Im Sommer 2011 vor 175 Jahren in Iserlohn gestorben:
Johann Abraham Strauß (1754 bis 1836), das Iserlohner Pfarrer-Original an der Bauernkirche

Letztes Update: 26.2.2017    


 
 

Hier gibt es mehr von FG zur Heimat(kirchen)geschichte des märkischen Kreises: www.pastoerchen.de/heimatgeschichte.htm - vgl. auch FGs umfangreiche Website über den ältesten Sohn, den jüngeren Strauß: www.gerhard-friedrich-abraham-strauss.de
 

Historisches Bild der Iserlohner Bauernkirche (Kirchspielskirche), in der Strauß jahrzehntelang segensreich wirkte:
 

 

Johann Abraham Strauß - Gedenken an ihn in Iserlohn damals im Jahr 2011 anlässlich seines 175. Todestages
 
1. Dreißig Seiten über Johann Abraham Strauß sind Anfang Dezember 2011 herausgekommen in dem Band: Beiträge zur Heimatkunde für Iserlohn und den märkischen Raum, Bd. 20, hg. vom Förderverein Iserlohner Museen, Redaktion Hanswerner Hildenbrand, Iserlohn 2011 (ISBN 978-3-89053-130-4) - vgl. (korrigierter Link) den IKZ-Artikel zur Vorstellung dieses Buches.
In diesem Band ist es der krönende Abschluss-Aufsatz, S. 288 bis 317 (mit 19 Abbildungen): Friedhelm Groth, Vor 175 Jahren gestorben: Johann Abraham Strauß - ein westfälisches Pfarrer-Original aus Iserlohn. Mit freundlicher Genehmigung des Förderkreises Iserlohner Museen ist dieser Strauß-Aufsatz, wie er in dem Buch erscheint (mit allen Bildern), als
PDF hier 
(korrigierter Link) zu haben.

2. Am So., 30.10.2011 kam in Radio MK in der christlichen Sendung "kreuz und quer" etwas zu Johann Abraham Strauß, dem Pfarreroriginal. Das Kurzinterview mit FG zu dem Thema führte der frühere Öffentlichkeitsreferent des Kirchenkreises Dr. Lars Klinnert, wie man HIER
hört: http://podster.de/episode/2024768/download/Strauss-Interview.mp3

3. Auch anlässlich des 175. Todestages von Pfarrer Johann Abraham Strauß fand am Tag des offenen Denkmals (So., 11.9.2011) eine kleine Strauß-Ausstellung im historischen Burgarchiv Iserlohn in der Stadtmauer direkt neben der Obersten Stadtkirche gezeigt, die die zuständige Pfarrerin Brigitte Zywitz zusammen mit FG ins Leben rief. In dem Zusammenhang wurde auch dreimal eine vertonte 30-minütige Powerpoint-Präsentation zum Leben von Strauß dargeboten. "Soundtrack" dieser Präsentation HIER als MP3 zu hören.

4. In "UNSERE KIRCHE" war im Regionalteil Iserlohn/Lüdenscheid (4.9.2011) ein mit zwei Bildern verzierter Artikel von FG abgedruckt mit dem Titel: "Der originellste Pfarrer" Iserlohns - Untertitel: "REGIONALE KIRCHENGESCHICHTE Vor 175 Jahren starb der pietistische Pfarrer Johann Abraham Strauß. Mit seinen Predigten begeisterte er nicht nur in Iserlohn."
Dieser recht umfangreiche Artikel ist als PDF direkt HIER herunterzuladen bzw. einsehrbar:
http://www.pastoerchen.de/kaffeestuebchen/StraussUK.pdf (korrigierter Link).

5. Druckausgabe des IKZ am 27.7.2011:

Bedeutender Pfarrer ist heute fast unbekannt

Vortrag zum 175. Todestag von Johann Abraham Strauß am 3. August

[PDF-Datei des Zeitungsartikels (Vorankündigung) mit Bild HIER (korrigierter Link) - der 90minütige ausgeführte Vortrag mit Anmerkungen als PDF-Datei  HIER (korrigierter Link) zu haben - die 35 Seiten Strauß-Bilder HIER zu haben (korrigierter Link).]
Iserlohn. (rd) Die Biografie eines heimatgeschichtlich bedeutenden Iserlohners Johann Abraham Strauß wird am Mittwoch, 3. August, in der Reihe der öffentlichen Vorträge des Förderkreises Iserlohner Museen vorgestellt. "Vor 175 Jahren gestorben: Johann Abraham Strauß - ein westfälisches Pfarrer-Original aus Iserlohn", so lautet der Titel des reich bebilderten Vortrags, den Pfarrer Dr. Friedhelm Groth aus Hemer ab 18 Uhr im Keller des Museums für Handwerk und Postgeschichte, Fritz-Kühn-Platz 5, halten wird.
Der gebürtige Wuppertaler Johann Abraham Strauß (1754 - 1836), als Pfarrer nach Iserlohn gekommen im Jahr 1782, war eine stark prägende evangelische Pfarrergestalt des 19. Jahrhunderts in Iserlohn. Man kann ihn mit Fug und Recht als "Pfarr-Original" bezeichnen, wie es seinerzeit sein Biograf, der evangelische Erbauungsschriftsteller Emil Frommel, in seinem Büchlein über das Leben und Wirken von Strauß getan hat. Strauß wirkte an der Bauernkirche und war damit zuständig für die Dörfer des Kirchspiels rings um Iserlohn bis hin nach Ihmert. Er war ein Vater des Pietismus der Herrnhutischen Ausrichtung, der seelsorgerlich viel zur Erweckung und Erneuerung seiner großen Gemeinde beigetragen hat. Seine urwüchsigen Predigten fanden gewaltigen Zuspruch - so sehr, dass wegen des Ansturmes der Gottesdienst-Besucher Fenster und Türen der Bauernkirche geöffnet werden mussten. Ungewöhnlich war, dass Strauß im Alter für seine Verdienste in der Gemeindearbeit von der Theologischen Fakultät der Universität im fernen Berlin 1832 zum Ehrendoktor der Theologie promoviert wurde. Damit hängt zusammen, dass das Pfarr-Original am preußischen Königshof sehr populär war.
Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist nicht viel über diesen kirchengeschichtlich bedeutsamen Theologen geschrieben und nachgedacht worden. Kaum jemand (auch in der evangelischen Kirche) weiß, dass er der bedeutendste Pfarrer war, der jemals in der Bauernkirche gewirkt hat. Und kaum jemand weiß, dass sein Grabstein im historischen Teil des Iserlohner Friedhofs zu finden ist. Strauß wurde dort beigesetzt im Sommer 1836 - vor genau 175 Jahren.


Gliederung des Strauß-Vortrags von FG am 3.8.2011 in Iserlohn:

1. Hinführung zu Johann Abraham Strauß: Ist 175 Jahre tot – und kaum einer denkt an ihn…
2. Johann Abraham Strauß: Zu seiner Herkunft, der Kindheit, der Jugend und dem Studium sowie der frühen Zeit als Geistlicher
3. Das grundlegende erste Iserlohner Jahrzehnt: Die Verbindungen zu seinem väterlichen Freund Gottfried Dümpelmann, dem herrnhutisch geprägten Pfarrer vom Deilinghofer Alten Pastorat
4. Predigt, Seelsorge und geistliche Erneuerung  im Kirchspiel durch Strauß – pietistischer Gemeindeaufbau  im Sinne Zinzendorfs
5. „Weltliches“ - der Pfarrer Strauß in seinem Verhältnis zum typisch Westfälischen und zur Stadt Iserlohn
6. Kontakte über Iserlohn hinaus – das Iserlohner Pfarroriginal und der preußische Hof; Spuren, die Strauß bei Kindern und Enkeln hinterließ
Exkurs: der Seher Swedenborg und Johann Abraham Strauß
7. Die letzten Jahre  von Johann Abraham Strauß - Abschließende Würdigung
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Es ist der 90minütige ausgeführte Vortrag mit Anmerkungen als PDF-Datei   HIER zu haben - die 35 Seiten Strauß-Bilder HIER  zu haben (beides korrigierte Links).



Inzwischen kann man zu Strauß auch etwas hören:
1. Der auch oben schon genannte "Soundtrack" der Powerpointpräsentation über Johann Abraham Strauß am 11.9.2011 - es sprechen Pfarrerin Brigitte Zywitz und FG - "Soundtrack" HIER als MP3
2. Aus dem Leben von Pfr. Joh.Abraham Strauss nach: Dr. Friedrich Abraham Strauß (dem Sohn) aus dessen Autobiographie: Abendglockentöne, Berlin 1868.
Gelesen von FG - 53 Minuten und etwas über 48 MB - HIER zu haben oder zu hören als MP3: http://podster.de/episode/1951390/download/StraussVita.mp3
3
. Audio-Datei zu Emil Frommels Szene Strauß und Freund Dümpelmann im Pastorat HIER: http://pastoerchen.podspot.de/files/Duempelmann.und.Joh.Abraham.Strauss.mp3




Oben: Strauß-Stammbaum aus den Unterlagen von Luise Becker, Iserlohn, geb. 1907 (Witwe von Pfr. Wilhelm Becker)
Vgl. zu ihr und zu dem in dem Stammbaum genannten Pfr. Dr. Carl Krafft auch unseren Aufsatz über Luise von Scheibler (als PDF hier zu erhalten). Aus Luise Beckers Sammlung stammt auch der nachfolgende Zeitungsartikel...


Johann Abraham Strauß
Zum 100. Todestag am 30.05.1936
[der alte Text ist zu korrigieren; Todestag war am 02.06.1836! Auch im Becker-Stammbaum oben steht der verkehrte Todestag...]
Ein westfälisches Pfarrer-Original
Von Pfarrer Stenger (vermutlich aus dem "Märkischen Landboten")
Beide Strauss-Abbildungen aus Emil Frommels Lebensbild

Ein Original war der westfalische Pfarrer Johann Abraham Strauß in Iserlohn, dessen Leben Emil Frommel mit dem ihm eigenen Humor beschrieben hat.
Sein Geburtsort war Elberfeld, aber durch eine 50-jährige Amtswirksamkeit ist er ein richtiger Markaner geworden.
Wenn Goethe von sich sagt: "Vom Vater hab ich die Statur, des Lebens ernstes Führen, vom Mütterchen die Frohnatur und Lust zum Fabulieren",- so galt dieser Spruch bei Strauß in umgekehrtem Sinn: Vom Vater, einem Schwaben, hatte er den Humor, von der Mutter, einer westfälischen Bauerntochter von einem Hofe bei Schwelm, die ernste westfälische Art. In Iserlohn pastorierte er die weitverzweigte Außengemeinde, die sich 18 Stunden weit über die in Bergen und Schluchten liegenden Bauern und Drahtzieher-Häuser erstreckte. Bei den schlechten Wegen der damaligen Zeit (1786 - 1836) war es dem Pastor nur möglich, reitend die Gemeindeglieder bei den durchgängig üblichen Hausamtshandlungen zu besuchen. Und sein alter Schimmel hat ihn lange getragen, bis er endlich müde geworden, seinen alten Reiter noch abwarf, dass er einen Arm brach und das Reiten aufgab. Der Pastor wurde, weil er zu reiten pflegte, schwarzer Husar genannt.
Als Strauß hinkam, war er ein schmächtiges Männlein, von dem man meinte, dass er an Schwindsucht leide. Aber das Reiten in der kräftigen Gebirgsluft und das tägliche Trinken von Ziegenmilch haben seine Gesundheit dermaßen gestärkt, dass er bis in sein hohes Alter von 83 Jahren gesund und kräftig war, dass er sogar im harten Winter keinen Überzieher oder Handschuhe trug, sondern nur einen Schneeball in der Hand hielt gegen den Frost.
Seine Stimme war so stark und durchdringend, dass, als er einst auf freier Höhe am 18. 0ktober ein Kreuz zum Gedächtnis der in den Freiheitskriegen Gefallenen einweihte, tief unten im Tale 1/2 Stunde weit seine Stimme wie eine Geisterstimme hörbar war.
In seinem Arbeitszimmer stand im Winter, wie im Sommer, die Tür stets offen, so dass niemand anzuklopfen brauchte.
Als ihm in seinem Alter ein Pelzrock geschenkt wurde, sagte er: "Als ich hinaus musste in Frost und Schnee, hat mir niemand einen Pelzrock geschenkt, jetzt, da ich am warmen Ofen sitzen darf, bekomme ich einen. S' ist eine verdrehte Welt!"
Wenn aber auch seine Tür jedem offen stand, hatte er doch ein Abwehrmittel gegen lästige Leute, indem er den Spruch an die Tür geschrieben hatte: "Langweiliger Besuch macht Zeit und Zimmer enger, / O Herr, behüte mich vor jedem Müßiggänger!"
Zu den Märkern passte eine so schlichte und gesunde Natur, und er war ganz und gar mit dem westfälischen Volksleben verwachsen, auch in seiner Natürlichkeit und Derbheit. Sein Schuster maß ihm eines Tages ein Paar neue Stiefel an und redete dann sehr gottselig über die Predigten seines Pfarrers und bat ihn, dass er im Gebet seiner gedenke. "Ja, sagte Strauß: das will ich tun, denn ich habe den größten Profit davon, dann wirst du mir auch bessere Stiefel machen". Der Schuster sah ihn groß an, er hatte den wunden Punkt bei ihm getroffen.
Auch mit vornehmen Leuten wusste er zu reden. In dem unruhigen Jahr 1830 kam die Prinzessin Wilhelm von Preußen nach Iserlohn, um ihn zu besuchen, da sie den Vater ihres Hofpredigers kennen zu lernen wünschte. Sie sprach von den Unruhen in Berlin und war schon ängstlich, was ihr noch in Köln, wohin sie Reisen wollte, begegnen würde. Da fragte Strauß: "Kennen Ew. Königliche Hoheit die Losungen der Brüdergemeinde?" Als sie diese Frage bejahte, fragte er weiter: "Haben Sie auch die heutige gelesen?" Als sie die Frage verneinte, sagte er: "Das habe ich mir wohl gedacht, denn sonst würde wohl keine Furcht in Ihrem Herzen sein. Die Losung heißt nämlich: Jesus Christus, gestern und heute und derselbe in Ewigkeit, d.h. auf gut Deutsch: Jesus Christus ist gestern, nämlich in Berlin und heute, bei dem alten Strauß in Iserlohn, und derselbe auch morgen in Köln und immer derselbe." Und nun redete er von Gottes Treue, der die Seinen schützt, also, dass die Prinzessin ihr Haupt vor ihm neigte und seine Hände auf dasselbe herniederzog, dass er sie segne; und diese Stunde hat sie, wie sie seinem Sohne, dem Hofprediger, nachher erzählte, niemals vergessen. Auch der Oberpräsident von Westfalen, der "alte Vincke", besuchte ihn gerne. Einmal erschien er kurz vor dem Mittagessen im blauen Kittel, wie ihn auch der Pastor meist trug, und mit der Pfeife. Sie waren beide in ein Gespräch vertieft, als die Mittagsstunde schlug, und es ging in dem Pfarrhaus alles nach der Uhr. Darum sagte Strauß zu seinem Gast: "Exzellenz, vergessen Sie ihre Rede nicht, aber ich bin ein alter, pünktlicher Mann, wollen Sie mein Gast sein oder lieber zusehen, wie wohl es mir schmeckt?
"In Westfalen schmecket wohl Eine Wurst mit Sauerkohl".
Der "alte Vincke" zog es vor, mitzuessen und nicht nur zuzusehen. Nach Tische hielten beide nebeneinander sitzend ihr Mittagsschläfchen und setzten dann bei Kaffee und Pfeife ihre Unterhaltung fort. Sie kamen auch auf geistliche Dinge zu sprechen. Da fragte der Oberpräsident: "Wie ist denn das zu verstehen, dass Johannes der Täufer der größte Prophet und doch der kleinste im Himmelreich sein soll?" Der Pastor sprach: "Der kleinste Teil einer unendlichen Größe ist immer noch größer, als der größte Teil einer endlichen Größe".
Strauß war ein Mann vom kindlichen Vertrauen und dies wurde manchmal missbraucht. Er übernahm einmal für einen guten Freund eine Bürgschaft von 1800 Thalern und blieb richtig damit hängen. Nur eine Erbschaft seiner Frau bewahrte ihn davor, dass er dadurch in bedenkliche Schulden geriet.
Ein anderes Mal kam ein Schwindler aus Berlin, der sich als Bekannter des Oberhofpredigers Strauß vorstellte und sich von dem gutgläubigen Vater desselben 10 Friedrichsdor erschwindelte. Als Strauß das seinem Hilfsprediger erzählte, sagte der sofort: "Da sind Sie betrogen worden". Sein Pastor aber war ganz empört, dass er so misstrauisch sei. Ein Brief an den Hofprediger brachte die Nachricht, er kenne ihn nicht und ohne Zweifel sei der Vater betrogen. Aber weil es mit Berufung auf seine Person geschehen sei, so sende er ihm gerne das Doppelte wieder. Sehen Sie, sagte nun lächelnd der alte Strauß, "dass ich nicht betrogen bin" und gab der Tochter die Hälfte für den Fall, dass wieder solch ein Kunde käme. "Denn mehr als 10 Friedrichsdor kommen mir nicht zu".
Er pflegte in seiner kindlichen Sorglosigkeit zu sagen: "Mein Kopf gehört dem Herrn und ich wünschte, auch mein ganzes Herz: was meinen Geldbeutel betrifft, so weiß ich nicht, ob ich sagen soll, er gehört dem Herrn oder mir. Darum geht mir auch das bisschen Geld nicht auf". Er stammte aus der Zeit des Rationalismus und hatte auf Schulen und Universitäten nur vom Vernunftglauben gehört. Aber durch Berührung mit der Brüdergemeinde und Vertiefung in die hl. Schrift hatte er sich zum lebendigen evangelischen Glauben durchgerungen. So sagte er von sich selbst: "Ich war ein Schüler Semlers (Professor in Halle), und darum konnte ich nichts anderes geben, als trockene Semmel. Aber meine Gemeinde wollte frisches Brot".
Als er von einem Prediger hörte, der sich in seiner Tätigkeit auf das Predigen beschränkte, aber keine Haus- und Krankenbesuche machte, sagte Strauß:" Der Mann scheint viel von der Stallfütterung zu halten, aber ich habe doch meine Bedenken dabei; denn wer zu faul ist, seine Herde auf die Weide zu treiben, wird sie im Stall hungern lassen".
Strauß war es vergönnt, das goldene Amtsjubiläum zu feiern, wozu ihm der König das Kreuz zum Roten Adlerorden und die Universität Berlin die Würde eines Doktors der Theologie verlieh.
Scherzend sagte er: "Heute habe ich von meinem König das Kreuz bekommen. Sonst hängt der Schächer am Kreuz, hier aber das Kreuz am Schächer.
Die Universität hat mich zum Doktor (Gelehrten) gemacht, ich bin aber dadurch nicht doctior (gelehrter) geworden". Was ihm aber die meiste Freude an diesem Feste bereitete, ihm, der allzeit ein Vater der Armen gewesen, das war die Tatsache, dass die Gemeinde 146 Arme speiste. Nachdem er auch noch seine goldene Hochzeit hatte feiern können, nahte am 30. Mai 1836 sein Heimgang, auf den er die Seinigen schon hingewiesen, als er sprach: "Wenn ich sterbe, braucht ihr mich nicht
weit zu suchen. Ich wohne jetzt nur Parterre und ziehe dann in die Beletage". Seinem Hilfsprediger aber, der ihn einst fragte, was man auf seinen Grabstein setzen sollte, gab er zur Antwort: "Wer Grabschriften schreiben will, muss den Lapidarstil lernen. Wenn Sie also etwas auf mein Grab schreiben wollen, so schreiben Sie:
"Hier liegt der alte Strauß.
Seine Plage ist nun aus.
Er ist zu Haus"

 


Erster Zusatz-Text
[Zweiter Zusatz-Text unten - Auszug aus Emil Frommels Lebensbild zu Johann Abraham Strauß]
3. J.A. Strauß, das Iserlohner "Pfarroriginal", als Bundesgenosse der Swedenborgianer I. Tafel und P.E. Müllensiefen
(zu Peter Eberhard Müllensiefen als Swedenborgianer vgl. von Friedhelm Groth dieses Büchlein, aus dem das Nachfolgende in Auszug ist)

Anders als in Württemberg gab es unter den Pfarrern und Theologen der Grafschaft Mark im vorigen Jahrhundert nicht viele ‘Originale’ (ein Manko an Originalität, das im gleichen Gebiet heute noch zu beklagen ist). Doch Hofrat Bährens etwa, der Pfarrer an der Schwerter St. Viktor-Kirche und Swedenborg nahestehende Gelehrte, war damals so ein Original. Ähnlich originell und ungewöhnlich (wenn auch theologisch ‘auf einer etwas anderen Schiene) war zu gleicher Zeit an der Iserlohner Bauernkirche sein erwecklich ausgerichteter Kollege Strauß, dessen `verdecktes’ Wirken im Sinne der Neuen Kirche hier näher zu beschreiben ist. Dieser Johann Abraham Strauß (1755-1836), dem Emil Frommel in seinem viel gelesenen Strauß-Lebensbild ein Denkmal setzte, war übrigens der Vater des oben schon genannten bekannten preußischen Oberhofpredigers Gerhard Friedrich Abraham Strauß (1786-1863) [Link hier]; letzterer machte seinen Vater am preußischen Königshof zu einer bekannten Größe, was zu Besuchen von Mitgliedern der königlichen Familie in Iserlohn führte.
Das von Frommel sog. "Pfarroriginal" Strauß stand als Herrnhuter dem Pietismus und der sich herausbildenden Erweckungsbewegung im 19. Jahrhundert nahe, und bei der Lektüre seiner Lebensbeschreibung entsteht der Eindruck, daß man einen kernig-nüchternen märkischen Bauernpfarrer vor sich hat, der die Frommen in seiner ‘Kirchspielgemeinde’ nachhaltig förderte und dem die ‘Erweckung’ der ihm Anvertrauten das geistliche Herzensanliegen war. In der Tat sind von Strauß aus auch erweckliche Prägungen ausgegangen, die im damaligen Gebiet der Kirchspielgemeinde heute noch spürbare Nachwirkungen haben. Dabei hat aber nicht nur Strauß selbst gewirkt, sondern in erheblichem Maße auch Frommels harmonisierte Version und Lesart des Lebens dieses Pastors im Bauernkittel.
Bei der genauen Lektüre des Vorworts zum Frommelschen Büchlein, in dem auf die ‘Überlieferungsgeschichte’ der verwerteten Strauß-Aufzeichnungen eingegangen wird, die Straußens vormaliger Hilfsprediger, der auch als Erbauungsschriftsteller bekanntgewordene K.L.Josephson, an Frommel weiterleitete, bekommt man schon den Eindruck, daß bestimmte Aspekte des Lebens von Strauß (nach dessen Wunsch) bewußt nicht allgemein bekannt sein sollten. Unsere starke Vermutung geht dahin, daß das Motiv davon die Geheimhaltung der Swedenborg-Begeisterung des Pfarrers Strauß ist, was dann. Josephson und Frommel zu der ‘geglätteten’ Version der Lebensbeschreibung führte, in der ganz viel von der Brüdergemeine, aber nicht ein Wort und kaum eine Andeutung von Swedenborg und der Neuen Kirche vorkommt.
Umso genauer war z.B der württembergischen Führer und Hauptapologet der Bewegung der Neuen Kirche, Immanuel Tafel, über den Swedenborgianismus von Strauß informiert. Schon in seinem o.g. wichtigen ersten Brief nach Iserlohn im Dezember 1825 hatte sich Tafel bei seinem späteren Schwiegervater mit dem Satz einführen können: "Daß meine unternommene Übersetzung der Swedenborgischen Werke bei Ihnen bekannt ist, schließe ich daraus, daß der verehrungswürdige Pastor Strauß mich durch den Missionar Bezuer vor ungefähr einem Jahr grüßen ließ" (v.O.-B., S.300).
Sehr wohl also wußte Tafel, noch bevor er Müllensiefen wirklich kannte, von dem Iserlohner Pfarrer an der Bauernkirche. Der immerhin hatte sich seine Swedenborg-Begeisterung durchaus etwas kosten lassen, wobei nicht nur an die oben erwähnten 10 Taler pro Jahr, die an Tafel gingen, zu denken ist, sondern vor allem auch daran, daß er geradezu ein Vermögen ausgegeben haben mußte beim Erwerb all der Swedenborgiana, die er im lateinischen Urtext besaß und die auf Müllensiefens genannter brieflicher Liste vom November 1817 verzeichnet sind.
Tafel nun ließ den Iserlohner Pfarrer Strauß in seinem Buch "Zur Geschichte der Neuen Kirche" auf elf Druckseiten breit zur Wort kommen. Das Iserlohner ‘Pfarroriginal’ wurde für die Anhänger der Neuen Kirche darin so charakterisiert: "Pfarrer Strauß hatte etwas Kindliches, Originelles, Patriarchalisches, und stand in der Nähe und Ferne in großer Achtung, daher er auch stets viele Besuche von Fremden erhielt. Auch der letztverstorbenene König achtete und liebte ihn, und ließ ihn, wenn er durch Iserlohn fuhr, jedes Mal an seinen Wagen kommen" (S.164f.).
Das vom Iserlohner Strauß gegebene "Zeugniß für die Göttlichkeit der h. Schrift", das wie Tafel extra betont, der Position des württembergischen Namensvetters David Friedrich Strauß diametral gegenübersteht (S.165), ist nach -Tafel solch eine eine ausführliche Zitation wert. Hier ist - in loser Aneinanderreihung - Einiges daraus wiederzugeben, damit die Prägung Straußens theologische Prägung durch Swedenborg und seine Beziehung zu Tafel und zur Neuen Kirche deutlicher wird:
"Seit 39 J. war Sw. Doctr. Nov. Eccl. Jerus. meines Herzens Eldorado", bekennt der "Strauß, aet.73" am 10.4.1827; man käme dann als Anfang etwa auf das Jahr 1788 - sechs Jahre, nachdem der junge Müllensiefen in Altena durch Mertens auf Swedenborg stieß, und im gleichen Brief wird die Bedeutung Swedenborgs so beschrieben: das sei "neues Licht über den erhabenen Geist des Urchristenthums", "der einzige haltbare Vereinigungspunkt für alle entzweiten Religionsparteien" (Zitate S.166f.). Euphorisch heißt es am 24.5.1829 im Brief am Tafel: "Immanuel!!! das Losungswort der N.K. durch Immanuel Sw. der Welt bekannt geworden, - durch Immanuel Ta. weiter aufgetischt. Bene! nil supra. - Wir beten täglich für Sie, - ut Deus tecum sit" (S.166). Am 9.10.1829 schreibt Strauß an Tafel, er "lebe mehr in Tübingen ...als hier" und habe "seit 28 Jahr ... auf einen solchen Mann" wie Tafel "so sehnlich gewartet" und teilt auch mit, daß die Kinder von "Landrath M." diesem "Freude in geistiger und weltlicher Hinsicht" machen (S.167) . Im Brief am 21.2.1830 heißt es bei Strauß "Sw.: der erwartete Hercul., der die Hydra der sichtbaren Kirche, d.i. die vielköpfigen Ansichten zur Einsicht gebracht", und der Verehrte wird beschrieben: als der, der "allein per misericord. Dom, Organismus in sein religiöses Werk brachte - ein genauerer Denker ohne Dünkel aus göttlicher Offenbarung. - Introite, et huic insunt sciendi fundamenti" (S.169). Im Brief vom 10.10.1830 gibt Strauß wieder das Anfangsfdatum seines Wegs mit Swedenborg an,etwas vom genannten abweichend: "seit 1786 war es die Perle, für die ich alles fahren ließ" (S.169) und: "Am 26. Dec. zähle ich elf mahl 7 Lebensjahre, und ich habe davon 45 freudige und fröhliche Jahre der Lehre der N. Kirche ... zu verdanken (S.170). Auf der gleichen Seite ist zur Swedenborg-Lektüre hinzugefügt: "Opera Omnia Sw. habe ich 10 mahl durchstudirt, und excerpirt". Bei all dem geht es aus Sicht von Strauß allein um die Bibel, die sich für ihn in Swedenborg erschlossen hat: "In der Doctrin der N.K. ist mir die höchste Aufgabe gelöst in der Schrifterklärung der Uebertragung des sinnlichen Ev. in das geistige" (Brief an Tafel vom 20.7.1832: S. 171). Auf den letzten drei Seiten der Darstellung des Swedenborgianismus in Iserlohn fügt Tafel in seine "Geschichte der Neuen Kirche" sogar einen langen wörtlich wiedergegebenen Lebensabriß des Lebens von J.A.Strauß bei, wie er drei Tage nach Straußens Tod am 5. Juni in der ‘Elberfelder Zeitung’ veröffentlicht worden war (S.173-175); mit der nennenswerten Bemerkung: "Er war bis an sein Ende beschäftigt, studirte fortwährend,...und in seiner Bibliothek war allmählich wieder eine kleinere Bibliothek von Exzerpten entstanden", S.175 - Exzerpte des Bibel- und Swedenborgforschers Johann Abraham Strauß...
Viel vorsichtiger aber ging Strauß in seinem Wirken in Iserlohn mit dem Lieblingsthema Swedenborg um. Die Darstellung Müllensiefens, wo dieser in der Autobiographie auf seine Beziehung zu Strauß zu sprechen kommt, läßt das gut erkennen. Einiges Charakteristische in dieser Richtung haben wir hier zu nennen:
Die von Müllensiefen erzählte Geschichte, wie er als Landrat Straußens baufällig gewordene Bauernkirche vor dem Abbruch rettete (Lülf, S.157-160), ist, wie Müllensiefen sagt, ein "Vorfall, für die neusalemitische Kirchengeschichte nicht unwichtig" und ein Beispiel dafür. wie er als Landrat alles ausnutzte, um aus Problemen "den möglichsten Nutzen für die Neue Kirche zu ziehen" (Lülff, S.157). Zunächst gelang es dem Landrat, die königliche Regierung, durch geschicktes Argumentieren zu erweichen, daß der 1830 verfügte Abrißplan revidiert wurde (vgl. Lülff, S.158f.). Müllensiefen kommentiert seinen Erfolg bezeichnenderweise so: "Groß war mein Triumph, eine Kirche gerettet zu sehen, die - ehrwürdig schon durch ihr Alter - nebenbei auch noch eine lange Reihe von Jahren dem Prediger Strauß gedient hatte, des Herrn Wort im Geiste und Sinne der gereinigten Lehre zu verkündigen, ohne je deren Quelle zu nennen" (Lülff, S.159).
Das also gehörte zum Umgang Straußens mit der ‘Wahrheit’ seiner Lieblingslehre: daß er ein Herrnhuter war, durfte jeder wissen (wie es dann ja auch Frommel publik machte), daß er aber aus angeblich noch ‘tieferen Quellen’ schöpfte und ununterbrochen Swedenborg studierte, das wußte in Iserlohn kaum jemand, höchstens besonders Eingeweihte - wie eben dieser besonders Vertraute Landrat Müllensiefen, der Schwiegervater des verehrten Tafel aus Tübingen. Umgekehrt wußten es seit 1818 dank Müllensiefen über deutsche Grenzen hinaus alle interessierten Leser des genannten Londoner Swedenborgianer-Publi-kationsorgans ‘Report Nr. 9’, und die Deutschen im Umkreis der Neuen Kirche bekamen es seit 1841 durch Tafels "Zur Geschichte der Neuen Kirche" zu wissen...
Gewissermaßen war also für Müllensiefen die Bauernkirche, die er rettete, durch diesen dort predigenden Neukirchler ein besonders ‘geheiligter Ort’. Und auch zur dann fälligen Geldbeschaffung wollte er sich neukirchlicher Beziehungen bedienen, denn der ihn aufsuchende (vgl. Lülff, S.160) Superintendent Hülsemann, oben schon genannt, war - das wußte der Landrat - "im Besitz einer Tafelschen Druckschrift" und mutmaßlich ein "heimliche[r] Anhänger der gereinigten Lehre" war (Lülff, S.157), so daß man ihm getrost den Plan unterbreiten konnte, den Müllensiefen in wörtlicher Rede so wiedergibt: "Ich wüßte wohl Rat, nach England müssen wir uns wenden! Dort ist der nötige Bedarf leicht zu beschaffen", wozu er, Müllensiefen, seine "vielvermögende Empfehlung an die Neu-Salemitischen Gemeinden zu London etc. benutzen wollte", und nach längerem gemeinsamen Planen in dieser Richtung ist aus "unserm schönen Plan, leider! nichts geworden" (Zitate: Lülff, S.160). Das Geld zur Renovierung von Straußens Bauernkirche war anderweitig zu beschaffen. Bei dem Unternehmen muß sich auch Hülsemann von dem gerissenen Fuchs Müllensiefen gefoppt gefühlt haben. Vielleicht fürchtete der Superintendent das ‘Ge-outet’-Werden. Am Ende jedenfalls konstatierte der Landrat, "daß der Herr Dr. Hülsemann in der gereinigten Lehre der Neuen Kirche wenig Fortschritte gemacht zu haben scheint, weil er seit jener Zeit auch kein Wort darüber hat vernehmen lassen" (Lülff, S.160).
Daß hingegen der Landrat mit dem über Swedenborg verbrüderter Bauernkirchen-Pfarrer Strauß ein gut zusammenarbeitendes Duo bildete, kommt in Frommels Lebensbeschreibung auch darin zum Ausdruck, daß gegen Ende des Lebens von Strauß Müllensiefen zu den ganz wenigen Auserwählten gehört, die am 17.6.1833 bei Straußens Goldenener Hochzeit anwesend waren: "Nur wenig Freunde, unter ihnen der Landrat Müllensiefen, ein Diasporabruder Schwarz aus Neuwied und der Adjunkt waren zugegen", und aus der Familie war aus "Berlin ... der Sohn, der Oberhofprediger, mit seinem Sohn, dem jetzigen Hofprediger. gekommen". Der Landrat gehörte also soz. zum erweiterten Familienkreis.
Bei der ‘Amtsjubelfeier’, dem 50jährigen Pfarrerjubiläum von Strauß am 14.3.1832 allerdings war Müllensiefen nicht im Iserlohner Pfarrhaus, da ihn "die Pflicht nach Deilinghofen zu einer wichtigen Bauverhandlung" (Lülff, S.157) gerufen hatte (an den Ort, dem Strauß durch seinen väterlichen Freund Dümpelmann entscheidende Prägung verdankte). Abschließend sei aus dem Glückwunschschreiben des Landrats aus diesem Anlaß der (für die sie verbindende Swedenborg-Bruderschaft) charakteristische Absatz zitiert: "Mit dem Ausdruck eines überwallenden tiefbewegten Herzens danke ich Ihnen für alle Tatbeweise treuer Bruderliebe, deren ich mich beinahe 32 Jahre in Ihrem Hause erfreuen durfte. Ihr lehrreicher Umgang, mit Beispiel belegt, hat nicht wenig dazu beigetragen, ... die Liebtätigkeit in mir vorherrschend zu machen. Wollen wir dann ferner Hand in Hand dem Ziel entgegengehen" (Lülff, S.156).


Zweiter Zusatz-Text
Blätter zur Deilinghofer Kirchengeschichte, Heft 3, Beilage 2 (das gesamte Buch, Heft 3, als PDF HIER zu haben)
 
Gottfried Wilhelm Andreas Dümpelmann und Johann Abraham Strauß 
[aus Emil Frommel, 2. Auflage, S.45-49] 
Audio-Datei zu Emil Frommels Szene Strauß und Freund Dümpelmann im Pastorat HIER: http://pastoerchen.podspot.de/files/Duempelmann.und.Joh.Abraham.Strauss.mp3 erneuert!


[S.45] Rings umher lag die Nacht des Rationalismus; Strauß stand mit seinem inneren Leben allein. Nur einen gleichgesinnten älteren Freund hatte er in der Umgegend. Der war ihm aber auch ein wahrer Jonathan, deß Liebe ihm sonderlicher war denn Frauenliebe. Das war in Deilinghofen (etwa drei Stunden entfernt) der Pastor Dümpelmann. Gab’s eine heilige Freundschaft unter Männern, so war’s diese. Unwillkürlich erinnert sie einen an jenes Rechabiterpaar, davon der eine sagte: "Ist dein Herz richtig wie mein Herz mit deinem Herzen, so gieb mir deine Hand." Und er ließ ihn auf den Wagen steigen. Des zweiten Antwort aber lautete: "Komm, siehe meinen Eifer um den Herrn." 1 Kön. 10, 15. 16. - 
Zehn Jahre nur, bis zum Tode Dümpelmanns, hat die Freundschaft auf Erden gedauert, denn der Freund ging schon 1791 heim. Aber wenn Strauß nach vierzig Jahren noch auf ihn zu reden kam, leuchtete das blaue Auge in hellster Begeisterung und heiligster Freude auf das Wiedersehen im Himmel. Was ist’s doch um einen solchen Freund! 
Dem Verfasser geht’s eigen damit; je älter, desto weniger will’s ihm unter den Pfarrkonferenzen gefallen und desto mehr sehnt’s ihn nach den wenigen, mit denen man Herz an Herz sich ausreden, ausklagen und ausweinen kann. Einen ganz zu haben und [S.46] sein nennen zu können, ist doch mehr wert als ein paar Dutzend halb haben oder nur ein viertel. 
Wie nahe die zwei einander standen, erhellt aus ihrem letzten Zusammensein. Strauß war nach Deilinghofen gegangen, seinen Dümpelmann heimzusuchen. Dümpelmann hatte geschrieben: "Der Hafer ist gesammelt, der Schimmel hat Futter; Küche und Keller werden Leib versorgen, und unser Leibgericht ist da - das Wort Gottes - also komm!" 
Dort am westfälischen Herde mit seinem Bilde, die Taufe des Herrn in den Herdstein gebrannt, saßen die beiden, rauchten ihre Pfeifen, schauten in die Glut und redeten miteinander. Es war am Montag nach Epiphanien des Jahres 1791. xxx Sie sprachen von Weihnacht und Neujahr, von Getauften und Gestorbenen im vergangenen Jahre. 
"Du glaubst nicht, Strauß," sagte Dümpelmann, "wie mir jedesmal zu Mut ist, wenn ich von solch einem Kranken weggehe und ihm zum letztenmal die Hand gebe. Ich gehe dann rückwärts zur Thüre hinaus, um ihn so lange wie möglich im Auge zu behalten. Zuweilen geht mir unterwegs die Pfeife aus und ich freue mich, daß ich wieder zurückkehren und ihn noch einmal sehen darf. Aber als ich letzthin von dem alten M. Abschied nahm, ging mir’s doch durchs Herz; denn dem hab’ ich’s zu danken, daß ich den Herrn gefunden habe. Wenn ich ihn ansah, mußte ich immer an das Wort bei St. Markus denken: ,Er ging in ein Haus und wollte es niemand [S.47] wissen lassen, daß er da war, und konnte doch nicht verborgen bleiben.’ - So war’s mit dem Alten. Er war ein General, der einen Bauernkittel übergezogen hatte." - 
Strauß sagte drauf: "Ja, lieber Dümpelmann, wenn ich die Sterbenden anschaue, kommen sie mir mit ihrem gebrochenen Auge stets vor wie Leute, die lange in die Sonne geschaut haben und geblendet die Blicke niederschlagen; die alten Leute sind Propheten einer großen Vergangenheit und einer nahen Zukunft. Was werd’ ich mir alles erzählen lassen im Himmel. Von den Hirten zu Bethlehem, den Noah - und dann die Passionshistorie. Ich glaube, mir wird im Himmel die Zeit noch viel zu kurz." 
So redeten die beiden und wurden so fröhlich, daß sie am Herdfeuer mitsammen sangen: "Ach, nimm dies arme Lob auf Erden." 
Die Sonne war längst drunten, das Herdfeuer beleuchtete hell den Spruch, der auf einem Stein stand: "Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!" 
"Sieh, Strauß", sagte Dümpelmann, "ich hab’ schon oft gedacht, es sei so die rechte Weise, wie diese Worte auf den angeglühten Steinen stehen, so müsse jedes Wort in steinernen Buchstaben mit Flammenzügen drin stehen." 
Da kam schließlich zu den zweien ein dritter, das war der Schlaf. Das Feuer erlosch, in der Mitternacht wachte Strauß auf. Er konnte sich nicht zurecht finden und rief nun laut: "Herr Bruder, wo sind wir?" Da zündete Dümpelmann das Licht an, sah die Thränen im Auge seines Freundes und [S.48] sagte: "Ja, Strauß, sind wir erst dort, dann werden wir auch die Augen reiben und sagen: Herr Bruder, wo sind wir! Da wird unser Mund voll Lachens und Rühmens sein." "Ja," entgegnete Strauß, "aber nicht vor Dunkel, sondern vor lauter Licht!" - 
Des Morgens schieden sie auf - lange. Drei Tage nachher kam ein Mann aus Deilinghofen zu Strauß und bat ihn, eine Leichenpredigt zu halten. Der Mann sah tieftraurig und zerschlagen aus. 
"Wer ist dir denn gestorben, daß du so weinst?" 
Da antwortete der greise Bauer: "Mein Vater." 
Des wunderte sich Strauß, weil der Mann selbst sehr alt war, und sagte plötzlich: "Dümpelmann, dein geistlicher Vater ist tot!" Als der Bauersmann nickte, da weinte Strauß wie ein Kind. Strauß hielt ihm die Leichenrede über Simeons Abschied, daher noch nach 50 Jahren die alten Leute davon redeten. Derselbe Vers aber, den Strauß damals anführte, klang auch 45 Jahre später über seinem Grab: 
Wer mir einst den Nachruf hält, 
Rühm’ es noch an meinem Grabe, 
Daß ich auf der ganzen Welt 
Nichts an mir zu rühmen habe, 
Als nur auf Barmherzigkeit 
Hoff’ in Zeit und Ewigkeit. 
Strauß hat sich nie wieder an einen Menschen so angeschlossen. Es war ihm in Dümpelmann etwas gestorben, was ihm für diese Zeit und Welt nicht mehr ersetzt ward. [S.49] Es nimmt ja mancher einem die "Hälfte des Herzens" mit, und man fühlt dann, daß man keinen andern mit einem halben Herzen abfinden dürfe.
 
 

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