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Predigt am 4. So. nach Epiphanias, 30.1.2000, an einem besonderen Tag:
25 Jahre Martin-Luther-Haus Deilinghofen 
und Neu-Einweihung des Hauses nach der Renovierung

Die frühere Deilinghofer Pastorin Valentin-Bette, die (am Anfang ihrer Amtszeit hier) 1975 das Martin-Luther-Haus einweihte, liest in diesem Gottesdienst das Evangelium dieses Sonntags, Markus  4, 35-42:

Und am Abend desselben Tages sprach Jesus zu ihnen: Lasst uns hinüberfahren. Und sie ließen das Volk gehen und nahmen ihn mit, wie er im Boot war, und es waren noch andere Boote bei ihm. Und es erhob sich ein großer Windwirbel, und die Wellen schlugen in das Boot, so dass das Boot schon voll wurde.  Und er war hinten im Boot und schlief auf einem Kissen. Und sie weckten ihn auf und sprachen zu ihm: Meister, fragst du nichts danach, dass wir umkommen? Und er stand auf und bedrohte den Wind und sprach zu dem Meer: Schweig und verstumme! Und der Wind legte sich, und es entstand eine große Stille. Und er sprach zu ihnen: Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben? Sie aber fürchteten sich sehr und sprachen untereinander: Wer ist der? Auch Wind und Meer sind ihm gehorsam!

Die Gemeinde singt dann nach dem Credo als Lied vor der Predigt das Zinzendorf-Lied, auf das mehrfach in der Predigt eingegangen wird: „Herz und Herz, vereint zusammen“


Predigt über den vorgeschriebenen Predigttext dieses Sonntags: Epheser 1, 15-20a



Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Hl. Geistes sei mit euch allen. Amen.

Liebe Gemeinde, was eben Pastorin Valentin-Bette las im Evangelium vom Sturm auf dem See, das ist ja auch immer ein Bild für die Kirche und für den Weg der Gemeinde gewesen: mit Jesus im Boot durch die Stürme und Wellen der Zeiten, mit Jesus im Boot als „Schiff, das sich Gemeinde nennt“.

Genau da schließt der für heute in unsern Kirchen vorgeschriebene Predigttext an aus dem Einleitungsteil des Epheserbriefes, denn wohlgemerkt: der Epheserbrief beschäftigt sich ja von vorn bis hinten ganz und gar mit dem Thema Kirche, mit der „Gemeinschaft der Heiligen“. Bibelleser werden das wissen - im Epheserbrief werden viele Bilder für die Kirche gebraucht: der Leib und die Glieder, wo ER das Haupt ist, das Haus, wo ER der Eckstein ist, das Haus in dem Christen die Hausgenossen Gottes sind und nicht Fremdlinge, alles das steht im Epheserbrief, in dem auch doll betont wird, dass eine Brücke geschlagen werden muss hin zu den Heiden, weil sie auch mit hineinkommen sollen und weil ER, unser Friede, die Nahen und die Fernen rufen will, die Juden wie die Heiden, als der Herr über alle.

Und so ähnlich hat es ja auch – ganz in der Weise des Epheserbriefes – im gerade gesungenen Lied der Graf Zinzendorf damals in Worte gefasst: „Er das Haupt, wir seine Glieder – Er das Licht und wir der Schein“, wo es dann auch heißt: „also wird die Welt erkennen, dass wir seine Kinder sein“.

Ich denke, diese Einleitung ist wichtig, um den heutigen Text aus der Einleitung des Epheserbriefes richtig zu hören, in seiner Tendenz zu verstehen und nicht zu unterschätzen; es ist Epheser 1, 15-20, wo es dem Apostel um Glaube, Liebe und Hoffnung in der Gemeinde, in der „Gemeinschaft der Heiligen“ geht, und in der Lutherbibel ist dieser Text mit „Gebet um Erkenntnis der Herrlichkeit Christi“. So heißt es in Epheser 1, 15-20:

Darum auch ich, nachdem ich gehört habe von dem Glauben bei euch an den Herrn Jesus und von eurer Liebe zu allen Heiligen,  höre ich nicht auf, zu danken für euch, und gedenke euer in meinem Gebet, dass der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch gebe den Geist der Weisheit und der Offenbarung, ihn zu erkennen. Und er gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist und wie überschwänglich groß seine Kraft an uns, die wir glauben, weil die Macht seiner Stärke bei uns wirksam wurde, mit der er in Christus gewirkt hat.

Ja, liebe Gemeinde, ob alle das einen schönen Text finden – ich weiß es nicht... Und der eine oder andere mag gedacht haben: ziemlich bombastische Wortwahl da in der Bibelsprache des Epheserbriefes. Ja, das mag steil klingen, wenn da mehrfach von „den Heiligen“ die Rede ist, das mag in manchen Ohren fremd, vielleicht auch kitschig klingen, wenn da der Gemeinde, für die der Apostel betet: erleuchtete Augen des Herzens gewünscht werden. Da meinte mal ein etwas vorlauter Junge spöttisch und frotzelig: „Hühneraugen kenn ich, aber Herzensaugen, wo gibt es denn so was?“

Aber vielleicht liegt genau da der entscheidende Punkt: Hätten wir doch bloß Augen des Herzens, mit denen wir richtig sehen, hätten wir Ohren, die richtig hören, hätten wir solche da beschriebene lebendige Hoffnung, von Herzen lebendige überschwängliche Hoffnung im Glauben, dann würde sich hier in der Gemeinde in Deilinghofen die Bibel neu erschließen, auch das Wort in unserm Text, dass wir „Heilige“ sind. Und dann würde sich „Heilige“ sicherlich auch gar nicht steil anhören, es wär da so normal wie es im neuen Testament gemeint ist, so normal wie das Bekenntnis: „Ich gehöre Christus und gehöre damit zur Gemeinschaft der Heiligen, er ist das Haupt, wir seine Glieder“.

Und das stimmt damals und das stimmt heute genauso: wo wir den Geist der Weisheit und der Offenbarung, ihn zu erkennen, nicht haben (mit unserm Text aus Epheser 1 geredet), da nützt die beste Predigt nichts und wir finden womöglich den Bibeltext nichtssagend und öde, wo wir aber bitten um „erleuchtete Augen des Herzens“, da wird auch erkannt, zu welcher Hoffnung, zu welcher überschwänglichen Hoffnung, wir von ihm berufen sind.

Liebe Gemeinde, ich möchte an diesem besonderen Tage mal den Versuch machen, unseren Predigttext, mitten ins Leben reinzuziehen und an einer Geschichte erklären, die vor fast 240 Jahren geschehen ist oder fast so geschehen sein könnte. Hören sie mal zu. Sie hat sehr viel mit dem heutigen Predigttext zu tun – und ich denke ganz viel mit uns heute.

Da sitzen in einer Wohnstube in einem Bauernhof an einem Sonntagnachmittag sehr sehr viel Menschen, Frauen und Männer – das Zimmer ist proppevoll. Sie haben gerade gebetet, frei vom Herzen weg haben sie gebetet, nicht nur auswendiggelernt und nicht nur das Vaterunser aufgesagt, dann haben dann wie wir heute laut ihr Leib-und-Magenlied „Herz und Herz vereint zusammen“ gesungen, und sie tauschen sich jetzt aus über das, was sie gerade aus der Bibel gelesen haben und was sie in der Woche für Erfahrungen gemacht haben. Jeder kann da frei reden, Männer wie Frauen.

Ja, auch dass der Pfarrer morgens im Gottesdienst in der großen Kirche der Stadt geschimpft hat, wird erwähnt, dieser Pastor war sogar sehr ausfällig geworden, selbst von der Verweigerung des Abendmahls war die Rede – öfter schon hatte der Pfarrer gewettert oben von der Kanzel gegen diese Zimmerversammlung. Einer aus dem Kreis ergreift das Wort: Er hat geschimpft heut morgen, wir wären Sektierer, und er allein hätte den Ton anzugeben: „Es gäb nur Kirche sonntags morgens damit basta, und da hätte er gefälligst zu bestimmen, der Pfarrherr, und sonst gar nichts.“

Aber einer aus der Runde ergreift das Wort: „Brüder und Schwestern“, sagt er: „Sollte die Kirche, wie die Schrift sagt, nicht ganz anders sein, hatte nicht Luther, unser Reformator schon gesagt, dass jeder, der die Bibel liebhat und betet, ein Priester ist, und hat es nicht erst recht gerade der überaus verehrte Graf Zinzendorf, der – Gott hab ihn selig – ja vor zwei Jahren heimging, der verehrte Graf, von dem wir das Lied grade sangen, gesagt: einer ist der Meister, ER, und wir sind alle Brüder, und alle die Jesus lieb haben, stehen Herz und Herz zusammen hinter einer gemeinsamen Sache!?? Ja, wir wollen so zusammenhalten und Jesus bitten, dass wieder in unserem Ort Menschen erweckt werden, gerade auch die Pastoren, so wie es vor einigen Jahren hier im Ort wie ein Wunder geschah. Wir dürfen niemals die lebendige Hoffnung verlieren“. Ja, in dieser Runde, von der ich erzähle, in der sich alle Brüder und Schwestern nannten, meldete sich der offenbare Wortführer, dass er auch etwas sage, dieser Bruder hieß Stephan mit Vornamen: „Brüder und Schwestern“, sagte Stephan: „an unserm Ort, das ist nicht die einzige Kirche und nicht alle Pfarrer sind so, dass sie uns verfolgen. Es gibt auch welche in der Kirche, die beten genauso um lebendige Hoffnung in der Kirche und um Erweckung, und sie wollen – wie wir - wollen, dass Jesus neu groß wird unter uns. Wir dürfen niemals gegen die Kirche arbeiten, niemals wollen wir Sektierer sein, sondern Licht und Salz, wie es Jesus sagt, und als solche lebendige Gruppe wollen wir in Jesu Namen in der Kirche, im Leib Christi, wirken, da wollen wir darin wirken, dass Menschen nicht mit dem Kopf  nur glauben und dem Verstand, dass sie Jesus ins Herz kriegen, und mit erleuchteten Augen des Herzens andere erleuchten, dass die Schrift und seine Sache unter die Leute kommt.“ Und Stephan, der Alte, fügte hinzu: „Ihr wisst hier, mein Hof hier mit der Nadelschmiede, der gehört ja zur andern Kirche im Dorf oben auf dem Berg, das ist ein Kirch-Hof vom Nachbardorf, und von dieser Kirchengemeinde aus, da wurde uns erlaubt: ‚Ihr dürft einen Anbau machen und einen Versammlungsraum da bauen auf unserm Grund und Boden, von da soll Segen ausgehen hier überall’ “.

Und an dem Tag wurde beschlossen, sie wollten alle Hand anlegen und das Gemeindehaus bauen, und sie gaben sich das Versprechen, jeder wollte da helfen und spenden, und diese Woche schon wollten sie beginnen, frisch ans Werk, in Jesu Namen.

Liebe Gemeinde, fast so ist es gewesen – das sagen Akten, die ich im Archiv in Herrnhut fand, so ist es gewesen im Jahr 1762 auf Alberts Hof in Sundwig, der damals Rentzings Hof hieß. Überschwängliche lebendige Hoffnung, große Liebe untereinander, und Tatkraft einer kleinen, oft angefeindeten Gruppe von Menschen, die Jesus liebhatten und die enge Verbindung zueinander hielten, genauso wie es in unserm Predigttext steht, und Tatkraft, die dann aus dieser Haltung folgte, ein Glaube, eine Liebe und eine Riesenhoffnung, die ganz viel veränderte in der Kirche. Rentzings Hof, das war dieser Hof, den ich hier auf dem Bild habe [zeigen], und ich hefte das Bild mal hier an das Kanzeltuch, dass jeder es sehen kann. Da bei der heutigen „Sundwiger Mühle“, da war die Gruppe der Herrnhuter Pietisten zu Hause, und der dortige Hof war von Stephan Rentzing bewohnt, der selber noch ganz enge Beziehungen zu Zinzendorf in Herrnhut unterhalten hatte und der dessen neue Reformation der Kirche unterstützte. Ja, und Stephan Rentzing, ein Vorfahr des heutigen Müllers Peter Alberts, sah es wie ein Gottesgeschenk, dass dann bald Pastor Dümpelmann nach Deilinghofen kam, und dass der auch in Zinzendorf Sinne arbeitete und im 1762 gebauten Versammlungsanbau, im Betsaal, wie es in den Herrnhuter Akten heißt,  seine Stunden in Sundwig hielt und mit dazu beitrug, dass viele neu zum Glauben kamen, gerade auch durch die Zusammenkünfte in diesem Gemeindehaus hier an der späteren Mühle, auf Deilinghofer Grund und Boden, aber im Hemeraner Terrain. Und diese Gruppe wirkte weit über 200 Jahre – seit Lebzeiten von Zinzendorf bis hin zur Zeit nach dem zweiten Weltkrieg! Sie, das relativ kleine Grüppchen, wirkte wie ein Stoßtrupp zum Segen der ganzen Kirche, die diesen Christen mit ihrer großen Hoffnung viel verdanken!

Und ich zeige Ihnen dazu etwas Zweites: In dieser Festschrift zum heutigen 25jährigen Jubiläum des neuen Martin-Luther-Hauses, da wird hier beschrieben, dass das erste Deilinghofer Gemeindehaus eben das Haus der Herrnhuter in Sundwig war,  dass damals die normalen Pastoren gar nicht dran dachten, Gemeindehäuser zu bauen, dass aber die lebendigen Gruppen, die etwa von dem pietistischen "Reformator" Zinzendorf beeinflusst waren, es durchsetzten, dass es dann Jugendarbeit gab und Kinderarbeit und Seniorenarbeit und das alles in Gemeindehäusern - wie da im Hof von Rentzing/Alberts - seine Heimat fand.

Wenn wir heute 25 Jahre Martin-Luther-Haus feiern, dann steht es uns gerade vom Epheserbrief und von unserm Text aus Eph. 1 aus an, an solche Menschen zu denken, die solche "erleuchteten Augen des Herzens" hatten, die solche lebendige Hoffnung hatten, die so, wie da beschrieben, beteten und damit die Kirche reformierten und auch Gemeindehäuser bauten als Orte, wo Jesus wirken kann und Herr im Haus ist.

Der Sinn eines solchen Unternehmens ist bis heute nicht bloß, dass vorhandene Kirchensteuermittel gut angewendet ist, der Sinn ist auch nicht bloß, dass Immobilien erhalten werden und es nicht reintropft, nein, der Sinn ist es, dass Gemeinde lebendig wird und Christus als Herr der Gemeinde, auch als Hausherr im Martin-Luther-Haus zum Zug kommt und Menschen im Glauben ein Dach über den Kopf und im Singen und Beten und Nachdenken und Feiern  sich was vom lebendigen Glauben an Jesus ausdrückt und von der Liebe untereinander, dass wir Brüder und Schwestern sind, Jesu Leute sind, "Heilige" alle zusammen, die eine Botschaft und einen Auftrag haben für Menschen draußen, die erweckt werden sollen zu einem lebendigen Glauben und der großen Hoffnung, dass Christus der Herr ist und bleibt über seine Kirche und seine Welt!

Das galt in der Zeit des Epheserbriefs gegen Ende des ersten Jahrhunderts, das galt 1762 in Sundwig und Deilinghofen unter Christen wie Stephan Dietrich Rentzing und dann Pastor Dümpelmann, das gilt 2000 für die Gemeinde Jesu hier und drüben im neuen renovierten Martin-Luther-Haus!

Ja, unsere Zusammengehörigkeit mit dieser Aufgabe ergibt sich daraus, dass ER hier die Mitte ist und wir nicht zuletzt auch hier an seinen Tisch geladen sind, bei Brot und Wein an seinem Leib Anteil haben.

Geladene Gäste sind wir, eingeladen, als "Heilige" zu ihm zu gehören und seinen Willen zu tun, hier und im Gemeindehaus drüben und weit darüber hinaus. In dem Sinn schließe ich mit den letzten Sätzen des heutigen Textes: ER gebe uns erleuchtete Augen des Herzens, damit wir erkennen, zu welcher Hoffnung wir von ihm berufen sind, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist und wie überschwänglich groß seine Kraft an uns, die wir glauben, weil die Macht seiner Stärke bei uns wirksam wurde, mit der er in Christus gewirkt hat. Und der Friede... Amen.
 
 



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