Gottesdienst am 12. So. nach Trin., 9.8.2004 in der Kreuzkirche Bestwig (und am Sonntag darauf in Medebach)
Predigt über Apg. 9, 1-20

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Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater, und unserm Herrn Jesus Christus, Amen.

Liebe Gemeinde hier in Bestwig (in Medebach)! Es ist ja eine sehr sehr bekannte Geschichte, über die jetzt hier gepredigt wird und zur gleichen Stunde in Hunderten von Kirchen in ganz Deutschland: die Geschichte aus Apg. 9 von der Bekehrung oder Berufung des Saulus, der mit seinem griechischen Namen ja Paulus heißt. Hören wir aus dieser berühmten Saulus-Paulus-Geschichte noch mal die sechs ersten Verse:

Saulus aber schnaubte noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn und ging zum Hohenpriester und bat ihn um Briefe nach Damaskus an die Synagogen, damit er Anhänger des neuen Weges, Männer und Frauen, wenn er sie dort fände, gefesselt nach Jerusalem führe. Als er aber auf dem Wege war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh auf und geh in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst.

Gebet: Herr, mach du uns auch die Augen auf - und die Ohren samt den Herzen, wenn wir hier predigen und hören. Amen.

Liebe Gemeinde, über den langen Text, den Frau Grünheit eben las, den heutigen Predigttext, wäre massig viel zu sagen. Doch möchte ich mich hier aus der Fülle dieses Textes auf drei Punkte beschränken: Wir denken von Apg. 9, 1-20 aus nach: erstens über ein Filmdrehbuch, zweitens über ärgerliche Werkzeuge, die nix taugen, und drittens dann über eine Kirche, die ganz viel von sog. Reformen spricht, aber fast nie von dem, was unsere Kirche zur Kirche macht und Kirchenmitglieder zu Christen: Bekehrung!

I.

Erstens also ein Filmdrehbuch: Gezeigt wird Stotternheim ganz am Anfang nach diesem Filmdrehbuch, Stotternheim - der kleine Ort vor Erfurt... Und das hat nicht nur mich sehr stark beeindruckt: Wer vor uns den neuesten Luther-Film sah, wurde gleich von Anfang an in den Bann gezogen, schon bei Stotternheim, wo das der junge Student der Rechte Martin Luther von jenem berühmten  Unwetter und Gewitter quasi überfallen und richtig in Todesangst gestoßen wird, wo es da aus seinem Mund als Gelöbnis rauskommt: „Ich will Mönch werden“ - eine enorme Lebenswende, der bekanntlich weitere folgten, auch nach dem Drehbuch dieses faszinierenden Films.

So ist das hier auch wie bei einem Drehbuch, in unserem Text heute, liebe Gemeinde, ein dramatischer und packender Paulus-Fim spult sich da vor unseren Augen ab, ein Film der genauso spannend ist und innerlich mitreißt. Warum eigentlich hat man - so weit ich weiß - das noch nicht groß verfilmt? Da schnaubt ein Mann am Anfang in seinem Fanatismus wie ein gefährliches wildes Tier: er schnaubte mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn, so steht’s da. Er fordert sogar Briefe, bietet sich als Spitzel und Spezial-Agent für Christenverfolgungen an, bietet sich an für Verfolgung und Morde im Dienst einer guten Sache, wie er glaubt. Und er kriegt die Briefe, nicht ahnend, dass es hinterher ja auch Briefe sind, die er hinterlässt, Briefe, die nicht gegen die Christen sich richten, sondern durch und durch Liebesbriefe sind mit einem tiefen Christusbezug...

Aber noch schnaubt er - in jener Filmszene, die ich mir vorstelle, die mit Heinrich Böll überschrieben sein könnte mit „Ende einer Dienstfahrt“. Und dann ist es da - mitten auf dem Weg - wie in Stotternheim und noch dramatischer! Wie ein Gewitter kommt es da über ihn, der Himmel wird über ihm strahlend hell, wie von einem großen Licht - dies Licht, das ihn zu Boden stürzen lässt und ihn drei Tage zum Blinden macht, zu einem, der nichts mehr sieht, weil ihm Hören und Sehen vergangen ist, nachdem er das Eine gehört hat, was seinem Leben eine Riesenwende gegeben hat: „Saul, Saul, was verfolgst du mich?“ „Herr, wer bist du?“ Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh auf und geh...“

Dieser Jesus - alles andere als eine Leiche aus der Vergangenheit, kein Inventar aus der Mottenkiste der Tradition - nein laut und deutlich redend: „Ich bin Jesus, steh auf und geh...“ Liebe Gemeinde in Bestwig, das ist mehr als ein Film aus dem Drehbuch, das ist nicht nur Hollywood, das stimmt bis heute: Wir glauben an den, von dem hier geredet wird, und dessen Stimme kann man hören, der kann man sogar folgen, dem auferstandenen Gekreuzigten kann man folgen und nachfolgen: dass man aufsteht und geht, wie in Stotternheim, so vor Damaskus, und genau so hier!

Übrigens: Drehbücher wie hier beschrieben gibt’s nicht nur zu Luther, zu Paulus. Die gibt es in der Bibel und in der Kirchengeschichte zuhauf. Drehbücher von einschneidenden Lebenswenden: dass Jesus übermächtig wurde und Menschen umkrempelte total: z.B. den Playboy und Lebemann, den jungen Augustin damals im vierten Jahrhundert n. Chr., der „Wein, Weib und Gesang“ liebte über alles und Star der Philosophieprofessoren war, der dann die Bibel im Garten seiner frommen Mutter Monika in die Hand bekam, und der einer singenden Kinderstimme vom Nachbargrundstück folgte: „Nimm und lies“, und den es dann packte, ganz genauso, dass Jesus ihn stellte und in Besitz nahm, total Herr wurde über ihn... Da wäre noch mancher Film zu drehen, ganz sicher auch in modernen Kostümen aus unsern Tagen...    

II.

Ich komme aber zum zweiten Teil der Predigt, wie angekündigt, zu den Werkzeugen, die nix taugen, mit denen man nichts anfangen kann. Kennen sie das auch: Nichts ist ärgerlicher als das, dass man eine Büchse mit Obst oder Fleisch aufmachen will und der Dosenöffner dreht sich durch, dass man eine Flasche Wein hat und der Korkenzieher taugt nicht, oder man hat einen Bohrer, mit dem man kein Loch in die Wand kriegt. Werkzeuge, die nichts taugen.

Im zweiten Teil unseres Predigttextes, da in Damaskus, im Haus des Hananias, dort ist ja vom „Werkzeug“ die Rede! Von Gott hört der dort ansässige Christ Hananias, Saulus, der käme, käme zu ihm, hab keine Angst, ‚Saulus der betet’, heißt es da, betet zu Christus, nein, der tut dir nichts! Schluss ist mit dem „Ende der Dienstfahrt, vielmehr hat eine neue Dienstfahrt angefangen, eine lange und spannende, dramatisch lange Dienstfahrt im Dienste eines neuen Herrn!

Und genau da kommt das mit dem Werkzeug, liebe Gemeinde, haben Sie es noch im Ohr, wie Frau Grünheit es in der Lesung las: „Geh nur hin; denn dieser ist mein auserwähltes Werkzeug, dass er meinen Namen trage  vor Heiden!“

Und das haben wir auch gehört, dass dem Saulus, dem Hören und Sehen vergangen war - so steht’s wörtlich da - es „wie Schuppen von den Augen fällt“, und dass gleich schon gegen Ende des Textes jene neue denkwürdige Dienstfahrt beginnt und er Jesus als sein Thema hat, als Werkzeug des neuen Herrn.

Und von außen betrachtet ist so einer, wie das auch erst der Hananias dachte, ein höchst sonderbares, verdächtiges schlechtes Werkzeug: religiöser Fanatiker der anderen Seite mit Blut an den Händen, ein Mörder genau genommen, das soll Gottes großes Werkzeug sein???

Schlechtes Werkzeug, das ist ja schlimmer als beim Korkenzieher und beim Dosenöffner oder Bohrer. Merkwürdig, dieser biblische Gott: seine Auserwählten, seine Werkzeuge, die er braucht, taugen von sich aus fast nie was und sind immer so krumme Typen: ein Mose, der den Ägypter erschlug, ein David, der nach Ehebruch den Nebenbuhler um die Ecke brachte, ein Petrus, der ein mieser feiger Verleugner geworden war, wie ein roter Faden zieht es sich durch Bibel und Kirchengeschichte genau wie hier bei Saulus-Paulus: wer von der Gnade erfasst ist, wem’s wie Schuppen von den Augen fällt, der ist ein auserwähltes Werkzeug, ein lebendes und lebendiges Zeichen dieses sündenvergebenden Gottes und der Macht seiner Gnade: Mit so krummen und ärgerlichen Werkzeugen kommt die Gnade zum Zug, und zu andern Leuten hin, damit Heiden Christen werden - wie da in Apg. 9.

III.

Und damit sind wir am Schluss und am genannten dritten Punkt. Ich sagte es eingangs: hier ist am Ende zu reden über eine Kirche, die ganz viel von sog. Reformen spricht, aber fast nie von dem, was unsere Kirche zur Kirche macht und Kirchenmitglieder zu Christen: Bekehrung!

Ja, wir hätten alles falsch verstanden, wenn wir wirklich nur hier einen Film ablaufen ließen - nach dem Drehbuch von Apg. 9, oder wenn wir uns über so tolle, wenn auch höchst merkwürdige Werkzeuge wundern - da in der Vergangenheit. Nein, bei diesem Punkt 3 geht’s in die Gegenwart! Recht verstanden, sind wir jetzt in der Rolle der Hauptdarsteller, wir Christinnen und Christen heute, unsere Gemeinden heute und hier! Was sich da abspielt, lässt oft verwundern! Manchmal denkt man, man ist im „falschen Film“! Da geht’s um Reformen wie überall, um Stellenabbau, um knappes Geld und Sparen. Das ist kirchlich allüberall Nummer 1, so viel Nummer 1, dass man es nicht mehr hören kann, diese Jammerbotschaft, dass das Schiff, das sich Gemeinde nennt, leck ist, und wie! Aber nie, fast nie geht es um das, was wirklich allein Nummer 1 sein will in der Kirche: ER, Jesus, der heute ebenso wenig wie damals eine Leiche der Vergangenheit ist, auch keine Requisite aus der Mottenkiste der Tradition! Er alleine, der Gekreuzigte und Auferweckte, kann als der Lebendige die tote Christenheit wecken und umkrempeln, sein Geist kann Tote neu beleben, dass Menschen die Schuppen von den Augen fallen - dass sie aufstehen und umkehren, als neue Menschen umkehren, Buße tun und sich zu Werkzeugen umformen lassen, zu genauso komischen Werkzeugen, wie es ein Mose oder ein Saulus oder ein Petrus war, aber zu Werkzeugen der lebendigen Botschaft, die zu den Heiden kommt.

Komisch ist das: keiner redet heute von Bekehrung! Da hält man sich vornehm zurück - in der Kirche und in der Theologie, da lässt man dieses Thema, auch wenn die Bibel davon randvoll ist! Aber hier, heute, da ist es dran: denn hier und heute - recht verstanden - ruft er, Jesus, nach uns - wie damals nach Saulus, und er spricht dich und mich mit Namen an und fragt mich - mit Namen - wie damals: „Friedhelm, warum verleugnest du mich, fang neu an, werd Werkzeug für mich, ich, ich mach was draus!“

So fragt er mich und andere hier. So fragte er diese Woche hier in der Gegend einen Mitarbeiter in der Kirche, der von außen immer anständiger kirchlicher Mensch und guter Mitarbeiter der Kirche war - und nach innen Jesus und Glaube ganz ferne geworden war, dem ich Hananias-Dienste tun durfte, dass es ihm danach auch wirklich wie Schuppen von den Augen fiel und er neu von Jesus gefunden wurde, als wir da zusammen beteten.

Was am Schluss der Predigt steht, ob’s da ein ‚happy end’ gibt oder einen traurigen Abspann, das liegt allein bei dir und bei mir: ob wir IHN hören, wie er uns ruft und ob wir uns danach, von ihm gerufen, einspannen lassen wollen als Menschen, die beten, als seine Werkzeuge, die die Botschaft von Jesus leben und hinaustragen zu den Heiden, zu den Leuten wie jener Saulus, der ein Damaskuserlebis hatte und zum Paulus wurde  Und der Friede Gottes... Amen.    

 

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