BuiltWithNOF
Heimat Deilinghofen

"Deilinghofen als Heimat"
Aus einer Rede (FG) zum Neuen Jahr "am Knapp" beim Neujahrsempfang der Ortsvereine am 3.1.1999
Bewußt halte ich jetzt keine Andacht oder Predigt - und genauso bewußt lasse ich auch politische Dinge des abgelaufenen Jahres weithin außen vor, auch wenn es juckt, zu manchen Dingen mit spitzer Zunge was zu sagen.
Nein, ich möchte zum Thema Heimat was sagen. Ich möchte von der Heimat reden: von Deilinghofen, dem Ort, in dem ich jetzt seit fast 16 Jahren wohne und mich zu Hause fühle, was ich damals 1983 nie im Leben gedacht hätte, daß ich das mal sage: Deilinghofen, ist ein Ort, auf den man stolz sein darf. Und ich möchte Ihnen dazu einen Teil eines Gedichtes vorstellen, das in Deilinghofen weithin unbekannt ist: ein Liebesgedicht auf ein Dorf! Da schreibt der wahrhaft bemerkenswerte und originelle Dorfpastor, wohnhaft an der Pastoratstr. :-) ;-) Folgendes:

Wenn alle Welt was schreiben will, / So tu ich auch dran nicht zuviel; / Wenn ich die Gegend meines Orts / Ohn jemandem zu bieten Trutz / In ihrem Umfange beschreib, / Doch immer bei der Wahrheit bleib, / Auf daß nicht jemand sagen kann, / Der hat dem Werk zuviel getan.
Deilinghofen, ein Dorf im Amt / Zu Iserlohn gar wohl bekannt, / Ist’s ziemlich gross in sein’m Bezirk / An Wohnungen nebst Schul und Kirch. / Der Haushaltung sind sechzig Acht / der Einleger hiermit bedacht. / Liegt an der Strasse welche schier / Von Iserlohn nach Balve führ.
Nach Süden, Osten liegt der Wald / Daraus man hat Brand Unterhalt; / Zur Viehzucht ist er wohl gelegt / Deshalb versorget und verpflegt. / Das Feld hierselbsten gleich und gut / Des Jahrs sein Früchte bringen tut. / Der Weiz, Roggen, Hafer, Gerste / Wächst fürwahr hieraufs Beste. / ...
Weltöffentlich Gebäud sind hier kein, / Die Wohnung sind von Holz und Stein. / Widrig Schicksal und Herzeleid
Pest, Brand, Krieg und teure Zeit, / Darin hat’s hier garnicht gefehlt. / Ist mancher Vater worden arm / Von Geld entblößt, daß's Gott erbarm.
Es ist bekannt, daß vormals hier / Die ganz Gemein papistisch schier / Gewesen ist; doch nach der Zeit / Empfangen hat ein ander Kleid, / Sodass dieselb nun lutherisch heisst / Wie solches genug die Lehr ausweist. / Nach Christ Geburt tausend Jahr / Fünfhundertsechzig fünfe war, / Die Zeit da das Papsttum so groß / Hier litt einen harten Stoß. / So gar daß jetzt kaum Zehne sind, / Die man noch recht papistisch find’. / ...
Die Pastorat, die vormals gar / Mit Nonnen wohl besetzet war; / Deswegen es ein Kloster hieß, / Wie auch die alt Kapelle wies. / Ist abgebrochen an deren Statt / Ein neues Haus erbauet ward’. / Siebzehnhundertsechzigacht / Von Holz und Steinen schön gemacht.
Die Schul auf dem Kirchhof behend / Ist aufgerichtet zu dem End / Damit der Jugend dieser Ort / Auch lehre, was sei Gottes Wort. / Und wie sie darnach leben sollen / Wenn sie dereinsten erben wollen / Das Himmelreich, die Seligkeit / Die Gott uns allen hat bereit. / Das Schulgebäude ist betrieben / Sechzehnhundertachtzigsieben
An adeligen Häusern findet sich / In Deilinghofen nur ein Aufricht / Von Duith gehörig, sonst noch sind / Zwei Alber-Stellen wüst und blind. / Der Borghof und des Bindels Gut / Die größte man noch schauen tut.
Sonst sind in Aprick auch noch zwei / Ein noch bebaut, ein wüst dabei. / In Riemke sonst der Pütthof Platz / Davon verschwand der ganze Schatz. / Das wohlbebaute Klusenstein / Liegt allenthalben ganz allein. / Es sieht da wirklich greulich aus: / Auf hohen Felsen steht das Haus. / Es hat gebaut eintausend Jahr / Dreihundertfünfzig Dreie gar / Nach Christi Geburt Gert Plettenberg / Zu Dienst des Grafen der Mark und Berg.
Vorjetzt gehört’s dem Brabeck an / Der Ruschenburg dafür genug getan. / Auch ist sonst noch ein Hof allein / Zu Bäingsen liegt in unsrer Gemein. / Da stehet noch ein alt Kapell / Hoch in dem Turme überschwell, / Hing eine Glocke mit welcher schon / Man zum Gebet gab hellen Ton, / Die aber gar vor kurzer Frist / Von Dieben weggestohlen ist. / Hierselbst viel Eisen wird gesucht / Im Perik zwischen Felsenkluft / Der Kalkstein ist hier garnicht rar, / Doch leid’ das Brennen groß Gefahr. / Zumal da es verboten ist / Vom König noch vor Jahresfrist.
In Deilinghofen sind von Alten / Zwei Jahrmärkte schon gehalten, / Die welche beide auch so lange / Als Kauf und Kaufwert bleiben im gange. / Es findet sich ein Steinbruch hier / Damit man Küche und Keller schier / Kann pflastern auf das Allerdreiste / Und kostet nicht just das Allermeiste.
Sonst ist auch der Schulenstein / Im Bäingser[ge]hölz nicht ganz allein. / Von andern Felsen aber doch / Zu merken als ein Wunderloch. / Die schlechten Verse sind gemacht / Siebzehnhundertsechzigacht.


Meine Damen und Herren, man unterschätze dies Gedicht nicht und lasse sich nicht täuschen durch die altertümliche Sprache und die manchmal holprig klingenden Reime dieses langen Deilinghofen-Gedichtes, von dem wir nur etwa ein Drittel vortrugen. Es ist eine hinreißende Verbindung von Heimatkunde und Deilinghofer Heimatliebe - in einer wahren Fundgrube der Heimatkunde wird da die gesamte heimische Flora und Fauna des Ortes mitsamt allen Pflanzen und Tieren der damaligen Zeit genauso beschrieben wie jedes Haus, von der Stephanuskirche angefangen - alles, wie wir hörten, immer mit den Geschichtszahlen der heimischen Geschichte belegt. Und im Original mündet das Ganze in ein merkwürdiges Rätsel aus, wie man in den Blättern zur Deilinghofer Kirchengeschichte, Band III nachlesen kann. Dieses im Original viele Seiten umfassende Liebesgedicht auf Deilinghofen ist in der Öffentlichkeit weithin unbekannt, es stammte (einige hier wissen es, weil es im Martin-Luther-Haus schon einmal gelesen wurde) es stammte von dem Erbauer des Alten Pastorats, Pastor Gottfried Dümpelmann, und es wurde also vor 230 Jahren, anno 1768, geschrieben, ein wunderbares Liebesgedicht an Deilinghofen aus der Barockzeit. Übrigens hat der frühere Bürgermeister von Deilinghofen, Dietrich Heer, der am letzten Tag des Alten Jahres verstarb und hier am Knapp ganz in der Nachbarschaft wohnte, als Primaner auf der Oberschule eine sehr dicke Hausarbeit über sein Heimatdorf geschrieben und dieses schöne Gedicht darin auch vollständig zitiert und auch ausgewertet.
Ich glaube, nicht nur damals, im barocken 18. Jahrhundert, hatte dieses Dorf Deilinghofen immer schon ein eigenes Gepräge als Ort einer ganz besonderen Originalität, als Ort an der Grenze zum Kurkölnischen, wie es da ja auch bei Dümpelmann anklingt. Man könnte das an Hunderten von Beispielen und Histörchen hier erzählen.
Heute am 3.1.99 liegt es im Zusammenhang mit dem Thema Heimat, mit der Heimat Deilinghofen am nächsten, an das Jahr 1959 zu erinnern. Ich bekam's ja leider bloß aus der Schwerter Zeitung mit in Hennen, die ich, wo ich wohnte. Das lernte ich Deilinghofen kennen aus der Zeitung, die ich, was Sport anging, damals sehr ausführlich als 12jähriger schon las und so sehr bald schon (ein bißchen neidisch auf die Dorfjugend hier) wußte, daß am 28. Februar 1959, inspiriert von den Kanadiern und vorangetrieben von eishockeysüchtigen Jugendlichen und Konfirmanden des Dorfes, der EC Deilinghofen gegründet wurde, der also, wie alle hier sicher wissen im Neuen Jahr mit seiner Traditionsmannschaft sein 40jähriges Bestehen feiern kann. Übrigens bestand zum fast gleichen Datum als dieser ECD gegründet wurde, die Deilinghofer Frauenhilfe 50 Jahre, sie wird im Februar 1999 90 Jahre alt.
Daß man als ein erst später Dazugekommener solche Wurzeln von Heimatverbundenheit schätzen lernt und Deilinghofen kennen- und liebenlernen konnte, das ist bei mir am Ende dieses Jahrhunderts im Letzten nicht anders als bei einem Dümpelmann, der am Ende des 18. Jahrhunderts starb und hier die Heimat sehr liebte und als Glaubender trotzdem seinen eigenen Kopf behielt.
Ich wünsche uns allen für das neue Jahr 1999, daß wir wissen, wo wir unseren eigenen Kopf behalten und einsetzen können und wo wir in recht verstandener "Bürgertreu und Einigkeit" im Dorf Solidarität zu üben haben. Da geht es nicht nur um Hilfe und Beistand für Russen und Ausländer, da geht es weiter auch um Solidarität mit besonders Schwachen unter uns, und den Namen Andreas Edler sage ich da bewußt, für den man sich in Bürgertreu und Einigkeit einsetzen kann. Und in einer Zeit, wo eine Reihe der Führenden aus der rotgrünen Koalition beim Eid auf die Verfassung auf den Zusatz "so wahr mir Gott helfe" meinten verzichten zu können, da wünsche ich uns, daß wir es besser machen als die: indem wir wissen, daß es wahr ist, daß Gott hilft. Und wenn ich gleich noch einen politischen eigenen Wunsch anschließen könnte für das Neue Jahr (da sage ich nur meine Meinung, und da muß mir nicht jeder folgen): wenn der neue Bürgermeister Hemers (wie damals der alte) auch am Knapp wohnte und Deilinghofer wäre, wäre es mir sehr recht. Ich wünsche uns allen für 1999 einen guten Anfang, guten Rutsch. Ich danke Ihnen!