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Dr. Dr. Gerhard Schäfer (1923-2003)
Nachrufe für einen wichtigen Theologen und Förderer der württembergischen Kirchengeschichte


 

Letztes Update 7.2.2005
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INHALT DIESER SEITE:
Nach der Traueranzeige folgt ein Nachruf von Dr. Dieter Ising. Die Trauerpredigt, gehalten von Bischof Theo Sorg steht unten auf dieser Seite; der Nachruf von der Webseite der württembergischen Landeskirche findet sich hier. Schließlich wird Dieter Isings Buch über Dr. Gerhard Schäfer hier vorgestellt. Und last not least FGs Rezension dieser "Gesammelten Aufsätze" in "Für Arbeit und Besinnung" (abgeschlossen 7.2.2005) hier.



Nürtingen-Hardt, 8. März 2003


Gerhard Schäfer
Dr. theol. h. c. Dr. phil.
Archivdirektor i. R.
2. Juni 1923 - 8. März 2003

Wir sind alle sehr traurig, aber wir wissen ihn in Gottes Hand geborgen.

Hannelore Schäfer
Eva-Maria Schäfer mit Nina und Marcel und Rainer Gaag
Annette Schäfer-Teuffel und Gunter Teuffel mit Julian, Amadeus und Clara Emilia
Erika Seidel geh. Schäfer mit Familie

Wir nehmen Abschied in der Kirche und auf dem Friedhof in Hardt
am 13. März 2003 um 14 Uhr .

Ein Kondolenzbuch liegt auf.

72622 Nürtingen-Hardt, Pfeiferstraße 16
 




Nachruf auf Gerhard Schäfer (von Dieter Ising)
Er war ein Historiker, aber ein besonderer. Einer, der als Archivar historische Quellen bereitstellte, der als Editor und Autor auf dem Gebiet der württembergischen Kirchengeschichte publizierte, der als Wissenschaftsorganisator in historischen Vereinigungen wirkte. Vor allem war er einer, der keine Mühe scheute, um denen zur Verfügung zu stehen, die auf seine Erfahrung und sein Wissen angewiesen waren.
Am 8. März ist in Nürtingen-Hardt D. theol. Dr. phil. Gerhard Schäfer gestorben, wenige Monate vor seinem 80. Geburtstag. In Stuttgart-Gablenberg 1923 geboren, studierte er seit 1942 in Tübingen Germanistik, Geschichte und Evangelische Theologie. Danach war er als Verlagsleiter tätig. Das Büchermachen, der Weg vom Manuskript über Seitenlayout, Herstellung bis zum fertigen Buch, hat ihn zeitlebens fasziniert, stand wohl ebenbürtig neben seiner Liebe zur Musik. 1953 trat er in den Stand der Ehe. Seine Frau Hannelore hat ihn beinahe 50 Jahre lang begleitet, bis in die für beide schwere Zeit seiner letzten Krankheit.
Von 1956 bis zum Eintritt in den Ruhestand 1988 leitete er das Landeskirchliche Archiv in Stuttgart, verbunden mit der Leitung der Landeskirchlichen Zentralbibliothek. In den Nachkriegsjahren musste umfangreiche Aufbauarbeit geleistet werden. Archivbestände waren zu ordnen und zu verzeichnen; die Betreuung der württembergischen Dekanats- und Pfarrarchive (Archivpflege) musste organisiert werden. Zugleich war er 1962-1990 Vorsitzender des Vereins für württembergische Kirchengeschichte, seit 1959 im Auftrag des Vereins Herausgeber der „Blätter für württ. Kirchengeschichte“. Vorträge auf wissenschaftlichen Tagungen, aber auch in ungezählten Gemeinden hat er gehalten. In den Lehrgängen für den Pfarrdienst verantwortete er den kirchengeschichtlichen Unterricht. An der Universität Tübingen hat er den Lehrauftrag für württembergische Kirchengeschichte wahrgenommen, bei der Planung und Gestaltung vieler Ausstellungen mitgewirkt.
Seit 1987 Vorsitzender der Sektion West der Historischen Kommission zur Erforschung des Pietismus, war Gerhard Schäfer nach der Wende 1990 maßgeblich an der Vereinigung der Sektionen Ost und West beteiligt. Die Gesamtkommission mit Sitz in Berlin hat er dann von 1993-1998 geleitet und ist so einer historischen Vereinigung vorgestanden, die weit über das Gebiet der EKD hinauswirkt.
Bücher zu machen und mit Büchern umzugehen war seine Leidenschaft. Gern erinnerte er sich an seine Zeit in der Universitätsbibliothek Tübingen, wo er als junger Mann aushilfsweise den Bücherwagen durchs altehrwürdige Magazin zu schieben hatte. Was er danach als Verlags- und Archivleiter an Büchern verfasst oder auf den Weg gebracht hat, lässt sich hier nicht aufzählen. Stellvertretend nur einige Glanzpunkte: die von ihm herausgegebene sechsbändige Dokumentation zum württembergischen Kirchenkampf (1971-1986), seine Geschichte der Evangelischen Landeskirche in Württemberg (1984), seine zweibändige Edition von Friedrich Christoph Oetingers „Biblischem und Emblematischem Wörterbuch“ (1999).
Neben all dem hat er Editionsprojekte betreut und mitverantwortet, u.a. die Herausgabe der Werke von Johannes Brenz, Friedrich Christoph Oetinger und Johann Christoph Blumhardt. Für die Edition der Korrespondenz Johann Albrecht Bengels hat er, von schwerer Krankheit gezeichnet, noch die Weichen gestellt. Wer auf diese Weise mit Gerhard Schäfer zusammenarbeitete, hat Prägendes erfahren. Freiheit zu lassen, die Luft zum Atmen, war ihm wichtig. Zugleich konnte man seine Präsenz erleben, wenn es „brannte“, wenn sein Rat und Engagement gefordert waren. Präzise hat er dann geantwortet, sich Zeit gelassen für die Diskussion, einen Weg gefunden, den er mit dem Autor gemeinsam gehen konnte. Der Schreiber dieser Zeilen hat dies erfahren, auch das Engagement Gerhard Schäfers, Menschen eine berufliche Zukunft zu öffnen.
Ungezählte Bücher und Aufsätze hat er darüber hinaus begleitet, hat Anstöße gegeben, die Verbindung zu Verlagen hergestellt und auch die Mühe des Korrekturlesens nicht gescheut. Wenn alle Autorinnen und Autoren versammelt wären, die Gerhard Schäfer etwas verdanken, und wenn alle mit ihren Büchern wedelten - das gäbe ein Rauschen im Blätterwald. So Martin Brecht bei der Beerdigung in Nürtingen-Hardt, dem letzten Wohnsitz. Zu Lebzeiten sind Gerhard Schäfers Verdienste gewürdigt worden u.a. 1981 mit der Verleihung der theologischen Ehrendoktorwürde durch die Tübinger Fakultät. 1989 hat ihm die Stadt Marbach am Neckar den Schillerpreis zuerkannt.
Er war ein Mensch mit weitem Blick, ein exakter Wissenschaftler, ein Menschenkenner, der die Welt ertragen hat im Blick auf die künftige Versöhnung nach allem Streit. So konnte er auch ein Friedensstifter sein unter den vielen komplizierten Menschen, mit denen er zu tun hatte. Leiden an der Welt, wie sie jetzt noch ist, und Ausstrecken nach den göttlichen Verheißungen - das gehört in der Tradition Bengels, Oetingers und Blumhardts zusammen. Das „mutabimur“, das endliche Verwandeltwerden der Schöpfung, war Gerhard Schäfer wichtig. An seinem Grab ertönte eine Posaune, nicht zufällig, sondern als Fingerzeig auf den Tag, wo „das Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit“ (1. Kor. 15,52.53)
 



Nachruf auf der Webseite der württembergischen Landeskirche:
Landeskirchlicher Archivar Gerhard Schäfer ist verstorben
1989 für NS-Dokumentation mit dem Schillerpreis ausgezeichnet
Der langjährige Leiter des landeskirchlichen Archivs, D. Dr. Gerhard Schäfer, ist tot. Er verstarb am vergangenen Samstag, 8. März, im Alter von 79 Jahren. Am Donnerstag, 13. März, um 14 Uhr wird er in Nürtingen-Hardt kirchlich bestattet.
32 Jahre lang, von 1956 bis 1988, war Schäfer Kirchenoberarchivdirektor der württembergischen Landeskirche. "Er hat das Archiv als wissenschaftliche Institution etabliert", würdigt der heutige Leiter, Dr. Hermann Ehmer, das Verdienst seines Vorgängers. Wichtigstes Ergebnis seiner wissenschaftlichen Arbeit war die siebenbändige Dokumentation "Die Evangelische Landeskirche in Württemberg und der Nationalsozialismus", die Schäfer zwischen 1968 bis 1986 herausgab. In ihr sind über 3500 Quellentexte enthalten, die die Rolle der Landeskirche im Kirchenkampf erhellen. Für die bis dahin deutschlandweit einmalige Dokumentation erhielt Schäfer 1989 den Schillerpreis der Stadt Marbach. In seiner Laudatio zur Preisverleihung nannte der Kirchenhistoriker Professor Dr. Martin Brecht den Archivar einen "Glücksfall für die württembergische Landeskirche".
Geboren wurde Gerhard Schäfer am 2. Juni 1923 in Stuttgart. In Tübingen studierte er Germanistik, Geschichte, Theologie und Philosophie. Nach dem Studium und der Promotion in seinem Hauptfach Germanistik arbeitete Schäfer bei verschiedenen Verlagen, unter anderem bei der Deutschen Verlags-Anstalt (DVA), bevor er 1956 die Leitung des landeskirchlichen Archivs übernahm. Ab 1962 war Gerhard Schäfer 26 Jahre lang Vorsitzender des Vereins für württembergische Kirchengeschichte. Die Evangelisch-Theologische Fakultät in Tübingen verlieh dem Kirchenhistoriker 1981 die Ehrendoktorwürde. 1987 übernahm Schäfer den Vorsitz der Kommission der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zur Erforschung des Pietismus. Er gehörte auch der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg an. 1988 ging Gerhard Schäfer in den Ruhestand.
Über 70 Bücher hat der landeskirchliche Archivar herausgegeben und verfasst. 1984 erschien eine Geschichte der Evangelischen Landeskirche in Württemberg mit dem Titel "Zu erbauen und zu erhalten das rechte Heil der Kirche". Ihr war 1964 eine "Kleine Württembergische Kirchengeschichte" vorausgegangen. Gerhard Schäfer gab zahlreiche Werke württembergischer Theologen neu heraus, unter anderem Schriften von Johannes Brenz, Friedrich Christoph Oetinger, Albrecht Bengel und Johann Christoph Blumhardt.
 



Gedenkrede bei der Trauerfeier für Herrn Dr. Dr. Gerhard Schäfer am 13. März 2003 in der Friedenskirche Nürtingen-Hardt
Letzte Worte sind in aller Regel besondere Worte, gewichtige Worte. Sie tragen eine eigene Würde. Ihnen kommt Bedeutung zu über den Augenblick hinaus. Oft fasst sich in ihnen der Ertrag eines ganzen Lebens zusammen.
Wenn ich jetzt nach dem Wunsch des Verstorbenen die Abschiedsrede für Herrn Dr. Gerhard Schäfer zu halten habe, so bewahre ich in meinem Herzen das letzte Wort, das er an mich gerichtet hat, als ich ihn drei Tage vor seinem Tod besuchte. Ein Wort, das ich nun an Sie, die Familie und die Angehörigen, weitergebe als ein Wort des Trostes und der Hoffnung.
Wir hatten miteinander gesprochen und gebetet, ich hatte mich schon zur Tür hin gewendet, da richtete sich Dr. Schäfer noch einmal auf, so gut es ging, reckte den Arm hoch und rief mir zu: Tou kyriou esmen! Drei Worte in griechischer Sprache, drei inhaltsschwere, bedeutsame Worte: Tou kyriou esmen - Wir sind des Herrn! Worte, die im Neuen Testament stehen: „Darum wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn!“ (Römer 14,8). Auf lateinisch: Domini sumus.
In solchen letzten Worten kommt heraus, was ein Menschenleben geprägt und bestimmt hat: Wir sind des Herrn! Wir gehören ihm; wir bleiben in seiner Hand, ob wir leben oder sterben. Gibt es wohl ein kostbareres Vermächtnis eines Verstorbenen als dieses Wort: Wir sind des Herrn? Gibt es einen tragfähigeren Trost als diese Gewissheit, von der Paulus im gleichen Brief schreibt: „Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“? Und ist das nicht ein leuchtendes Zeichen christlicher Hoffnung, das Sie, die nächsten Angehörigen, und das wir alle, die wir Dr. Schäfer geschätzt und verehrt haben, im Herzen behalten dürfen: Wir sind des Herrn?
Für Gerhard Schäfer war das keine leere Floskel, keine aufgesetzte fromme Redensart. Es war die geheime Mitte seines Lebens, das er in einer erstaunlichen Geradlinigkeit bis an sein Ende geführt hat, von den frühen Erfahrungen in der Stuttgarter Petrusgemeinde bis in die letzte Krankheitszeit: Wir sind des Herrn!
Diesem Herrn und seiner Kirche hat Gerhard Schäfer mit seinen ganzen Begabungen ein Leben lang gedient: 32 Jahre als Direktor des Archivs und der Bibliothek des Evangelischen Oberkirchenrats in Stuttgart. Jahrzehnte lang war er Vorsitzender des Vereins für württembergische Kirchengeschichte, später noch Vorsitzender der Historischen Kommission zur Erforschung des Pietismus.
Als Autor und Herausgeber hat er eine Fülle von Publikationen auf den Weg gebracht und betreut, vom voluminösen Quellenband bis zum kurzen Gemeindeblattartikel. In ungezählten Gemeinden trat er als geschätzter Redner auf. Aber nicht nur das: Als Ehemann und Vater, als aufmerksamer und kundiger Großvater seiner Enkel, als Liebhaber der Musik, die in seinem Haus durch die Begabung seiner Frau und seiner Töchter einen wichtigen Platz einnahm, hat er unauslöschliche Spuren hinterlassen.
Gerhard Schäfer war ein Historiker, der Geschichte lebendig machen konnte. Er war ein Mann des Überblicks mit einem reichen Wissen im Detail. Das bezeugen seine Schüler aus den Lehrgängen für den Pfarrdienst ebenso wie die Hörer seiner Vorlesungen an der Universität Tübingen. Wenn Dr. Schäfer über württembergische Kirchengeschichte redete oder schrieb, konnte er aus dem Vollen schöpfen und sein enormes Wissen so weitergeben, dass es jeder und jede verstand. Er hat die Geschichte unserer Landeskirche anschaulich gemacht und ihrer unverwechselbaren Eigenart ein literarisches Gesicht gegeben. Ob er über Oetinger oder Blumhardt redete oder die Teinacher Lehrtafel beschrieb, ob er, um den zweiten Schwerpunkt seines Wirkens anzudeuten, den Kampf der württembergischen Kirche im Dritten Reich und besonders die Gestalt von Landesbischof Wurm nachzeichnete - es waren nicht trockene historische Darstellungen. Man spürte Dr. Schäfer ab, dass er selber in dem Geschehen von einst lebte und es deshalb auch für die Gegenwart zum Sprechen bringen konnte.
Liebe Familie Schäfer! Das Jahr 2003 hätte für Sie ein bedeutsames Jubiläumsjahr werden können. Am 2. Juni wäre der jetzt Verstorbene 80 Jahre alt geworden. Und am letzten Tag dieses Jahres hätten Sie, liebe Frau Schäfer , zusammen Goldene Hochzeit feiern können. Nun ist es anders gekommen. Eine heimtückische Krankheit hat Ihren Mann und Vater hinweggerafft Nun ist er nicht mehr bei Ihnen. Aber er hat Sie nicht allein zurückgelassen. Mit Nachdruck hat Gerhard Schäfer gewünscht, dass bei der Trauerfeier noch einmal das Wort gelesen wird, das am Anfang Ihres gemeinsamen Weges stand. Ihr Trauspruch aus Hebräer 10,35: „Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.“ Vertrauen - im griechischen Text steht hier das Wort Parresia, Zuversicht, Freimut .
Dieses Wort ist erstmals an Menschen geschrieben worden, die am Ende waren.
Am Ende ihres Gottvertrauens, am Ende ihrer Hoffnung. Denen ruft der unbekannte Verfasser des Hebräerbriefes zu: „Werft euer Vertrauen nicht weg!“ Gebt eure Hoffnung nicht auf! Glaubt euch durch das Dunkel hindurch, das euch jetzt umgibt\ Es ist einer da, der mit euch geht, mit euch leidet, mit euch trägt. Einer, der bis in die tiefsten Tiefen des Leidens, ja bis auf die Talsohle des Todes mit uns solidarisch geworden ist: der angefochtene und vor dem Sterben zitternde Jesus. Zu ihm aufblicken, an ihm und seinem Wort sich festhalten, das gibt neues Vertrauen. Das gibt Zuversicht, die wir uns nicht selber einreden müssen, sondern die er für uns am Kreuz auf Golgatha erworben und an Ostern besiegelt hat .
Der Hebräerbrief ist ein Brief vom wandernden Gottesvolk. So war es einst, und so ist es bis heute: Eines geht, ein anderes kommt, und miteinander sind wir als Gemeinde unterwegs durch diese Welt. Nicht allein gelassen, nicht auf uns selber angewiesen, sondern begleitet, geführt, gehalten. Darum müssen wir selbst im Angesicht des Todes unser Vertrauen nicht wegwerfen.
Das Wort, auf das der verstorbene Dr. Schäfer hingewiesen hat, ist ein Wort der Ermutigung gegen den Augenschein. Es lehrt uns, auch wenn der Tod mit harter Hand in eine Ehe und Familie eingegriffen hat, unter der Führung Gottes zu bleiben, weil wir im Glauben an Jesus Christus den Halt haben, an dem wir uns auch im Leid festmachen können.
Darum: Lasst euch nicht abdrängen von dem Vertrauen, dass Gott im Regiment sitzt und alles zu seinem ewigen Ziel führt. Bewahrt die Zuversicht, dass Gott auch durch Sterben und Tod hindurch seinen Plan mit uns verfolgt und dass über dem Grab von Gerhard Schäfer hier auf dem Friedhof von Hardt der Morgenglanz der Ewigkeit liegt. Gottes Wege führen durch Dunkel, aber sie enden im Licht. In dieser Gewissheit bitten wir:
Leucht uns selbst in jene Welt,
du verklärte Gnadensonne;
führ uns durch das Tränenfeld
in das Land der süßen Wonne,
da die Lust, die uns erhöht,
nie vergeht. Amen.


D. Theo Sorg, AItlandesbischof


Es ist ein Buch zum Gedenken an D. Dr. Gerhard Schäfer erschienen:
Gerhard Schäfer, „Das Gute behalten – Abwege verhüten“. Aufsätze zur württembergischen Kirchengeschichte. Mit einem Geleitwort von Altlandesbischof D. Theo Sorg herausgegeben von Dieter Ising. Metzingen: Ernst Franz Verlag 2004, 192 S. (gebunden 14,50 €).
Das Buch kann nur eine Auswahl sein und (repräsentative) Schlaglichter auf Dr. Schäfers Arbeit werfen. Allerdings macht die Bibliographie seiner Veröffentlichungen, die im Anhang gegeben wird, das gesamte Spektrum seiner Arbeit deutlich. – Das Buch enthält auch einige Fotos aus dem Besitz der Familie Schäfer, ein Gedicht von Gerhard Schäfer und seinen Lebenslauf.

Hier der Wortlaut der Einführung (Dieter Ising):
Er war ein Historiker, aber ein besonderer. Einer, der als Archivar historische Quellen bereitstellte, der als Editor und Autor auf dem Gebiet der württembergischen Kirchengeschichte publizierte und sein Wissen in Vortrag und Unterricht vermittelte, der schließlich als Vorsitzender, Veranstalter von Tagungen, Mitherausgeber von Zeitschriften und Reihen in historischen Vereinigungen wirkte und sich als Förderer von Editionsprojekten betätigte. Vor allem war er einer, der keine Mühe scheute, um denen zur Verfügung zu stehen, die auf seine Erfahrung und sein Wissen angewiesen waren.
Am 8. März 2003 ist in Nürtingen-Hardt D. theol. Dr. phil. GERHARD SCHÄFER gestorben, wenige Monate vor seinem 80. Geburtstag. Ein reiches Werk hat er hinterlassen, unter anderem als langjähriger Leiter des Stuttgarter Landeskirchlichen Archivs, Vorsitzender des Vereins für württembergische Kirchengeschichte, Vorsitzender der Historischen Kommission zur Erforschung des Pietismus. Nicht diese Seite seines Wirkens soll hier im Vordergrund stehen. Hier geht es um GERHARD SCHÄFERS Beitrag zur Erforschung der württembergischen Kirchengeschichte, genauer um ausgewählte Aufsätze und Vorträge, die aus der Beschäftigung mit diesem Thema entstanden sind.*
Wer ausdrückliche Hinweise auf die Arbeit sucht, die im Hintergrund seiner Aufsätze und Vorträge steht, muss sich – soweit es seine eigene Veröffentlichungen betrifft – oft mit knappen Angaben zufrieden geben. Wer aufmerksam liest, kann erahnen, welche Vorarbeit er geleistet und welche Fülle an Material er bewältigt hat. Seine Quellenkenntnis gibt Anstöße, die zu verfolgen sich lohnt. Mit gutem Grund sind auch einige ältere Aufsätze in diesen Band aufgenommen worden, als Hinweis auf ihre bleibende Aktualität.
GERHARD SCHÄFER legte Wert auf eine fundierte und damit auch differenzierte Darstellung. Hatte er sich mit abweichenden Positionen auseinanderzusetzen, fragte er nach den Denkvoraussetzungen des andern, nach dessen Eingebettetsein in eine historische Situation, die sich von der heutigen unterscheidet. Ein Verriss findet nicht statt. Der Historiker ist nicht das Weltgericht, sondern selbst angewiesen auf die verstehende Bemühung nachfolgender Generationen. Widerspruch ist allerdings geboten, wenn geschichtliche Bewegungen ihren historischen Charakter verleugnen und ihre Ziele verabsolutieren. Damit vermeidet der Autor einen histori-schen Relativismus; er setzt Zeichen, gibt Wegweisungen auch im Bewusstsein eigener Vorläufigkeit. – Zur fundierten Darstellung gehörte für ihn die sorgfältig gestaltete äußere Form. Nicht ohne Grund wurde ein Band der von ihm mit herausgegebenen Blätter für württembergische Kirchengeschichte als eines der fünfzig schönsten Bücher der Bundesrepublik Deutschland gewürdigt.
Es machte Freude, seine Vorträge anzuhören. Er schaffte es, die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer zu wecken und zu erhalten, in Gemeindesälen ebenso wie auf wissenschaftlichen Tagungen oder im Tübinger Hörsaal. Es muss nicht allein an sei-nem lebendigen Vortrag gelegen haben, der auch ohne Fachchinesisch ein differenziertes Bild entwerfen konnte. Gewiss hat auch seine Art, über sich selbst hinaus nach vorn zu weisen, die Hörer berührt.
Der Vortrag Das Gute behalten, die Abwege aber verhüten, gehalten am 25. November 1981 in Tübingen anlässlich seiner Ehrenpromotion zum Doktor der Theologie, leitet die vorliegende Auswahl ein. Das Feld des württembergischen Pietismus wird abgeschritten, ausgehend von dem Wegbereiter JOHANN VALENTIN ANDREAE und endend bei einem der Außenseiter des Pietismus im 19. Jahrhundert, JOHANN CHRISTOPH BLUMHARDT. Die Überschrift, ein Zitat aus dem Pietistenreskript von 1743, leitet den Autor bei seinem Blick über Wege und Irrwege der historischen Personen hin zum kritischen Potential und zum landeskirchlichen Charakter des Pietismus in Württemberg. Als „Prolegomena“ zu einer historischen Darstellung versteht er seine Ausführungen, als „ein paar grundsätzliche Erwägungen“. Der Herausgeber hat sich für die ungekürzte Fassung des Vortrags entschieden, die einige autobiographische Bemerkungen enthält.
Dem im Tübinger Vortrag nur kurz geschilderten FRIEDRICH CHRISTOPH OETINGER hat sich GERHARD SCHÄFER mit besonderem Interesse gewidmet. Ein früher Aufsatz Friedrich Christoph Oetinger (1980) geht dem Lebenswerk des „großen Su-chenden“ in allgemein verständlicher Weise nach. Er weist darauf hin, dass die Edition von Schriften Oetingers begonnen habe. Hier hat sich der Autor auch in der Folgezeit engagiert. In den von ihm mit herausgegebenen Texten zur Geschichte des Pietismus werden Werke OETINGERS historisch-kritisch erschlossen, unter anderem das von GERHARD SCHÄFER in Verbindung mit weiteren Oetingerforschern edierte und kommentierte Biblische und Emblematische Wörterbuch (1999).
OETINGER wie auch JOHANN ALBRECHT BENGEL, PHILIPP MATTHÄUS HAHN und MICHAEL HAHN sah er als Gestalten eines spekulativen württembergischen Pietismus, der über die Anliegen des „allgemeinen“ Pietismus hinausgeht, indem er sich nicht auf gelebte Frömmigkeit und Erneuerung der Kirche beschränkt. Gottes Schöpfung wird in den Blick genommen, vom Uranfang bis hin zu ihrer Vollendung, und der Anspruch erhoben, etwas über die gegenwärtige Weltstunde zu sagen. GERHARD SCHÄFER setzt die notwendige Kritik an diesem Anspruch voraus. Was ihn fasziniert, ist der weite Blick der spekulativen Entwürfe, die er auch in FRIEDRICH HÖLDERLINS Dichten und Denken wiederfindet. Er deutet sie als Variante einer Aufklärung, die nicht im zeitgenössischen Rationalismus und Naturalismus aufgeht. Wie bei allen Aufsätzen dieses Bandes ist hier auf die im Anhang gegebene Liste weiterer Veröffentlichungen von ihm zu verweisen.
Seine Auswahl aus MICHAEL HAHNS Briefen, Betrachtungen und Liedern (Gotteserkenntnis und Heiligung, Metzingen 1994) fand im gleichen Jahr ihren Niederschlag im Aufsatz Michael Hahn, der HAHNS theosophisches System darlegt und einordnet. Auch mit weiteren universalen Denkern hat er sich als Herausgeber und Autor be-schäftigt, etwa mit den erwähnten JOHANN ALBRECHT BENGEL, PHILIPP MATTHÄUS HAHN und dem im 19. Jahrhundert für die ganze Menschheit hoffenden JOHANN CHRISTOPH BLUMHARDT. Jedoch kann die vorliegende Auswahl nicht GERHARD SCHÄFERS Gesamtwerk bieten, muss Fragment bleiben, das einen ersten Zugang schafft und auch auf Wichtiges nur verweist. Seine Kenntnis der universalen Denker, das wenigstens darf erwähnt werden, hat der Schreiber dieser Zeilen schätzen gelernt, der ihm treue Begleitung und Freiheit zum eigenen Forschen verdankt.
Im 1984 erschienenen Aufsatz Das Haus Württemberg und die Evangelische Kirche weitet sich der Blick vom württembergischen Pietismus auf das Verhältnis von Staat und Kirche in Württemberg seit der Reformation. Hier konnte der Autor wiederum auf eigene Vorarbeiten zurückgreifen, etwa die umfassende Darstellung Zu erbauen und zu erhalten das rechte Heil der Kirche (Stuttgart 1984), welche von JOHAN-NES BRENZ bis THEOPHIL WURM die Geschichte der Evangelischen Landeskirche in Württemberg nachzeichnet, oder die Beschäftigung mit dem Reformator BRENZ als Mitherausgeber der BRENZ-Studienausgabe. Im vorliegenden Aufsatz geht er dem Selbstverständnis der württembergischen Herzöge und Könige nach und damit auch der Art und Weise, wie sie ihr Verhältnis zur Kirche definieren. Der Bogen spannt sich von der Einheit beider Größen unter Herzog CHRISTOPH über den Absolutismus König FRIEDRICHS bis hin zum säkularen Staat, von obrigkeitlichem Den-ken bis hin zum letzten württembergischen König WILHELM II., der 1918 seine Landeskirche in einen demokratischen Staat hinein entließ. Maßgebend ist für GERHARD SCHÄFER wieder das Verständnis der sich wandelnden historischen Voraussetzungen. Die Akteure werden an ihren eigenen Zielsetzungen gemessen.
Unter einem besonderen Aspekt betrachtet wird das Thema Staat und Kirche in Die evangelische Kirche in Württemberg und die Revolution 1848/1849. Umfassende Darstellungen dieser Jahre im Blick auf Württemberg sind dünn gesät; damit behält die in diesem Vortrag von 1978 gegebene Übersicht ihre Bedeutung. In Auseinandersetzung mit CHRISTOPH KOLBS Beschreibung des 19. Jahrhunderts in der Württembergischen Kirchengeschichte (1893) und den sich auf KOLB berufenden Darstellungen kann GERHARD SCHÄFER, in Kenntnis weiteren Archivmaterials, eine neue „Zwischenbilanz“ vorlegen, ein „vorläufiges Gesamtbild“ der Ereignisse zwischen 1848 und 1850. Ein wichtiges Ergebnis ist eine Neubewertung König WILHELMS I. in diesen Jahren, die KOLBS negatives Bild deutlich korrigiert.
Der württembergische Pietismus und die deutsche Schule, erschienen 1973/1974, beleuchtet das Verhältnis von Staat und Pietismus in Württemberg im Blick auf das Schulwesen. Die deutsche Schule als vom Staat garantierte christliche Schule, von der Kirche beaufsichtigt, wandelt sich im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert zur Schule in einer säkularen Gesellschaft. Der Autor will anhand des Problems Volksschule aufzeigen, wie das Drängen des Liberalismus, dann der Umsturz von 1918 den Pietismus herausfordern, angesichts des gesellschaftlichen Wandels seine Rolle in der Gesellschaft neu zu finden.
Eine Gestalt, die ihn immer wieder fasziniert hat, ist der württembergische Landesbischof Theophil Wurm. 1996 würdigt er ihn in dem hier ausgewählten Aufsatz des Sammelbands Große Stuttgarter. Damit ist das Feld des Kirchenkampfs betreten, die Zeit der Auseinandersetzung der deutschen Landeskirchen mit dem National-sozialismus. GERHARD SCHÄFERS sechsbändige Dokumentation zum Kirchenkampf in Württemberg (Die Evangelische Landeskirche in Württemberg und der Nationalsozialismus, Stuttgart 1971-1986), entstanden bei der Auswertung von WURMS Nachlasssammlung im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart, steht im Hintergrund des kleinen Aufsatzes, auch die umfangreiche Darstellung Landesbischof D. Wurm und der nationalsozialistische Staat (Stuttgart 1968). Er weiß also, was er sagt, wenn er WURMS äußeren und inneren Weg durchaus positiv beschreibt. WURMS Überwinden von Grenzen, sein Kurs der Mitte mit Anfeindungen von beiden Seiten, sein Protest gegen den Reichsbischof, gegen Euthanasie und Verbrechen an den Juden – all das wird nicht überhöht. Der Autor weiß um WURMS Versäumnisse. Hier geht es GERHARD SCHÄFER um das Fundament von WURMS Denken, das diesen gegen den Nationalsozialismus protestieren lässt: das ungeschriebene, allgemeine Recht, das etwas mit Gottes Gebot und menschlicher Würde zu tun hat. Ein solches Fundament ermöglicht Ideologiekritik auch nach 1945, als WURM darauf hinweist, man dürfe jetzt keiner neuen Ideologie, etwa einem absolut gesetzten Fortschrittsdenken, anheim fallen.
Dieser Protest gegen menschliche Verabsolutierungen, der die Geschichte als Ganzes durchzieht, hat GERHARD SCHÄFER bereits beschäftigt, als ihm der Schillerpreis der Stadt Marbach/Neckar am 10. November 1989 verliehen wurde. Anlass der Verleihung war die erwähnte Dokumentation zum Kirchenkampf, und so geht er in seiner Rede Vom Lernen aus der Geschichte der Frage nach: Was können wir aus der Zeit des Nationalsozialismus und des Kirchenkampfes lernen? Dabei macht er es sich nicht einfach. Die Proklamation des Religiösen für politische Ziele hat mit dem Nationalsozialismus nicht erst begonnen und endet nicht mit ihm. Er nennt Vertreter dieser Denktradition, wobei er keine Deckungsgleichheit mit dem Nationalsozialismus behauptet – es geht um die problematische Denkstruktur. Dass hier neben anderen auch der geliebte OETINGER auftaucht, nötigt Respekt ab vor GERHARD SCHÄFERS Ernsthaftigkeit und Entschiedenheit. Wenn man aber die religiös motivierten absoluten Geschichtskonzeptionen verlässt und, dem Autor folgend, Geschichte als nicht berechenbaren, irrationalen Vorgang betrachtet - wie soll man sich in dieser Geschichte zurechtfinden? Seine Antwort: Es gibt einen roten Faden, es gibt Wegweisung, auch wenn sie Stückwerk und Versuch bleibt und sich im Gespräch vollziehen muss. Mit Jesu Auferstehung ist in dieser Realität eine neue Wirklichkeit aufgebrochen. Wenn diese in der Geschichte immer wieder aufblitzt, können wir Aussagen machen in heiliger Nüchternheit. Und so kann er auch die Ereignisse des Vortags würdigen, als Menschen, die sich nach Freiheit sehnten, erlebten, dass die Berliner Mauer durchlässig wurde: „Mein Herze geht in Sprüngen.“
Mit EICHENDORFFS Vers von dem Lied, das in allen Dingen schläft, endet der erste der hier ausgewählten Vorträge. Auf den gleichen Ton ist auch der letzte in dieser Reihe gestimmt. Das Zauberwort, auf das hin die Welt zu singen anfängt, ist das geschenkte Wort von der neuen Wirklichkeit. Wenn es nicht konserviert, sondern in der Geschichte immer wieder neu gefunden wird, dann kann es ein lösendes Wort sein.
Die neue Wirklichkeit geht über den Bereich des Irdischen, über das Auf und Ab der Geschichte hinaus. Jesu Auferstehung ist nicht nur Hoffnung für die Welt, sondern auch Hoffnung angesichts der begrenzten Zeit, die ein Mensch auf dieser Erde hat. Der Tod ist kein Ende, nur Durchgang zu einem Ziel. Die letzte Posaune wird erschallen zur Auferstehung der Toten - wir werden verwandelt werden (1. Korinther 15,51.52). Diese Hoffnung, von GERHARD SCHÄFER an seinem 78. Geburtstag in Verse gefasst, ist der Rahmen, innerhalb dessen er seine Arbeit hier getan hat.
Seine Frau HANNELORE hat ihn beinahe fünfzig Jahre lang begleitet, bis in die Zeit seiner letzten schweren Krankheit. Ihrer über zwanzigjährigen Tätigkeit als Organistin und Chor- und Orchesterleiterin verdanken wir Konzerte auf hohem Niveau in der Neckartailfinger Martinskirche. Zusammen mit ihrem Mann, der die Musik ebenfalls liebte, und ihren Töchtern hat sie das Schäfersche Haus zu einem Hort der Musik gemacht.
Nach dem Tod ihres Mannes hat sie das Entstehen dieses Büchleins in vielen guten Gesprächen begleitet. Wenn hier der Herausgeber allen, die mit Rat und Tat das Entstehen des Bandes gefördert haben, herzlich dankt, dann gilt ihr dieser Dank in besonderer Weise.

Stuttgart, im Februar 2004
  Dieter Ising

 


Rezension zum Gedenkbuch für Dr. Dr. Gerhard Schäfer (für die württembergische Pfarrerzeitschrift "Für Arbeit und Besinnung", abgeschickt am 7.2.2005)

Dr. theol. h.c. Dr. phil. Gerhard Schäfer, am 8. März 2003 fast achtzigjährig gestorben, hat auf dem Sterbebett sein Glaubensbekenntnis mit Röm. 14,8 zusammengefasst: "Tou kyriou esmen!" Zu diesem "Wir sind Gottes!" - auf lateinisch: "Domini sumus!" - hat Altlandesbischof D. Theo Sorg in der Trauerpredigt und jetzt auch im Vorwort des hier vorzustellenden Gedenkbuches bemerkt: "Für Dr. Schäfer war das keine leere Floskel. Es war die geheime Mitte seines Lebens" (7).
Das von Dieter Ising herausgegebene und mit viel Liebe gestaltete wertvolle (und dabei preiswerte) Gedenkbuch fasst auf 192 Seiten sehr viel vom Lebenswerk Gerhard Schäfers zusammen, gibt einen Einblick in seine Biographie und seinen Werdegang und ehrt den Heimgegangenen, indem es wichtige exemplarische kirchengeschichtliche Aufsätze Gerhard Schäfers zusammenstellt und neu der Öffentlichkeit zugänglich macht.
Für die Erforschung der württembergischen Kirchengeschichte hat Gerhard Schäfer einen sehr wesentlichen Beitrag geleistet: Schäfer – Dr. phil. seit 1948 und zunächst im Verlagswesen tätig (zuerst Lektor im Reclam-Verlag) – war 32 Jahre lang Archivleiter im Stuttgarter Oberkirchenrat und fast drei Jahrzehnte Vorsitzender des Vereins für württembergische Kirchengeschichte. Schäfer wirkte über Württemberg hinaus als Vorsitzender der Historischen Kommission zur Erforschung des Pietismus. Darüber hinaus war er Herausgeber bzw. Mitherausgeber wichtiger Zeitschriften und Editionen. Und er hat in einem Lehrauftrag an der Tübinger Universität Theologiestudentinnen und -studenten in württembergischer Kirchengeschichte unterrichtet von 1979 bis 1985. Von der theologischen Fakultät der Universität Tübingen erlangte er in dieser Zeit auch die Ehrendoktorwürde. Seine im vorzustellenden Band (17-46) wieder abgedruckte Tübinger Ehrenpromotionsrede vom November 1981 mit dem Titel: „Das Gute behalten, die Abwege aber verhüten“ (der dann auch den Titel dieses Gedenkbandes bildet)  greift einen Satz aus dem Pietistenreskript von 1743 auf in einem Vortrag, in dem Schäfer Grundsätzliches zum württembergischen Pietismus vor Augen führt, aber auch in erhellender Weise recht viel auch aus der eigenen Biographie einfließen lässt. Sein Schwerpunkt „württembergischer Pietismus“ kommt dann auch zum Ausdruck in weiteren Aufsätzen über Friedrich Christoph Oetinger (47-68) und Michael Hahn (69-84). Dem schließen sich drei Aufsätze zum Verhältnis von evangelischer Kirche und Staat in Württemberg an. Sie befassen sich mit dem Haus Württemberg, der Revolution von 1848/49 und dem Verhältnis von Pietismus und deutscher Schule (S. 85-150).
Einen zweiten Schwerpunkt im Lebenswerk Schäfers bildet seine Erforschung der Zeit des Nationalsozialismus in Württemberg. Wichtigstes Ergebnis seiner wissenschaftlichen Arbeit war die siebenbändige Dokumentation "Die Evangelische Landeskirche in Württemberg und der Nationalsozialismus", die er 1971 bis 1986 herausgab. In ihr sind über 3500 Quellentexte enthalten, die die Rolle der Landeskirche im Kirchenkampf erhellen. Für die bis dahin deutschlandweit einmalige Dokumentation erhielt Schäfer 1989 den Schillerpreis der Stadt Marbach. 

Diesem Themenschwerpunkt sind die beiden letzten Aufsätze in diesem Gedenkbuch gewidmet: der Aufsatz über das Leben von Theophil Wurm (151-159) und „Vom Lernen aus der Geschichte“, Schäfers Marbacher Rede aus Anlass der Verleihung des Schillerpreises an ihn (161-173). Ein Gedicht Schäfers, sein Lebenslauf und eine von Dieter Ising und Hermann Ehmer zusammengestellte Bibliographie seiner Publikationen schließen als Anhang (175-192) dieses schöne Werk ab, dem weite Verbreitung sehr zu wünschen ist bei allen, die aus der Geschichte lernen wollen und Württemberg und die Kirche lieb haben.
Über Gerhard Schäfer vgl. auch vom Rezensenten im Internet die Seite www.drschaefer.de.vu

Gerhard Schäfer, „Das Gute behalten – Abwege verhüten“. Aufsätze zur württembergischen Kirchengeschichte. Mit einem Geleitwort von Altbischof Theo Sorg. Hg. von Dieter Ising, Metzingen 2004 (mit 5 Fotos; gebunden, € 14,50)

 Friedhelm Groth, Hemer-Heppingserbach

 

http://www.pastoerchen.de/