Auch veröffentlicht in Ausgabe 12/2015 des aktuellen "Deilinghofer Käseblättchens", für das hier gerne Schleichwerbung gemacht wird. ;-)



Friedhelm Groth
Süßer die Glocken nie klingen…
Die Glocken von Deilinghofen - Ein Vierteljahrhundert danach!


Vor genau 25 Jahren fing alles an, dass ich etwas zur Deilinghofer Kirchengeschichte erforschte und aufschrieb, und alles begann mit den sprichwörtlichen Deilinghofer Glocken. (Sie wissen schon: "Mein Finger, mein Daumen… - so läuten die Glocken von Deilinghofen".) Zum Weihnachtsfest hatte mich der Deilinghofer Redakteur Fritz Sirringhaus, damals zuständig für das Wochenblatt "Märkischer Anzeiger", gebeten, eine ganze festliche Seite der Zeitung dürfe ich füllen mit einem eigenen Artikel - am 22.12.1990, zwei Tage vor Heiligabend, Thema: Die Glocken von Deilinghofen.
Aus dieser einen festlichen Zeitungsseite (oben) wurde dann nach vielen Recherchen das Heft von 1991 über unsere Glocken: "So läuten die Glocken von Deilinghofen - Zu den ersten zwei Jahrhunderten der Deilinghofer Kirchengeschichte 1565 bis 1765 " (hg. zusammen mit Paul Kramme und Heinz Vicariesmann).

Eine schöne Überschrift hatte jener Artikel damals am 22. 12.1990 auch: "Deilinghofer Kinder wissen genau, wo die Glocken hängen", und das Foto mit damaligen Kindergottesdienstkindern bei der Antonius-Paris-Glocke bildete die Mitte der festlichen Seite.
Die Liebe zur Deilinghofer Heimatgeschichte und zu den Deilinghofer Glocken ist ein Vierteljahrhundert später immer noch da.
Deshalb hier noch einmal ein Glockenartikel vor Weihnachten für das "Käseblättchen", der genauso beginnt wie der damalige Artikel im "Märkischen Anzeiger":
"Süßer die Glocken nicht klingen, als zu der Weihnachtszeit. s'ist als ob Engelein singen wieder von Frieden und Freud", so klingt es an Heiligabend in vielen Wohnungen - das bekannte weihnachtliche Volkslied, in dem Kirchenglocken besungen werden. Und wer wollte bestreiten, dass für Kleine und Große der Heilige Abend und Weihnachts-Glockenklang ganz eng zusammengehören, und sei es auch nur auf der Weihnachts-LP oder -CD. Im Ortsteil Deilinghofen freilich gibt es Kinder genug, die "ihre" Kirchenglocken ziemlich gut kennen, die "wissen, wo die Glocken hängen".




Zu der oben gezeigten alten Deilinghofer Glocke ein gekürzter Abschnitt, der dem o.g. Glockenheft entnommen wurde:
Die von Antonius Paris geschaffene "Schulte-Riemke-Glocke" (1652) und "das Läuten der Glöckchen von Deilinghofen"
Eigentümliches ist auch von der zweitältesten Deilinghofer Glocke zu berichten, der "Antonius-Paris-Glocke", die man auch "Schulte-Riemke-Glocke" nennen kann. Es ist die Glocke, die beim Hochsteigen in den Glockenturm oben an der linken Seite zu sehen ist.
Sie ist auf den Ton g gestimmt und hängt im Turm zum Nordfenster hin. Sie versetzt uns zurück in eine Nachkriegszeit, denn sie ist im Jahre 1652, wie die Inschrift besagt, gegossen worden von dem lothringischen Glockengießmeister Antonius Paris. 1652: Das war ganze vier Jahre nach Ende des schrecklichen Dreißigjährigen Krieges. Erst 1648 war ja der "Westfälische Friede" zu Münster und Osnabrück geschlossen worden.
Wenn wir im oberen Kirchturm diese Glocke betrachten, fällt auf, dass sie die zierreichste und schmuckreichste unserer drei Glocken ist und damit auf die Zeit zurückweist, in der sie entstand: Das Barock mit seiner prachtvollen Kunst.
Im Jahre 1967 hat Herbert Schulte einen schönen kleinen Aufsatz über diese Glocke geschrieben. In diesem betonte er seinen Kontakt zur Familie Schulte-Riemke, mit der er, Herbert Schulte, auch indirekt verwandt war. Umso schöner war es für ihn, diese Glocke im Turm zu finden, die den Namen Schulte-Riemke und damit seinen eigenen Namen trug.
Er schrieb zu dieser Glocke:
"Die Durchmesser der Glocke betragen 97 cm am Mund und etwa 55 cm an der Schulter, während ihre Höhe vom Schlagrand bis zur Krone etwa 90 cm erreicht. (...) Dem Geschmack des damaligen Barock gemäß zeigt die Glocke eine reiche Ausstattung mit gegossenen Ornamenten und Figuren. In lateinischen Großbuchstaben legen sich zwei Schriftbänder um die Schulter der Glocke; darunter, im langen Feld, liest man, wer der Schöpfer der Glocke ist.
Die Inschriften auf dem Schriftband sind heimatgeschichtlich wohl wert, eingehend betrachtet zu werden.
Sie lauten [Wir lassen die lateinische Inschriftsätze hier aus und bieten gleich die deutsche Übersetzung]:
"Leblos, doch widerhallend ruf ich herbei die Gemeinden;
Singen und beten sollen sie und Christi Lehren begreifen.
Aufmerksam hören und in seinen Herzen bewahren.
Ihnen wird aber dann seliges Leben geschenkt.
Bernh(ard) Hülshof(f) Pas(tor) Jost Borl(e)mann)
Died(rich) Schult(e) zu Ri(e)m(ke) Kirchmfeister)
1652 Meister Antonius Paris hat mich geschaffen."



Pastor Bernhard Hülshoff wird da genannt, der übrigens 1652 - just im Jahr des Glockengusses - sein Amt in Deilinghofen antrat und bis 1679 dortiger Pfarrer blieb. Sein Kirchmeister war Diedrich Schulte-Riemke; viele Familienoberhäupter aus dieser Familie waren im Laufe der Jahrhunderte Kirchmeister in Deilinghofen.

Zu Antonius Paris, der auf dieser Glocke genannt ist, müssen wir etwas ausführlicher werden. Er ist ein berühmter Glockengießmeister, der sogar in Wikipedia einen eigenen Artikel hat. Dieser Antonius Paris war eine höchst interessante Gestalt, über den Herbert Schulte Jahrhunderte danach eine unglaublich umfangreiche Menge herausgefunden hat (was leider nicht in den Wikipedia-Artikel einging), was wir hier nur in kleinsten Umrissen vorstellen wollen.

Als Antonius Paris 1652 die Deilinghofer Glocke goss, so kann man annehmen, hat er, der berühmte Glockengießmeister, im Hof gegenüber der Kirche gewohnt. Es handelte sich damals um einen der evangelischen Kirchengemeinde angehörenden Hof; das Haus, in dem Hanni Tümena geb. Edelhoff heute [geschrieben 1991] wohnt, an der Stelle, wo derzeit der Kiosk Kalkreuth [so der Name 1991] untergebracht ist. Anders als heute hat man früher die Glocken nicht immer fertig aus der Fabrik bezogen, sondern die Hilfe durchs Land reisender Glockengießer in Anspruch genommen. Es war für Herbert Schultes Forschungen ein wichtiges Zwischenergebnis, als er vor Jahren von den zwei kleinen "Antonius-Paris-Glöckchen" erfuhr, die Hanni Tümena bzw. ihre Mutter Paula Edelhoff im Besitz hatte.

Wir zeigen hier die kleinen Glöckchen aus einem Artikel von Fritz Sirringhaus im Märkischen Anzeigers von Februar 1991:



Hier sehen Sie zwei kleine Glocken, jede etwa 7 cm hoch. Es sind Erinnerungsgeschenke. Der Glockengießer Antonius Paris, der 1652 unsere "Mittagsglocke" für die Stephanuskirche goss, hinterließ die kleinen Glöckchen und schenkte sie der Familie, die ihn beherbergte all die Monate lang, während er an der großen Glocke arbeitete.

Die Familie hielt das kostbare Geschenk nun seit 300 Jahren in Erbbesitz.
Inzwischen hat dieses "Erinnerungsgeschenk", wie die Pastorin 1979 deutete, im Zusammenhang mit jüngsten Presseveröffentlichungen zur Deilinghofer Kirchengeschichte [1991]im Iserlohner Kreisanzeiger und im Märkischen Anzeiger eine Reihe von "Geschwistern" bekommen: An mehreren Orten der näheren Umgebung verwahren die Leute ganz ähnliche A.-Paris-Glöckchen. Es sind mittlerweile so viele geworden, dass man inzwischen fragen kann, ob der gute Meister Antonius diese Glöckchen wirklich als "Erinnerungsgeschenke" bei den Leuten gelassen hat. Vielleicht waren es, wie Manfred Kruse vermutet, sogar "Quittungen" für Bürger, die Spenden für die zu schaffende "Schulte-Riemke-Glocke" im Turm der Stephanuskirche gegeben haben. Oder der kunstfertige und bestimmt auch geschäftstüchtige Antonius Paris hat einen Nebenverdienst abgewickelt mit diesem Metall, dem er sein "Autogramm" aufgeprägt hatte. Wer weiß? Alle Möglichkeiten können richtig sein.

Folgende A.-Paris-Glöckchen sind mittlerweile [Stand Anfang 1991] "aufgetaucht" (sie wurden seinerzeit in einer heimatkirchengeschichtlichen Ausstellung im Februar/März 1991 im Martin-Luther-Haus Deilinghofen gezeigt):
Nummer 1 und 2 - wie bekannt - bei Hanni Tümena in unserer Deilinghofer Kirchengemeinde.
Die Nummer 3 bei Gisela und Walter Wiesemann in Hemer.
Die Nummer 4 bei Käthe Rubin in Hemer.
Die Nummern 5 und 6 bei Margarete Fröhlich in Rheinen.
Die Nummer 7 bei Rita Kruse in Deilinghofen.
Die Nummern 8 und 9 bei Gerhard Mündelein in Iserlohn.
Die Nummer 10 bei Heinz-Friedrich Dodt in Kesbern.
"So läuten die Glocken von Deilinghofen", die großen, oben im Kirchturm, aber die kleinen en miniature klingen nicht minder geschichtsträchtig; sie enthalten in ihrem Klang viele Rätsel der Vergangenheit, die noch nicht gänzlich entschlüsselt sind.

 

Vorige Groth-Glockenartikel im "Käseblättchen" Dezember 2014 sowie April 2015 (da ging es um eine "richtige" Weihnachtsglocke; vgl. im Internet www.tinyurl.com/benjaminglocke