Andacht über "Lebensbild" und "Erweckung" als Einstieg in die Thematik
 

Lied: Ach, dass doch bald dein Feuer brennte - oder: Wach auf, du Geist der ersten Zeugen…

Als Vorbemerkung stehe hier eine kleine Andacht. Elisabet van Randenborgh hat viel mit dem Thema "Erweckung" zu tun, und auch der Begriff "Lebensbild" passt zu ihrer Art zu schreiben. Deshalb möchte ich anhand von zwei neutestamentlichen Stellen über "Erweckung" und über "Lebensbild" etwas aussagen, das uns zur Besinnung dienen kann: zur Vor-Besinnung.

In Epheser 5, Vers 14 liest man (als ein indirektes Zitat aus Jesaja 60, 1): "Wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten." Und in Hebräer 13, Vers 7 heißt es: Gedenkt an eure Lehrer, die euch das Wort Gottes gesagt haben; ihr Ende schaut an und folgt ihrem Glauben nach. Manche von uns, die bibelfest sind, mögen wissen, dass dieses "Denken an die Lehrer" dort im Hebräerbrief ganz im Horizont eines anderen Verses steht, der direkt danach kommt: Jesus Christus - gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit!

Ich will das jetzt gar nicht im Einzelnen auslegen, das mit der Erweckung nicht und das mit den Lehrern, an die man denken soll, nicht. Ich will da nur andeuten, wie das mich als ein "Kind der Freien ev. Gemeinde" immer schon angesprochen hat.
Man kriegte, wenn man da aufgewachsen ist, eine ungeheure Bibelkenntnis, kein Wunder, wenn man manchmal sonntags mit Sonntagsschule zwei, manchmal sogar drei Gottesdienste in Schwerte besuchte und jeden Tag aus der Bibel etwas hörte, auch auf den täglichen Kalenderzetteln. Da war ich schon als Kind immer froh, wenn die Bibelauslegungen auf der ersten Seite des Kalenderblattes auf der zweiten Seite mit Geschichten und Anekdoten erläutert wurden, wenn das Ganze farbig wurde! Ja, interessant war es, wenn man da aus der Kirchengeschichte und der Erweckungsgeschichte was erfuhr: von Missionaren wie Hudson Taylor, von einer Eva von Tiele-Winckler und Barnado, dem Vater der Niemandskinder, vom frommen Wuppertal, von Tersteegen, von Zinzendorf und den Herrnhutern, natürlich auch von Luther und Katharina von Bora.
Diese Vorliebe hab ich heute immer noch: dass mich "Lebensbilder" geistlicher Väter und Mütter sehr ansprechen. Auch bei Predigten liebe ich das, wenn der Prediger das in der Bibel Beschriebene mit einer Biographie oder einer Erweckungsgeschichte liebevoll und lebendig in Verbindung bringt.
Dabei ist Geschichte und oft auch Kirchengeschichte zugegebenermaßen oft was Dröges: Päpste im Kampf gegen den Kaiser und all die Machtkämpfe und Geschichtszahlen – so was hat mich nie interessiert. Aber da, wo aus der christlichen Tradition das Feuer wieder rauskam, wo die Kirchengeschichte nicht nur "die Asche von gestern" war, sondern wenn da die Flamme wieder rauskam und sichtbar wurde, dann war es was Anderes! Das war faszinierend: wenn da die alte Leidenschaft für Jesus wieder neu an Menschen deutlich wurde. Kurz gesagt: In der Kirchengeschichte - da interessierte mich "Erweckung"! Das war auch Thema in vielen Lebensbildern, die bei uns zu Hause in Schwerte und dann in Hennen gelesen wurden: in vielen von diesen Geschichten ging es um die Erweckungsbewegung, um das Thema von  Eph. 5, 14: "Wache auf, der du schläfst, und stehe auf von den Toten, so wird dich Christus erleuchten."  Und natürlich ging es um das Andere auch: Gedenken an die Lehrer, die uns das Wort Gottes gesagt haben. Ihr Ende zu bedenken, und in ihrer Richtung weiterlaufen, im Blick auf Jesus, der gestern, heute und morgen derselbe ist nach Hebräer 10.
Für die Freien evangelischen Gemeinden haben das, was ich da im Auge habe, zwei Männer ganz doll getan, die ich beide seit mehreren Jahrzehnten kenne und duzen darf: Prediger Hartmut Weyel, der seine Lebensbilder immer in "Christsein heute" darstellt und Prediger August Jung hier bei uns, der immer wieder mahnte in seinen Büchern, das Erbe der Väter als Ansporn einerseits und als Warnung ernstzunehmen.
Zweimal hab ich hier in der FeG Iserlohn schon einen Vortrag gehalten, und beidesmal ging es um das Erbe der Väter und auch um die Erweckungszeit: Ich habe hier gesprochen über den originellen Iserlohner Pfarrer Johann Abraham Strauß (als PDF-Aufsatz HIER), der 1836 starb und in dessen Gemeinde (z. B. in Ihmert) Erweckungen stattfanden. Und ich habe hier vorher schon über Luise von Scheibler (als PDF-Aufsatz HIER), die reiche Iserlohner Bürgermeister-Gattin, geredet, die zum Glauben erweckt wurde von den Herrnhutern und dann zum Schluss ganz zu Johann Christoph Blumhardt nach Bad Boll zog, also zu dem großen württembergischen Erweckungspfarrer des 19. Jahrhunderts. Bei beiden Vorträgen hätten dieselben beiden Bibelverse am Anfang stehen können wie heute: "Wache auf, der du schläfst und stehe auf von den Toten…" Und "Gedenket eurer Lehrer, gedenket eurer Väter und Mütter"!
Was heute Elisabet van Randenborgh angeht, ist es wieder ähnlich! Sie stammt aus einem Erweckungsgebiet, aus der Minden-Ravensbergischen Erweckungsbewegung. Sicherlich wissen Sie alle, dass es im 19. Jahrhundert in vielen Gebieten Deutschlands "Wellen" gab, in denen der Glaube ganz neu und machtvoll zum Zug kam: wie gesagt bei Blumhardt in Möttlingen und Bad Boll, im frommen Wuppertal, wo mit Hermann Heinrich Grafe ja auch die Freien ev. Gemeinden entstanden, im Siegerland, um Hermannsburg, um Dillenburg, in Pommern (Namen z. B.: Familie von Thadden oder Otto von Bismarck)  usw.
usw. Das war wie ein neues Erwachen des Glaubens, bei vorher eingefahrenen Christen, aber z. T. auch bei Nichtchristen. Und aus der Freien ev. Gemeinde früher erinnere ich mich, dass sonntags oft gebetet wurde, der Herr möge unserm Land "eine neue Erweckung" schenken (heute ist das wohl leider nicht mehr so modern, um Erweckung zu beten…).
Ja, und auch in Ostwestfalen, im Minden-Ravensbergischen Land, gab es so eine große Erweckungsbewegung. Diese ist sehr stark mit einem Namen und einem Gesicht verbunden: Mit Johann Heinrich Volkening, dem großen Erweckungsprediger, der von 1796 bis 1877 lebte, geboren in Hille bei Minden und gestorben in Holzhausen bei Lübbecke.
Der Erweckungsprediger Volkening war an mehreren Stellen des Minden-Ravensbergischen Landes Pfarrer, zuletzt lange in Jöllenbeck (heute ein Stadtteil von Bielefeld). Volkening, Sohn eines Windmühlenbesitzers, war in einem gläubigen Elternhaus aufgewachsen, die Eltern gehörten zu den „Stillen im Lande“, wie man sagte, und sie hatten immer offene Türen für die umherreisenden Brüder der Herrnhuter Brüdergemeine. Volkening war ein gewaltiger Prediger, der die Menschen in Scharen anzog (wie wir noch hören werden). Er hatte die Gabe, Menschen tief zu prägen, aber er war auch einer, der leicht abstoßen konnte, wenn er recht streng z. B. gegen die Schützenfeste und die Trunksucht wetterte. Bis zum König von Preußen war Volkenings die Kunde von Volkenings Predigtgabe gedrungen, der wollte ihn sogar zum Generalsuperintendenten von ganz Westfalen machen wollte, was aber Volkening ablehnte.
Mitte und Motto von Volkenings Predigt und Theologie war der Satz: "Gerettetsein gibt Rettersinn", und in dieser Richtung unterstützte er die äußere Mission, regte Missionsfeste an und richtete sie ein, dass sie zu beliebten missionarischen Veranstaltungen wurden. Er bereitete aber auch für diakonische Werke, z. B. für die spätere Anstalten in Bethel, den Boden zu. Für Jugendliche und Männer hat er Posaunenchöre gründen lassen, diese von dort kommende Posaunenchorbewegung hatte ihren bekanntesten Vertreter im Posaunengeneral Johannes Kuhlo, der 1941 starb. Was man noch von Volkening kennt, ist seine Verbindung zu dem gläubigen Carl Bertelsmann und sein Geschäft in Gütersloh, bei dem aus kleinsten (zuerst nur frommen) Anfängen ein Riesenverlagsunternehmen wurde, bis hin zum Bertelsmannschen Bücherclub, der in diesen Tagen sein  Erscheinen einstellte.
All das hat Volkening übrigens „im Tandem“ mit einem weiteren Theologen gemacht, mit dem er länger als ein halbes Jahrhundert freundschaftlich engstens verbunden war: mit Pfarrer Karl Kunsemüller, der zuletzt auch in jener Gegend Superintendent war. Der ebenfalls erwecklich-pietistisch ausgerichtete Sohn Pfr. Karl Kunsemüller jun. war übrigens neun Jahre lang - bis kurz vor seinem frühen Tod - Deilinghofer Pfarrer, ein ebenfalls erwecklich geprägter Deilinghofer Pfarrer, ein Mann, der natürlich Volkening aus seinem Elternhaus, wo dieser ein- und ausgegangen war, bestens kannte…

 

 

 
 


Die berühmten Ravensbergischen Monatshefte, eine erweckliche Erbauungszeitschrift, hat dieser Pfarrer Karl Kunsemüller jun. in Deilinghofen eingeführt, und den Deilinghofer
Friedhof hat er bauen lassen, in dessen Mitte er das große Steinkreuz aufbaute, das die Familie Kunsemüller bezahlte. Da steht – ich las es immer als warmen Gruß der Minden-Ravensbergischen Erweckungsbewegung – das Jesuswort:
Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen.

 


Gedenket an eure Väter, die euch das Wort Gottes gesagt haben! Wache auf, der du schläfst und stehe auf von den Toten, so wird Christus dich erleuchten!

 

Gebet.

 

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