Predigt am Sonntag Laetare, 25.3.01, beim Altenabendmahls-Gottesdienst

in der Stephanuskirche Deilinghofen

 

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und unserm Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde, ein wesentlicher Teil des heutigen Predigttextes ist hier oben am Kanzeltuch schon aufgehängt. Und fast fünfzig Personennamen sind hier mit dem „Predigttext“ verbunden auf diesem „Kunstwerk“, das die Konfirmanden vorigen Monat herstellten beim der Konfirmandenfreizeit auf dem Wartenberg zum Thema Abendmahl. Hier steht oben auf der Plakatpappe: „Ich bin das Brot des Lebens“, und als Sinnbild da in der Mitte der braune Laib Brot, das Brot-Puzzle, wo auf jedes Stückchen Brot einer der Jugendlichen seinen Namen geschrieben hat bei der Freizeit. Alle zusammen machen ein Brot aus und haben Anteil an dem Einen, an dem großen Ganzen, dass ER gesagt hat: Ich bin das Brot.

Hören wir jetzt den ganzen Predigttext, wie er vorgeschlagen ist in unseren Kirchen für diesen Morgen am Sonntag Laetare, dem vierten Sonntag in der Passionszeit; es sind Jesus.Worte aus Johannes 6, 47-51:
 

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer glaubt, der hat das ewige Leben. Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt, damit, wer davon isst, nicht sterbe. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Und dieses Brot ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt.


Gebet:
Herr, schließe du uns dein Wort auf und schenk, dass wir von dir was aufnehmen - mit den Ohren und mit den Herzen. Segne du das Reden und Hören. Amen.


Liebe Gemeinde! „Der Schatz“, so ist die kleine Geschichte überschrieben, die hier am Anfang dieser Predigt steht. Hören Sie einmal zu!

Grau war der Tag und grau die fensterlose Hausfassade. Grau wirkte auch das Kind. Ziellos schlenderte es die Straße entlang. So wie jeden Tag. Es schlüpfte lautlos durch die grauen Ruinen. So wie jeden Tag. Oder es spielt mit andern Kindern, die auch lautlos, die auch ohne Lachen, die auch grau waren.

Das Kind kauerte an der Rinnsteinkante.

Mit ausdrucklosen Augen sah es immer wieder auf das, was von dem kleinen Laden übrig geblieben war.

Bäckerei stand in verschnörkelter Frakturschrift  über der Ladentür und über dem Schaufenster, das jetzt mit rohen Brettern vernagelt war. Die Buchstaben mussten einmal golden oder schwarz gewesen sein. Jetzt aber wirkten auch sie wie das Kind, wie die Hausfassade, wie dieser Tag: grau.

Das Kind kam jeden Tag hierher. Jeden Tag, seit dieser Krieg aus einer lebensfrohen Stadt ein freudloses, ein fensterloses, ein graues Etwas gemacht hatte.

Doch da ereignete sich etwas Ungewöhnliches, etwas, was in all den  grauen Tagen noch nie dagewesen war: Scheu lugte die Bäckersfrau zur Ladentür heraus. Sie winkte dem Kind. Sofort rannte es über die Straße und verschwand im Laden.

Als das Kind zurückkam, da hatte es sich verändert: Es hüpfte. Die Augen glänzten. Mit einem Mal wirkte es nicht mehr grau. Das Kind drückte etwas an seine Brust mit beiden Händen: offensichtlich einen Schatz, etwas sehr Wertvolles.

Voll Freude rannte das Kind die drei Treppen hoch. Mit einem frohen Lachen streckte es seiner Großmutter etwas entgegen: ein Stück Brot.

Liebe Gemeinde, mich hat diese kleine Geschichte „Der Schatz“ vom Autor Peter Friebe beeindruckt und nachdenklich gemacht. Und beim Drüber-Nachdenken fielen mir mehrere Kurzgeschichten ein aus der Kriegs- und Nachkriegszeit, die so ähnlich sind: von Heinrich Böll, von Wolfgang Borchert und anderen, da geht es jedesmal um Brot, das so wertvoll ist wie ein Schatz, und da geht es jedesmal um Mangelzeiten, als die Leute „Schmacht bis unter die Arme“ hatten, und als das wahrgenommen wurde, dass Brot-Essen was ungeheuer Wertvolles ist. Und ich selbst habe es vor Augen - aus unserer Zeit, nämlich bei einem Besuch in Schelkowo, als ich mit Ortwin Quaschnik vor einem Jahr in der Partnergemeinde zu Besuch war: Da war die Szene ähnlich grau wie die beschriebene, wie da eine ärmlich gekleidete Frau an der U-Bahn-Station in Moskau sich dem Abfallkorb in der Ecke näherte, auf einmal den Inhalt durchwühlte und aus dem ekligen Müll da ein Stück Brot herausnahm, eben weil sie genau das hatte: Hunger, „Schmacht bis unter die Arme“.

Das ist wohl so: was eigentlich Brot bedeutet, welchen Wert es hat und inwiefern dies Grundnahrungsmittel ein Schatz ist, das nimmt nicht jeder wahr. Das weiß allein der, der das andere auch kennt: dass man Hunger hat.

Ja, und das ist ja bekanntlich schon im alten Testament so: Wir kennen alle die Geschichte, wie Mose und die Kinder Israel in der Wüste am Verhungern waren und wie sie da schrien, schrien anch Brot. Und wie sie es als eine Erhörung ihrer Wünsche und als eine Fügung des lebendigen Gottes gesehen, als Wunder von oben aus seiner Hand, als da jeden Morgen die Körner „klein und rund wie Reif auf der Erde“ dalegen, zu sammeln waren, das Manna, die Früchte bzw. Körner der Manna-Tamariske, die da lagen wie geröstetes Brot, als Gottesgeschenk, das Manna, das Himmelsbrot in Wüstennot, Brot, das direkt aus dem Himmel zu ihnen gekommen war in ihre graue Wüste. 

Genau auf diese Geschichte - wir haben es eben bei der Lesung gehört, liebe Gemeinde - lenkt Jesus die Gedanken seiner Hörer dort in Johannes 6 zurück: Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt, damit, wer davon isst, nicht sterbe.

Ja, hier bei Jesus geht es auch um Hunger, der zu stillen ist, auch um einen riesigen wertvollen Schatz, Brot zum Leben, „Brot für die Welt“, hier geht es auch genauso drum, dass Leute, die Mangel haben, gesättigt werden - aber noch ganz anders gesättigt: mit einem Brot zum Leben, dass man auf ewig nicht Hungers sterben muss. Ja, ich bin das wirkliche Manna, das wahre Brot, das vom Himmel gekommen ist, greif zu und nimm’s in dich auf, so meint es Jesus da.

Eure Väter sind in der Wüstenzeit dann schließlich doch gestorben, auch wenn die Manna als Wunder erlebten, greift doch zu, das Wunder, der Schatz ist näher als ihr meint: Hier ist das wahre Brot, das Brot, das vom Himmel gekommen ist, so meint es Jesus da, und genau in dieser Richtung hat er den heutigen Predigtabschnitt begonnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer glaubt, der hat das ewige Leben. Ich bin das Brot des Lebens.  Und er setzt das Gemeinte dann später fort mit den erklärenden Worten: Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Und dieses Brot ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt.

Liebe Gemeinde, im Klartext heißt das: Ewiges Leben, gerade wie da das Johannesevangelium es durchgängig sagt, ist durchaus einen Tick anders, als es manchmal gesehen wird bei uns. „Ich glaube an das Ewige Leben“, steht ja im Glaubensbekenntnis ganz hinten, und da meinen viele, das wäre bloß was, was vielleicht bloß in der Zukunft noch kommt, eben auch ganz hinten, nämlich wenn man gestorben ist. Anders bei Jesus, der da sagt in unserm Text vom Brot: Sobald du glaubst, dann hast du hier schon Ewiges Leben, denn ich bin hier und jetzt, in der Gegenwart, für dich schon im Bilde gesprochen das voll sattmachende „Grundnahrungsmittel Brot“, das deinen Mangel beseitigt und dein Graues hellmacht, das deinen Hunger stillt, das hier schon dich labt in deiner Wüste mit Manna vom Himmel. So verstanden wie da bei Johannes ist ewiges Leben nicht so sehr bloß „die endlose Zeit“, sondern Jesus im Johannesevangelium meint’s anders: deine Zeit, dein Leben kriegt Ewigkeitswert, wenn du von mir was aufnimmst, wenn du den Sinn und das Ziel deines Lebens an mir festmachst und teilhast an mir, jenem Brot, das den, der das aufnimmt in sich, in Ewigkeit nicht hungern lässt. Solches Leben mit Ewigkeitswert heißt: Jesus will hier schon mein tägliches Brot sein, das mir Lebenskraft gibt, und er wird mich nicht allein lassen, wenn ich ganz am Ende bin, selbst im Tod nicht, denn er, das Brot des Lebens, wird mich an seinen Tisch laden über den Tod hianus in seinem Reich, wo ich ihn sehen werde und Gemeinschaft haben mit ihm an seinem Tisch dort.

„Das Wunder, der Schatz ist näher als ihr meint“, sagte ich eben - ja, liebe Gemeinde, was in meinen erzählten Beispielsgeschichten vom Brot galt, das gilt 100 Mal von Jesus bis zum heutigen Tag! So wie das kleine Mädchen das Brot wie ein Riesengeschenk nach Hause zur Oma trug, genau so ein Schatz ist Jesus, ein Schatz, der sich uns selber schenkt. Ihn, das Brot, als einen Schatz sehen, als den kostbarsten Schatz der Welt, um nichts anderes geht es hier!

Da geht es freilich Jesus heute manchmal genau wie dem gewöhnlichen Brot, das man isst. In Zeiten unseres Mangels steht es hoch im Kurs, im Überfluss landet es allzuoft grünlich verschimmelt oder völlig vertrocknet im Müll. Da wird Jesus nicht mehr als Grund und Grundnahrungsmittel sehen, nicht als Mittel zum Leben, als Lebensmittel im wahrsten Sinn des Wortes, sondern als ein hausbackenes Irgendwas, was wir vertrocknen lassen und was dann im Abfall landet, weil wir den Bauch und all unseren Mangel mit andern Sachen füllen, die uns gehörig den Magen verderben. 

Es ist mir unter die Haut gegangen am Freitag abend bei der Jahreshauptversammlung des CVJM, als Ortwin Quaschnik da im Martin-Luther-Haus eine engagierte und flammende Andacht hielt, mit der Grundfrage dort vor etwa 50 jungen Leuten und Mitarbeitern, wieviel Jesus uns noch wert ist bei all den tollen Angeboten, die wir in unserer Gemeinde auf der Palette haben. Bieten wir noch etwas von dem Brot des Lebens an, oder lassen wir es bei tollen Spieleabenden, bei Kaffetrinken und allem, was so Spaß macht. Wagen wir es zu sagen und Jungen wie Alten anzubieten, was gerade in unserer Zeit der unübersehbaren geistlichen Unterernährung das Wichtigste der Welt ist: dass man ohne mit Jesus zu leben, keinen Sinn im Leben hat und verloren ist, eben weil nur ER, das Brot, das uns gegebene Mittel zum Leben, das Lebensmittel Nr. 1 ist? 

Ja, das Plakat hier vorne am Kanzeltuch drückt einen ganz großen und wichtigen Wunsch aus: dass für diese 50 Namen, die da stehen, wirklich ein Teil werden von Jesus, dem Brot des Lebens, das sie ihn ganze Sache mit hm machen, dass sie ihn, zu dem man beten kann, den Sinn des Lebens sein lassen, dass sie jetzt und auf ewig ihm gehören und wissen: er hat sein Fleisch, er hat sich seinen Leib, wie es der Text heute sagt, für die Welt gegeben, er hat sich ganz und gar für uns gegeben am Kreuz von Golgatha, und er ist uns nah - gerade auch in besonderer Weise in dem kleinen Stück Brot, das man beim Abendmahl zu sich nimmt und in dem Schluck Wein aus dem Kelch beim Mahl seines Bundes.

Und was für 14jährige und alle Jungen gilt, das gilt allemal für alle die hier, die älter sind, das gilt besonders auch für die, die Mangel haben und leiden müssen. Vier Beerdigungen, sehr schwer zu ertragen, zwischen Mittwoch und Montag, so hörten wir am Anfang dieses Gottesdienstes, viermal die Frage: Was bleibt, wenn der Tod alles nimmt und so viele Hoffnungen zerstört, was bleibt dann vom Sinn des Lebens?

Liebe Gemeinde! Nirgends stärker als manchmal beim Abschied von Sterbenden, mit denen man betet, nirgends stärker als manchmal beim letzten Abendmahl von Menschen, die gehen müssen, zeigt sich da etwas von Jesus, der Licht der Welt in aller Dunkelheit ist und Brot des Lebens, das der Tod nicht zerstören kann, nirgends stärker zeigt sich dem Glauben da, im Extremfall der Glaubensprobe, dass ER allein, der für uns starb, das Mittel zum Leben uns werden will, ein Schatz, den man nie verlieren kann, ein Schatz, der die nicht verliert, die ihm gehören.  Ja, das kleine Stück Brot, das gleich gereicht wird, das Menschen hier zum Mund führen und in sich aufnehmen, das steht hier für die große Einladung, für das große Angebot: Manna zu essen, Brot vom Himmel gekommen, und teilzuhaben an Jesus, der für uns starb und in uns Leben schenken will, Leben mit Ewigkeitswert. Greif zu und iss, nimm’s ganz in dich auf, und lass es wahr sein für dich: so ein kleines Stück Brot, ein viel größerer Schatz als alles sonst auf der Welt, ein Schatz, durch den manchmal sogar Graues hell wird! Amen.