Predigt 9. So. nach Trin. Deilinghofen, 1.8.99
[Heute war unsere Jubiläums-Frauenhilfe besonders eingeladen, und unser neuer Pastor Dr. Hans Lohmann (1. Arbeitstag heute) leitete den heute gesungenen Eingangs-Kanon, der in Deilinghofen (von Karin Heß-Wendel, Presbyterin und AGAPE-Chorleiterin) komponiert wurde und der Frauenhilfe zum Jubilaeum gewidmet wurde: das Frauenhilfsmotto "Das will ich mir schreiben in Herz und Sinn". Pfr. Lohmann hielt die Liturgie, Pfr. Groth die Predigt.]
Gnade sei mit Euch und
Friede von Gott, unserm Vater, und unserm Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde, wissen Sie, eigentlich ist
es nun wirklich nicht mein Ding, so besonders gesundheitsbewußt zu leben, und
doch: Man lernt nicht aus! Besonders wenn man in Kur war, wie da gerade in
Freudenstadt in diesem wunderbaren Haus für Bewegungstherapie dort oben auf
dem Berg im Schwarzen Wald. Da erklären einem dann zum ersten Mal Ärzte oder
auch Therapeutinnen Sachen, auf die man sonst nie im Leben achten würde, die
aber fundamental wichtig sind fürs Wohlergehen. So etwas Grundnormales wie
Atmen etwa wird einem da völlig neu klar gemacht in der Atemgymnastik zum
Beispiel: wie lange gesunderweise Ausatmen sein sollte und wie lang
Einatmungsphase, und ob’s Brustatmung ist oder Bauchatmung. Sie kennen das
sicherlich – ob wir Verspannungen im Nacken haben oder Beweglichkeit in
verschiedenen Gelenken, ob man seinen "Mittelfinger-Zeh" eigens hochmachen
kann oder einen zu hohen Cholesterinspiegel hat – alles Dinge, die man von
außen nicht sieht und beachtet, die dem oberflächlichen Blick verborgen
bleiben, die aber möglicherweise unterirdisch, wenn man bewußt was dran tut,
für das körperliche und seelische Wohlbefinden eine Basisbedeutung haben und
fundamental wichtig sind. Wie gesagt: ein Gesundheitsapostel werde ich nicht,
aber manches von therapeutisch-ärztlicher Seite – wenn man’s nicht beachtet,
würde zum Kollaps führen. Und das Wichtigste an dieser Stelle ist meistens
"unten drunter": keiner von uns hat je einen Cholesterinspiegel gesehen, wenn
es da an der Basis aber nicht stimmt, wird das Herz stark gefährdet, der
Zusammenbruch folgt.
Ein bißchen Rezepte sollte man sich da, finde ich, durchaus zu eigen machen.
Der Arzt sagt: Folgen Sie meiner Einsicht, dann geht’s Ihnen anders; folgen
Sie ihr nicht, dann kriegen Sie ein Problem – entweder - oder. Und so ähnlich
wie ein Arzt mit seinem entweder - oder, wie ein Therapeut, der Grundlegendes
einem einschärft, tut es Jesus in dem Predigttext, der heute morgen zu
predigen vorgeschrieben ist; es sind die letzten Sätze von Jesu Bergpredigt,
in denen das Grundwichtige so zusammengefaßt ist, Matth. 7, 24 bis 27:
Darum, wer diese meine Rede hört und tut
sie, den vergleiche ich einem klugen Mann, der sein Haus auf einen Felsen
baute. Da nun ein Platzregen fiel und ein Gewässer kam und wehten die Winde
und stießen an das Haus, fiel es doch nicht; denn es war auf einen Felsen
gegründet. Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der ist einem
törichten Manne gleich, der sein Haus auf den Sand baute. Da nun ein
Platzregen fiel und kam ein Gewässer und wehten die Winde und stießen an das
Haus, da fiel es und tat einen großen Fall.
Um Jesu Art zu charakterisieren, liebe
Gemeinde, könnte man also durchaus an einen Arzt oder Therapeuten denken, der
in guter Weise ein Rezept hat für ein Leben mit Grund drin, für ein Leben mit
Sinn und Verstand. Wenn ich diese vier Verse da aber lese, dann hätte ich mir
auch sehr gut vorstellen können, daß Jesus in unserer Zeit für’s vorabendliche
Werbefernsehen einen Werbespot hergestellt hätte und die zündenden, sich
einprägenden Slogans dazu beigesteuert hätte: "Auf diese Steine können Sie
bauen" – das trifft ziemlich genau den Originalton Jesus, und "daß er unserer
Zukunft ein Zuhause gibt" – in allem Ernst – das wird uns da versichert. Mag
sein, daß heute die Versicherungen mit ihren Versprechungen des festen Bodens,
den man zukunftsträchtig unter die Füße kriegt, ohne unnötig Angst haben zu
müssen, für viele an die Stelle getreten sind, die Jesus hier in unserm
Text meint... Mag sein, daß die einen sich geldlich mit "Allianz" versichern
und gesundheitlich – wie angedeutet - mit Hilfe der Rezepte von Ärzten und
Therapeuten, für mich ist das , was Jesus hier anspricht von einem Leben, das
einen Menschen krisenfest in die Zukunft führt, eine Dimension, die noch
darunter liegt und die man nie vergessen darf.
Jedenfalls so lange wir es uns klar halten,
daß am Ende doch nicht bloß Geld die Welt regiert und auch – bei Licht
besehen – Gesundheit nicht so sehr das Wichtigste ist, wie
manche das unentwegt betonen. Das jedenfalls hat Jesus hier im Sinn,
und wenn ich eben hier den Vergleich brachte mit dem Werbefernsehen, ich
denke, dann paßt das genau zu unserm Text. Werbend, prägnant und einprägsam,
auf einladende Weise wird da seine Grundbotschaft, seine Botschaft vom festen
Grund zusammengefaßt: und das, was er da bringt, ist fernsehgerecht kürzer als
1 Minute 30, und jedes dreijährige Kind würde verstehen was er meint in diesem
bildhaften Schlußbeispiel, in diesem leicht begreifbaren Doppelbild, wie da
zweimal ein Unwetter aufzieht und jedesmal einen Bau bedroht, dort ganz am
letzten Ende der Bergpredigt, die ja bekanntlich die drei Kapitel Matthäus 5
bis 7 umfaßt. Nein, ganz am letzten Ende der Bergpredigt steht unser Text, den
ich las, dann doch nicht, denn da steht noch eine ganz klitzekleine Bemerkung
dahinter: daß das Volk all das gehört hat, daß es entsetzt und sehr
angesprochen war, "denn er predigte gewaltig und nicht wie die
Schriftgelehrten".
Er predigte gewaltig und nicht wie die
Schriftgelehrten, liebe Gemeinde, das gilt zumal für die ganze Bergpredigt und
gerade auch für den kleinen Text unmittelbar davor von diesem entweder -
oder beim doppelten Hausbau. Er predigte gewaltig und nicht wie die
Schriftgelehrten, das gilt für diesen Jesus, der nicht nur Allgemeinplätze
hoch-theoretisch als Rede von sich absonderte, sondern knapp und anschaulich
in weniger als 1:30 alles bildhaft auf den Punkt brachte.
Wenn ich das von Jesus Gemeinte nach
hierher übertrage, liebe Gemeinde, vielleicht hätte er die beiden
abgekündigten Ehepaare Decker und Gerres sich rausgegriffen und ihnen gesagt:
Eure Ehe ist wie ein Haus, das ihr baut; überlegt, wie ihr‘s baut. Und zwei
Möglichkeiten gibt es da, entweder Bauplan A: Ich habe mit dem
Fundament eures Lebens zu tun, und ihr entscheidet euch: auf diesen Felsen
wollen wir bauen, oder Bauplan B, Ihr baut "frei nach Schnauze", und ihr
schreibt am Tag eurer Eheschließung, weil es sich so gut anhört, feierlich für
ein paar Stunden den Namen "Jesus Christus" über eure Haustür, und damit hat
sich’s – ihr schreibt’s drüber so als Zierde in schnell wieder abwaschbarer
Farbe, dann wundert euch aber nicht, wenn ihr von dem Halt, den ich euch gebe,
nie was spüren werdet. Entscheidet euch und seht, auf welche Steine ihr bauen
könnt.
Ja, liebe Gemeinde Bauplan A oder
Bauplan B, darum geht es hier, nicht nur für Gerres und Deckers, sondern -
recht verstanden – für mich und für jeden und jede, der oder die "diese meine
Rede hört".
Wie sagt Jesus doch da: Darum, wer diese
meine Rede hört und tut sie, den vergleiche ich einem klugen Mann, der sein
Haus auf einen Felsen baute. Da nun ein Platzregen fiel und ein Gewässer kam
und wehten die Winde und stießen an das Haus, fiel es doch nicht...
Ich möchte das, was Jesus und da zu sagen
hat, ganz schlicht und einfach beim Wort nehmen, und es so auslegen, wie es da
steht und im Ursinn gemeint ist. "Diese meine Rede", wie es da heißt am Anfang
unseres Textes, damit ist unzweifelhaft in besonderer Weise die Bergpredigt,
der berühmte Abschnitt Matth. 5 bis 7, gemeint.
Für die von uns hier, die nicht so
bibelfest sind, will ich ganz knapp zusammenbündeln, was "diese meine Rede"
besagt, nämlich was in diesen drei Kapiteln der Bergpredigt als
Zusammenfassung des Willens Gottes im Geist Jesu zum Ausdruck kommt. Am Anfang
als Eingangstor die Seligpreisungen: Selig die Armen, Kleinen, Unterdrückten
und Leidenden, selig die Friedensstifter, die Hunger und Durst nach
Gerechtigkeit haben, denn ihr, die Verachteten am Rande sollt meine Leute
werden, Licht der Welt und Salz der Erde, ihr sollt die neue
Gerechtigkeit erfahren und ausleben, nicht nach den alten starren Gesetzen
der Gesetzlichkeit, sondern radikal neu, daß Gottes Liebe neu unter die Leute
kommt! Ja, Ihr sollt in diesem Geist beten, daß sein Reich kommt und sein
Wille geschieht, wie uns Jesus in der Mitte der Bergpredigt es zu beten lehrt:
daß seine Liebe, die auch den Feind noch umfängt und im Gebot der Feindesliebe
gipfelt. Ja, Liebe, Agape komme zum Zug, wie im Himmel, so auf Erden, und wenn
du so betest, wie es da zum Händefalten im Herzstück der Bergpredigt
heißt, dann geh in dein Kämmerlein, dein Vater hört da sein Kind, das nach
seinem Willen fragt. Und dieser große Abschnitt, liebe Gemeinde, von Gottes
Reich, von seiner Herrschaft, wie sie unter die Leute kommt, der geht da in
der Bergpredigt immer nach dem Schema von Jesu neuem Grundgesetz der
Freiheit: den Alten war gesagt Auge um Auge, Zahn um Zahn, ich aber
sage euch: wie ich euch liebte, so dürft ihr auch untereinander
lieben, wie ich euch vergebe, so dürft ihr euch untereinander
vergeben. Nicht wie du mir, so ich dir, sondern: wie ich euch,
so ihr auch euch untereinander!
Die Bibelkundigeren hier mögen alle das
einigermaßen aus dem "ff" wissen, aber ums Wissen geht es ja Jesus gar nicht,
wenn wir in unseren Text sehen: da steht pointiert, daß die, die diese Worte
hören und tun, jenes Fundament haben, auf das zu bauen ist, wo das Haus
auch den Winden und Wassern gewachsen ist und krisenfest stehen bleibt.
Wer diese meine Worte hört und tut, so sagt
es Jesus, und man könnte die ganze Bergpredigt in ihrer Zielrichtung auch in
einen Satz zusammenfassen, in den, den wir am Anfang gesungen haben, in das
Mottowort der Frauenhilfe:
Das will ich mir schreiben in Herz und
Sinn, daß ich für mich nicht auf Erden bin, daß ich die Liebe, von der ich
leben, liebend an andere weitergebe.
Da steckt’s wortwörtlich drin, was Jesus zentral in der Bergpredigt den
Seinen einschärft: Bete und tu dann was, ora et labora, geh in dein
Kämmerchen und such den Vater in seiner Liebe, tanke etwas auf von dem, was er
dir gibt, und bring es dann raus, damit von dem Empfangenen liebend was zu
andern hinkommt – bis hin zu dem Feind.
Mit unserer Frauenhilfe bei der Busfahrt am
Mittwoch, liebe Gemeinde, auf dem Weg von Köln zurück, da machten wir uns das
klar – an meinem 8jähigen Sohn dem kleinen Martin, der ja früher so
gehandicapt war und ziemlich an mir hängt, und der neulich in der Kurzeit es
gar nicht aushielt, über drei Wochen ohne Kontakt zum Vater zu sein. Darf
ich dich wenigstens jeden Morgen anrufen, bevor du da deine Anwendungen
kriegst? Ja, er durfte! Und abends um 8 Uhr mußte der Kontakt vor dem
Schlafengehen auch sein, dann war der Tag in Ordnung. Wir machten uns klar, da
im Bus, daß das ein prima Gleichnis ist zum Nachdenken für jeden von uns: Wenn
man in sein Kämmerchen geht und betet und da den Vater sucht, ist das doch
genau so ein Anrufen: und ganz sicher wird der Tag anders für den, der das
morgens und abends tut, für den der das sonntags um 10 tut, als für den der
das nicht tut! Ja, in Jesu Sinn ist das ein Grundlagenbeispiel sogar: die
Liebe, von der man lebt, die ist im Kämmerchen zu tanken, denn wohlgemerkt:
Beten ist das Atem-Holen des Glaubens, und bewußtes Beten hat etwas von der
fundamentalen Atemgymnastik des Christsein! Wer das nicht mehr hat, wird
Gottes Liebe schwerlich "liebend an andere weitergeben". Ja, das ist so ein
Fundament in einem Leben, ganz wichtig, zumindest genauso wichtig wie der
Cholesterinspiegel, und die Betenden, die werden all das, was man nach außen
nicht sieht, wie ich in der Kur, in der Innensicht neu erkennen: Wer Gott
nicht hat als Fundament, wer Christus nicht hat als Grund in seinen Abgründen,
wird diese großartige Erfahrung niemals machen, daß das Haus stehen bleibt,
durch Winde und Wetter, Hochs und Tiefs hindurch.
Ja, lassen wir uns nicht blenden von denen,
die sich toll vorkommen, wenn die Bauplan B bevorzugen, wenn sie für unsere
Welt sogar noch Türme bauen wollen ohne Gott, die wie damals beim Turmbau von
Babel bis in den Himmel reichen. All das ist auf Sand gebaut. Sagt Jesus, der
Recht hat damit. Und wenn sie am Bau der Kirche es genauso tun und unsere
Kirche, diesen oft wackeligen Altbau, der einzustürzen droht, auch bloß mit
finanziellen Tricks und Versicherungen am Leben halten, als wäre das ein
Risikoladen, der vor der Totalpleite "hoffentlich allianzversichert" ist, dann
ist es genauso auf Sand bloß. Nein, der wahre Baugrund für Gemeindeaufbau ist:
zu erkennen, daß Jesus neu unser Eckstein werden will, und er wird es hier, wo
wir seine Worte hören und sie tun!
Wie wichtig der Baugrund ist, sieht man
nicht von außen – das zeigen erst die Folgen, sagt Jesus. So wie man ja das
Fundamentale und Grundwichtige des Cholesterinspiegels auch an den Folgen erst
sieht. Schenke er es, daß wir hier bereit werden zum Hören und Tun, zum
Beten und Arbeiten, zum Empfangen seiner Liebe, von der wir
Leben, um sie liebend an andere weiterzugeben, damit sein Wille
geschehe wie im Himmel – so auf Erden, in unserm Leben, einem Leben, mit Grund
und Fundament. Amen.