"Ich will dich lieben, Herr..."
("BMW-Predigt" über die Denksprüche von Birgit und Michael Wolkewitz)

Konfirmationpredigt bei der Konfirmation der ersten Gruppe am 25.4.1999

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Hl. Geistes, sei mit Euch, den Konfirmandinnen und Konfirmanden, und mit Euch allen. Amen.

Die heutige Predigt entstand nicht am Schreibtisch und ist nicht nur für den Kopf. Sie entstand auch aus vielen Gefühlen und Erlebnisse; viel Liebe war auch dabei, darauf könnt Ihr Euch verlassen. Ihr wart dabei. Und sie ist im Grundstock entstanden im Haus Waldemey 18 bei Birgit und Michael, als wir da Dienstag nach Ostern den ganzen Abend lang fünf Stunden nachdachten über das Leben eines 14jährigen Mädchens namens Birgit und ihres 15jährigen Bruders Michael. Und wir dachten da, daß die beiden Bibelworte, die sich die Geschwister als ihre Denksprüche aussuchten, ziemlich gut zusammenpassen und genauso den andern 14 von euch was zu sagen haben können. Und so wird es nun eben hier eine "BMW-Predigt", das heißt eine "Birgit-und Michael-Wolkewitz-Predigt", die ganz genauso Euch, den fünf andern Mädchen und den neun andern Jungen sicher was sagt, wobei ich bei den Worten dieser Predigt eben nicht nur an das Wolkewitz-Gespräch denke, sondern an die langen und guten Gespräche mit Euch andern in Euern Zimmern genauso.

Das Wort, das sich Birgit aussuchte, ist Gottes eingangs schon gehörte wunderbare Liebeserklärung an die Seinen aus Jeremia, Kapitel 31, Vers 3, wo Dir, Birgit, gesagt ist und jedem, der für diese Liebe offen ist: Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. Und so, als wäre das eine Folge davon und ein Echo auf diese Liebe, gibt Michaels Denkspruch Psalm 55, 23 folgende Richtung an: Wirf dein Anliegen auf den Herrn, der wird dich versorgen und wird den gerechten in Ewigkeit nicht wanken lassen. Ja, was kann man hier Schöneres am Anfang sagen, als das, als diese Zusammenfassung einer Konfirmation mit Sinn und Verstand, was ich in Gottes Namen nicht nur Birgit und Michael sage, sondern auch mir selbst sagen lassen will und jedem hier dann sage: So spricht der Herr:

Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. Und als Echo und Folgerung daraus:

 
Wirf dein Anliegen auf den Herrn, der wird dich versorgen und wird den Gerechten in Ewigkeit nicht wanken lassen.

Liebe Festgemeinde! Meine lieben Konfirmandinnen und Konfirmanden!

"Flugzeuge im Kopf, Flugzeuge im Bauch", meine lieben Jugendlichen, damit kann man hier anfangen und das, was hier gemeint ist mit Liebe, näher umschreiben! "Flugzeuge im Kopf" und "Flugzeuge im Bauch", manche werden das nicht verstehen, aber jeder in dieser Kirche, der bei der unvergeßlich tollen Konfirmandenfreizeit auf dem Wartenberg dabei war, kam nicht drum rum, mit der großen Liebe von Dennis konfrontiert zu werden. Und die gilt eben den Flugzeugen. Das ist seine Leidenschaft, davon redet er wetten-daß-verdächtig, und wer weiß, vielleicht kann er 10 oder 20 Maschinen am Motorengeräusch unterscheiden. Wie der Christian mir's sagte, so wurde es auch: "In Dennis' Zimmer mußt du den Kopf einziehen, sonst hast du ein Flugzeug am Kopf". Genauso war es; an dem Thema kam ich nicht vorbei: Flugzeuge am Kopf, Flugzeuge im Kopf.

Und das andere, was ich eben sagte: "Flugzeuge im Bauch", da gibt es hier auch Fachleute für, Fachmänner, aber mehr noch 14jährige Fachfrauen: für das Gefühl, daß man frischverliebt gleichsam "Flugzeuge im Bauch" hat, wie Oli P. und Grönemeier das singen in diesem schönen Liebeslied: Gib mir mein Herz zurück, das beinah auseinanderbricht, wenn man da so "hin und weg" ist, Schmetterlinge im Bauch hat - oder wie es eben Grönemeier meint: "Flugzeuge im Bauch". Ja, das habe ich auch in euern Zimmer in den Gesprächen mit Euch als was ganz Tolles erlebt in den letzten Wochen: daß da ganz viele starke Gefühle in euch sind, Leidenschaften und Sehnsüchte, wie sie 14- und 15jährige ausdrücken können und Größere leider oft in sich vergraben, die Liebe und Leidenschaft für den Wald bei Sven, für den Computer bei Burkhard, Christian, Michael und andern, für Pferde bei Bianca und Rebecca, für Rollerskate bei Markus, für Fußball bei Jörg, für den schwarzgelben Verein bei viel zu vielen, für Musik bei Armin und allen andern, Leidenschaften, Liebe, ganz viel Sehnsucht: eben kurz zusammengefaßt: "Flugzeuge im Kopf, Flugzeuge im Bauch". Ja, damit ist ganz viel von euch zusammengefaßt. Da, wie ihr wißt, meine Frau oft sagt, ich wär ein großes Kind von 15, können zumindest Hendrik und Sebastian, die mich ja fast täglich besuchten, bestätigen, daß auch ich ein Mensch geblieben bin, der nicht nur mit dem Kopf leben möchte und von den Gefühlen her leidenschaftlich was rüberbringen möchte, der sich nicht schämt, manchmal dabei wie ein Kind zu sein, auch wenn Hendrik und Sebastian öfter drüber schmunzeln.

Und genau da setzt der "BMW-Text" heute ein: Wenn ich von Gott reden soll, dann kann ich es nicht cool-überlegen tun, nicht cool wie ein Mathelehrer, der seine schwierige Rechenaufgabe an die Tafel schreibt, der da Beweise und Formeln nüchtern hinschreibt und behauptet: die Lösung geht auf und dann hat man den Beweis. Nein, von Gott, von Jesus kann ich nur anders reden: nur wie von einem Menschen, den ich von ganzem Herzen leidenschaftlich liebe. Sonst rede ich nämlich gar nicht von Gott, nicht von diesem Jesus, von dem hier die Rede ist, sonst rede ich von einer Rechenaufgabe, von einem Beweis, wie ihn Mathelehrer an die Tafel schreiben. Ich aber, der ich mit Mathelehrern und ihren Beweisen eher schlechte Erfahrungen machte, habe diesen Gott, habe diesen Jesus Christus, ganz anders erfahren: Ich habe ihn nicht bewiesen, er hat sich mir erwiesen, und nicht nur mir, Gott sei Dank! Deswegen stehe ich hier, weil ich als ein gar nicht heiliger Mensch ein Geliebter bin, der von seiner großen Liebe nicht den Mund halten will. So ähnlich wie Dennis, der ja auch nicht ruhig ist von seinen Flugzeugen. Ich habe ihn, Jesus, als meine große Liebe erfahren, und viel von dem ging bis in die Gefühle herein, diese Liebesgeschichte, die so viel gemeinsam hat eben auch mit "Flugzeugen im Bauch" und mit dem Gefühl, in dieser Liebe "hin und weg" zu sein - und ganz voll im Herzen. Und wenn ihr gleich singt: "Ich will dich lieben, Herr", "I want to love you, Lord" - dann ist das von euch ausgewählte Konfilied ja eigentlich ein wirkliches Liebeslied, das auch stark Gefühle ausdrückt, und 'ne bessere Liebe, eine bessere Beziehung kann man sich am Tag der Konfirmation gar nicht wünschen als diese: die Beziehung zu ihm, die durch dick und dünn hält.

Ich schätze, auch Du, Birgit, weißt ganz gut schon, was "Flugzeuge im Bauch" sind, und in der Sprache der Verliebten sagt dir da Gott in deinem Spruch, daß du ihm nicht egal bist, daß er etwas mit dir anfangen will. Nein, mehr noch sagt er dir, daß er schon lange was mit dir angefangen hat: Ich habe dich je und je geliebt - Gottes Liebesgeständnis, sehr persönlich für dich, und fast zärtlich geht es da weiter in der Sprache der Liebe: darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. Wir alle hörten, daß das im Jeremiakapitel drinsteht, wo hinterher der Neue Bund verheißen wird. Und von heute aus betrachtet, ist Gottes leidenschaftliche Liebeszusage an seine Leute dann in Jesus, der uns so sehr liebte, daß er für uns starb am Kreuz, und auferstand, Wahrheit geworden, ganz tiefe Wahrheit, die im Bund von Brot und Wein ganz stark - so stark wie fast nirgends - zum Ausdruck kommt. Vergiß die klugen Schlaumeier-Sprüche der Leute über Gott pro und contra, vergiß das "Höchste Wesen" und die "Kraft, irgendwie da oben", den, den alle erst beweisen wollen, als wäre er eine Rechenaufgabe, den, mit dem sie Gedankenexperimente machen, und hinter den sie hinter kommen wollen, womöglich ganz oben - er ist ganz anders: ER kommt runter: runter in mein Leben, auch da, wo ich ganz unten bin, gerade da, und beweist sich mir, wie mein bester Freund, mit dem ich reden kann, wie meine große Liebe, er beweist sich mir selbst und erweist mir seine Liebe, er spricht mich an und Birgit hier und alle und sagt heute: Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte!

Mehrere euerer Denksprüche, über die wir in eueren Zimmern intensiv nachdachten, schließen nahtlos an Birgits Spruch an: Wir werden's nachher hören, "Du bist mein" - sagt Gott in der Sprache der Liebe in Stefanies Spruch zum Beispiel, Marleens Spruch handelt erst recht von der Liebe zu Gott mit allen Gefühlen und der weitergegebenen Liebe an andre, Jörgs Spruch handelt zentral von Gottes Liebe, Rebeccas Spruch lädt zu dieser Liebe ein, und Sebastians Spruch handelt davon, daß man dennoch - bei allen Zweifeln - in dieser Liebe bleiben kann und Dennis' Spruch ähnlich: "im finsteren Tal bist du bei mir".

Ich muß da besonders an den einen von euch denken, der zum Sinn seiner Konfirmation aufschrieb, ihm sei es fast unmöglich an Gott zu glauben, weil er so Tiefes und Schweres erlebt habe. Mit vielen von euch sprach ich, wie ich diese Prüfungen selbst erlebt habe, als Kind in schlimmster Krankheit zuerst, in der Jugend und als Erwachsener dann: daß es da oft an den tiefsten Stellen die intensivsten Erfahrungen dieser großen Liebe wurden, wo man da merkt, manchmal aus der Rückschau erst, wie hier auf dem Poster, das ihr kennt: da hat er, Jesus mich getragen, da hat er mich am meisten lernen und reifen lassen in dieser Liebe, die durch dick und dünn trägt. "Wut, Mut und Tränen wünsch ich dir", sang mein guter alter Bekannter Gottfried vorigen Sonntag in einem besonderen Liebeslied zur Konfirmation, das nicht nur mir durch und durch ging - und da ging's ja in die gleiche Richtung: an überstandenen Zweifeln, an geweinten Tränen und ausgestandener Wut und Verzweiflung, an all diesen starken Gefühlen wird der Mensch reif, im Leben und erst recht auch im Glauben, da wird er reif und bleibt wach und sensibel, andern in ihren Tränen und Fragen zur Seite zu stehen.

Der letzte Teil dieser BMW-Predigt gehört haargenau dahin, nämlich dein Spruch, lieber Michael: Wirf dein Anliegen auf den Herrn, der wird dich versorgen und wird den Gerechten in Ewigkeit nicht wanken lassen. Konfirmiertwerden heißt, nicht wanken müssen, es heißt ja wörtlich: "befestigt werden", "festen Grund unter die Füße zu bekommen". Ihr wißt von mir, für mich ist das viel belächelte Beten nicht anderes als: festen Boden unter die Füße zu bekommen. Wenn ich ins Schwimmen komme und auch sonst: er hat's immer gehört und auf seine Weise beantwortet, und sogar viele von euch, wie sie heute sind, sind für mich eine Gebetserhörung. Zum Beispiel schrieben ganz viele von euch, daß sie zum Beten gekommen sind, und ihr erzähltet es mir auch unter vier Augen. Und einige erzählten mir unter vier Augen da Erfahrungen, die ganz wunderbar waren - auch vom Beten für andere. So wie das eine Mädchen mir damals sagte: "Seítdem ich neu zum Beten kam, habe ich den besten Psychiater der Welt, dem darf ich alles sagen auch das Tiefste, und der nimmt mir Berge von Sorgen weg, so daß ich frei bin. Und wenn jeder diesen Psychiater hätte, gäbs keinerlei Krieg mehr in dieser Welt." Genau das, denke ich, ist in deinem Denkspruch, lieber Michael, dahinter: wir können unsere Anliegen ihm hinlegen, sie abwerfen von uns, freiwerden, so wie auf dem Wartenberg in Simones Gruppe die von euch geschriebenen Schuldscheine verbrannt wurden, so ist dieses Abwerfen da. Und da bei solchem echten Beten fängt die Freiheit und der Friede mit andern an. Ja, mehr noch, etwas von dem, was für zwei Liebende das Küssen und die Zärtlichkeit bedeutet, kann dem Glaubenden das Beten werden. Anliegen auf ihn werfen, festen Boden unter die Füße kriegen, frei sein, frei auch für andere, die seine Liebe brauchen und Frieden von seinem Frieden. Und genau da kommt am Ende Michaels Spruch mit dem von Birgit zusammen in dieser BMW-Predigt: Weil er uns seit eh und je geliebt hat, können wir uns mit all unseren Anliegen ihm anvertrauen als seine Leute, als seine geliebten Leute, die sich zu ihm bekennen.

Und wenn ihr zum Schluß zu ihm Ja sagt, gleich, nach dem Glaubensbekenntnis, und dann ein Liebeslied da anschließt: "I want to love you Lord", "Ich will dich lieben, Herr" - dann darf es da in unsern Gefühlen ruhig genauso sein wie bei "Flugzeugen im Bauch", denn diese Liebe geht in den Gefühlen tiefer als alle Geschenke und alle Geldscheine, die ihr heute kriegt. Denn das, was da auf dem Konfirmationsschein steht, geht euch euer Leben lang nach, längst, wenn der berühmte 100-Mark-Schein der Oma, der so ein Eigenleben hat, wies letzten Sonntag rüber kam, nicht mehr da ist. Denn dann ist Gott immer noch da, Jesus, der uns begleiten will, und in dessen Name hier eine Liebe mit viel dahinter als das Wertvollste des Tages mitgenommen werden kann. Es faßt sich in einem Satz zusammen: Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. Amen.

 

Ein gesegnetes neues Jahr 2000 wünscht allen Konfirmandinnen und Konfirmanden