Druckversion PDF des Iserlohner Vortrags (vom 18. März 2015) mit ausgewählten Abbildungen (korrigierte Version am Abend des 12. Dezember 2015):
http://www.pastoerchen.de/GerhardFriedrichAbrahamStrauss.pdf
Die 77 Folien mit allen Bildern des gleichen Vortrags in einer umfangreichen PDF-Datei (11.393 KB): http://www.pastoerchen.de/Strauss.in77Folien.pdf
Die Webseite zum Vater von Gerhard Friedrich Abraham Strauß, dem Iserlohner Pfarrer Johann Abraham Strauß, ist im Web aufzurufen unter diesem abgekürzten Link: www.tinyurl.com/straussv   -     Verfasser beider Webseiten: www.pastoerchen.de
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Download-Links aller großen Werke von Gerhatd Friedrich Abraham Strauß durch Google zu erfahren - wir nennen hier nur die Links zu:
- Friedrich Strauß, Abend-Glocken-Töne - als PDF oder EPUB-E-Book von HIER aus runterladbar:
http://books.google.de/books/about/Abend_Glocken_T%C3%B6ne.html?id=Jpg9AAAAcAAJ  - zweite Möglichkeit HIER: https://download.digitale-sammlungen.de/BOOKS/pdf_download.pl?id=bsb10067198
- Die Bände der Glocken-Töne von Friedrich Strauß sind in verschiedenen Versionen z.B. HIER
runterladbar:
https://archive.org/details/glockentneerin00stra

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Friedhelm Groth
Der Iserlohner Pfarrerssohn Gerhard Friedrich Abraham Strauß (1786 - 1863) und sein Weg zum preußischen Hof- und Domprediger und Professor für Praktische Theologie in Berlin



Vortrag am 18.3.2015 in der Reihe "Mittwochs im Museum" im Museum für Handwerk und Postgeschichte in Iserlohn (veranstaltet vom Förderkreis Iserlohner Museen, FIM)
(Eine gestraffte Version dieses Vortrags wurde am 10.12.2015 in Berlin gehalten:
Im Rahmen der Vorträge des Vereins für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte im Hörsaal 013 der Theol. Fakultät der Humboldt-Universität)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Heimatinteressierte,
es ist mir eine Freude, an dieser Stelle nun "Teil 2" bringen zu können, nachdem ich hier damals am 3. August 2011 einen Vortrag über den Vater, das ungewöhnliche Iserlohner Pfarroriginal Johann Abraham Strauß, gehalten hatte (Link korrigiert).
Der Mann, um den es heute geht, ist dessen Sohn, Gerhard Friedrich Abraham Strauß, geb. in Iserlohn 1786 und gest. 1863 in Berlin. Ihn, den Sohn, kenne ich so einigermaßen sicherlich seit 30 Jahren. Aber so richtig bekannt geworden und nahe gerückt ist er mir in den letzten vier oder fünf Monaten, als ich außer den 420 Seiten seiner Selbstbiographie ganz viel Sekundärliteratur über ihn gelesen habe. Er ist mir auf die Pelle gerückt als ein Mensch, der intensivst Freundschaften pflegte und Freunde und andere Menschen zu prägen wusste, dem es ganz viel um Gefühl und Erfahrungen geht, um Leidenschaft und Temperament - und eben nicht so sehr um theoretische Kopfsachen. Kurzum - er war ein Mann, dem man anmerkt, dass er stark nicht nur vom Herrnhuter Erweckungs-Pietismus, sondern auch vom Zeitalter der Romantik geprägt war. Obwohl er einige Bücher geschrieben hat und Professor war, haben ihn wohl immer die Menschen eher und vor allem mit dem Herzen verstanden als auf logischem Wege über Kopf und Gehirn. Ich hoffe, dass von dem, wie er auf mich gewirkt hat in den letzten Monaten, bei Ihnen in den 90 Minuten dieses bebilderten Vortrags sich was einprägt.

Der Vortrag hat sechs Teile, von denen der sechste die lange Berliner Zeit umfasst und noch einmal in sich dreigeteilt ist:
1. Kapitel: Kindheit und Jugend in Iserlohn - Strauß und seine Heimatstadt (1786 bis 1805)
2. Kapitel: Strauß als Student der Theologie in Halle an der Saale (1805 und 1896)
3. Kapitel: Strauß und sein Kreis ('Eleusischer Bund') in der Heidelberger Studentenzeit 1806 und 1807; Kandidat der Theologie (1808)
4. Strauß als Pfarrer in Ronsdorf (1809 bis 1814)
5.Strauß als Pfarrer in Elberfeld (1814 bis 1822)
6. Strauß als Dom- und Hofprediger und als Professor für Praktische Theologie in Berlin
a) Sein Wirken unter König Friedrich Wilhelm III. (1822 bis 1840)
b) Sein Wirken unter König Friedrich Wilhelm IV. (1840 bis 1861)
c) Letzte Jahre: Sein Wirken unter König Wilhelm I. (1861 bis 1863)


1. Kapitel: Kindheit und Jugend in Iserlohn - Strauß und seine Heimatstadt (1786 bis 1805)
Die Biographie, die hier vorzustellen ist, ist durchaus ungewöhnlich, von Anfang an. Strauß junior hat lebenslang  sehr stark an seinem Vater gehangen und auch an seiner Vaterstadt, die er immer wieder besuchte. Seine Biographie verbindet wie bei keinem andern Iserlohner (soweit ich das sehe) die hiesige Heimatgeschichte mit der großen preußischen Geschichte mit dem Zentrum Berlin und Potsdam. Und von den Menschen, die er in seinem Leben traf (wir werden es sehen!), gehören sehr viele in die erste Riege der Promis aus der Theologie- und Geistesgeschichte und der Politik des 19. Jahrhunderts. Aber dennoch ist sein Leben und Wirken in Iserlohn fast unbekannt; nur wenn in letzter Zeit öfter von seinem Vater gesprochen und geschrieben wurde, wurde dieser Strauß-Sohn auch genannt.
In diesem ersten Abschnitt lasse ich allerdings viel von dem aus, was ich im August 2011 hier im Vortrag zu seinem Vater schon schilderte. Nur so viel sei hier gesagt: Übernommen und geerbt hat Gerhard Friedrich Abraham Strauß unerhört viel von seinem Vater, dem Pfarroriginal.
In der 1868 posthum erschienenen Selbstbiographie von Strauß jun.,  "Abendglockentöne. Erinnerungen eines alten Geistlichen aus seinem Leben", setzt der Sohn dem Vater geradezu ein Denkmal [vgl. dazu die Webseite www.tinyurl.com/straussv und den langen Audioauszug aus den Abendglockentönen], indem er viel aus seiner Kindheit und Jugend und vom Wirken seines Vaters in Iserlohn erzählt.
Wir heben hier einiges heraus, was sich nicht allzu sehr mit dem vorigen Vortrag überschneidet. Dabei bringen wir aus Straußens Buch besonders die Dinge in den Vordergrund, die es mit Iserlohner Lokalkolorit zu tun haben und hier am Ort interessant sind.
Das fängt in diesem Buch gleich mit der Kanzel des Vaters an, mit der Kanzel der Iserlohner Bauernkirche, in und an der Johann Abraham Strauß jahrzehntelang wirkte. Der originelle Strauß hatte dort von der Kanzel aus gewaltige Erweckungspredigten gehalten, die Menschen in Massen angezogen und beeindruckt haben, aus der riesengroßen Kirchspielgemeinde und aus der Nachbarschaft. Ganz Hemer sei da oft versammelt gewesen, und sogar aus Kamen und Unna seien sie schon am Samstag gekommen, um am andern Morgen den Prediger Strauß auf der Kanzel zu hören. Das schreibt der Sohn in den Abendglockentönen. Auf diese Kanzel war die schwangere Pfarrfrau kurz vor ihrer Niederkunft anno domini 1786 gestiegen. Johann Abraham Strauß und seine Ehefrau waren allein in die Kirche gegangen, in der Freude über die Schwangerschaft kam es zu einer ungewöhnlichen Aktion. Dazu muss man wissen, dass die junge Frau zwei Totgeburten hinter sich hatte, jedesmal ein Sohn. Und jetzt bat Johann Abraham seine Frau die Kanzel zu besteigen - und als sie oben war, sollte Sie etwas sagen; der Mann schlug ihr den Kernvers Joh.3, 16 vor: Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Die Eheleute verstanden das fast wie ein besonderes Gelübde, dass dieser Sohn schon so früh auf der Kanzel war - im Mutterleib, und der Sohn hat das auch später genau so verstanden, und er setzt in seiner Biographie hinzu, dass genau dieser Vers später in Elberfeld bei seiner "Begnadigung", seiner Bekehrung, zu der ihm seine Schwiegermutter half, Besonderes bedeutet habe.
Jedenfalls wurde Gerhard Friedrich Abraham Strauß als Sonntagskind am 15. Sonntag nach Trinitatis, am 24. September 1786 gesund geboren. Bei seiner Taufe wenig später soll die Stelle aus Jesaja 43, 20 vorgekommen sein: "dass mich preisen die Straußen", heißt es in den "Abendglockentönen", und dort schreibt der Sohn wörtlich:
"Taufzeugen waren mein lieber Großvater Gerhard Heinrich Overhoff, Pastor Varnhagen, Kirchmeister Zumkumpf und Friedrich Lübbert. Ich empfing die Namen Gerhard Friedrich Abraham, den ersten nach meinem Großvater, den letzten nach meinem Vater, und den mittleren nach Friedrich Lübbert, den ich in der Regel gebrauchte und mit dem ich gerufen wurde, aus der Vorliebe meiner theuren Mutter für denselben."
Die Mutter habe ihn immer Friedrich genannt und niemals Fritz, sagt der Sohn an anderer Stelle. Jener Lübbert, von dem er den Vornamen Friedrich übernahm, war ein in Iserlohn bekannter und geachteter Seidenfabrikant, auch ein Kaufmann und Unternehmer wie sein Großvater Overhoff, der bei Kalthof in Refflingsen wohnte. Übrigens teilte der sehr gottesfürchtige Großvater Overhoff mit seiner Tochter Catherine Sophie Strauß eine gewisse Aversion gegen die Herrnhuter Brüdergemeine und deren Erweckungschristentum. Diese Aversion hatte in Overhoffs Fall nichts mit mangelnder Frömmigkeit zu tun, denn in dieser Kaufmannsfamilie gab es (wie man auch in den Abend-Glockentönen liest) jeden Morgen nach dem Frühstück eine Morgenandacht mit Strarks Gebetsbuch, und Großvater Overhoff hatte sogar zu jenem berühmten lutherischen Pfarrer in Frankfurt Johann Philipp Fresenius persönliche Kontakte, der Goethe taufte und der in Goethes "Dichtung und Wahrheit" vorkommt. Mutter Catherine Sophie Strauß, geb. Overhoff, hatte also - bei aller großen Liebe zu ihrem Mann - ein ähnlich distanziertes Verhältnis zu den Herrnhutern. Sie war übrigens sehr jenem Pastor Griesenbeck in Iserlohn zugetan, der sie lange unterrichtet und dann konfirmiert hatte. Das ist jener Griesenbeck, der das Waisenhaus in Iserlohn und die Schule bauen ließ. 


        

In seinen "Abendglocken-Tönen" schreibt Friedrich über seine Kindheit im Pfarrhaus in der Hardtstr. in Iserlohn:
"Meine Aeltern wohnten in der Vorstadt von Iserlohn, da wo die Kebbelstraße in die Hahrstraße mündet. Es war das Pfarrhaus mit einem Garten. Dieser Garten, der Kastanienbaum vor der Treppe zur Hauptthür und die Hausflur, mit dem Heerde, in der wir Sommers wohnten und mein Vater am Nachmittage, rauchend und lesend, den Kaffee, den er sonst in seiner Studierstube trank, mit der Familie einnahm, bilden ein Ensemble von schöner Umgebung in meinem Gedächtniß, wie die reizendsten Königlichen Schlösser und die gepriesensten Aussichten es nicht in mir zurückgelassen haben. Es muß in der Kindesseele eine Fähigkeit für das Schöne liegen, die unabhängig von dem Gegenstande mit ihr an denselben herantritt. Indem dieses Bild als der Typus der sommerlichen Naturherrlichkeit in meiner Seele mir eingegraben ist […] , finde ich in mir als Typus winterlicher Häuslichkeit die Abendstunden, in denen mein Vater, müde aus dem beschwerlichen Kirchspiel heimgekehrt und im bequemen Schlafrock uns in der kleinen Stube besuchte, seinen Thee trank, rauchte, von den Hochzeiten und Kindtaufen erzählte, und der eine oder der andere Nachbar kam, und, wie im Sommer auf der Treppe unter dem Kastanienbaum, mit ihm die städtischen Tagesgeschichten durchging."
An anderer Stelle in der Selbstbiographie schreibt Friedrich über sich und Geschwister im Pfarrhaus:
"Die Kindheit verlebte ich mit vier Schwestern", und er stellt sie uns da vor: die älteste Schwester war etwa drei Jahre jünger als er, Karoline Sophie, die spätere Frau Nettelbeck, die Vater und Mutter bis in den Tod gepflegt hatte, dann die zweitälteste Schwester Christiana Regina Sophie Strauß - vier Jahre jünger als Friedrich - die dann Pfarrfrau wurde und einen guten Bekannten und Freund von Friedrich Strauß heiratete, den späteren Konsistorialrat Johann Gottlob Krafft aus Köln, eine ganz kurze Ehe, bei der die Schwester kurz nach der Geburt des Sohnes 26jährig verstarb. Der Sohn Karl, der mutterlos aufwachsen musste, war oft bei den Großeltern in Iserlohn und wurde dann auch ein bedeutender Pfarrer. Die dritte Schwester war unverheiratet, verstarb auch relativ früh, und die vierte dann sogar schon mit fünfviertel Jahren, was Friedrich besonders schmerzte.
1792 war das Jahr, als halb Deilinghofen abbrannte, wie man auf dieser Inschrift am Haus Ziegenhirt lesen kann…



Genau in diese Zeit fiel ein für Friedrich Strauß einschneidendes Erlebnis, nämlich dass er als Sechsjähriger die Blattern bekam; er erzählt es uns so:
"So bedeutend meine Blatternkrankheit gewesen, habe ich doch nur eine dunkle Erinnerung davon. Es war 1792 am Vorabend des Tages, an dem das Dorf Deilinghofen abbrannte. Die Bevölkerung von Iserlohn strömte zu dem Hahrhügel, um die Feuersbrunst aus der Ferne zu beobachten. Die Magd nahm mich auch mit, mußte mich aber bald zurückbringen, da ich über Unwohlsein klagte. Ich weiß nur, daß ich mich hernach vor die kleine Thür auf einen Schemel setzte, das Zuströmen der Menge ansah und nach und nach in den peinlichsten Zustand gerieth, der in Kopfweh, und einem dumpfen, unleidlichen Drängen der ganzen körperlichen Tätigkeit in die Haut bestand, in welchem mir war, als wollte das Blut und alle Säfte aus den Poren heraus. […] Die Krankheit war so heftig, daß ich an derselben vierzehn Tage blind lag. Meine Mutter erzählte oft, wie mein Vater händeringend im beständigen Gebete gewesen, und wie er vor Freuden geweint und laut dem Herrn gedankt habe, als sein Gebet erhört worden und ich ihm dadurch, daß ich ihn wieder erkannte, zeigte, daß ich sehen konnte. Dem väterlichen Gebete und dem mütterlichen verdanke ich es, daß diese verheerende Krankheit keinen meiner Sinne beschädigt hat, und daß vorzugsweise meine Augen eine Gesundheit behalten haben, die selbst durch meine langen Lucubrationen nicht beeinträchtigt wurde. Im zwanzigsten Jahre wurde ich kurzsichtig, aber ich fühlte nie an den Augen eine Schwäche, wenn ich auch eine ganze Winternacht durchgelesen und geschrieben hatte. Erst mit dem sechzigsten Jahre ist es mir schwer geworden, schlechte Actenhandschriften und kleinen Druck bei Nacht zu lesen. Unwillkürlich, wenn ich dieses Glücks mir bewußt wurde, habe ich meinem Vater auch für diese Fürbitte danken müssen […] Wenn die Blattern heilen, verursacht der Schorf einen prickelnden Kitzel und der Kranke sucht ihn durch Hinwegnehmen zu beruhigen. Man hatte mich gewarnt und meinen Ungehorsam bezwungen, indem man mir die Hände festband. Doch ich hatte sie eines Tages los zu machen gewußt und riß in mein Gesicht hinein, daß überall Narben entstanden. Ich muß sehr vernarbt geworden sein, so daß ich mich noch erinnere, wie die älteren Leute mich bedauerten und die Kinder mich auslachten. Dadurch verlor ich die Aehnlichkeit mit meinem Vater, die man oft gepriesen hatte, und erst im Alter, wo sich die Narben verlieren, hat man sie hier und da wieder erkennen wollen."
Weil wir da bei heimischem Lokalkolorit und "Deilinghofen" sind, möchte ich noch eine weitere Passage aus den Abendglocken-Tönen zitieren. Friedrich Strauß legt da Rechenschaft ab, was seinen geliebten und von ihm über alles bewunderten Vater, den Erweckungsprediger Johann Abraham Strauß zu einem so ungewöhnlich gesegneten Mann und zum Pfarroriginal gemacht habe - und da kommt er auf Deilinghofen und das dortige Alte Pastorat, den Ort, an dem Strauß sen. in den Jahren bis 1790 seine eigentliche geistliche Prägung erhalten hat bei seinem älteren Amtsbrüder und geistlichen Vater Gottfried Wilhelm Andreas Dümpelmann, einem Pfarrer, der geistlich stark herrnhutisch ausgerichtet war; zu ihm schreibt Strauß jun.:




Da "fällt mir […] G. W. Dümpelmann, ein, der nach einer Notiz in meines Vaters Bücher-Concordanz von 1767-1791
[FG: richtig wäre 1765-1790]  Pfarrer in Deilinghofen bei Iserlohn war, und dessen Freundschaft ich als das […] vielleicht einflußreichste Moment für die Entscheidung hätte anführen sollen. Was von hingebender, treuer und enthusiastischer Freundschaft mein Vater erfahren konnte, muß ihm in diesem älteren Amtsbruder gegeben worden sein. Er war unverheirathet, wohnte nicht weit von der Gränze der Iserlöhner Gemeinde, und beide waren durch die innigste Gemeinschaft derselben geistlichen Erfahrung verbunden. Manchen Abend und manche halbe Nacht haben sie zusammen an dem alt-westphälischen Küchenheerde in dem Deilinghofer Pfarrhause gesessen, und Josephson erzählt in seinen Reliquien eine liebliche Anekdote, wo sie einmal eingeschlafen und dann plötzlich erwacht sich schon im Himmel geglaubt haben [diese Anekdote wird nach Emill Frommel gelesen und ist von HIER aus in einer schönen Audioversion zu hören].
Der Tod dieses seltenen Freundes, und die Leichenpredigt, die ihm mein Vater hielt, hatten ihn so ergriffen, daß er nur mit stärkster Bewegung nach vielen Jahren davon reden konnte.
Sonst stand er allein unter den Amtsbrüdern mit seiner Liebe zum Heilande, aber er verkündigte ihn mit solcher hinreißenden Gluth, daß das Feuer gewaltig um sich griff und alle Empfänglichen in der Gegend entzündete. Es gab Höfe, wie Dröschede und Ihmert [in Straußens großem Kirchspiel], in denen fast alle Bauern und ihre Frauen erweckt wurden."
An vielen Stellen der Abendglocken-Töne vermerkt Gerhard Friedrich Abraham Strauß, wie stark er selbst sich von dem Grafen Zinzendorf und seiner Herrnhuter Brüdergemeine geprägt weiß. 13-jährig machte Strauß jun. eine Reise nach Neuwied in das dortige Zentrum der Brüdergemeine, und er vermerkt in der Autobiographie dazu: "In Neuwied […] trat die Brüdergemeinde mit ihrer Fülle von Gefühl und Liebe an mein Herz".
Darüber hinaus beschreibt er in den Abendglocken-Tönen, wie ihn andere Menschen theologisch beeinflusst haben: etwa die beiden besonderen Glaubensmänner aus der Goethe-Zeit, Lavater und Jung-Stilling, auch durch seine Schriften der evangelische Mystiker Gerhard Tersteegen. Das ist der, von dem u.a. "Ich bete an die Macht der Liebe" stammt. Lavater kannte Strauß durch dessen Bücher aus des Vaters Bibliothek und Jung-Stilling darüber hinaus auch durch persönliche Kontakte, dreimal habe er Jung-Stilling persönlich gesehen und Lavater sei ihm in Heidelberg und in Ronsdorf und Elberfeld auch durch enge Verwandte persönlich nahegekommen.
Konfirmiert wurde Friedrich von seinem Vater, eine sehr einschneidender und bewusster Vorgang, so schildert er das in seiner Selbstbiographie, und die danach folgenden 2 ½ Jahre nannte er die glücklichsten seines Lebens, denn sein Vater hatte für ihn statt des üblichen Gymnasiumbesuchs vor dem Studium ein Selbststudium zu Hause vorgesehen, nach einem damaligen pädagogischen Vorschlag für Söhne von Dorfpfarrern, der von dem preußischen Pädagogen Natorp stammte.
Zu den Iserlohner Jugendfreunden, die Strauß aus diesen Jahren in seinen Abendglocken-Tönen nennt, gehören ein Wilhelm Hövelmann, dann ein Schwabe, der in Iserlohn bei den von Scheiblers arbeitete, Rudolph Frauenknecht, und dann jener spätere Iserlohner Kaufmann und Bildungsbürger Carl Keutgen, den Wilfried Reininghaus in seinem Werk über die Iserlohner Kaufleute als einen besonders bedeutenden Iserlohner heraushebt. Strauß jun. weiß an dem späteren Studienkollegen Carl Keutgen zu schätzen, dass dieser aus einer überaus geachteten Familie stammte, sich aber nicht zu schade war, Sonntag für Sonntag unter die Kanzel der Bauernkirche zu kommen, wo Vater Strauß predigte.  Weiter => =>