Donnerstag, 1. Februar 1996

(wovon Harald hier schreibt, das soll mal BDKG 3b werden – in memoriam Harald Korsch-Gerdes)

Hier ein anfänglicher Text von Harald Korsch-Gerdes (geschrieben im November 1995!!) als Grundlage einer Veröffentlichung im IKZ

Da staunte der Heinrich Brüsecke aus Ihmerterbach, passionierter Sammler historischer Ansichtskarten, am vergangenen Montag nicht schlecht, welche hektische Betriebsamkeit er beim evangelischen Pfarrer von Deilinghofen Dr. Friedhelm Groth auslöste. Er hatte in Wuppertal auf einer Sammlerbörse alte Dokumente von einem Händler aus Berlin erworben und weil er nur

"Deilinghofen" und "Basse Pastor" entziffern konnte, fragte er halt in Deilinghofen beim Pastor nach und war prompt an den bzw. genauer an die Richtigen geraten. Harald Korsch-Gerdes hat inzwischen die Unterlagen gesichtet und schreibt dazu:

Man mag schon fast nicht an Zufall glauben, daß gerade uns, den Herausgebern der "Blätter zur Deilinghofer Kirchengeschichte" dieser heimatgeschichtlich äußerst wertvolle Fund zur Begutachtung vorgelegt wurde. Passen sie doch zeitlich genau in die Welt des Bandes 3, die Zeit von 1765 - 1835. Es handelt sich einmal um eine Art Sterbeurkunde, die Pastor Basse 1805 ausfertigte, der übrigens der besterhaltensten Abdruck des Ur-Kirchensiegels von 1766 beigefügt ist. Es geht dabei um niemand anderes als um Caspar Diederich Schnetger, der von 1753 - 1778 Küster in Deilinghofen war. Diese Stelle erhielt er nur, weil er sich verpflichtet hatte, die Witwe seines Amtsvorgängers Johan Goswin Mollerus, Anna Marg.

Oberfeldhaus gnt. Schütte aus Brockhausen, zu heirateten. Bis 1764 war er auch Lehrer, mußte dieses Amt dann aber unter noch nicht geklärten Umständen aufgeben. Nun hoffte Dr. Groth, durch das zweite wertvollere Dokument Licht in einige noch ungeklärte "Geheimnisse" der Deilinghofer Kirchen- und Schulgeschichte zu bringen. Es handelt sich um einen 63seitigen Lebensbericht, den der jüngste Sohn des Küsterehepaares 1847 im Alter von 77 Jahren fern der Heimat, wo er zu Geld, Ruhm und Ansehen gekommen war wiederum für seinen

Sohn verfaßt hatte. Er war am Heiligen Abend des Jahres 1770 in Deilinghofen geboren worden und seine Rufnamen Gottfried Wilhelm trug er nach keinem Geringeren als seinem Taufpaten, dem bedeutenden Deilinghofer Pastor Gottfried Wilhelm Andreas Dümpelmann (1765 - 1791) – einem "Herrnhuter", wie Schnetger jun. in seinen Erinnerngen extra ausführt.

Nun, die Klärung der "großen Geheimnisse" blieb aus, aber die 14 Seiten über seine Jugend in Deilinghofen von 1770 - 1786 gehören zu den schönsten und lebendigsten Berichten, die wir aus der Zeit haben. Schnetger schwärmt regelrecht über seinen Geburtsort, von der "schönen Lage, am Fuße eines hohen 2 Stunden langen Berges - Balverwald genannt – ein fruchtbares Thal, treibt nur Landwirthschaft", erwähnt die "berühmte Fabrikstadt Iserlohn" und sogar die Alte Höhle in Sundwig, in der er wohl als Jugendlicher oft gewesen war. Ins

katholische Ausland (Kurköln - jenseits der Hönne) gingen die Deilinghofer gern, um das "Schimpfen der Pfaffen auf die Lutheraner" bei Prozessionen zu hören, mußten aber aufpassen, nicht entdeckt und "todtgeschlagen zu werden". Dann kommt Schnetger ausführlich auf seine Lebensumstände zu sprechen, auf seine Familie, auf einen Einbruch in die Küsterei 1778, nachdem der Vater gestorben war, und auf deren Abbrennen im gleichen Jahr. Den Achtjährigen hatte man vermißt und fand ihn erst am nächsten Tag schlafend im Garten. Schnetgers/Mollerus besaßen das Haus in den Klippen "im städtischen Style gebaut", in dem damals Bergleute wohnten und hatten das Spiekermannsgut gepachtet (Rechtecke Beginn Brockhauser Weg / Hönnetalstraße). Man betrieb Landwirtschaft und eine Gaststätte, in der sich Gottfried Wilhelm sehr wohlfühlte. Als Jugendlicher mußte er schon hart arbeiten und beschäftigte sich viel mit dem Herstellen von Backwaren, was er genauestens beschreibt.

Sein Stiefbruder Gottfried Mollerus, später Kirchenältester, aber auch ein bedeutender Wild- und Forstdieb, gab ihm auch darin Unterricht, was aber nur zwischen den Zeilen vorkommt. Bevor er 1786 nach Leipzig zieht, um bei der Iserlohner Kaufmannsfamilie von der Becke im dortigen Handelshaus eine Lehre zu beginnen, wird er noch von seinem Paten Pastor Dümpelmann im Alten Pastorat konfirmiert. Es ist die erste persönliche Beschreibung, die wir von diesem Mann haben: "ein großer starker Mann ... immer ernsthaft und strenge". Zum

Unterricht notiert Schnetger noch: "Etwas anderes als Religion kam nicht vor".

Es dürfte sinnvoll sein, den ganzen Text in der Heimatvereinszeitschrift "Der Schlüssel" zu veröffentlichen, auch wenn der größere Teil, mit ausgedehnten Reisebschreibungen von Holland und England, mehr zur Handelsgeschichte Iserlohns gehört. Ob er je wieder in Deilinghofen war, schreibt er nicht, 1795 heiratet er in eine bedeutende Kaufmannsfamilie ein, hat selber ein Handelshaus und landet im fortgeschrittenen Alter wieder bei seiner doch geliebten Landwirtschaft und kaufte sich ein großes Gut in Machern / Sachsen.

Was Harald hier beschrieb, wurde noch viel aufregender: Verwicklungen mit Freimaurern usw. Den Deilinghofer Text von Schnetger findet man demnächst: hier