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.

Liebe Gemeinde, ich musste, als ich diese beiden Verse am Montag zum ersten Mal las und dann im Laufe der Woche für uns hier bedachte, wen wundert’s, natürlich an den heutigen wichtigen Tag der Presbyterwahl denken und an diese fünf hier, die uns hier vom Titelbild des Gemeindebriefes entgegenlächeln. [Gemeindebrief zeigen] Darüber steht, bezeichnenderweise – die Überschrift: „Eine gute Wahl, mit Jesus Christus in das Jahr 2000“. Und vielleicht, wenn man’s genau bedenkt, ist das ganz dicht bei unserm heutigen Text!

Und wenn ich dann mal hinten im Gemeindebrief aufschlage die Seiten 14 bis 17, da stehen dann fünf Selbstvorstellungen, dass die neuen Kandidaten Anne und Simone sich vorstellen, dass die drei schon-Presbyter-Gewesenen, die wieder Kandidaten sind, sich vorstellen – nämlich Hannelore und Manfred und Ortwin. Und von außen könnte da jemand rankommen und fragen, wer ist der Beste oder die Beste? Und da ist ja ganz normal: Jeder und jede hat eigene Gaben und eigene Qualitäten, und man könnte es dann so sehen nach dem Muster wie „Schnick-Schnack-Schnuck“ oder „Autoquartett“, dass man die Qualitäten ausspielen muss, um den Erfolg zu ringen, etwa dass Anne wegen ihres Berufs nach Pädagogik-Pluspunkten hochgewertet wird, da einen Bonus für Klugheit und Weisheit kriegt, dass Simone für Jugendarbeit hochgewertet wird, weil sie jung ist und da viele kennt und da Punkte für Stärke kriegt, dass die drei „alten Hasen“ Hannelore einen Erfahrungsbonus haben auf Gebieten der kirchlichen Arbeit – und dass daraus – dass eben nach Kampf das Beste und Tollste sich durchsetzt – dass dann so auf diese Weise ein Gremium zustande kommt nach der Wahl.

Aber genau das – sagt unser heutiger Text – will Gott nicht! Weder das Geld soll die Welt regieren noch eingebildete oder vorhandene Klugheit und Weisheit, Stärke oder Erfah-rung, auf die man stolz sein kann, ein ganz anderer Punkt wird da genannt als der entscheidende Dreh- und Angelpunkt eines Menschen, der in Gottes Dienst steht, eines Menschen, der in Gottes Volk nach seinem Willen fragt:
Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin!

Es ist genau der Punkt, der in unserer Kirche hundertmal von Mitarbeitern, von Pastoren, von Presbytern vergessen wird: Wir spielen unsere Spielchen, manchmal durchaus den Politikern ähnlich, aber wir vergessen, was der Dreh- und Angel-punkt ist: dass nämlich - Gott sei Dank! - da noch einer reinredet in unsere Spielchen und uns sagt: Ich bin auch noch da, ich bin sogar der Wichtigste, ich bin der Herr, der Hausherr hier im Haus unserer Gemeinde! Und wo das die Welt nicht mehr sehen kann, dass er der Herr ist, hier unser Herr ist, wo das nicht mitgetragen wird vom ganzen Presbyterium und von allen Mitarbeitern in der Gemeinde, da verkommt die Arbeit in der Kirche zu bloßem allgemeinen „Schnick.-schnack-schnuck“, da sagen sie: Presbyter und Mitarbeiter, das ist eben so’n Club, ein Verein und sonst nichts, und die sind bloß der Vorstand von dem Laden...

Von unserem Text her, liebe Gemeinde, kann man sagen: Wir brauchen nicht unbedingt Supermenschen mit Supergaben als unser Leitungsgremium, wir brauchen nicht welche, die vor der Welt glänzen und geehrt werden wollen und da ihre Karten ausspielen, wir brauchen welche, die selbst für sich gewählt haben, wie es hier vorne auf der Titelseite steht, die sich klar und mutig auf die Seite von Jesus stellen, eine gute Wahl getroffen haben, „mit Jesus Christus in das Jahr 2000“ zu gehen, und auf diesem Weg andere mitziehen möchten, mitziehen auch in den Gottesdienst, mitziehen in ein verbindliches Leben mit ihm, so dass man hier anmerkt: das ist nicht bloß ein Verein, denn da ist Gott der Herr! Und ich bin gewiss, alle fünf, die hier zur Wahl stehen, wissen um diesen Dreh- und Angelpunkt, wie er da mitten in unserm Text steht: dass unsere Kirche niemals versacken darf in all dem äußerlichen Rühmen und Angeben, wie viel (oder wenig) Geld da ist und wie viel Erfahrung, Weisheit und Kompetenz...

Bei Jesus damals im Gleichnis der Weinbergarbeiter – da war es ziemlich genauso wie hier in Jeremia 9: nicht die Werte dieser Welt zählen da, nicht das Gesetz, wie einer den andern aussticht mit mühsam erbrachten Leistungen, auf die er sich einen Stiefel einbilden kann, sondern wer hinten erst kam, kriegt so viel wie die, die vorne sind, Hauptsache er wirkt mit ganzer Kraft und Treue in dem Weinberg für den Herrn.

Und überhaupt, liebe Gemeinde, geht von unserm Text eine unterirdische Grundlinie durch die ganze Bibel, durch die ganze Geschichte des Volkes Gottes bis direkt zu Jesus hin und von da zu uns, denn eine der Geschichten, die in der bald folgenden Passionszeit ja oft gelesen wird, die greift das „Schnick-schnack-schnuck“ dieser Welt auf, als da die Jünger Jakobus und Johannes fragen, ob sie einmal bitte, bitte oben sitzen dürfen im Reich Gottes, und als die anderen Jünger auf sie sauer werden und Jesus dann – ganz quer zu den Regeln, die in dieser Welt herrschen, sagt:
„Ihr wisset, dass die weltlichen Fürsten herrschen und die Obersten haben Gewalt. So soll es nicht sein unter euch. Sondern, so jemand will unter euch gewaltig sein, der sei euer Diener; und wer da will der Vornehmste sein, der sei euer Knecht, gleichwie des Menschen Sohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele“.

Ja, gebe er es, der Herr der Kirche, dass hier Gottesdienst nicht nur am Sonntag so geschieht, dass man merkt, wer hier der Herr ist, dem wir dienen, dass man es merkt, wir machen nicht die gleichen Spielchen wie in der Welt, sondern als Glaubende setzen wir das Entscheidende auf eine andere Karte. Ja mag man es merken an uns, das gebe Gott durch seinen Geist, dass wir uns höchstens rühmen, in einer gottlosen unbarmherzigen und lieblosen ungerechten Welt noch was vom  Herrn der Welt zu wissen, der auch als Herr unseres eignen Lebens der HERR ist, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt, wie unser Text sagt. Wohl dem, der da wissend, worauf er setzt - sagt: „Meinen Jesu lass ich nicht“ (wie wir vorher sangen), wohl dem, der da von Herzen singt – wie wir jetzt singen mit dem Wochenlied: „Gott liebt diese Welt und wir sind sein eigen, wohin Gott uns stellt, sollen wir es zeigen: Gott liebt diese Welt.“ Und der Friede Gottes...  Amen.

Das Wochenlied dieser Woche als Lied nach der Predigt: Gott liebt diese Welt (eg 409), Strophen 1-8.

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