Gottesdienst am Sonntag Rogate, 28. Mai 2000 in der Reformierten Kirche Dahle
 

(vorher haben wir die Zinzendorf-Lieder "Herz und Herz" und "Jesu geh voran" gesungen)
Zum Inhalt dieser Predigt vgl. auch die Seite von Pastoerchen, was Hemer/Deilinghofen mit Zinzendorf und Herrnhut zu tun haben
Vgl. auch neuerdings www.pastoerchen.de/heimatgeschichte.htm

Am 14.12.2009 erneuert ins Netz gestellt: In memoriam Horst Werner Stein aus Dahle (gest. 11.12.2009), der zu der Predigt anregte...
Zu ihm vgl. auch die Traueranzeige: 
http://trauer.nrw/Traueranzeige/Horst_Werner-Stein
sowie HIER: http://www.come-on.de/lennetal/altena/gedenken-heimatforscher-stein-3473530.html

 

 

Gnade sei mit Euch uns Friede von Gott unserm Vater und unserm Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde in Dahle, im Kolosserbrief Kapitel 4, in den Versen 2-6 finden wir den heutigen vorgeschlagenen Predigttext, wo es überall in ganz Westfalen jetzt in den Predigten um das Zentralthema des Betens geht, dazu heißt es im heutigen Text:  

Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Betet zugleich auch für uns, dass Gott uns eine Tür für das Wort auftue und wir das Geheimnis Christi sagen können, um dessentwillen ich auch in Fesseln bin, damit ich es offenbar mache, wie ich es sagen muss. Verhaltet euch weise gegenüber denen, die draußen sind, und kauft die Zeit aus. Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt, dass ihr wisst, wie ihr einem jeden antworten sollt.

Herr, betend sollen wir dich finden; mach uns Mut dazu - und gib neue Anstöße, dass für Betende Türen aufgehen. Lass uns jetzt recht reden und hören, und lass nicht zu, dass ich anderen predige und selbst verwerflich werde Amen.

Liebe Gemeinde, wenn wir den ersten Satz von eben noch mal hören, dann stand da ja was vom Beten und von der Tür, die aufgeht, wo es da hieß: Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Betet zugleich auch für uns, dass Gott uns eine Tür für das Wort auftue und wir das Geheimnis Christi sagen können.
Und das mit der großen Tür, das mit dem  Beten um die offene Tür, dass das Geheimnis von Christus unter die Leute kommt, das möchte ich hier - dem Text gemäß - „freundlich und mit Salz gewürzt“ - Ihnen nahezubringen versuchen, an einer Geschichte, die denkwürdig genug ist für Deilinghofer, für Hemeraner und dann auch für Leute aus Dahle, wie Sie sehen werden. Es ist eine wahre Geschichte, die nach 1700 geschah und die mich sehr bewegt hat. Aber ich muss Ihnen diese Geschichte auf einem kleinen Umweg erzählen und auf den großen Gedenktag eingehen, der vorgestern begangen wurde. Bekanntlich wurde da an Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorfs Geburtstag gedacht, Zinzendorf, geboren am 26. Mai 1700, der Dichter von „Herze und Herz vereint zusammen“ und von „Jesu. geh voran“, Zinzendorf, der, der vor über 250 Jahren die Herrnhuter Losungen ‚erfand‘, die viele heute morgen wieder gelesen haben, Zinzendorf, der große Pietist und Missionsmensch, zu dessen Jubiläum jetzt sogar eine Briefmarke herauskam, die ihm im Kreise einiger der Herrnhuter Brüder aus der Brüdergemeine zeigt. Zinzendorf, ja, das kann man sagen, war mit der größte Reformer, Reformator und Gottesmann nach Martin Luther überhaupt, ein faszinierender leidenschaftlicher Mensch, der einmal sagen konnte: „Ich habe nur eine Passion, das ist ER!“ 


Ziemlich genau vor 300 Jahren geboren: Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700 - 1760)

Und die Geschichte kennen viele von Ihnen ganz gewiss, dass Zinzendorfs früher wichtiger Anstoß ein Bild war, ein Bild des gekreuzigten Christus, dort von ihm als 20jährigem gesehen - auf seiner Kavaliersreise auf dem Weg von Sachsen, wo er herkam, nach Paris; dort in einer Galerie in Düsseldorf. Und der Gekreuzigte dort auf dem Gemälde in seinen Schmerzen, fragte ihn, den betrachtenden jungen Grafen (wie es drunter stand unter dem Bild): „Das tat ich für dich, was tust du für mich?“, eine Frage, die Zinzendorf nie mehr losließ - und gleichsam sein Motor und sein Lebensprogramm war dann. Mit den Worten des heutigen Predigttextes ausgedrückt: bloß die Zeit auskaufen, dass das Geheimnis von Christus unter die Leute kommt, die Botschaft vom Lamm Gottes und seinem Blut, das die Welt erlöst, bloß Beten um offene Türen, die dann Zinzendorf fand: in Amerika, bei den Eskimos, in London und Amsterdam, offene Türen in Asien, in Surinam, in Neuguinea, offene Türen bei uns in der Grafschaft Mark, in Hemer, in Sundwig, in Deilinghofen, und auch in Dahle, wie ich weiß: wo überall die Botschaft „vom gekreuzigten Lamm Gottes“ (wie es der Graf oft sagte) wie ein frischer Wind als eine Erweckung unter die Leute kam, in eine oftmals lahm und träge gewordene Kirchlichkeit jener Zeit rein, wo Jesus da neu der Herr wurde, wo Menschen sich bekehrten, sogar Pastoren: und wo sie Jesus priesen: dass er das ein und alles sei, und dass es da neu erwachte: „dass die Welt es sehen kann wir als die von einem Stamme, stehen auch für einen Mann“. Bibellesen, Beten, neu was tun für andere, weise wandeln gegen die, die draußen sind (mit unserm Text gesprochen): und in kleinen Gruppen wacher, erweckter Menschen - in Gruppen von Männern, von Frauen und von Jugendlichen,  von innen heraus die Kirche erneuern und von da aus die Welt nicht beim alten lassen. Das gab es da - bei Zinzendorf, und nun meine wahre Geschichte - im Engeren:
Ich fand vor Jahren bei einem Archivbesuch in Herrnhut einen Brief aus dem Jahre 1740, datiert am 28.Mai 1740, geschrieben vom in Iserlohn geborenen späteren Hemeraner und Solinger Pastor Forstmann an den Grafen Zinzendorf nach London. [Vgl. die Seite von Pastoerchen, was Hemer/Deilinghofen mit Zinzendorf und Herrnhut zu tun haben, ferner neuerdings auch seine Seite www.tinyurl.com/forstmann] Und da hört der Graf in der Ferne, wie es hier bei uns in der Nähe auf einmal die Menschen aufwachen. „Es ward eine große Tür aufgetan in Hemer“, schreibt Pastor Forstmann wörtlich. Er schreibt es genau mit den Worten unseres Predigttextes aus Kolosser 4, er schreibt es genau in dem gleichen Geiste, denn als Frucht des Betens genau hat er es gesehen, dass da endlich eine große Tür aufging. Und aus mehr als 200 Briefen, die ich da aus Herrnhut kopiert mitbrachte, über Hemer, Deilinghofen, und auch Dahle, da konnte man das ganze Ausmaß dann sehen, wie die Anstöße des Grafen bis nach hier reichten, man konnte da in diesen spannend zu lesenden Briefen erfahren und sehen, dass in dieser gar nicht so frommen Gegend um Hemer, in dieser Gegend mit viel verholzter Kirchlichkeit und mit ganz viel Kopfglauben, der nur auswendig gelernt war, auf einmal Menschen in Bewegung gekommen waren für Jesus. Eine richtige kleine Erweckungsbewegung gab es da, dass dann die Erweckungsbewegung auch sogar Ihmerterbach und Ihmert erreichte und dass die Herrnhuter Prediger, die sog. Diaspora-Arbeiter, dann auch immer nach Dahle marschierten, das liest man da auch, wo da ein Boden bereitet wurde, auf den dann später ein Pastor Hasenkamp und andere mehr aufbauen konnten.
Jeder hier weiß: „Tu uns nach dem Lauf deine Türe auf“, das sind Zinzendorfs Worte, aber von der Tür, die aufgeht, da wollte Zinzendorf, da wollten die Herrnhuter nicht nur erst nach dem Tode was von wissen - viel mehr wollten sie vor dem Tod schon ihre Zeit auskaufen, damit die Botschaft lebendig viele erreicht und sie zu Jesus kommen. Also genau in der Linie des Predigttextes, wie er heute vorgeschlagen ist und eben gelesen wurde. Und das Faszinierendste von allem: Das ist damals eben nicht so eine tolle Sache von oben gewesen für Superglaubenshelden, keine Starangelegenheit für Grafen allein und für studierte Leute, nein, das ging von unten los, bei kleinen Menschen, wie du und ich es sind, bei einem Müller in der Sundwiger Mühle war ein Zentrum, bei einem Drahtzieher am Ihmerterbach, bei einfachen Christen, die auf einmal in ihrem kleinen Umkreis von Jesus was auslebten und andere einluden, es mit ihm zu wagen. 
Und wenn wir von da in den Predigttext noch mal reingucken, in den ersten Satz, den ich eben noch einmal las: dann ist das genau das, was unseren Gemeinden fehlt, eine Unzahl von Programmen, von theologischen Ideen und Vorlagen gibt es, Tausende von Seiten mit Arbeitshilfen, aber Menschen, die bereit sind zu beten, die betend offene Türen erwarten, die gibt es viel weniger, Menschen, die betend leidenschaftlich was vom Geheimnis Christi was weitergeben wollen, wie es der Apostel da in unserm Text sagt, so dass es für andere verständlich rüberkommt, so dass es auch unten ankommt:
Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Betet zugleich auch für uns, dass Gott uns eine Tür für das Wort auftue und wir das Geheimnis Christi sagen können.
Und die beiden letzten Sätze des Predigttextes, ganz entsprechend, die zeigen, was uns nottut: Verhaltet euch weise gegenüber denen, die draußen sind, und kauft die Zeit aus. Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt, dass
ihr wisst, wie ihr einem jeden antworten sollt.
Freundlich und mit Salz gewürzt, im weisen Wandel gegen die, die draußen sind - das ist da die Meinung unseres Textes: dass gerade die Betenden Augenmaß kriegen, und Ideen, wie die Botschaft einladend an den Mann kommt und an die Frau. Das ist die Meinung des Textes, dass die Betenden eben nicht die nach innen gerichteten Mucker und Ducker sind, die sich nur mit dem eigenen Seelenkram beschäftigen und für die außen als fromme Miesmacher sich darstellen (wie es viel zu oft ist), sondern das Beten das eigene Verhalten ändert, und dass Beten und Fürbitte die Gemeinde verändert, dass Beten die Gottesdienste anders macht, dass Beten nach Außen dringt in den Wirkungen und Türen nach außen aufmacht, so wie Beten Türen aufmacht für uns selbst im Glauben, wie‘s Jesus sagte: Klopft an und es wird euch aufgetan.
Und das schließlich ist die Meinung des Apostels, dass die Betenden gerade die sind, die am verantwortungsvollsten mit ihrer Zeit umgehen: Kaufet die Zeit aus, betet und macht das Beste draus, so wie das der Vater Bodelschwingh mal gesagt hatte: „Wir müssen sie retten, sie sterben uns sonst drüber“, und was der dann in dieser Hinsicht leistete, das war haargenauso wie bei Zinzendorf: weil eben alle diese erstaunlich großen Aktionen nach außen ihr Widerlager hatten im Händefalten, denn dass man retten und dass man Türen aufstoßen soll, das kann man nicht selbst, dass kann man nur wenn man betend den eigenen Willen am Willen Gottes justiert und wenn man dann seinen Willen geschehen lässt wie im Himmel so auf Erden - unserer Umwelt zugute.
Und ganz gewiss ist das dann nicht nur um 1700 und 1740 bei einem Zinzendorf und in der Erweckungsbewegung damals so, das ist ganz gewiss heute in Dahle und in Hemer und Deilinghofen genauso: dass Beten die Welt verändert und bei uns damit anfängt, dass Beten uns Jesus großmacht und Gottes Willen zeigt - und dass bei Betenden dann was gefühlt und was verändert wird: wie mitten in unserer Kirche in all der zähflüssigen Langweiligkeit unseres Kopfglaubens und unserer Kirchentradition dann Menschen gepackt werden wie ein Zinzendorf und die gleiche Frage kriegen wie er: „Das tat ich für dich - was tust du für mich?“ Und einen Schwung kriegen in gleicher Richtung wie bei ihm, der bekannte: „Ich habe nur eine Passion, das ist ER.“ Lasst uns gleich im Fürbittengebet auch darum bitten. Und der Friede...

 

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